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#849308 - 28.07.12 12:32
Re: Jakobsweg mal wieder
[Re: Fricka]
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21. Tag
Der Morgen begrüßt uns mal wieder mit einem Platten. Wieder vorne. Und wieder erst bei Abfahrt bemerkt. Aber dann geht es weiter. Hier hält uns nun definitiv nichts. Auf der „richtigen“ Strecke kommt man auf besserem Weg zur Straße zurück, ein kurzes Stück noch bergauf und dann eine lange rasante Abfahrt durch den frischen Morgen runter an die Dordogne. Wir erreichen sie in Le Fleix, wo wir gleich erst einmal in der dortigen Auto-Reparaturwerkstatt ums Reifenaufpumpen bitten. Kein Problem. Auch hier ist man sehr hilfsbereit. Am Fluss entlang nach Ste Foy et Ponchapt ist es nicht weit. Und hier geht es schon wieder über den Fluss und aus dem Tal heraus. Wir statten den Flüssen auf dieser Tour in der Regel nur Kurzbesuche ab. Die meisten werden schlicht nur überquert. Im Ort sehen wir uns kurz die Kirche an und lesen in unserem Führer, dass man hier bei Bedarf im Obdachlosenasyl übernachten kann. Gut, dass es noch zu früh für die Quartierssuche ist.
Sofort wird es wieder ländlich. Sehr ländlich. Immer ländlicher. Ich habe die Route vorher zusammengesucht und eine Art Roadbook dazu geschrieben, dass im wesentlichen die Orte, die Richtungsänderungen und die Bezeichnungen der Straßen enthält. Das ist sehr verlässlich. Solange wir uns nach den Straßennummern richten, sind wir völlig auf dem richtigen Weg. Manchmal kann man das kaum glauben, so einsam ist es. Dabei sind die Orte genauso verlassen wie seit Lothringen meistens. Es gibt also kaum Möglichkeiten mal jemand zu fragen.
In St. Ferme halten wir an dem dortigen ehemaligen Kloster. Es ist riesig. Und auch menschenleer. Gegenüber ist das Refuge Pelerins. Man sieht Rucksäcke an der Wand lehnen. Dort ist tatsächlich jemand. Auf dem Weg haben wir niemanden überholt.
Weiter geht es nach La Reole. Der Ort ist gar nicht klein. Er liegt an der Garonne, über die eine hübsche Brücke führt. Über dem Ort liegt ein riesiges Kloster. Als wir auf dem zentralen Platz ankommen, beginnt gerade eine Volkstanzaufführung. Alle Männer haben Baskenmützen auf. Wir sind im Baskenland angekommen. Eine Kapelle spielt. Wir setzen uns dazu und sehen uns das an. Die Sonne scheint. So könnte es bleiben.
Aber wir möchten jetzt erst einmal auf den Campingplatz an der Garonne. Überraschung: Er ist geschlossen. Nun könnten wir uns natürlich da niederlassen, wie wir das schon öfter gemacht haben. Aber der Platz ist eine Wiese ohne Baum und Strauch. Von der Stadt her komplett einsehbar. Und auf dieser Seite ist ein Gewerbegebiet in dem merkwürdige Gestalten unterwegs sind. Das spricht uns nicht an. Also weiter. Der nächste Platz ist in Bazas. Dort gibt es sogar zwei.
Jetzt müssen wir uns natürlich beeilen. Bis Bazas ist es noch weit. Wir haben also keine Zeit mehr für Stopps. Das ist schade, weil es unterwegs nette Dörfer gibt. Überall wird gefeiert. Da könnte man sich gut mal anschließen. Aber mal so richtig Gasgeben macht auch Spaß. Wir erreichen Bazas also mit dem letzten Licht. Wir fahren durch den Ort. Kein Hinweis auf einen Campingplatz. Wo sollen sie sein? Wir folgen der Internet-Beschreibung. Es geht, natürlich bergauf, aus dem Ort heraus. Und als wir das ganze schon für einen Scherz halten, zeigt auch endlich ein Wegweiser in einen Abzweig und nach einem kurzen Stück Piste kommen wir in einer Art Freizeitpark an. Der übrigens beide Plätze ist. Wenn man das so sagen kann. Jedenfalls stehen beide Namen dran.
Wir melden uns an. Bauen unser Zelt auf und gehen in die angeschlossene Kneipe. Sowas ist doch mal eine nette Abwechslung. Der Platz hat nicht nur allerhand Kinderspielplätze, Minigolf usw., sondern auch einen überdeckten, geheizten Pool, einen Außenpool und einen See. Wir beschließen spontan bei gutem Wetter mal einen Ruhetag einzulegen und bei der Gelegenheit unsere Wäsche zu waschen. Morgen ist Pfingsten….
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#849579 - 29.07.12 13:56
Re: Jakobsweg mal wieder
[Re: Fricka]
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22. Tag
Die Sonne scheint. Es ist Pfingsten. Wir hängen die frisch gewaschene Wäsche in die Sonne und machen uns auf den Weg in den Ort, um einkaufen zu gehen. Auf dem Kirchplatz hat sich eine regelrechte Menschenmenge versammelt. Wir fahren erst einmal vorbei, auf der Suche nach Einkaufsmöglichkeiten. In dem hübschen Ortskern finden sich Läden jeder Art. Von diversen Spezialitätenläden bis zum Lebensmittelgeschäft. Wir beschließen, mal etwas aufwändiger zu kochen, da wir heute genug Zeit und kein Transportproblem haben.
Dann schließen wir uns den Menschen auf dem Kirchplatz an. In der Kirche geht der Pfingstgottesdienst gerade dem Ende zu. Wir kommen genau rechtzeitig zum Pilgersegen. Dazu reihen sich insgesamt 16 Pilger auf. Die anderen alle in voller Montur. Danach geht es vor die Tür. Vorweg marschiert ein Musikzug mit Querflöten und Trommeln. Die Musikanten in den baskischen Trachten, die wir schon in La Reole erlebt haben. Vor der Tür stehen kleine Jungs auf Stelzen Spalier. Auf sehr hohen Stelzen. Da sie Schaffellwesten tragen, vermute ich mal, dass das irgendeine Hirtentradition ist.
Wir sehen uns die archäologischen Ausgrabungen hinter der Kirche an, finden dort einen hübschen Garten mit Bänken und schöner Aussicht, wo wir einen kleinen Frühschoppen einlegen. Nun ist auch die Kirche zu besichtigen. Der Pfarrer übt inzwischen mal mit den werdenden Kommunionskindern. Die Kirche ist interessant. Wir haben allerdings inzwischen so viele gesehen, dass sie in der Erinnerung nur noch schwer auseinander zu halten sind.
Zurück auf dem Campingplatz packen wir unsere Badesachen aus und gehen in Richtung Pool. Unter der Überdachung ist es so heiß, dass es kaum auszuhalten ist. Das Wasser ist dazu auf Badewasser-Temperatur aufgeheizt. Man fühlt sich also eher wie in einer Sauna. Das Wasser draußen ist dagegen eiskalt.
Nach einer Mittagspause gehen wir noch einmal baden. Inzwischen hat man das Dach weggefahren und nun ist das Baden das reinste Vergnügen, das wir genießen, bis es Zeit ist bei Sonnenuntergang ein Glas Rotwein zu trinken.
23. Tag
Auf der Karte liegt Bazas direkt an der Grenze zwischen Bergland und Tiefebene. Praktisch ist von oben von hier von der Ebene noch nichts zu sehen. Wir gehen aber trotzdem davon aus, dass es heute tendentiell eher bergab bzw. eben zugehen wird. So klein der Ort ist, hier kreuzen sich zwei Hauptverkehrsstraßen und eine Autobahn schlängelt sich auch noch vorbei. Wir brauchen also die übliche Vollrunde, bis wir die richtige Ausfahrt finden. Immerhin finden wir dabei auch noch eine Ansammlung großer Supermärkte, die es nach Beschreibung der Camping-Rezeption nicht gibt. Heute haben sie geschlossen. Gestern war Sonntag, da war vormittags geöffnet. Heute am Pfingstmontag nicht. Da finde mal einer durch. Glücklicherweise sind wir versorgt, so dass uns das nichts ausmacht.
Kurz darauf geht es bergab und weiter durch eine völlig ebene Landschaft. Wir entschließen uns, die Hauptstrecke zu nehmen. Die Straße ist wunderbar ausgebaut. Der glatte Asphalt wirkt fast wie Rückenwind, den wir zusätzlich noch haben. Der Seitenstreifen ist breit und sauber. Es gibt kaum Verkehr, vielleicht feiertagsbedingt. Die Orte liegen bis zu 30 km auseinander. Die Straße geht schnurgeradeaus. Links und rechts ist Wald. Die größten Mücken, die wir bisher getroffen haben, surren in dichten Wolken herum und stürzen sich auf uns, sobald wir anhalten. Diese Rahmenbedingungen verleihen uns regelrecht Flügel. Wir legen die Strecke bis Mont de Marsan in Rekordzeit zurück.
Wir fahren meist mit mehr oder weniger großem Abstand. Jeder in seinem Tempo. Dabei achten wir normalerweise drauf, dass wir uns nicht aus den Augen verlieren. Heute wird der Abstand weit. Man kann weit voraus sehen, da es keine Kurven gibt. Aber aus der Ferne sind die Radfahrer natürlich nicht mehr eindeutig zu identifizieren. Und so gebe ich mir große Mühe, einen Radfahrer einzuholen, der mir, als ich ihm näherkomme, völlig fremd ist. Meinen Mann habe ich längst irgendwo überholt, wo er ein Foto machte, ohne ihn zu sehen.
Spannend. Wir haben für solche Fälle normalerweise Handys dabei. Meins mag aber kein Roaming. Ist jetzt also nutzlos. Ich beschließe, erst einmal bis in den Ort zu fahren und dort vor der Kathedrale zu warten. In der Hoffnung, dass er da auch auftauchen wird. Er denkt, ich sei hinter ihm und wartet am Ortseingang. Als ich nicht komme, vermutet er eine Panne und kehrt um. Ich stelle fest, dass es keine Kathedrale gibt. Auch kein irgendwie definiertes Ortszentrum. Hm. Ich frage in der Touri-Info, ob ich mal zu Hause anrufen darf. Kein Problem. Obwohl man für das Auslandsgespräch erst ein anderes Telefon holen muss. Geld will man auch keines dafür. Meine Tochter schickt meinem Mann eine SMS. Kurz darauf treffen wir uns vor der Touri-Info.
Wir könnten hier übernachten. Es ist aber noch relativ früh und wir sind fit. Bis Saint Jean Pied de Port sind es, wenn man unsere übliche Reisegeschwindigkeit beachtet, noch 2,5 Tage. Wie stark uns das Pyrenäenvorland ausbremsen wird, ist schwer zu kalkulieren. Also auf nach St. Sever. Wir nehmen die Autobahn. Na gut, an sich ist es keine. Man darf hier fahren. Sieht aber aus wie eine Autobahn und fühlt sich für uns auch so an. Der Seitenstreifen ist komfortabel, die vorgeschlagenen Haken zur Autobahnvermeidung sehen umständlich und steigungsreich aus. Wir versuchen das mal. Die Abfahrten sind relativ dicht. Die Strecke verlassen, können wir also bei Nichtgefallen problemlos.
Der Verkehr erweist sich als moderat, was wohl am Feiertag liegt. Die Steigungen sind gut fahrbar. Wir kommen zügig nach St. Sever. Auch da könnten wir übernachten. Wir überlegen und fahren erst einmal in den Ort. Der Campingplatz liegt vor dem Ort unten am Fluss. Der Ort oben auf einer Hügelkette. Wir arbeiten uns da rauf, finden oben einen netten mittelalterlichen Ortskern und sehen uns erst einmal die Kirche an, um dann in der Bar gegenüber einzukehren. Das Pilger-Refuge ist gleich um die Ecke. Die Pilger bevölkern die Bar. Wir quatschen ein bisschen und sitzen bequem.
Schließlich entschließen wir uns aber doch, noch bis Haguetmau weiterzufahren. Für die Übernachtung in St. Sever müssten wir wieder nach unten und am nächsten Morgen wieder rauf. Das ist gegen unser Prinzip. Wir fahren auch nicht wieder runter zur „Autobahn“, sondern nehmen den Weg durch die Hügel über Audignon und Horsarrieu. Als wir die Ausfahrt suchen, stellen wir fest, dass St. Sever größer ist als gedacht. Aber wir finden das richtige Sträßchen und fahren im Abendlicht in die Hügel. Außer uns ist hier praktisch niemand unterwegs. In Audignon sehen wir uns die romanische Kirche an, die allerdings schon geschlossen ist. Aber von außen ist sie auch sehr schön.
Wir biegen auf eine noch schmalere Straße ein und müssen nun noch ganz schön arbeiten für die fortgeschrittene Zeit. Es geht endlos bergauf bis in den nächsten Ort. Von dort aus ist es nicht mehr weit bis Haguetmau. Vor dem Ort stoßen wir auf ein CP-Schild, das uns auf die Umgehungsstraße schickt. Wir umrunden den Ort, finden aber kein weiteres. Wir fragen uns schließlich durch und stehen irgendwann vor dem Eingang des Platzes. „Ferme“ steht dran. Der Platz liegt, ähnlich wie in Auxerre, in einem großen Sport- und Freizeitzentrum. In einem kleinen Häuschen neben der geschlossenen Rezeption ist Licht. Wir klopfen. Abweisen lassen, wollen wir uns nicht mehr. Es ist längst dunkel und zu spät, noch weiterzufahren. Wir sind gerne bereit, auf dem „geschlossenen“ Platz zu übernachten, möchten das aber nicht ohne Einverständnis des Mannes tun, der offensichtlich so eine Art Platzwart ist. Er schlägt uns vor, im Pilger-Refuge des Ortes unterzukommen. Gibt aber zu, dass da jetzt niemand mehr ist. Er telefoniert mit dem Bürgermeister. Nach langem Hin und Her bekommen wir die bürgermeisterliche Genehmigung, zu bleiben. Bürgermeister sind in Frankreich ganz offensichtlich für alles und jedes zuständig. Das haben wir schon öfter erlebt.
