Hallo,
ich möchte hier ein paar Erfahrungen teilen, die ich bei dem Umbauprojekt gesammelt habe, um einerseits anderen Leuten zu helfen, die vielleicht ähliches vorhaben. Und um den Personen, die mich in anderen Threads mit Hinweisen und Inputs unterstützt haben das Ergebnis zu zeigen.
Der Ursprüngliche Thread in dem viele Fragen zu dem Projekt detaillreich diskutiert wurden ist
hier zu finden.
Zusammenfassung: Ich werde kurz nochmal umreißen was die Anforderungen sind. Dann werde ich ein bisschen erzählen wie der Ablauf war. Anschließend werde ich auf ein paar kritische Punkte bzw. Komponenten eingehen. Zum Schluss werde ich eine Übersicht mit ein paar Lessons Learnt erstellen. Bilder vom ursprünglichen Fahrrad und vom fertigen Fahrrad sind weiter unten zu finden.
Kurzes Fazit: Ich würde es nochmal machen, aber bei der Auswahl des Rahmens besser aufpassen.
Zum Projekt: Ziel: Gravel / Reiserad mit Rennradlenker.
Anforderungen:- Dropbars mit STI's
- Möglichst günstig
- Felgenbremsen (einfacher wartbar und weniger Überhitzung bei längeren Abfahrten + kaum Erfahrung mit Scheibenbremsen)
- Gepäckträger montierbar
- Ausreichender Radstand (Fersen sollen nicht an Packtaschen kommen, Fusspitzen sollen Vorderrad nicht so stören)
- Passende Oberrohrlänge für Umbau auf Dropbars (wenn zu lang -> Sitzposition zu gestreckt)
- Rahmen ausreichend für Systemgewicht von ca. 120 kg (20 kg Fahrrad + 70 kg Fahrender + 30 kg Gepäck)
- Einsatzgebiet: kleinere Reisen über die Alpen und in Europa; Graveln im Wlad und auf Schotter
- Platz für mindestens 30 mm Reifen
- Starrgabel
- Berggängige Übersetzung (Kurbel ca. 22-34-46; Kasette ca. 11-34)
Gesagt getan. Ich habe mich zunächst im Internet umgeschaut und mir angeguckt, was es da so zu kaufen gibt. Dabei habe ich 2 Probleme für mich gesehen, bei den Rädern die ich gefunden hatte:
A) Die Räder sind alle recht Teuer. Passende gehen so bei 1.500 € los. Gern auch 1.800 € und mehr
B) Die Ausstattung hat mir nicht so zugesagt. Insbesondere Die Übersetzung. Meistens maximal 26er als kleinstes Kettenblatt.
Insbesondere die Übersetzung war für mich wichtig, da ich Knieprobleme habe und entsprechende lieber kleine Gänge und eine hohe TF fahre. Hatte mit dem Ritzelrechner schon ein wenig herumgespielt und war mir eig sicher, dass ich ein 22er KB will. Insbesondere wenn die Packtaschen mal voll sind.
Daher hat sich dann die Idee manifestiert, ein altes Trekkingrad zu nehmen und dieses zu einem Gravelbike umzubauen. Da kann ich ich dann die Komponenten frei wählen und mir eine passende Übersetzung dran basteln. Außerdem, so der Plan, komme ich so recht günstig weg mit ca. 500 €. Siehe dazu die Überschlagsrechnung im ursprünglichen Thread.
Ablauf:Rahmensuche:Ich habe mich dann also auf die Suche gemacht nach einem passenden Stahlrahmen. Habe dann einen von Koga Miyata gefunden mit dem ich recht zufrieden war. Das Rad hat 150 € gekostet. Modell: Terra Liner.
Zu große Bilder in Link umgewandelt (Maximalbreite: 1024 Pixel): HINWEISE AN DIE BEITRAGSSCHREIBER (Treffpunkt) Bild Die Ausstattung war 9-Fach, was ich auch sehr gut fand, da hierbei die Kompatibilität mit MTB Schaltwerken und Kasetten gegeben ist. Auch die Anforderungen schienen umsetzbar.
Inspektion:Ich habe das Rad anschließend komplett auseinander genommen und mir die Komponenten angeschaut. Dabei hat sich herausgestellt, dass das Steuersatzlager durch war und ersetzt werden musste. Ansonsten war der Rahmen in einem ganz guten Zustand.
Die Naben sowie die Felgen waren durch. Das war zu erwarten. Die Kasette schaute noch sehr gut aus, die Kettenblätter waren i.O..
Das Schaltwerk war ziemlich verdreckt, hat aber noch funktioniert. Der Umwerfer sah noch gut aus.
Vorbau und Lenker sind auch in gutem Zustand, sollen aber getauscht werden. Die Schalt-Bremsgriffe waren fast neu und wurden wegen des Tausches direkt auf ebay verkauft. Die Bremsen waren noch ok.
Plan:Nach der Inspektion habe ich mir einen Plan gemacht, was ich alles an dem Fahrrad machen möchte. Vor allem habe ich mir angeschaut wie ich Rennrad Komponenten mit MTB Teilen kombinieren kann. Darauf gehe ich am Ende nochmal genauer ein.