Der Platz ist sehr gepflegt. Wir werden auf eine von Hecken umgebene Grasfläche geführt. Ein eigenes Waschhaus steht drauf. Der nette Mann schaltet uns Wasser und Strom ein, probiert noch aus, ob das Duschwasser auch warm genug und alles sauber ist. Schraubt an der Küchenspüle eine neue Glühbirne ein und bringt Clopapier. Alles perfekt. Am nächsten Tag sollen wir uns im Hallenbad anmelden. Wir danken und machen es uns gemütlich.
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#849637 - 29.07.12 19:12
Re: Jakobsweg mal wieder
[Re: Fricka]
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Dein Bericht ist wirklich toll zu lesen!
Schade, dass es keine Foto und eine Karte gibt...
Gruß
Olaf
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#849702 - 30.07.12 06:23
Re: Jakobsweg mal wieder
[Re: olafs-traveltip]
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Danke für die Blumen. Ich fürchte manchmal, dass das keiner liest....
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#849704 - 30.07.12 06:37
Re: Jakobsweg mal wieder
[Re: Fricka]
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Ganz bestimmt nicht. ich lese gespannt mit.
Detlef
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Cycling is an addiction, it can drive you quite insane. It can rule your life as truly as strong whiskey and cocaine. | |
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Off-topic
#849709 - 30.07.12 06:54
Re: Jakobsweg mal wieder
[Re: Deul]
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Unterwegs in Guatemala
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Ganz bestimmt nicht. ich lese gespannt mit.
Detlef Wir wollen auch deinen Text mit unseren positiven Kommentaren nicht zerstückeln Ich freue mich schon auf die Fortsetzung Thomas
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#849762 - 30.07.12 11:06
Re: Jakobsweg mal wieder
[Re: Fricka]
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24. Tag
Während wir gerade frühstücken, erscheint ein LKW mit Arbeitern drauf, die nun mähen und die Hecken schneiden möchten. Eine Weile arbeiten sie kommentarlos um uns herum, aber schließlich kommt einer auf uns zu und fordert uns auf, sofort zu erklären, was wir da tun. Etwas reflexhaft antworte ich mit „Wonach sieht’s denn aus?“ Gut, das war nicht nett. Als wir erklären, dass der Bürgermeister uns unser Tun genehmigt hat und wir auch gleich in Richtung Hallenbad aufbrechen werden, um die entsprechende Gebühr zu entrichten, sind sie beruhigt.
Im Hallenbad amüsiert man sich heftig über uns. Wir müssen 5 € bezahlen. Wir folgen jetzt weiter der ehemaligen Fast-Autobahn, die schmaler und schmaler wird. Steigungsmäßig geht es zur Sache. Immer noch fahren wir über Hügel – nicht über Berge. Aber Kette auf Kette muss überquert werden. Und die Straße nimmt dazu den kürzesten Weg. Ist man oben, geht es gleich wieder abwärts bis fast auf Meereshöhe. Wir gewinnen insgesamt nicht wirklich an Höhe.
Die Steigungen sind anstrengend. Jetzt an einem Werktag sind viele LKWs unterwegs. Einmal quäle ich mich aufwärts, während mein Mann schon oben ist und von oben heftig winkt. Ich sehe mich um. Direkt hinter mir kommt ein Convoi exceptionelle mit Überbreite. Das Teil reicht vom Mittelstreifen genau bis an den Abgrund. Da passe ich nicht vorbei. Im Gegenverkehr ist keine Lücke. Und ich fahre mit ca.. 5 km/h. Ich lege mich mächtig ins Zeug und springe gerade noch bevor der riesige LKW endgültig anhalten muss in eine Einfahrt. So reizvoll die Landschaft auch ist, so was ist anstrengend.
So sind wir froh, als wir in Orthez ankommen. Ein nettes Dörfchen. Das auch schon ganz anders aussieht als die bisherigen. Irgendwie nach Pyrenäen. Es gibt eine Fußgängerzone mit Cafes und einen großen Markt, wo wir einkaufen, was wir in der Mittagspause essen möchten. Orthez liegt an der Gave de Pau, einem Flüsschen, das auch schon sehr nach Pyrenäen aussieht. Von der Farbe her und auch weil es so heftig über die Felsblöcke schäumt. Über die Gave führt eine Bogenbrücke mit einem Turm in der Mitte. Wir suchen uns ein Picknickplätzchen unten am Fluss mit Blick auf die Brücke.
Am diesseitigen Ufer führt die Bahnlinie entlang. Ein beschrankter Bahnübergang führt direkt auf die Brücke. Das sieht etwas eigenartig aus, weshalb dieses Stück Brücke auf den Reiseführer-Fotos nicht mit abgebildet wird.
Wir verlassen Orthez mit einem gewissen Bedauern, überlegen aber, ob wir nicht heute noch bis SJPdP fahren sollten. Wir sind ein bisschen kribbelig und würden gerne den Pyrenäen-Pass hinter uns bringen. Die Hauptstrecke macht jetzt einen weiten Umweg, während wir von den Autoabgasen sowieso die Nase voll haben. Wir bleiben also nahe am Jakobsweg und biegen auf eine Nebenstrecke ab. Eine Hügelkette nach der anderen türmt sich vor uns auf. Man fährt hier nicht auf die Pyrenäen zu, indem man in einem Tal aufwärts fährt. Die Flüsse kommen uns nicht entgegen, sondern fließen parallel zur Fahrtrichtung. Wie immer…..
Auf der Karte sind einige Aussichtspunkte eingezeichnet. Tatsächlich sieht man hier direkt auf den Pyrenäenhauptkamm. Da türmt sich was auf. Oben liegt Schnee. Tatsächlich werden wir sie sicher an einer weniger spektakulären, schneefreien Stelle überqueren. Aber der Ausblick von hier aus ist imposant. In einem kleinen Dorf müssen wir mal wieder einen Vorderreifen flicken. Es ist heiß. Wir suchen uns eine schattige Stelle, sitzen auf einem Stein und stellen fest, dass wir ganz schön verschwitzt und ausgepumpt sind. Nachdem wir in einer Stunde genau 10 km zurückgelegt haben. Das ist so eine Art Negativrekord. Wie wird es wohl weitergehen?
Aber jetzt fängt die Straße an, sich der Landschaft anzupassen. Führt auch mal in einer Schlaufe nach oben, um die Steigung bequemer zu halten. Und eine Weile oben entlang, bis wir nach Sauveterre de Bearn hinunterfahren. Sauveterre liegt an der Gave d’Oloron. Wir kommen voran. Oben über dem Ort liegen Reste einer Burg und eine sehr interessante Kirche. Hier treffen wir ein niederländisches Ehepaar, die mit einem auffälligen Gepäckwagen zu Fuß unterwegs sind. Die anderen Pilger, von denen etliche den Ort bevölkern, sind alle schon im Refuge eingecheckt und sitzen in der Bar. Vor SJPdP gibt es keinen CP mehr. Das ist noch so weit, dass wir wohl im Dunkeln ankommen werden. Und es fängt mal wieder an zu tröpfeln.
Ab hier hat uns die Ex-Fast-Autobahn wieder. Sie ist noch schmaler geworden und nicht mehr so wirklich besonders befahren. 16 km sind es noch bis SJPdP. Die Steigungen werden weniger. Die Straße folgt jetzt einem Tal. Mit Einbruch der Dunkelheit kommen wir an. In einer anderen Welt. Soviele Pilger haben wir noch in keinem Ort gesehen. Sie besetzen jeden freien Stuhl in den vielen, vielen Bars. Die Häuser, in denen keine Bars sind, sind Pilger-Unterkünfte oder beherbergen Läden mit Pilgerbedarf.
Wir suchen ein Weilchen den CP. Kann doch keiner ahnen, dass der direkt innerhalb der Stadtmauer liegt. Da sieht man ihn erst, wenn man davor steht. Aber das macht ihn sehr gemütlich. Die Ausstattung ist zwar sehr bescheiden, aber es ist nett. Neben den üblichen Wohnmobilen und Wohnwagen stehen etliche Zelte mit Fahrrädern daneben. Das sieht nach einem ergiebigen Austausch aus.
Nach Zeltaufbau und Dusche machen wir uns noch einmal auf den Weg in die Stadt. Wir haben Hunger. Außerdem sind die historischen Bauten nett angestrahlt. Das sieht alles sehr einladend aus. Ganz bis nach oben in die Burg treibt es uns nicht mehr. Wir suchen eher unten am Fluss nach einem netten Restaurant. Die haben aber anscheinend zum größten Teil schon geschlossen. Wir landen in einer kleinen Pizzeria. Neben äußerst günstigen Preisen dürfen wir hier auch die Dorfjugend kennenlernen. Wir unterhalten uns ziemlich spannend. Und lernen ein neues Phänomen kennen. Einheimische, die sich als Pilger verkleiden, mit allem was dazu gehört. Dann kann man leichter Pilger anquatschen und/oder anbetteln oder irgendwohin schleppen, wo man Prozente kriegt. Interessant.
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#849962 - 30.07.12 18:47
Re: Jakobsweg mal wieder
[Re: Fricka]
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Ich fürchte manchmal, dass das keiner liest.... Diese Befürchtung ist unbegründet. Wir lesen gespannt mit und freuen uns sehr über Deinen Reisebericht. Ich find´s jedenfalls klasse.
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Allen gute Fahrt und schöne Reise. | |
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#850084 - 31.07.12 06:29
Re: Jakobsweg mal wieder
[Re: Fricka]
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25. Tag
Als wir ausgeschlafen haben, sind die Pilger schon alle abmarschiert und abgeradelt. Wir hatten am Abend noch mit einigen gesprochen. Das Problem beim Jakobsweg ist aber, dass einem niemand entgegenkommt. Über die weiterführende Strecke gibt es also nur Gerüchte. Die gingen hier eindeutig in Richtung „bitterkalt, Schnee, Tote, die es nicht geschafft haben“. Das können wir uns nicht so ganz vorstellen. So hoch ist der Pass nun auch wieder nicht. Wir glauben jedenfalls auch bei gemütlicher Abreise im Laufe des Tages irgendwie die 28 km bis zur Passhöhe bewältigen zu können. Zur Sicherheit kramen wir mal die Pullover raus und bringen sie bei den stets griffbereiten Regensachen unter.
Wir wandern noch mal durch den Ort, holen uns im Pilgerbüro Stempel, besuchen eine Pilger-Boutique, kaufen im örtlichen Supermarkt ein und besuchen das danebenliegende Sport-/Outdoorgeschäft, um unsere Sammlung an Fahrradflickzeug wieder aufzufüllen. Ort und Berge waren zunächst mal in dichten Nebel gehüllt. Mittags haben sie sich gelichtet und wir steigen auf unsere Räder und nehmen den Aufstieg in Angriff.
Zunächst mal geht es relativ gemütlich los. Man fährt einem Bach entgegen, der hier die Grenze zwischen Frankreich und Spanien bildet. Über eine Brücke besuchen wir schon mal ein spanisches Einkaufszentrum, fahren wieder nach Frankreich zurück und verlassen es im nächsten Ort wieder. In Valcarlos kaufen wir uns spanische Chorizo für ein Picknick unterwegs.
Dann geht es hoch und immer höher. Pässe kannte ich bisher so, dass sich nach einigen Vorbergen die Kehren über einem auftürmen und man abzählen kann, wie weit es noch bis zur oben sichtbaren Passhöhe ist. Am Ibaneta-Pass ist das nicht so. Man fährt durch Wald. Das ist nicht unpraktisch, weil man immer Schatten hat, aber man sieht nicht viel. Irgendwann gibt es auch Kehren, aber die liegen weit auseinander, so dass man auch hier nicht überblickt, was noch vor einem liegt. Die Aussicht ist überhaupt relativ eingeschränkt. Zusätzlich gibt es sehr abweichende Vorschläge, wie weit es denn nun bis zur Passhöhe ist. So weiß man nicht einmal, wie viele Kilometer man noch bewältigen muss. Jedenfalls war es für mich durchaus grenzwertig. Einfach schon durch die schiere Länge der relativ gleichmäßigen Steigung. Da gibt es keine flacheren Einschübe zum Atemholen oder Ausruhen. Es geht immer nur stramm aufwärts.
Und auf einmal fährt man um eine Kurve und ist oben. Wir machen das übliche Gipfelfoto und statten der gut verschlossenen Kapelle einen Besuch ab. Daneben ist ein Parkplatz von dem aus man endlich eine eindrucksvolle Aussicht in die Berge genießen kann. Und von der Seite kommen die Fußpilger anmarschiert.
Wir rollen gemächlich bergab nach Roncesvalles, das wir sehr bald erreichen. Wir haben die Schilderung von HP Kerkeling gelesen, der sich hier gleich mit Schaudern abwandte und die Flucht antrat. Dazu steht in allen unseren Führern, dass man dort keine Radfahrer aufnimmt. Wir haben also hier keine Übernachtung eingeplant. Dazu ist es noch viel zu früh. Aber wir wollen uns Herberge und Kloster natürlich ansehen. Viele Touristen wollen das auch. Es gibt eine getrennte Wegführung für Pilger und Touristen. Damit die sich nicht gegenseitig belästigen. Wir schieben unsere Räder vor die Herberge. Refugio heißt das ab jetzt. Eine Niederländerin empfängt uns herzlich. Wir sollen gleich mal unsere Räder in die extra dafür vorgesehene Scheune schieben und uns im Büro für die Übernachtung einschreiben. Alles ist extrem aufwändig ausgebaut. Sieht durchaus verlockend aus, aber sechs km weiter gibt es einen Campingplatz. Da fahren wir noch hin und werden sicher ruhiger schlafen als in so einem Massenlager. Wir fragen nach. 7 Mio € sind in das Gebäude seit K.s Besuch gesteckt worden. Nun ist alles top. Ach so. Es sind etliche Radfahrer bereits angekommen. Wir tauschen uns ein wenig über das Woher aus. Das Wohin steht nicht in Frage.
Wir sehen uns noch ein bisschen um und rollen dann weiter hangabwärts. Der Pass ist ziemlich asymmetrisch. Auf der spanischen Seite geht es wesentlich weniger bergab. Wir bleiben auf ca. 800 m, während wir am Morgen von nur 160 m gestartet waren. Im ersten Dorfladen füllen wir unsere Vorräte auf, da wir über den Pass nicht viel mitgenommen haben und versuchen, uns in Spanien zu orientieren. Die Autos überholen uns genauso rücksichtsvoll wie in Frankreich. Wir werden freundlich gegrüßt. Jetzt wünscht man sich auch endlich ununterbrochen „Buen Camino“. Der Campingplatz liegt freundlicherweise genau dort, wo er eingezeichnet ist. Er hat geöffnet, ist stärker frequentiert als die bisherigen, fast doppelt so teuer und schlicht aber ordentlich ausgestattet. Unsere Nachbarn kennen wir schon von der Passhöhe. Zufrieden mit uns machen wir uns einen netten Abend.
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#850533 - 01.08.12 12:16
Re: Jakobsweg mal wieder
[Re: Fricka]
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Hallo Radpilger,
der Bericht ist sehr schön und lebendig geschrieben. Da bekommt man Lust, diese Reise auch mal zu machen. Ich freue mich schon auf die Fortsetzung.
Gruß Gertrud
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#851466 - 04.08.12 17:17
Re: Jakobsweg mal wieder
[Re: Fricka]
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26. Tag
Für die spanische Strecke haben wir drei Routenvorschläge. Bikeline, Bruckmanns Radführer und das Jakobsweg-Radreisebuch von Kay Wewior. Bikeline empfiehlt nur im äußersten Notfall unbefestigte Wege und meidet jede auch nur annähernd verkehrsreiche Straße. Das führt dazu, dass die Bikeline-Route häufig in großer Entfernung vom eigentlichen Jakobsweg unterwegs ist, so dass man eigentlich wenig Jakobsweg-Feeling erlebt. Das Radreisebuch schlägt vor, meistens den Jakobsweg zu nehmen und nur wenn der gar nicht befahrbar ist auf Straßen auszuweichen. Der Bruckmann-Führer liegt irgendwo dazwischen. Die gleiche Strecke wird dann manchmal in einem Führer als kaum noch zu meistern und im anderen als „entspannt zu radeln“ eingeschätzt. Zwischen diesen Empfehlungen gilt es nun „unseren“ Weg zu finden. Im Bikeline-Führer ist der Jakobsweg blau eingezeichnet. Im realen Leben mit gelber Farbe geradezu ausgemalt.
Da es Brot auf unserem Platz in Burguete erst ab 11 Uhr gibt, müssen wir uns ohne Frühstück auf den Weg machen. Bald werden wir uns daran gewöhnt haben. Auf dieser ersten Etappe wickelt sich der Fußweg um die Straße, führt mal links ein Stück im Gelände daher, mal rechts, mal die Straße entlang. Meistens hat man ihn im Blick. Heute morgen ist er stark bewandert. Pilger an Pilger bewegt sich dort entlang. Der Weg ist dabei so schmal und so uneben, dass wir keine Veranlassung sehen, uns da einzureihen, sondern die gut ausgebaute, wenig befahrene Straße entlang fahren. Straße und Weg entlang gibt es in kurzen Abständen Rastplätze, Bars, Schnellimbisse, Cola-Automaten, Obststände. Wo eine Nachfrage ist, wird sie anscheinend auch befriedigt. Und an diesen Stellen rasten stets viele Pilger, mit denen man leicht ins Gespräch kommt.
Zunächst einmal geht es über den Puerto de Mesquiriz. 922 m hoch. Dazu müssen wir nicht mehr sehr viel Steigung bewältigen, aber danach geht es tiefer runter, so dass der danach kommende Puerto de Erro mit seiner Höhe von 801 m mehr Aufstieg erfordert. Beide Pässe sind jedenfalls nach dem Ibaneta ein Klacks. Die Landschaft ist schön. Ein bisschen wie in der Schweiz. Auch was die Orte betrifft. Eine nette, erholende Fahrt mit immer neuen schönen Aussichten. Nach der Abfahrt vom Pass machen wir einen kurzen Abstecher nach Zubiri.
Die Straße folgt jetzt dem Rio Arga, so dass wir zwar ständig auf hohe Berge sehen, aber im Tal dazwischen bleiben. Eine nette Abwechslung. Mehrmals sehen wir von weitem Radler mit Ortlieb-Taschen, die aber jeweils in Richtung Fußweg abbiegen. Einmal versuchen wir das auch. Die anderen haben aber MTBs. Für unsere Trekkingräder ist der sehr schmale Weg hier nicht geeignet, so dass wir bei der nächsten Möglichkeit wieder auf die Straße zurückkehren. Wir könnten dem Weg folgen, aber hier keinen Fußgänger überholen.
Auf der Straße überholen uns fleißig spanische Radsportgruppen in einheitlichen Trikots auf Rennrädern. Dabei wenden sie sich uns jeweils zu und rufen ein freundliches Wort, das klingt wie „quaak“. Was meinen sie bloß?
Schließlich findet die idyllische Tour schlagartig ein Ende, als wir in Huarte ankommen. Die Straße mündet in einen höllisch befahrenen Kreisel. Alle Straßen, die davon wegführen, sehen wie Autobahnen aus. Wir hätten uns rechtzeitig vorher auf den Fußweg einfädeln müssen. Das haben wir aber noch nicht gelernt. Immerhin gibt es an dem Kreisel einen Aldi. Das ist schon mal gut. Alle Läden unterwegs hatten geschlossen. Die Zeitfenster für Einkäufe sind denkbar knapp. Die Läden öffnen spät, schließen bald darauf zur Mittagspause und öffnen erst danach wieder. So ca. um 17 Uhr. Da müssen wir uns noch umstellen.
Da wir den Fußweg nun nicht mehr finden, fahren wir auf einer autobahnähnlichen Straße Richtung Centro Ciudad. Wir fragen an einer Tankstelle, ob sich nicht auch ein anderer Weg fände, aber nein, man schickt uns auf die Schnellstraße zurück. Glücklicherweise zweigt von der kurz drauf ein Radweg in Richtung Stadtmitte ab. Wir haben zwar den Eindruck, dass wir immer bergauf die Stadt erst einmal umrunden, um dann von oben wieder zur Stadtmitte runterzufahren. Aber das täuscht bestimmt. Wir kommen irgendwann durch einen Park auf die Kathedrale von Pamplona zu und treffen erst einmal auf die Stierkampfarena. Eine Spanierin im Dirndl bittet uns rein zum Oktoberfest von Paulaner. So kriegen wir wenigstens die Stierkampfarena ohne Stierkampf zu sehen. Zu den nervenzerfetzenden Klängen einer jodelnden spanischen Kapelle.
Durch die wunderschöne Altstadt mit interessanten Fassaden, vielen Bars, jeder Menge Hemingway-Feeling und vielem Schönen mehr kommen wir durch die Estafeta (wo im Juli der Stierlauf stattfindet) auf die Kathedrale zu. Wir parken unsere Räder davor und sehen sie uns an. Wir müssen Eintritt bezahlen. Ein interessantes Gefühl, wenn man als Pilger an eine Kirche kommt und gleich mal abkassiert wird. Immerhin bekommen Pilger Rabatt. Die Kathedrale ist dann auch wunderschön und der zweigeschossige Kreuzgang mit diversen Ausstellungen ist im Preis enthalten. Wir entschuldigen das jetzt also mal und verbringen eine längere Zeit hier.
Wir möchten diese Nacht in der Stadt verbringen und nicht wieder raus auf den Campingplatz. Wer weiß, ob wir durch das Gewirr der vierspurigen Straßen dort hinfinden würden. Also gehen wir zur Touri-Info, um nach einer Übernachtungsmöglichkeit zu gucken. Man empfiehlt uns das Refugio neben der Kathedrale. Na gut, dann probieren wir das jetzt mal aus. Wir sehen wohl inzwischen so aus, als käme ein anderes Zimmer nicht mehr in Frage.
Das Refugio befindet sich in einer ehemaligen Kirche. Man hat eine Zwischendecke und eine Mittelwand eingezogen, die den großen Raum etwas aufteilen. Links und rechts, oben und unten stehen lange Reihen von durchnummerierten Doppelstockbetten. Im Eingang gibt es Fahrradständer, hinten eine Art Waschküche und an mehreren Ecken Waschräume, die ziemlich überflutet aussehen. Auf den meisten Betten liegen schon Rucksäcke mit oder ohne Besitzer. Die anderen Betten füllen sich zügig. Um 22.30 Uhr sollen wir zurück sein. Dann wird die Eingangstür abgeschlossen.
Inzwischen ist es 18 Uhr und wir machen uns auf den Weg in die Altstadt. Lag sie vor einer Stunde noch verlassen da, ist sie jetzt von einem unglaublichen Gedränge erfüllt. Anscheinend ist es Pflicht für alle Einwohner, hier abends zu erscheinen. An den Gassen liegt Bar an Bar. Alle völlig überfüllt. Draußen davor ballen sich die Gäste. An den Tresen wird gedrängelt, um an einen Vino Tinto und ein paar Pintxos zu kommen. Das sieht alles sehr lecker aus, aber wir können anscheinend nicht genug drängeln und vor allem nicht laut genug schreien, um mal an die Reihe zu kommen. Es gibt auch Restauranttische, aber die sind alle besetzt oder reserviert.
Wir beschränken uns also erst einmal auf das Herumbummeln und Zusehen. Das ist spannend genug. Wir kommen auch mal ohne Abendessen aus. In einem Laden kaufen wir uns eine Flasche Rotwein. Die vielen Menschen werden immer fröhlicher, je weiter der Abend fortschreitet. Sie schreien immer lauter. Später fliegen die leeren Flaschen. Das ist leicht gewöhnungsbedürftig. Viele sitzen jetzt auf dem Pflaster. An vielen Ecken wird Musik gemacht. Als wir um 22.15 Uhr Richtung Refugio aufbrechen, ist die Party draußen noch in vollem Gange.
Drinnen ist es mindestens 15 Grad wärmer als draußen und Atemluft Mangelware. Es gibt nur wenige Fenster hoch oben. Die sind offen. Die Außentür wird pünktlich geschlossen. Kurz darauf geht das Licht aus und bald darauf kehrt Ruhe ein. Abgesehen von heftigem vielstimmigen Schnarchen und andauerndem Geniese, Gehüstel und Geschniefe. Schwierige Nachtruhe, aber gut, wir sind müde genug. Es kommt uns so vor, als wären wir gerade eingeschlafen, als um 4 Uhr die ersten Handys ihre Besitzer wachklingeln. Die stehen unverzüglich auf, wühlen raschelnd in ihren Rucksäcken und marschieren irgendwann energisch ab. Ein Vorgang, der sich so lange wiederholt, bis keiner mehr da ist. Um acht Uhr müssen alle raus sein. Wir gehören zu den letzten. Es gibt eigentlich keinen Grund für so einen frühen Aufbruch. Von Mittagshitze ist nicht die Rede. Und die 20 km, die da so im Schnitt gewandert werden, könnte man auch tagsüber unterbringen.
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#851545 - 05.08.12 07:37
Re: Jakobsweg mal wieder
[Re: Fricka]
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27. Tag
Um 8 Uhr liegt Pamplona immer noch in tiefem Schlaf. Mit den Wanderern zusammen folgen wir der Jakobsweg-Kennzeichnung in Richtung Zezur Nagusia. Die vielen Wanderstöcke klackern über den Boden. Abfälle jeder Art liegen herum. Dummerweise auch ein regelrechter Glasscherben-Teppich. Das Flaschenwerfen ist keine radsportfreundliche Beschäftigung. Kurz bevor wir die Stadt verlassen, finden wir ein geöffnetes Cafe.
Nun scheiden sich die Geister. Der Jakobsweg führt geradeaus weiter. Alle drei Fahrradführer empfehlen nach rechts abzubiegen und dann unterschiedliche Wege einzuschlagen. Wir sind heute eigensinnig und wollen über Campanas nach Eunate fahren. Egal, was die anderen vorhaben. Während also alle Radfahrer abbiegen, folgen wir noch ein Stück den Wanderern bis wir nach links ausbiegen. Es folgt uns eine spanische Radsportgruppe. Die kennen wir aus dem Refugio. Sie standen morgens mit Koffern vor der Tür und warteten auf ihr Begleitfahrzeug. Nun sind sie auf Rennrädern ohne Gepäck unterwegs und natürlich viel schneller als wir. Eine Weile später holen wir sie an einem Kreisel ein. Sie sehen sehr ratlos aus. Sie haben keine Karte dabei und wollten offensichtlich dem Radweg über den Puerto de Perdon folgen, nicht unserer Kultur-Strecke. Nachdem sie sich unsere Karte angesehen haben, telefonieren sie mit ihrem Fahrer und werden angewiesen, wie wir nach Eunate zu fahren.
So richtig haben sie unserer Wegbeschreibung wohl nicht geglaubt. Jedenfalls befragen sie ausführlich jeden Menschen am Wegesrand. Und kehren in jeder Bar ein. So holen wir immer wieder auf und legen die Strecke im Prinzip gemeinsam zurück. Es sind nette Kerle, die uns bei jedem Treffen freudig begrüßen. So stellt sich heraus, dass das „Quaaak“ als Gruß die zweite Hälfte vom „Hola!“ ist.
Bis Campanas fahren wir über eine schmale Asphaltstraße bergauf und bergab durch eine landschaftlich genutzte Gegend, immer mit Blick auf den Perdon. Campanas liegt vor einem Bergmassiv, an dem die Autobahn entlangführt, davor eine Hauptverkehrsstraße, der wir laut Beschreibung ein paar Kilometer folgen sollen. Und um die überhaupt zu erreichen, müssen wir erst mal eine Bahnhauptstrecke überqueren. Danach wird die Beschreibung speziell. Wir sollen an einem bestimmten Kilometerstein rechts in einen Feldweg abbiegen, unter der Bahn durch und über verschiedene weitere Feldwege bis wir wieder an eine Straße kommen. Das ist wohl ein bisschen veraltet. Es gibt eine maximal ausgebaute Straße, auf der bereits Santa Maria de Eunate ausgeschildert ist, unser Ziel.
Die Straße verläuft meist bergab, so dass wir im Nu an der Kirche ankommen. Die romanische Kirche ist achteckig und besonders schön, weshalb wir sie auf jeden Fall sehen wollten. In den meisten Jakobsweg-Reiseberichten steht man vor geschlossener Tür, weshalb ich vorsichtshalber im Internet nach Öffnungszeiten gesucht hatte, so dass wir passend dort ankommen. Noch ist sie geschlossen, aber auf dem Parkplatz steht bereits der Bus einer deutschen Reisegruppe, die neben der Kirche sitzt und diverse Pilger haben sich auch bereits im anschließenden Garten niedergelassen. Alles wartet entspannt. Neben der Kirche steht eine kleine Pilgerherberge.