In dem Rahmen habe ich mir auch eine Excel-Liste erstellt mit Teilen und Komponenten, die ich mir noch kaufen möchte bzw. die noch gebraucht wurden. Die Liste wurde ständig überarbeitet. Daher kann es gut sein, dass in der Liste noch ein zwei Sachen fehlen, die ich gerade nicht auf dem Schirm hatte.
Dabei hat sich recht schnell gezeigt, dass das ganze n bisschen teuerer wird als gedacht. Insbes. die Lackierung hat ganz schön reingehauen. Ist aber auch echt schön geworden.
Umbau:Zunächst musste der Rahmen lackiert werden. Anschließende habe ich habe dann nach und nach angefangen Teile zu bestellen, die neuen Laufräder einzuspeichen, mich über bestimmte Komponenten zu informieren und die passenden auszuwählen.
Was hierbei am längsten gedauert hat war:
A) Sich klar zu werden: Was möchte ich für Komponenten haben und wie passen die am Ende zusammen
B) Ich habe keinen genauen Plan ausgearbeitet. Daher war es für mich manchmal nicht ganz ersichtlich was nun als nächstes dran war und ich habe viel einfach drauf los gemacht, was nicht immer effektiv war.
C) Aufgrund von Punkt B) waren dann manchmal nicht alle Teile schon vorhanden oder geliefert, die ich für den nächsten Schritt brauchte.
D) Ich war relativ viel krank in dieser Zeit.
Ich habe am Ende ca. 3 Monate gebraucht bis das Rad fertig war. Wenn alle Teile da gewesen wären und ich mir mehr Zeit genommen hätte wäre es auch deutlich schneller gegangen. Ich würde aber trotzdem lieber zu viel als zu wenig Zeit einplanen. Irgendwas kommt immer dazwischen.
Kritische Punkte bzw. kritische Komponenten:Folgende Punkt haben mir viel Kopfzerbrechen bereitet:
Pasende Rahmengröße:Habe dazu recht viel recherschiert im Vorfeld. Problem bei solchen Umbau-Aktionen ist meistens, dass Trekkingräder für Flat-Bars konzipiert wurden. Wenn mensch da nun n Dropbar ranmacht sind die Griffe weiter weg und mensch sitzt gestreckter.
Augen auf bei der Rahmenwahl!!!Ich habe einen Rahmen genommen bei dem ich dachte "könnte noch 2cm kleiner / kürzer sein, aber wird schon passen." Ende vom Lied: Es passt nicht so ganz und ich fühle mich nicht richtig wohl. Dazu später noch mehr.
Kettenblätter / Kurbel:Mit einer RR-Schaltung kann ohne Umlenkung eigentlich nur ein RR Umwerfer bedient werden. Auch bei 9-Fach. Es gibt zwar immer mal wieder einzelne Berichte wo das funktioniert hat. Die sind aber eher anekdotisch und selten. Ich wollte aber umbedingt eine MTB Kurbel benutzen, um ein kleines 22er Kettenblatt nutzen zu können.
Ich habe mir dann am Ende eine Umlenkrolle von J-Tek geholt. Die funktioniert Top! 10/10. Ist zwar n bisschen teuer (35 €), tut aber was sie soll. Es gibt auch keine günstigeren Alternativen, soweit ich weiß. Beim Kauf darauf achten, dass die richtige Umlenkrolle bestellt wird. Es gibt verschiedene Rollen für verschiedene Kombinationen.
Mein Sora Schalthebel kann das 3-Fach MTB Kettenblatt problemlos schalten.
Reifenbreite / verfügbarer Platz:Ich war mir lange nicht sicher wie viel Platz ich im Rahmen mit montierten Schutzblechen habe, da ich auch keine Reifen zum ausprobieren zur Verfügung hatte. Außerdem bauen die Reifen auch unterschiedlich und sind nur bedingt vergleichbar.
Ich habe dann auf gut Glück Gravelking in der Breite 40 bestellt. Die Reifen haben ausreichend Platz, auch mit Schutzblechen. War aber eher Glück als Verstand. Ich wusste aber auch nicht wirklich wie ich es anders machen sollte.
Schaltwerk:Eher unkritisch, wills aber trz kurz erwähnen. 9-Fach MTB-Schaltwerke lassen sich super mit 9-Fach RR Schalthebeln schalten. Funktioniert auch bei mir Problemlos.
Bremsen:Ältere STI's, die "nur" SLR bremsen haben funktionieren eigentlich nicht gut mit normal langen V-Brakes. Die die ich benutze haben eine Schenkellänge von 110 mm. Die neueren STI's, also auch die Sora's, welche ich benutze, haben Super-SLR Bremsen. Zu der Kompatibilität mit V-Brakes gibt es geteilte Meinungen. Meine Erfahrung mit 110 mm Vbrakes und Super-SLR:
Kann mensch machen, ich werde mir aber demnächst welche mit 100 mm oder noch kleinere holen, weil die Bremsbeläge wirklich sehr nah an der Felge gefahren werden müssen.