Tatsächlich erscheint irgendwann jemand mit einem Schlüssel. Wir dürfen alle Eintritt bezahlen. Wir warten noch, bis der Bus wieder abgereist ist. Das sind doch etwas zu viele Menschen für so eine kleine Kirche. Erwartungsgemäß ist sie von innen so schön wie von außen. Das Warten hat sich also gelohnt. Die Busgruppe war von Puente la Reina hierher gewandert und wurde hier vom Bus abgeholt.
An Obanos vorbei fahren wir nun nach Puente la Reina. Das ist nicht mehr weit. Der Ort hat, wie viele hier, eine lange durchgehende Hauptstraße. Wir kehren hier irgendwo ein und trinken einen Kaffee. Es ist längst Mittagszeit. Während des Kaffeetrinkens sehen wir der örtlichen Müllabfuhr zu. Es sind dabei ausschließlich Frauen am Werk. Und die haben nicht so ein Warmduscher-Müllauto wie bei uns. Die am Rand stehenden Müllsäcke werden in einen LKW gewuchtet.
Die berühmte Bogenbrücke überquert man beim Verlassen des Ortes. Sie ist so schön wie erwartet. Wir bewundern sie ausführlich. Drüben lernen wir jetzt eine neue Jakobsweg-Variante kennen. Am Kreisel geht es nur noch auf die Autobahn. Als wir uns schon wundern, sehen wir noch einen seitlichen Abzweig. Es geht auf die N1110. Da die Autobahn gebührenfrei ist und direkt nebenher führt, fahren hier nur Räder. Der Fußweg ist wie bisher meistens in Sichtweite und immer mal wieder auch mit der Straße identisch. Idylle ist allerdings anders. Es fährt sich ziemlich öde. Die Steigungen tun ihr Übriges, da der Weg immer wieder hoch über der Autobahn herumführt. Die Landschaft ist hügelig braun. Schon ein starker Kontrast zur bisherigen Strecke.
Wir nutzen also jede Möglichkeit, durch eines der Dörfer in der Nähe zu fahren. Endlich ist es auch mal warm. Sogar sehr warm. Mit uns sind hier noch mehrere Radler-Paare unterwegs. Man fährt so ein bisschen von Schatten zu Schatten. Schließlich mündet auch der Fußweg in diese Straße. Sofort gibt es mehr Cola-Automaten, was praktisch ist, da unser Wasser zur Neige geht. Und man fährt wieder an erschöpften Wanderern vorbei, die alle mühsam irgendeinem Ziel entgegenhumpeln. Viele sitzen an den Bushaltestellen oder telefonieren ein Taxi herbei. Typischer Nachmittagsbetrieb am Jakobsweg.
Als wir in Estella ankommen, beschließen wir also, den dortigen Campingplatz zu nutzen. Er liegt überraschend weit vor der Stadt. Um dort hinzukommen, muss man an einer Art Fabrik vorbei. Es stinkt heftig. Die asiatischen Pilger tragen einen Mundschutz. Wir müssen da so durch. Als wir schon umdrehen wollen, kommen wir an den Platz. Hier herrscht überraschenderweise Campingnormalität. Und der Pool ist geöffnet. Das nutzen wir gleich, was auch gut so ist, denn eine Stunde später schließt er, um während unserer Zeit dort nie wieder zu öffnen. Der Platz wird hauptsächlich von Dauercampern genutzt. Aber ein paar Tagestouristen sind auch da.
Frisch gebadet fahren wir in die Stadt, um sie uns in Ruhe anzusehen und irgendwo essen zu gehen. Erstaunlicherweise geht es hier zu wie in Pamplona, nur in überschaubarerem Rahmen. Aber sonst das gleiche Muster. Menschenauflauf, Schreien, Feiern, Flaschen werfen. Ein aufkommendes Gewitter treibt uns zurück zum Zelt. Wir hatten nicht allzu viel abgespannt. Das machen wir jetzt ordentlich. Es blitzt, donnert und weht eine ganze Weile.
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#851613 - 05.08.12 11:31
Re: Jakobsweg mal wieder
[Re: Fricka]
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so langsam bekomme ich immer mehr Lust euren Pfaden zu folgen Hab mir eben " Die Kinder von Torremolinos" aus dem Regal gefischt. Das wäre in Verbindung mit Santiago, der Algarve und Pamplona sicher eine Kombination, die mich sehr, sehr reizt. Danke für Euren schönen Bericht Jürgen, der sich gerade fragt, ob man den Jakobsweg nicht mal rückwärts fahren sollte. Sozusagen mit den Pilgern von Angesicht zu Angesicht. Dann fällt es auch leichter sich Informationen über die Wegstrecke zu besorgen
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° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° Reisen + | |
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#851626 - 05.08.12 11:51
Re: Jakobsweg mal wieder
[Re: Juergen]
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Wir trafen ein Ehepaar, die das jedes Jahr machen. Erst hin - und dann wieder zurück. Dann hat man viel Rückenwind. Aber die Auffahrt zum Cruz de Ferro von der anderen Seite stelle ich mir sehr anstrengend vor....
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#851827 - 06.08.12 11:01
Re: Jakobsweg mal wieder
[Re: Fricka]
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28. Tag
Morgens machen wir noch einmal eine Runde durch den interessanten Ort und sehen uns die Kirchen von innen an. Gestern waren sie schon geschlossen. Aus dem Ort heraus geht es steil bergauf. Oben werden wir mit einer unglaublichen Supermarkt-Häufung belohnt. Praktisch. Bis Irache ist es jetzt nur noch ein Katzensprung. Das Kloster ist zwar geschlossen, aber die Weinquelle sprudelt. Wir bleiben ein Weilchen. Ständig kommen Pilger vorbeigewandert. Ihr Bedarf an Rotwein am frühen Morgen ist unterschiedlich. Als nächstes kommt eine komplette Busfüllung anmarschiert, da räumen wir lieber das Feld.
Oben vor dem Kloster gibt es einen Picknickplatz. Da frühstücken wir. Die weitere Strecke ist zunächst mal wieder so eine Autobahnbegleitstrecke wie gestern. So richtig begeistert uns das immer noch nicht. Heute sind wir zudem völlig allein unterwegs auf der Straße und auch der Jakobsweg ist nicht besonders belebt. Er ist immer noch schmal, steil und von Treppen durchsetzt. Also nichts für uns. Es gibt diverse Steigungen, aber unsere Beine sind inzwischen so fest, dass wir relativ mühelos darüber segeln. Wir verbessern dabei ständig unsere Technik, indem wir immer mal probieren, wie man am besten bergab Schwung holt und in welcher Weise man dann, ohne ihn zu verlieren, zurückschaltet. Langsam klappt das ziemlich optimal.
Um etwas Abwechslung zu haben, fahren wir auch heute in jedes Dorf, wobei wir schließlich in Los Arcos auf einem hübschen Dorfplatz landen, wo wir in einer der Bars einkehren, um etwas zu essen. Natürlich nur eine Kleinigkeit. Wir wollen noch weiter. Um uns herum sitzen nur Pilger, die sich bereits zur Übernachtung entschlossen haben. Das sieht man regelmäßig an den sauberen Sachen und den Badelatschen an den Füßen. Die sind schon geduscht und werden jetzt den Nachmittag beim Vino Tinto verbringen. Zuerst einmal wird ein Pilger-Menü verzehrt. Dabei weiß man nicht so richtig, ob man besser unter einem Sonnenschirm sitzt oder nicht. Das Wetter ist heute sehr wechselhaft. Mal prallt die Sonne regelrecht herunter, mal kommt ein kalter Windstoß und es fängt an zu tröpfeln.
Wir fahren weiter über Sansol nach Torres del Rio. Wir möchten die kleine Templerkirche dort besichtigen. Es hängt ein Zettel mit Öffnungszeiten dran. Um 16 Uhr wird geöffnet. Das ist einer halben Stunde. Wir trinken einen Kaffee in der Bar nebenan. Auch hier sitzen Pilger. Um 16 Uhr kommt niemand. Wir warten eine halbe Stunde und fragen dann in der Bar nach. Vielleicht um 17 Uhr ist die Auskunft. Daraus wird aber auch nichts. Falls man außerhalb der Öffnungszeiten hinein möchte, soll man eine Nummer anrufen, die dort hängt. Wir haben kein Handy dabei und können kein Spanisch. Schließlich gehen wir in eine weitere Bar, die wie die erste zugleich Refugio ist, um jemanden zu finden, der das mal macht. Nun klappt es. Nach einer weiteren halben Stunde dürfen wir in die Kirche. Diverse Leute aus dem Refugio kommen mit. Und wie aus dem Nichts erscheinen auch mehrere Touri-Autos. Das Warten hat sich jedenfalls definitiv gelohnt. Wir sind begeistert.
Nach der Besichtigung kehren wir noch einmal auf eine Cola in der freundlichen Herberge ein. Wir überlegen, hier auch zu bleiben, da es im Grunde sehr nett aussieht, entscheiden uns dann aber doch für die Weiterfahrt nach Logrono, um dort zu zelten. Im Grunde schlafen wir am liebsten im Zelt. Außerdem ist die Auswahl an Plätzen nicht groß. Wenn wir da so eine Etappe stark verkürzen, kommen wir aus dem Takt. Außerdem fühlen wir uns noch zu fit, um schon den Tag zu beenden. Also weiter.
Die Strecke, die jetzt kommt, bezeichnet Bikeline als kaum noch zu fahren und empfiehlt einen weiten, steigungsärmeren Umweg. Der Bruckmann-Führer schreibt mal wieder von entspanntem Radeln. Also gehen wir es an. Die Hügel haben angezogen, was die Landschaft sehenswerter macht. Der Jakobsweg ist eng an der Straße, wie wir es mögen. Es geht kräftig aufwärts über eine Bergkette. Wir treten motiviert in die Pedale und sind bald oben. Pünktlich dazu zieht eine gewaltige Gewitterfront auf. Das mag ich nun nicht so gerne. Im Gewitter auf dem Berggipfel – nein. Also weiter. Heftige Böen leiten einen starken Sturm ein. Das Gewitter droht erst einmal nur. Der Wind kommt meistens von hinten und verleiht uns Flügel. Aber ab und zu auch mal von der Seite. Das ist grenzwertig. Hier können wir aber nicht bleiben. Nun geht es abwärts. Das Tempo verstärkt sich weiter. Wir sausen auf Viana zu. Sollen wir gleich dran vorbei nach Logrono? Natürlich nicht. Gewitter hin – Gewitter her, erst einmal sehen wir uns Viana an. Das wird lustig. In den Gassen, wo sich die Leute schon zur fröhlichen Abend-Party versammelt haben, fliegen Stühle und Tische umher. Es geht recht heftig zu.
Von Viana aus ist Logrono unten in der Ebene am Ebro schon sichtbar. Die Straße führt schnurgerade dort hin. Parallel dazu der Jakobsweg. Wir beeilen uns. Das Wetter wird immer heftiger. Leichter Regen hat eingesetzt. Auf dem Jakobsweg ist auch noch ein Grüppchen Wanderer unterwegs. Mit wehenden Regenponchos kämpfen sie sich vorwärts. Logrono ist gar nicht so klein. Wir kommen also wieder auf heftige Verkehrsbauwerke zu und wie so meist wird aus unserer Straße eine Autobahn. Inzwischen haben wir gelernt, in solchen Momenten auf den Jakobsweg zu wechseln. Wo Fußgänger überleben können, können das meist auch Radfahrer. Schnell noch ein Blick in den Führer: „an der Papierfabrik auf den Fußweg wechseln“. Ist das eine Papierfabrik vor uns? Keine Ahnung. Nehmen wir es mal an.
Und tatsächlich, ein gut ausgebauter Asphaltweg führt verkehrsfrei nach Logrono. Wir tunneln uns unter den Autobahnen und Schnellstraßen durch. Wir kommen durch eine Art Mischung aus Kleingartensiedlung und Müllkippe und halten wie vorgeschrieben am Haus der alten Dame, die hier immer schon Pilgerpässe stempelt und Getränke verkauft. Inzwischen macht das ihre Tochter. Hier bricht nun endlich der erwartete Wolkenbruch über uns herein. Wir drücken uns zuerst an die Hauswand, werden dann in eine Art Scheune gebeten.
Als es nur noch leise regnet, machen wir uns wieder auf den Weg. Nun ist es nicht mehr weit. Es geht abwärts nach Logrono. Vor dem Ebro biegen wir nach rechts ab und folgen ihm bis auf den Campingplatz. Der ist konkurrenzlos teuer. Und gegen jede Gewohnheit kostet Wifi noch extra. In Spanien ist das sonst an jeder Straßenecke kostenlos zu haben. Um noch mal in die Stadt zu fahren, ist es zu spät. Im Regen sind wir dazu sowieso nicht motiviert genug. Wir bekommen einen Stellplatz zu gewiesen, der genau so groß ist, dass wir unser Zelt gerade aufbauen können. Die Räder müssen schon auf dem Weg stehen. Erst einmal sammeln wir den Müll, der drauf liegt ein, das hatten wir auch noch nicht. Auf dem Areal wächst kein Grashalm.
Da es wieder stark regnet, kochen und essen wir in der „Gemeinschaftsküche“. Eine Überdachung ohne Licht mit zwei defekten E-Herden. Ein wenig trostlos. Vorsichtig ausgedrückt.
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#852014 - 07.08.12 06:28
Re: Jakobsweg mal wieder
[Re: Fricka]
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29. Tag
Die Nacht war ungemütlich. Neben dem Platz liegt eine Bar am Ebro, in der natürlich gefeiert wurde. Und der Zuweg ging direkt an unserem Zelt vorbei. Wir packen das klatschnasse, völlig verdreckte Zelt in einen Müllsack und hoffen für den Abend auf eine gemütliche Wiese in der Sonne. Mal sehen.
Den Ebro entlang fahren wir durch eine Grünanlage bis zur Brücke in die Altstadt. Es ist 9 Uhr. In Logrono ist gestern wohl heftig gefeiert worden. So viele Scherben hatten wir bisher denn doch noch nicht auf unserem Weg. Über diesen Bodenbelag suchen sich Pilger zu Fuß und auf Rädern ihren Weg aus der Stadt. Ansonsten rührt sich noch nichts. Wir machen eine kurze Stadtrundfahrt und sehen uns die Kirchen an. Die Stadt spricht uns nicht besonders an. Das kann am Schlafmangel liegen.
Karten und Führer sind jetzt der Meinung, dass man, da es keine Straße neben der Autobahn mehr gibt, entweder den Jakobsweg nutzen muss, was Bikeline für unmöglich hält oder einen weiten Umweg fahren. Wir glauben mal Bikeline, zumal die darin vorgeschlagene Alternative am Ebro entlang führt, wo es uns ganz gut gefällt. In El Cortijo ist dann allerdings vorgesehen, Radwege zu nutzen, die es hier in jeder Form im Gelände gibt. Die sind nicht wirklich ausgeschildert und wir verbringen viel Zeit damit, uns durchzufragen. Von den vielen Möglichkeiten fahren wir einen Schotterweg entlang, der in ziemlich schlechtem Zustand ist und eine Bahnlinie entlang auch nicht wirklich reizvoll. Genauso wenig wie die Straße, auf die es uns anschließend verschlägt. Wir beschließen, auf die Bikeline-Vorschläge künftig zu verzichten und uns mehr am Jakobsweg zu orientieren.
In Navarrete schüttet es mal wieder ordentlich. Wir machen einen kurzen Stop unter einem Vordach und fahren dann weiter. Jetzt bleiben wir zwischen den Wanderern auf dem Jakobsweg und finden ihn ziemlich gut befahrbar. Außerdem ist es nett zwischen all den Leuten. Heute im Regen tragen alle bunte Ponchos mit spitzen Kapuzen und einer Ausbuchtung auf dem Rücken für den Rucksack. Das sieht lustig aus. Dazu die urzeitlichen klobigen Wanderstöcke. Muscheln überall. So haben wir uns den Jakobsweg vorgestellt.
Der Weg nimmt nicht ganz den im Bikeline eingezeichneten Verlauf. Und im wesentlichen folgen wir auch der Autobahn. Aber geteiltes Leid ist halbes Leid. An einer Autobahnbaustelle durchqueren wir eine riesige Pfütze, die so groß ist, dass man sie nicht umfahren kann. Sie ist auch überraschend tief und rutschig. Nachdem wir erst noch denken, da sei ein Wassertank ausgelaufen, merken wir bald, dass hier wohl ein heftiger Schauer niedergegangen ist. Jedenfalls hat er Weg und Felder in eine rote Lehmgrube verwandelt. Unsere Räder kleben sich schnell mal wieder fest. Ich erreiche das rettende Ufer – eine Querstraße – indem ich das Vorderrad hochhebe und das blockierende Hinterrad hinter mir her schleife. So muss ich mehrere 100 m zurücklegen. Interessant auch der Effekt an den knöcheltief im Morast versinkenden Füßen.
Wir glauben jetzt also mal unseren Reiseführern, dass der Weg hinter Najera für Räder unbefahrbar ist. Der Ort liegt an einem Fluß vor einer Felswand. Sicher besser, die zu umfahren. Wir suchen lange nach dem Kloster, das aber geschlossen hat, als wir es finden. Die Stadt ist touristisch offenbar häufig angefahren. In solchen Ballungen fühlen wir uns inzwischen nicht mehr wohl. Wir nehmen die vorgeschlagene Straßen-Ausfahrt. Im Grunde führt die direkt auf die neue Autobahn, die in unseren Karten noch gar nicht eingezeichnet ist. Wieder mal ohne Begleitstraße. Wir sollen auf Hormilla zufahren, vor dem Ort links abbiegen, die Hauptstrecke überqueren und über einen Feldweg nach Azofra.
Wir versuchen das, aber das Überqueren einer Autobahn ist schwierig. Wir irren über verschiedene Feldwege bis wir eine Unterführung finden. Bis Azofra kommen wir nun leicht. Und dort biegen wir in den Jakobsweg ein. Das erweist sich als gute Entscheidung. Wir kommen zwar nur langsam vorwärts, aber die Wegführung ist deutlich attraktiver als die der Straßen. Und man ist überall in netter Gesellschaft. Neben den Wanderern sind hier auch viele Radfahrer unterwegs. Es gibt hübsche Rastplätze. Kein Vergleich mit den Landstraßen. Die meisten Radfahrer sind allerdings mit MTBs und wenig bis keinem Gepäck unterwegs.
Ganz ohne Treppengeschleppe geht die Tour nicht ab. Aber die Landschaft ist hier wunderschön. Bergauf wird es häufig zu steil zum Fahren, da schieben wir zwischen den Wanderern. Einige Gefällestrecken schiebe ich auch, wenn es sehr steil ist und ich das Gefühl habe, mein Rad im losen Schotter nicht mehr im Griff zu haben. Wir beschließen bald, diesen Weg jetzt öfter zu benutzen. So kommen wir bis Ciruena. Es wird Abend. Wir nehmen von dort aus die Straße, die direkt nach Santo Domingo de la Calzada führt und sehen dort nach einem Refugio, da es keinen Campingplatz gibt.
Im Zisterzienserinnen-Kloster ist schon alles belegt. Ein Stück weiter ist das Gemeinde-Refugio, in dem auch die Kirchen-Hühner wohnen, da checken wir ein. Im Erdgeschoss gibt es wieder einen Fahrrad-Abstellraum, wo schon diverse Räder stehen. Auch sonst ist alles da, was man so brauchen könnte. Das Zimmer enthält „nur“ zwölf Betten. Mal sehen wie das wird. Erst einmal machen wir einen Spaziergang durch den Ort, treffen alte Bekannte, lernen andere kennen. Sich mit Radfahrern auszutauschen, ist natürlich immer wieder besonders interessant. Erstmalig essen wir heute ein Pilgermenü. Das wollten wir immer schon mal ausprobieren und tun das umso lieber in netter Runde. Es ist gut. Es ist viel. Wir haben uns eigentlich angewöhnt, mit sehr viel weniger auszukommen. Ein halbes würde mir auch reichen. Nachdem wir noch einen Wein getrunken haben, gehen wir zum Refugio zurück und finden die Tür abgeschlossen. Das war für 22 Uhr angekündigt. (Während man es mit dem Öffnen nicht so genau nimmt, wird häufig sehr, sehr pünktlich geschlossen. Eine Viertelstunde vor der angeschlagenen Zeit ist normal. Die Spanier nennen das "poco tarde". Ein bißchen spät.)Wir machen einen Uhrenvergleich. Die Uhren meinen, dass es so zwischen zwei vor Zehn und zwei nach Zehn ist. Draußen wollen wir nicht schlafen. Wir klopfen und rufen, bis man uns öffnet.
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#852363 - 08.08.12 06:56
Re: Jakobsweg mal wieder
[Re: Fricka]
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30. Tag
Die Nacht ist etwas ruhiger als in Pamplona. Offensichtlich haben sich alle akklimatisiert. Das Hüsteln und Niesen ist verschwunden. Aber der Klingel- und Knisterterror ab 4 Uhr ist derselbe. Zudem fällt uns auf, dass Laken und Kopfkissenbezüge nicht mehr ab- sondern nur noch glattgezogen werden. Verdächtig. Wir beschließen, doch lieber mehr nach Campingplätzen zu suchen. Offenbar brauchen wir lange Erholungszeiten zwischen den Refugio-Nächten. Die Läden und Cafes sind um 8 Uhr noch geschlossen. Alle müssen frühstücksfrei auf Tour. Wir folgen weiter dem Camino. Bikeline schlägt einen großen Bogen. Näher dran wäre die stark befahrene N120. Da ist auch uns zuviel Verkehr. Das ist kein Spaß mehr. Aber zwischen den Fußgängern gefällt es uns. Das ist gut machbar und sehr nett. In einem Dorf kochen wir auf dem Rastplatz eine Runde Kaffee für alle. Es gibt etliche Fußgänger, die uns immer wieder über den Weg laufen. So ganz mit rechten Dingen kann das nicht immer zugehen. Aber von mir aus….
In Belorado finden wir endlich einen offenen Laden und decken uns mal wieder ein. Ich habe mich längst dran gewöhnt, dass nicht immer Mineralwasser zu haben ist. Morgens fülle ich die beiden Flaschen, die ich am Rad habe mit Leitungswasser auf, da man nie weiß, wann man wieder anderes kaufen kann. Die Wanderer sind überwiegend mit Halb-Liter-Flaschen unterwegs, die sie bei jeder Möglichkeit auffüllen. Nach Trinkwasser sieht das nicht immer aus, was da irgendwo herauströpfelt.
Nun geht es auf die Montes de Oca zu. Auf dem Fußweg scheint das schwierig zu sein. Wenn es in die Berge geht, ist der meist zu steil und zu ausgewaschen. Zudem wird er schmal. Alle Radführer empfehlen, eine Straßenetappe einzulegen. Wir biegen also in Tosantos ab. Hoch müssen wir natürlich trotzdem, nur verteilen sich die Steigungen auf eine längere Strecke und die Straße ist besser befahrbar. Von der N120 wird ebenfalls abgeraten. Es geht durch einsame kahle Hügel nach oben. Weit nach oben. Aber wir fahren das jetzt klaglos und flott. Das Frankreich-Training zahlt sich aus. Es ist völlig einsam. Kein Dorf, kein Straßenverkehr. Dafür ein weiter Blick über das Land. An der ersten Passhöhe machen wir einen Stop, trinken Wasser und frühstücken. Die Vögel zwitschern. Da kommen acht Rennradfahrer angejagt und bremsen neben uns, um sich zu sammeln. Niederländer auf Pauschalreise. Die fahren mit Bus und Fahrradanhänger und picken sich die schönsten Strecken raus. In diesem Fall sind es 28. Als wir weiterfahren, fehlen immer noch etliche. Einige sehen schwer geschafft aus.
Bis Villalomez geht es abwärts und anschließend bis Villalmondar den Rio Oca entlang, also ein Stück eben weiter. Dort biegen wir in ein Tal ein, dass uns noch einmal sehr viel höher bringt, bis es oben gewohnt hügelig, nur nun auf einer höheren Ebene weitergeht. Irgendwann kommen wir „oben“ an und es wird fast völlig eben. Wir haben die Hochebene erreicht, auf der wir nun über Burgos bis Leon weiterfahren werden. Zunächst einmal kommen wir nach St. Juan de Ortega, wo wir den Fußweg kreuzen. Entsprechend belebt ist es hier. Wir treffen die üblichen, die wir überall treffen. Ein Bus hat ein großes Büfett für seine Insassen, diesmal eine deutsche Gruppe, aufgebaut. Es wimmelt regelrecht. Wir statten der Kirche einen Besuch ab, beschließen aber, hier nicht zu übernachten, sondern weiter nach Burgos zu fahren, um den dortigen Campingplatz zu benutzen.
Ein ziemlich direkter Weg wäre die N120, vom Fußweg wird immer noch wegen weiterer Bergstrecken abgeraten, Bikeline schlägt mal wieder die übliche große Rundreise fern des Jakobswegs vor. Wir möchten jetzt eigentlich gerne zügig nach Burgos, da der Tag dem Ende zugeht und beschließen, uns die N120 und eventuelle Seitenstreifen mal anzusehen. Das risikofreudige Radreisebuch schreibt, dass wir einfach den alternativ-Pilgerweg an der Seite benutzen sollen. Mal gucken, ob da einer ist.
Die N120 liegt relativ weit oben. Unsere Nebenstraße läuft drauf zu. In dem Moment sausen die 28 Rennrad-Niederländer an uns vorbei und machen sich auf den Weg, dem Bikeline-Routenvorschlag zu folgen. Wir nähern uns vorsichtig der N120 und entdecken auf der anderen Seite tatsächlich einen Schotterweg, der dem Jakobsweg gleicht wie ein Ei dem anderen. Es sind sogar die gleichen Markierungssteine mit dem Muschel-Zeichen dran. Nur alles etwas vergammelt und zugewachsen. Trotzdem. Da kann man fahren, ohne unter einem LKW zu enden und spart viele Kilometer Umweg. In den Orten setzt dieser Weg regelmäßig aus. Da muss man auf die Straße, was jedes Mal nervt. Und der Weg ist mal links, mal rechts der Straße, also nicht immer einfach zu fahren. Aber kurze Zeit später wird es besser. Der Weg wird breiter und ist gut ausgebaut bis er sich sogar von der Straße trennt und zu einem separaten Radweg Richtung Burgos wird.
Der Campingplatz liegt vor Burgos am anderen Ufer des Arlanzon. Das Radreisebuch liefert eine Wegbeschreibung, die sicher irgendwann mal gestimmt hat, aber diese Randbereiche verändern sich offensichtlich sehr schnell. Wir kreuzen jedenfalls zwei Autobahnen, überqueren die N120 und biegen Richtung Arlanzon ab. Irgendwo finden wir eine Brücke. Und nach einigen Fragerunden kommen wir auf den großen, gut ausgebauten Campingplatz, wo uns auch wieder sofort alte Bekannte entgegen kommen. Hier stehen diverse Radlerzelte. Wir packen unseren nassen Zeltkram aus und stellen erst einmal das Überzelt in die Sonne. Der Platz hat einen Laden, der uns ein üppiges Abendessen und sogar Frühstück beschert. Nette Nachbarn, sonniges Wetter, angenehme Duschen.
Wenn bloß das heftige Schneetreiben nicht wäre. Den Arlanzon entlang stehen Pappeln. Und die haben sich entschlossen, ihre Pollen fliegen zu lassen. Der Rasen ist weiß. Das Zelt ist weiß. Alles ist weiß. An den feuchten Stellen bildet sich eine Beschichtung, die tagelang haftet. Essen und Trinken ist nicht so die reine Freude.
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#852725 - 09.08.12 08:17
Re: Jakobsweg mal wieder
[Re: Fricka]
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30. Tag
Wegen eher noch verstärktem Pollen-Niedergang beschließen wir, zusammenzupacken, uns heute Burgos anzugucken und nachmittags weiterzufahren. Den Arlanzon entlang haben wir die Innenstadt schnell erreicht und sind gleich begeistert. Schnell stellen wir fest, dass hier mit einer Kurzbesichtigung nicht viel zu wollen ist. Es gibt einfach zuviel zu sehen. Wir beginnen mit der Kathedrale, bezahlen brav den Pilger-Eintritt und verbringen dort gleich mehrere Stunden in den verschiedenen Schiffen, Kapellen, Kreuzgängen usw. Irgendwann reicht es uns, obwohl wir immer noch nicht den Eindruck haben, alles gesehen zu haben. Auch von außen ist sie sehr imposant, so dass wir sie einmal umrunden, wobei wir auf weitere hübsche Plätze treffen. In einem Straßencafe vor der Kathedrale treffen wir Bekannte, die gerade eingetroffen sind und machen uns wie sie mit dem Gedanken an eine Quartiersuche vertraut. Die Touri-Info ist nicht wirklich hilfreich. Sie verteilt Listen. Wir sollen die Unterkünfte abtelefonieren oder ablaufen. Beides ist nicht sehr verlockend. Das Gemeinde-Refugio ist gigantisch. Das schreckt uns ab. So richtig Lust auf Refugio haben wir sowieso nicht.