Bremskraft ist gut bis sehr gut. Einstellen ist mega nervig und fummelig.
Fertiges Bike:BildLessons Learnt:Rahmengeometrie - Trekkingrahmen sind Trekkingrahmen und werden durch nen Umbau nicht zum Gravelbike:Ich fühle mich auf dem Rad nicht zu 100 % wohl, weil das Oberrohr mir zu lang ist. Davor wurde ich in einigen Foren gewarnt und ich hatte gedacht, dass der Rahmen "schon passen wird". Aber ich bräuchte eigentlich einen mit einem 2 - 4 cm kürzeren Oberrohr. Eben eher eine RR Geometrie. Außerdem sind die Winkel auch anders.
Ich hatte damals einfach nicht mehr so Lust zu suchen und wollte anfangen. Außerdem fand ich die restlichen Komponenten am Rad gut. Das sollte aber nicht die Grundlage für ne Entscheidung sein!!
Der Rahmen ist die Basis und 2 cm können da schon viel ausmachen. Also bitte geht keine Kompromisse ein, wenn ihr euch einen entsprechenden Rahmen sucht. Sonst macht ihr die ganze Arbeit für ein Rad, auf dem ihr euch am Ende nicht 100 % wohl fühlt.
P.s.: Kürzeren Vorbau anbauen is auch nix, weil das Lenkverhalten daurch indirekter wird. Meiner ist recht kurz und ich finde es schon Grenzwertig.
Rahmengeometrie 2:Die Kurze Steuerrohrlänge habe ich n bisschen Unterschätzt. Dadurch, dass der Adapter von Gewinde auf Ahead sich auch nicht wirklich weit aus dem Stuerrohr herausziehen lässt, ist der Lenker immer recht weit unten. Das ist neben der gestreckten Position ebenfalls ein wenig unangenehm. Zum heizen gerade noch so ok. Zum Touren machen zu tief.
Günstig? LOLEs war am ende deutlich, deutlich teurer als gedacht. Ich habe in der Excel Liste nicht alle Kosten, aber ich glaube ich bin am Ende bei 1.100 € - 1.200 € rausgekommen.
Kleinteile - das sind die Dinge an denen es hängt und die vergessen werdenAn nen Lenker denkt mensch bei nem Umbau und wahrscheinlich auch an Schaltgriffe. Wo ich aber oft ne Pause machen und erstmal etwas bestellen musste, waren Kleinteile, bspw. Schaltzugeinsteller.
Ist nicht schlimm, aber kostet Zeit.
Wenn in Fahrradforen steht: "Es geht nicht" oder "Es geht sehr wahrscheinlich nicht" dann ist es meistens auch soIch habe oft gedacht, dass ich für manche Probleme noch irgendwie n anderen Weg finde. Bspw. das der Rahmen "schon irgendwie passen wird", dass n kürzerer Vorbau n zu langes Oberrohr nicht ausgleichen kann, weils Lenkverhalten dann schlecht wird, dass auch Super-SLR Bremsen mit V-Brakes nur mäßg funktionieren.
Ich habe gelernt, dass es wichtig ist zu akzeptieren, wenn etwas mal nicht so geht wie mensch sich das vorgestellt hat.
Ich habe unfassbar viel gelerntIch habe echt deutlich mehr gelernt als ich am Anfang gedacht hätte.
Es ist n größeres Projekt als angenommenIch dachte ursprünglich, dass das n schnelles Ding wird. Aufgrund von einigen unerwarteten Hindernissen und Sachen, die ich erst noch Recherschieren musste hat sichs dann deutlich länger gezogen, als gedacht.
Fazit:Würde ich es nochmal machen? Ja. Es hat Spaß gemacht und das Fahrrad ist wirklich sehr auf meine Wünsche angepasst. Dass der Rahmen nicht so gut passt ist wirklich ärgerlich. Ich werde jetzt entweder den Rahmen kürzen und ein neues Steuerrohr ranschweißen lassen (wenn das üerhaupt geht, habe ich noch nicht genauer recherschiert), oder einen anderen Rahmen besorgen und die Teile an den neuen Rahmne bauen.
Aber ich muss auch sagen, dass das Fahrrad an sich wirklich viel Spaß macht. Und das Gefühl ein Fahrrad zu fahren, das mensch "selber" gebaut hat, ist toll. Ich habe damit sowohl 2 Wochenendtouren gemacht, als auch regelmäßig im Wald Tagestouren. Es ist nicht so wendig wie ein reines Gravelbike und nicht so ein Panzer wie ein richtiges Reiserad. Für mich jedoch ein super Kompromiss.
Bis auf die Rahmengröße bin ich sehr zufrieden mit dem Rad.
Ich hoffe ich konnte hier ein bisschen interessanten Input geben zu meinem Projekt. Wenn ihr fragen habt, dann gern her damit, ich versuche die dann zu beantworten. Kann bei mir aber uU auch mal 1-2 Wochen dauern. Habt bitte Nachsicht.
Wenn ihr andere Ideen oder Anmerkungen habt auch immer her damit bitte.
Ansonsten Vielen Dank fürs lesen und viele Grüße
Carl