Hotels sind erschreckend teuer. Die Privatzimmer liegen weit außerhalb. Wir beschließen, es mal bei den Emaus-Pilgern zu versuchen. Ein kleines Refugio mit laut Führer strenger Gesichtskontrolle bei der Aufnahme und verpflichtendem Abendgebet. Es liegt jenseits des Arlanzon aber nicht allzu weit außerhalb. Nach einigem Suchen finden wir die Adresse, aber keinen Eingang. Ein Pfarrer vor der Tür winkt uns ein. Wir müssen ein paar Fragen beantworten und werden zugelassen. Das Refugio ist nagelneu und ein Traum. Liebevoll ausgestaltet. Blitzsauber. Wir bekommen ein Zimmer für uns und werden gebeten, um 19 Uhr in der Kapelle zu sein. Nach der Messe werde man gemeinsam das Abendessen zubereiten.
Wir fahren zurück in die Innenstadt und sehen uns die anderen Sehenswürdigkeiten an. Wir sind begeistert von dieser Stadt. Alles ist wunderschön. Um 19 Uhr sind wir zurück und gehen in die Kapelle. Alle sechs Pilger sind anwesend, werden von der spanischen Gemeinde freudig begrüßt und im Anschluss an die Messe gesegnet. Das kennen wir jetzt schon. Hier war es aber zweifelsohne nach Vezelay am persönlichsten. Wir essen gemeinsam und unterhalten uns intensiv, bis es Zeit ist, schlafen zu gehen. Wir schlafen wortwörtlich wie in Abrahams Schoß und reisen am nächsten Morgen nach einem gemeinsamen Frühstück ab.
31. Tag
Stadtauswärts folgen wir nun gleich dem Jakobsweg, was sich als relativ angenehm erweist. Nach Verlassen der Stadt und Kreuzen der Autobahn geht es hinter Tardajos die Meseta aufwärts. Der Pilgerstrom hat sich ausgedünnt. Viele benutzen anscheinend auf diesen Strecken den Bus. Es sind aber immer noch reichlich Menschen unterwegs, um für ausreichende Geselligkeit zu sorgen. Es geht gleich einmal reichlich nach oben bis wir auf einer leicht welligen wogenden grünen Ebene landen, die mit bunten Blumen übersät ist. Meseta im Frühsommer. Ein herrlicher Anblick.
Ein Weilchen bleiben wir oben. Hier überholen wir eine Gruppe, die sich als eine mexikanische Schulklasse erweist. Das wirkt schon etwas speziell. Ihr Lehrer und ihr Bus erwarten sie im nächsten Ort. Abwärts nach Hornillos geht es sehr steil in einer ausgewaschenen Schotterrinne. Während ich vorsichtig hinunterrutsche, werde ich von einer MTB-Truppe überholt, die förmlich über mich hinweg fliegt. Im Ort unterhalten wir uns und sie erzählen, dass sie keinen Zentimeter vom Fußweg abweichen. Und wenn sie in den Bergen kilometerweit die Räder tragen müssen. Das ist wahrer Sportsgeist, aber bei den Fußgängern nicht sehr beliebt, da die offensichtlich teilweise um ihr Leben fürchten und eine solche rein sportliche Motivation bei den meisten auch nicht so wirklich gut ankommt.
Hornillos ist ein reizendes Örtchen. Eine gerade Gasse führt hindurch. Daran herrscht fröhliches Pilgerleben. Überall wird gerastet, eingekauft, eingekehrt und was man in einem Ort halt so machen kann. Auf der anderen Seite geht es wieder hinaus und gleich wieder steil nach oben auf den nächsten Meseta-Abschnitt. Hier geht es eine längere Strecke oben über die Hochebene. Unterwegs liegt San Bol, ein ehemaliges Kloster und heutiges Refugio. Wir folgen dem Wegweiser bis zur Herberge, die in einer Einkerbung in der Hochebene liegt. Daneben fließt ein Bach und es gibt sogar ein kleines Wäldchen. Wir rasten hier auf der Terrasse und treffen auf eine deutsche Gruppe, die Pläne macht, wie die Spanier denn endlich mal das Radfahren auf dem Camino verbieten könnten oder wenigstens getrennte Spuren einführen.
Hontanas ist Hornillos recht ähnlich, eher noch tiefer in das Tal geduckt und noch enger. Wir schieben gemütlich durch und sehen uns ausführlich um. Am Ende des Ortes treffen wir auf eine Straße, in die wir nach links einbiegen, um gemütlich der Straße bergab zum Convento San Anton zu folgen. Gemeinsam mit dem Fußweg. Der Convento ist eine Ruine, in der sich ein Refugio findet. Wir folgen weiter Straße und Jakobsweg nach Castrogeriz. Der langgestreckte Ort mit seinem Castillo oben drüber besteht praktisch nur aus Ruinen. Irgendwie erschreckend. Man erklärt uns, wir kämen jetzt in die Tierra del Campo. Eine Gegend, die einst eine vielfältige Agrarstruktur hatte. Aber dann kam die EU mit Flurbereinigung und Monokulturen. Einige wurden ziemlich reich und alle anderen arm. Und deshalb verfallen jetzt eben die Dörfer, weil dort niemand mehr sein Auskommen findet.
Im Anschluss führt der Fußweg steil und felsig einen Hang hoch. Wir folgen der Empfehlung, lieber die Straße zu nehmen, die einen ebeneren Weg einschlägt. Das Radeln durch die Monokulturen ist ziemlich eintönig. Wir fahren an einem Ort mit dem schönen Namen Matajudios vorbei. Eigentlich heißt das „Judentöter“. So wie Jakobus häufig als Matamoros (Maurentöter) dargestellt wird. Uns wird aber erklärt, in diesem Fall heiße das Judenhügel. Was so bleiben darf. Bis zur Puente de Itero folgen wir der Straße, die uns mit eindeutig langweiligen Ausblicken und vielen nervigen Steigungen erfreut. An der romanischen Bogenbrücke biegen wir ab zum romanischen Refugio und folgen anschließend lieber wieder dem Fußweg. Man kommt zwar langsamer voran, aber es macht einfach mehr Spaß.
Als wir Itero de la Vega in Richtung Boadilla del Camino verlassen, kommt Wind auf. Kräftiger Wind. Natürlich von vorne. Die schotterigen Steigungen werden sofort deutlich mühsamer. Wir lassen uns davon nicht beirren, zumal wir hinter Boadilla auf den Canal de Castillo treffen und an seinem Ufer weiterfahren, also eben. Am Kanal entlang erreichen wir Fromista, das Ziel der meisten Radler, die wir heute trafen, allerdings nicht unseres, da ohne Campingplatz.
Wir überqueren den Kanal ziemlich halsbrecherisch über eine der zahlreichen, offensichtlich nicht mehr betriebenen Schleusen. Zwar hätten wir theoretisch noch etwas weiterfahren und eine normale Brücke benutzen können, aber Umwegen sind wir im Gegenwind wenig aufgeschlossen. Der Ort wirkt nicht besonders reizvoll, aber in der Mitte steht mit S. Martin eine besonders schöne romanische Kirche, die tatsächlich auch geöffnet hat. Das lassen wir uns natürlich nicht entgehen, obwohl der Tag schon weit fortgeschritten ist und wir noch etliche Kilometer vor uns haben.
Der Fußweg läuft ab jetzt direkt neben der Straße, so dass wir auf den Asphalt wechseln. Es bleibt mühsam genug, noch bis Carrion de los Condes weiter durchzuhalten. Relativ spät kommen wir dort an und freuen uns, eine Beschilderung zum Campingplatz am Flussufer vorzufinden. Der Platz wirkt ein wenig – eigenartig. Heruntergekommene Sanitärgebäude. Kaum Besucher. Aber immerhin wird der Rasen fleißig gesprengt. Im strömenden Regen wirkt auch das – eigenartig. Wir treffen hier auf insgesamt sechs radelnde niederländische Camper. Das ist nett. Wir besichtigen natürlich gleich gegenseitig die Fahrräder und tauschen uns auch sonst aus. Teils wollen sie morgen nach Leon, teils nach Mansilla de las Mulas. Alle gehen früh schlafen, so dass es rundum schon still ist, während wir uns noch etwas zu essen produzieren.
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#852967 - 09.08.12 22:00
Re: Jakobsweg mal wieder
[Re: Fricka]
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Ich freue mich über jede Fortsetzung eures Reiseberichtes und schwelge in Erinnerungen... 2004 war ich mit dem Rad dort ebenfalls unterwegs, allerdings "nur" ab Logroño. Später ging ich dann noch einige Etappen zu Fuß, aber nur bis León. Danach wurde es mir zu voll auf dem Weg... Castrojeriz habe ich allerdings als netten Ort mit nicht so vielen Ruinen in Erinnerung. Sollte sich das in den letzten Jahren geändert haben? Schade!
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Gruß von Ulla
...die ein Leben ohne Radl für möglich, aber sinnlos hält... | |
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#853800 - 12.08.12 17:10
Re: Jakobsweg mal wieder
[Re: Fricka]
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32. Tag
Wie üblich gucken wir uns jetzt erst einmal den Ort an. Faszinierend sind die hier in dieser Gegend zahlreichen Storchennester. An den Kirchen ist oft an jeder Ecke eins und dazu noch mehrere auf dem Turm oder dem abgetreppten Giebel. Alle sind bewohnt und man kann zusehen, wie die Jungtiere gefüttert werden. Viel mehr Faszinierendes finden wir hier nicht. Auch der gerade stattfindende Markt wirkt in erster Linie ärmlich.
Sobald wir den Ort verlassen, kommen wir am Kloster San Zoilo vorbei. Natürlich müssen wir auch hier die Gebäude von innen und außen besehen. Am Kreuzgang ist ein Hotel integriert. Sobald wir in die freie Landschaft kommen, steht uns ein heftiger Wind entgegen. Das fühlt sich an, als radle man auf eine Windmaschine zu. Jeder Meter will erkämpft sein. Um das nicht noch weiter zu erschweren, bleiben wir auf der N120, die hier wenig befahren ist. Kilometer um Kilometer ist absolute Schwerarbeit. Sowas haben wir noch nicht erlebt. Wir treffen unterwegs Bekannte. Wir sehen nach dem Wetterbericht. Morgen soll es noch schlimmer werden. Da müssen wir durch. Besser heute noch so weit kommen, wie irgendwie zu schaffen. Wer weiß, was morgen ist.
Kurz vor Sahagun machen wir einen Abstecher zur Ermita Virgen del Puente. Sie ist wohl schon länger Refugio und wird nun renoviert, ist also geschlossen. Davor gibt es einen großen Picknickplatz. Wir suchen uns ein annähernd windgeschütztes Plätzchen und legen eine kleine Atempause ein. Alles, was man auf den steinernen Tisch legt, wird sofort heruntergeweht, wenn man es nicht festhält. Die Fahrräder wollen auch nicht stehen bleiben. Um uns herum biegt der Sturm die Pappeln fast zu Boden. Alles Mögliche prasselt von oben herunter.
Eigentlich kein Wetter, um sich im Freien aufzuhalten. Wir geben für heute auf. Hat keinen Zweck. Sahagun ist schon zu sehen. Da fahren wir hin, um dort zu übernachten. Da die Ermita am Fußweg liegt, fahren wir darauf weiter in die Stadt. Er verläuft irgendwie durch die Außenbezirke. Um in die Stadt zu kommen, müssen wir eine breite Bahnlinie überqueren. Wir finden ein Schild in Richtung Campingplatz und folgen ihm erfolglos. Es gibt kein weiteres. Wir fahren ein paar Mal durch die reichlich vergammelte Stadt. Fragen herum. Man zeigt in alle möglichen Richtungen.
Endlich gibt uns jemand den richtigen Tipp. Der Platz ist riesig und komplett von Dauercampern belegt. Dazwischen gibt es einige wenige verbliebene Rasenflächen. Unsere Niederländer sind komplett bereits anwesend und noch andere dazu. Wie schön. Alle haben aufgegeben, heute noch weiter zu kommen. Der Platz liegt windgeschützt. Die Sonne scheint. Kaum zu glauben, wie es anderswo aussieht. Wir waschen Wäsche und spannen Leinen. Man muss die Feste feiern, wie sie fallen.
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#854032 - 13.08.12 06:59
Re: Jakobsweg mal wieder
[Re: Fricka]
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33. Tag
Unsere Platznachbarn wollen heute bis Puente de Orbigo. Wir machen erst einmal nicht viele Pläne. Interessanterweise ist es heute praktisch windstill. Die angesagte Sturmverschärfung hat nicht stattgefunden. Gut, dass wir uns gestern nicht weiter gequält haben. An der Ortsausfahrt ist die Orientierung ein bisschen verzwickt, da ein Stück Straße fehlt. Warum auch immer. Jedenfalls kann man noch einmal auf einer Nebenstraße bis Mansilla de las Mulas fahren, bevor man sich auf den Großstadtverkehr Leons einlassen muss. Dort trifft man auf die N601, die – stark befahren – nach Leon führt.
Wir kennen das schon. Stadtein- und –ausfahrten sind so eine Sache. Eine sinnvolle Wegführung für Radfahrer ist hier meist nicht bedacht und so kämpft man sich irgendwie durch. Die N601 erweist sich als wirklich extrem befahren. Wir versuchen, so lange das irgendwie geht, Nebenstraßen zu benutzen. Und sei es schiebend. Schließlich gibt es aber keine Alternative mehr. Gut, dass wir inzwischen an solche Situation gewöhnt sind. Vorne blinken schon große Warnlampen vor einem Kreisel, von dem es in die Stadt geht.
Unsere drei Radführer beschreiben die Situation unterschiedlich. Alle drei sind allerdings der Meinung, dass man hier dem Fußweg nicht folgen kann. Die Wanderer müssen zu Fuß die Autobahn überqueren und dabei Absperrungen überqueren, die Radfahrern nicht möglich sind. Begriffe wie „Zumutung, lebensgefährlich usw.“ überbieten sich gegenseitig. Bikeline empfiehlt, auf dem Seitenstreifen der Autobahn zu bleiben, die nächste Abfahrt zu nehmen und dann die Brücke auf die andere Seite zu nehmen. Das klingt am unaufgeregtesten. Und das scheint die neueste Version zu sein. Also gut und los. Die Autobahn ist nicht als solche ausgewiesen. Es gibt kein Fahrradverbot. Aber mächtig viel Verkehr, der dort mit Hochgeschwindigkeit entlang braust. Wir brausen mit. Begünstigt dadurch, dass es ordentlich bergab geht. Vor uns fährt mit ca. 100 m Abstand ein spanischer Radfahrer, den wir schon öfter getroffen haben und der meistens wusste, wo es lang geht. So im Brausen sehen wir, wie die Wanderer fröhlich über eine schicke Brücke marschieren, die wir sicher auch hätten nehmen können, wenn wir denn von ihr gewusst hätten. Oder dort vorbeigekommen wären, wo sie ansetzt. (Man hätte am Kreisel Richtung Golpejar abbiegen müssen (wo auch der Campingplatz ist). Schade irgendwie.
Jedenfalls kommen wir bis an die Ausfahrt, fahren über die Brücke und treffen auf der anderen Autobahnseite die Fußgänger wieder. Wir folgen den gelben Pfeilen bis in die Altstadt. Nicht ohne unterwegs noch einen großen Supermarkt heimzusuchen. Sowas hat man auf dem Lande nicht. In der Altstadt angekommen, brauchen wir mehrere Anläufe, um auf den Platz vor der Kathedrale zu kommen. Die schließt gerade und wird erst um 16 Uhr wieder öffnen. Genug Zeit also, die anderen Sehenswürdigkeiten zu besuchen. Vor der Kathedrale treffen wir etliche unserer niederländischen Campingplatz-Genossen, die sich überwiegend entscheiden, auf die Kathedralen-Besichtigung zu verzichten und weiterzufahren. Wir möchten das nicht.
Die Altstadt ist sehr schön, wenn jetzt auch beinahe wie ausgestorben. Wir laufen herum und finden auf Anhieb den Gaudi-Bau. Und irgendwann auch San Isidro, wo es überraschenderweise keine Siesta gibt. Sowohl Kirche wie auch Museum haben geöffnet. Der etwas morbide Charme dieses Ensembles lockt uns bis in die verstecktesten Ecken.
Nun hat auch die Kathedrale geöffnet. Ganz soviel wie in Burgos findet sich hier nicht. Dafür ist die Beleuchtung durch die vielen bunten Fenster sehr schön. Da wir noch einige Kilometer vor uns haben, machen wir uns bald wieder auf den Weg. Da dass am einfachsten ist, folgen wir den dicken gelben Pfeilen, wovon unsere Führer abraten, da man so konstant falsch rum durch die Einbahnstraßen muss. Das stört uns nicht mehr besonders. Wir sind zunehmend abgehärtet. Ein Umkehren in Richtung Golpejar erwägen wir nicht einmal. Viel zu kompliziert. So kommen wir bald auf einen großen Platz, an dem das Kloster San Marcos mit enthaltenem Parador liegt, bewundern die Fassade und fahren weiter.
Die Vororte haben es auch in dieser Richtung in sich. Vorgeschlagene Umfahrungen kommen jetzt nicht mehr in Frage, wenn wir noch bis Villadangos del Paramo auf den nächsten Campingplatz kommen wollen. Die direkte Strecke, an der auch der Weg für die Fußgänger entlangführt, ist hart. Erst einmal geht es durch ein endloses Gewerbegebiet an stark befahrener Straße steil nach oben. Im Grunde gibt es über La Virgen del Campo und Valverde de la Virgen keinerlei Lücke in Bebauung und dichtem Verkehr. Zwischen den Orten gibt es immerhin einen befahrbaren Seitenstreifen. In den Orten fällt er weg oder ist überfüllter Parkstreifen, so dass man auf die Fahrbahn muss, während der Durchgangsverkehr die Ortsdurchfahrt ignoriert und mit voller Geschwindigkeit durchbrettert. Den Lärm, die Autoabgase und den Staub kann sich vermutlich jeder vorstellen.
In Villadangos gefällt uns der Campingplatz nicht. Er sieht unter den Pappeln am Rand der Durchgangsstraße wenig einladend aus. Wir könnten doch…..bis Puente de Orbigo durchfahren und dort auch die anderen wieder treffen. Das wäre nett. Theoretisch wäre das auch nicht mehr weit gewesen. Wenn wir uns nicht bei unserem Versuch, der schrecklichen Straße wenigstens ab und zu mal auszuweichen, nicht verfahren hätten, was einen ziemlichen Umweg zur Folge hat.
Aber irgendwann stehen wir vor der unglaublich langen und bogenreichen Brücke. Und entsprechend lange schieben wir drüber, weil das Pflaster zwar historisch, aber kaum befahrbar ist. Der Platz ist schnell gefunden und schon bauen wir neben den anderen unser Zelt auf. Auch hier sind die meisten Plätze von Dauercampern belegt. Da Wochenende ist, sind sie alle anwesend und planen, wenn man so die Vorbereitungen sieht, eine größere Feier. Davon kriegen wir aber nicht mehr viel mit. Viel zu müde…..
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#854364 - 14.08.12 06:49
Re: Jakobsweg mal wieder
[Re: Fricka]
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34. Tag
Heute wollen wir nicht weit fahren. Morgens gibt es also keinen Grund zur Eile, was auch mal ganz nett ist. Ziel ist Rabanal. Allerdings soll es bis dahin ziemlich anstrengend werden, da der Ort fast oben auf dem Monte Irago liegt. Der und der Cebreiro sind die letzten größeren Hindernisse, die wir auf dem Weg nach Santiago noch überwinden müssen.
Von Puente Orbigo aus geht es zunächst mal nach Astorga. Direkt dahin führt die N120. Die kennen wir schon von gestern. Dazu haben wir keine Lust. Obwohl die Autobahn direkt parallel führt, ist sie uns zu stark befahren. Was daran liegt, dass die Autobahn gebührenpflichtig ist. Bikeline schlägt eine Alternative vor. Bei dem Versuch, sie zu finden, landen wir auf dem Jakobsweg und sind bald in Villares de Orbigo. Hier wechseln wir auf eine Straße, die nach Santibanez de Valdeiglesias führt. Und von hier aus müssen wir doch auf die N120. An der von da ab ein Radweg entlang führen soll. Wir überqueren also fleißig die Hügel, die die Alternative so mit sich bringt und freuen uns an der Ruhe dort. Auf die N120 zu kommen uns Radfahrer entgegen. Das ist relativ ungewöhnlich hier. Aber gut, vielleicht haben sie sich verfahren.
Der Radweg ist die alte Straße, die neben der neuen entlangführt. Das ist recht erfreulich. Man ist weg vom Autoverkehr und fährt trotzdem recht bequem auf Asphalt. Da stört es nicht besonders, dass es einige lange Steigungen hoch geht. Das kommt nicht so ganz unerwartet, da wir die Ebene verlassen. Bei San Justo de la Vega verlassen wir die N120, um auf Astorga zuzufahren. Der Ort liegt sozusagen auf dem Berg gegenüber. Zunächst mal geht es steil nach unten und dann wieder hoch in den Ort. Wir folgen mal wieder dem Fußweg und kommen zu einem sehr malerischen Bauwerk. Eine grün gestrichene Stahl-Fachwerk-Konstruktion führt über die Bahnlinie. Fleißig sieht man Fußgänger und Radfahrer erst nach oben und dann wieder nach unten wuseln. Dazu muss man eine fünfstöckige Rampe benutzen.
Oben im Ort gehen wir zuerst in die Kathedrale und anschließend in den Gaudi-Bau, der ein Pilger-Museum enthält. Die Museums-Exponate übersehen wir. Die Innenräume sind einfach fantastisch. An der Kathedrale wurde 500 Jahre lang gebaut. Der daraus entstandene Misch-Stil überzeugt uns nicht besonders. Es nieselt leise vor sich hin und ist kalt. Trotzdem versuchen wir ein Straßencafe, bleiben dort aber nicht lange sitzen.
Wir verlassen Astorga laut Führer „über die Autobahn“. In diesem Fall heißt das tatsächlich, dass wir über eine Brücke fahren. Das würden wir inzwischen gar nicht mehr vermuten. In Murias de Rechivaldo bewundern wir die Storchennester. Anschließend machen wir den vorgeschlagenen Abstecher in das Museumsdorf Castrillo. Über einen großen Parkplatz geht es eine Pflasterstraße aufwärts durch das Dorf. Die Häuser aus Naturstein sind perfekt hergerichtet und alles ist völlig menschenleer. Wir vermuten, dass das an der Siesta liegt. Bestimmt verbergen sich hinter den vielen geschlossenen Toren und Türen die erforderlichen Andenkenläden, um die Bedürfnisse all der Besucher, die hier theoretisch parken könnten, zu decken. So wirkt es sehr hübsch und irgendwie eigenartig.
Weiter geht es aufwärts. Der Jakobsweg immer neben der Straße im Gebüsch. Ab und zu sind hier auch Pilger zu sehen. Und sogar Radfahrer, die sich über den Schotter quälen. Wir fahren bequem auf der Straße. Es geht zweifelsohne aufwärts, aber nicht besonders. Jedenfalls ist es nicht besonders anstrengend. Und bald kommt auch Rabanal in Sicht. Einen Campingplatz gibt es hier nicht, genauso wenig wie auf der drauf folgenden Strecke. Zum Cruz de Ferro möchten wir lieber erst morgen Vormittag, wenn auch die anderen Pilger dort unterwegs sind. Eine Campingmöglichkeit soll es an einem der zahlreichen Hostels geben. So auf dem Präsentierteller möchten wir uns allerdings nicht so gerne niederlassen.
Wir überlegen, im Refugio des Klosters zu übernachten. Einer Zweigstelle des Klosters in St. Ottilien in Bayern. Die zugehörige Kirche möchten wir auch gerne sehen. Und natürlich an der Abendmesse teilnehmen. Wegen der gregorianischen Gesänge, die dort gepflegt werden. Das Refugio sieht nett aus. Wir werden gleich abgefangen und sollen einchecken. Zögern aber. Auf die Frage, was wir denn nun eigentlich wollen, erklären wir, gerne im Garten zelten zu wollen. Kein Problem. Wir bauen in dem sehr großen und gemütlichen Garten unser Zelt auf. Das ist schon mal geregelt. Im Dorfladen besorgen wir uns etwas zu essen.
In der Gemeinschaftsküche tagen allerdings nur geschlossene Gesellschaften, so dass aus den versprochenen spirituellen Erlebnissen nichts wird, weshalb wir in eine Bar wechseln, in der man auch Fußball gucken kann. Der Abendgottesdienst ist recht stimmungsvoll. Anschließend suchen wir noch den Klosterladen auf. „Man spricht deutsch“. Das ist mal ganz nett.
Wegen der Höhe ist es nachts frisch. Aber dafür haben wir die passenden Schlafsäcke dabei. Es wird eine sehr erholsame Nacht.
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#854682 - 15.08.12 07:10
Re: Jakobsweg mal wieder
[Re: Fricka]
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35. Tag
Über Nacht hat es geregnet. Morgens regnet es auch. Dazu hängt dichter Nebel über dem Ort. Wir müssen einen Rekord aufstellen im Blitz-Zeltabbauen, da das Refugio wie üblich bis 8 Uhr verlassen werden muss. Bis dahin gibt es sogar noch für alle Frühstück. Nicht schlecht bei einem Übernachtungspreis von 5 € pro Person. In Nieselregen und Nebel machen wir uns an den weiteren Aufstieg. Als wir das Dorf verlassen, empfängt uns heftiger böiger Wind.
Bis zum Cruz de Ferro ist es nicht mehr weit. Bis Foncebadon mit der von Paulo Coelho in die Welt gesetzten Legende von den wilden angriffslustigen Hunden kommen wir schnell voran. Verlassen ist das Dorf nicht mehr wirklich. Etliche Häuser sind wieder instandgesetzt und auch belebt. Hinter dem Dorf zieht die Steigung an. Aber während wir gerade überlegen, ob wir das Cruz de Ferro im Nebel nicht vielleicht übersehen werden, kommen wir drauf zu. Es steht direkt neben der Straße. Gegenüber vom großen Parkplatz. Es herrscht ein emsiges Treiben. Es werden Gruppenfotos gemacht, Gegenstände niedergelegt, Bänder, Fahnen und Zettel am Kreuz befestigt. Auf dem Parkplatz warten diverse Kleinbusse voller Rucksäcke auf Pilger, die gepäckfrei nach oben wollten. Einige steigen auch aus Taxis. Eine amerikanische Gruppe feiert eine Messe bei der die Emotionen offensichtlich aufkochen. Alles das in einem geradezu surrealen Ambiente. Der Wind treibt Wolkenfetzen über die Straße.
Die Straße ist wenig befahren und schlecht. Es liegt, wie angekündigt, Rollsplit drauf. Wenn man das so nennen möchte. Mir kommt es eher wie eine Sandauflage vor. So richtig toll fährt sich das jedenfalls nicht. Aber erst einmal geht es noch nicht bergab, sondern oben auf dem Berg entlang. Der Ginster blüht. Dazu eine Art lila Heide. Und noch eine rote Pflanze. Eine richtige Farb-Explosion im Nebel, der sich jetzt auch etwas lichtet. Rundum sieht man auf andere „bunte Berge“. Und auf die unentbehrlichen Windräder natürlich. Wir kriegen gar nicht genug davon.
Nicht weit vom Cruz de Ferro liegt Manjarin. Ein ziemlich verfallener Ort. Vorsichtig ausgedrückt. Es gibt nur noch Ruinen, von denen eine notdürftig instandgesetzt ist, in der der letzte Tempelritter lebt und ein Refugio nebst Cafe betreibt. Davor sind diverse bunte Wegweiser in alle Welt mit Entfernungsangaben angenagelt. Im Vergleich mit ihren Auftritten in diversen Filmen sind sie ziemlich verblichen. Hütten und Freiflächen so vollgestapelt mit allem und jedem, dass man meinen könnte, dass auch der Tempelritter, der gerade in voller Montur eine Rede an sein Volk hält, als wir vorbeikommen, eigentlich Schrotthändler ist.
Die Fußgänger, eingewickelt in ihre Regenponchos laufen dicht neben der Straße her. Und nun geht es auch abwärts. 1000 m geht es nach unten ins Tal. Obwohl die Straße ziemlich steil ist, dauert das ein Weilchen und wir haben jede Menge Aussicht über das Tal vor uns, in dem wir die Kühltürme eines Kraftwerks und das Häusermeer von Ponferrada sehen. Nicht sehr einladend. Das erste Dorf auf dem Weg nach unten ist das malerische El Acebo. Man umfährt eine Kurve und ist mitten in der Dorfstraße, die dicht an dicht bebaut ist. Im ersten Stock haben die Häuser Holzbalkone, die über die Straße ragen. Es ist nicht so, dass wir nicht bremsen könnten, aber es sieht uns zu touristisch für einen Stop aus. Das Dorf ist merkwürdig überfüllt.
Wir durchfahren Riego und kommen bald nach Molinaseca. Hier gefällt es uns. Vor dem Ort am Fluss stehen Bänke, wo wir uns von der etwas anstrengenden Abfahrt ausruhen und die warmen Sachen ausziehen. Hier scheint die Sonne. Reife Kirschen hängen an den Bäumen. Und der Fluss strudelt fröhlich dahin. Über die historische Brücke geht es in den hübschen Ort. Die Fronleichnamsprozession ist gerade durchgezogen und hat einen Blumenteppich hinterlassen, auf dem es sich angenehm rollt. Die Menschen sind in Sonntagskleidern unterwegs. Es ist nicht wirklich Fronleichnam. Aber an dem Tag selbst wurde gar nicht gefeiert. Anscheinend tut man das überall an anderen Tagen, so dass wir es mehrfach erleben.
Da wir am nächsten Tag auf den Cebreiro wollen, können wir hier nicht lange bleiben. Wir wollen in Cacabelos übernachten, wo es nach Meinung unseres niederländischen Bekanntenkreises einen Campingplatz geben soll. Nach Ponferrada ist es erst einmal nicht weit und uns missfällt diese Stadt auf Anhieb. Zu groß. Zu unübersichtlich. Zu viele gesichtslose Neubauten. Zuviel Verkehr. Da reißt die Templerburg nichts raus. Wir sehen zu, dass wir weiterkommen. Eine gefühlte Ewigkeit fahren wir durch Vorstadt und Gewerbegebiete.
Hier ist das Bierzo. Laut Reiseführer eine Gartenlandschaft. Wir haben den dummen Eindruck, dass etwaige Gärten längst von der großen Stadt überwuchert worden sind. Schöner wird es auch nicht, als wir die Stadt verlassen. In Cacabelos erklärt man uns, der Campingplatz habe schon vor Jahren geschlossen. Wir beschließen also, nach Villafranca del Bierzo weiterzufahren. Das liegt sozusagen direkt am Aufstieg zum Cebreiro.
Der Weg dahin wird anstrengend. Wir überqueren eine Anhöhe nach der anderen. Der freundliche Hospitalero aus Cacabelos hatte uns gesagt, man könne den CP sowieso nicht mit dem Fahrrad erreichen. Dazu müsse man von Villafranca aus über die Autobahn fahren. Im Radreisebuch steht eine Anfahrtsbeschreibung. „An der Burg links“ lässt größere Steigungen vermuten, aber diesmal liegt die Burg unten. Wir folgen der Beschreibung und kommen problemlos nach Vilela, wo wir auf Camping-Schilder stoßen.
Der Platz existiert. Sein Betreiber wirkt aber nicht sehr motiviert. Außer uns ist noch ein niederländisches Paar dort. Viel mehr Leute könnte man auch nicht unterbringen. Der Platz ist groß, aber das Gras steht mannshoch. Nur drei Stellplätze sind gemäht. Wasserhähne und Elektrokästen sind zerstört. Das Sanitärgebäude ist riesig und auch durchaus in Ordnung, wirkt nur seltsam unbenutzt und völlig eingestaubt. Auf den Waschbecken werden Elektrogeräte demontiert. Was da gemäht wurde, ist an Ort und Stelle liegen geblieben. Wir bauen unser Zelt sozusagen im Heu auf. Die Nacht ist jedenfalls ruhig.
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#854998 - 16.08.12 06:34
Re: Jakobsweg mal wieder
[Re: Fricka]
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36. Tag
Als wir um 9.30 abreisen wollen, ist das Tor immer noch verschlossen. Niemand ist zu sehen. Schließlich gelingt es uns, es irgendwie aufzufummeln. In Vilela gibt es keine Einkaufsmöglichkeiten und wir haben keinerlei Vorräte mehr. Deshalb gehen wir in Villafranca erst einmal frühstücken. Nachdem wir uns davon überzeugt haben, dass die Santiagokirche heue genauso geschlossen ist wie gestern. Der Ort ist voller aufbrechender Pilger. Rucksäcke werden in Kleinbusse verladen. Viele gehen hier ohne Gepäck. Die Cafes sind gefüllt. Der kleine überteuerte Laden ist brechend voll. (Etwas weiter durch den Ort gibt es die üblichen Supermärkte.) Vor dem Fahrradladen wird geschraubt. Und wer alles erledigt hat, marschiert oder radelt los. Der Wetterbericht ist positiv. „Morgens noch ein bisschen Regen, dann Sonne und steigende Temperaturen“, alle sind gut drauf.
Von Villafranca aus geht es ein Flusstal hoch. Zunächst mit relativ moderater Steigung. HP Kerkeling erlitt hier Todesangst, direkt neben der N VI, „auf Tuchfühlung mit den LKWs“. Seitdem hat man die Stelle entschärft. Der ununterbrochene Pilgerzug marschiert in einer Art Raubtiergang. Links die Leitplanke, rechts eine mehr als hüfthohe Betonmauer. Dazwischen üben sich Radfahrer in dem, was wir inzwischen „Pilgerslalom“ nennen. Wir fahren auf der Straße. So gut wie allein. Vielleicht sind Autos und LKWs auf der Autobahn unterwegs, die ebenfalls durch das enge Tal verläuft. Meist auf Brücken über uns. Hier hat die EU-Strukturförderung offensichtlich gnadenlos zugeschlagen. Weiter oben sind es sogar bis zu vier Straßen, die in mehreren Etagen übereinander aufwärts führen.
Der Fußweg biegt regelmäßig in die Dörfer aus. Wir machen das auch. Dort gibt es alles, was das Pilgerherz begehrt. In Trabadelo treibt uns ein Wolkenbruch in einen Laden, der endlich ein Preisniveau hat, das es uns erlaubt, uns mit Proviant einzudecken. Die ersten Taxis werden herbeitelefoniert. Wegen schlechten Wetters. Ab Vega de Valcarce soll die Steigung anziehen. Allerdings gibt es hier erst einmal ein Autobahnkreuz, eine riesige Tankstelle, ein großes Hotel – und einen Campingplatz, von dem wir nichts wussten. Landschaft pur sozusagen. In Ruitelan treibt uns der nächste Wolkenbruch in eine Bar. Noch sind wir nur mäßig durchnässt.
Kurz hinter dem Ort biegt der Fußweg aus. Wir bleiben auf der Straße. Nun steigt sie stärker an, ist aber weiterhin bequem zu fahren. Das kleinste Kettenblatt wird nicht gebraucht. Wir kommen zügig voran. Hoch über uns Autobahn und N VI. Da müssen wir auch noch hin. Während wir immer noch entspannt radeln, sehen wir, dass wir erheblich an Höhe gewinnen. Es nieselt durchgängig und regnet ab und zu stärker. Es gibt aber keine Unterstellmöglichkeiten mehr. Wir beschließen, jetzt durchzufahren, da wir ohnehin nass sind.
Es ist nicht mehr allzu weit bis Pedrafita do Cebreiro, die Autobahn liegt bereits unter uns, als wir auf zwei „unserer“ Niederländer treffen. Sie sitzen auf der Leitplanke und frühstücken. Dem schließen wir uns an und fahren anschließend gemeinsam weiter. Vor Pedrafita verschwindet die Autobahn in einem Tunnel. Der nicht sehr attraktive Ort steht oben drauf. Wir biegen hier ab, um die letzten 4 km zum Cebreiro raufzufahren. Die Autobahn führt geradeaus weiter.
Nach kurzer Zeit sieht man die Passhöhe liegen. Hier gibt es keine Kehren. Wir machen ein gemeinsames Gipfelfoto und biegen dann in den Ort. Schon wieder ein „Museumsdorf“. Alle Gebäude sind aus Naturstein und teilweise strohgedeckt. Etliche sind rund. Wir sind anscheinend in Hobbithausen angekommen. Es gibt alle Arten von Herbergen, Bars und Restaurants. Dazu diverse Andenkenläden. Vor dem Ort parken Busse und entlassen ganze Völkerscharen in den kleinen Ort, in dem viele, viele Pilger bereits herumsitzen, die hier übernachten wollen. Davon, dass das Wetter besser werden soll, ist jetzt nicht mehr die Rede. Eher im Gegenteil.
Wir besuchen die kleine Kirche und machen uns nach einem heißen Tee wieder auf den Weg. Die Niederländer sind schon längst weiter. Es ist nur noch vier Grad warm und regnet stark. Zeit, nach unten zu fahren, wo es hoffentlich wärmer ist. Ich habe längst T-Shirt, Pullover, Fleece- und Regenjacke übereinander gezogen, Handschuhe an und Mütze auf. Ganz zu schweigen von langen Hosenbeinen. Alles ist aber inzwischen durchnässt. Teils von innen, teils von außen. Ich friere geradezu jämmerlich.
Wie gestern, geht es auch hier nicht sofort wieder nach unten, sondern noch über zwei weitere Pässe, die jeweils einen wärmenden Aufstieg mit sich bringen. Jeder ist mit einem Pilgerdenkmal verziert. Einmal kehren wir noch auf einen Tee ein, um ein bisschen im Trockenen zu sein. Hier sitzen viele Pilger, die nun erst morgen absteigen wollen. Der Fußweg führt jetzt wieder neben der Straße her.
Endlich sind wir sozusagen „über den Berg“ und beginnen die Abfahrt. Die Straße ist hier deutlich besser zu fahren als die am Monte Irago. Wir brausen geradezu dahin. Das ist auch gut so. In den Füßen habe ich inzwischen kein Gefühl mehr. Die Hände sind steifgefroren. Auf einmal beginnt es zu hageln. Gut, dass wir Helm tragen. Und dass eine Bushaltestelle am Straßenrand auftaucht, in die wir uns flüchten können. Da kommen ganz schöne Trümmer von oben.
Erleichtert erreichen wir Triacastela „unten“. Jetzt wollen wir noch bis Samos, wo es eine „Campinggelegenheit“ geben soll. Was immer darunter zu verstehen ist. Bis Samos hügelt es wieder ein wenig, geht aber tendentiell bergab, so dass wir bis dorthin nicht lange brauchen. Am Ortseingang treffen wir auf das riesige Kloster, das den Ort dominiert. Ein hübsches Motiv: die Klostertankstelle. Weniger hübsch das Refugio im Kloster. Nach einem Blick durch die Tür nehmen wir uns spontan gegenüber ein Hotelzimmer. Keine Lust auf Regencamping. Wir nehmen eine heiße Dusche, hängen die nassen Klamotten zum Trocknen auf und gehen Essen.
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#855005 - 16.08.12 06:55
Re: Jakobsweg mal wieder
[Re: Fricka]
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ich liebe Euren Reisebericht jeden Morgen eine solche Frühstückslektüre und der Tag ist gerettet. Ihr könnt wunderbar die skurrilsten Situationen beschreiben, da braucht es keine Photos mehr. Klasse!
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° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° Reisen + | |
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#855015 - 16.08.12 07:26
Re: Jakobsweg mal wieder
[Re: Fricka]
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Anscheinend ist auf dem O Cebreiro immer so ein Sauwetter. Bei uns war es ganz genau so. Das nächst mal kommen die Sealskinz mit.
Detlef
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Cycling is an addiction, it can drive you quite insane. It can rule your life as truly as strong whiskey and cocaine. |
Geändert von Deul (16.08.12 07:27) |
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#855019 - 16.08.12 07:42
Re: Jakobsweg mal wieder
[Re: Deul]
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Wir waren eine Woche später mit dem Auto dort. Da schien die Sonne und es war ungefähr 25 Grad warm. Das machte es übrigens nicht schöner. Das Dorf sah dann irgendwie zu neu aus. Und die Touristen füllten die Gassen bis zum Anschlag.
Generell hatte der Wetterbericht dort überhaupt keine Treffsicherheit. Der stimmte definitiv nie. Wir hatten ein Tablet dabei. Guckten also beim Losfahren meist drauf. Sogar für denselben Tag war kein Verlass drauf. Geschweige denn für die folgenden.
Dort oben eingekehrt in einer Herberge, in der es eiskalt war und klatschnass, guckten wir mit den dortigen Insassen drauf. "Wie wird das Wetter morgen?" "So wie heute. Gut."
Genauso auch diese Windvorhersagen. Komplett blödsinnig.
Vielleicht ist das Wetter unverlässlich wegen der Nähe zum Atlantik, von wo irgendwelche Fronten schnell hereinziehen oder eben doch nicht.
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#855032 - 16.08.12 08:15
Re: Jakobsweg mal wieder
[Re: Fricka]
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Hallo,
danke für die Berichte. Toll! Ich glaube Ihr seid in einer wechselhaften Zeit gefahren. Wir waren im August da und hatten einen einzigen halben!! Tag Nieselregen und das in Santiago. Dafür waren wir von innen naß und gefroren haben wir auch nie........hätten wir aber gerne auch mal .
Gruß Lutz
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#855043 - 16.08.12 08:33
Re: Jakobsweg mal wieder
[Re: lufi47]
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Im Prinzip war das Wetter in Ordnung. Ich finde das besser, als täglich 35 - 40 Grad zu haben.
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#855049 - 16.08.12 08:51
Re: Jakobsweg mal wieder
[Re: Fricka]
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Wir hatten immer zwischen 25-40 °C, aber trockene Hitze. Das war besser auszuhalten als 28C° bei uns. Nur in Santiago war es unangenehm schwül. Ich würde immer wieder im August fahren.
Gruß Lutz
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