Re: Jakobsweg mal wieder

von: Fricka

Re: Jakobsweg mal wieder - 07.08.12 06:28

29. Tag

Die Nacht war ungemütlich. Neben dem Platz liegt eine Bar am Ebro, in der natürlich gefeiert wurde. Und der Zuweg ging direkt an unserem Zelt vorbei. Wir packen das klatschnasse, völlig verdreckte Zelt in einen Müllsack und hoffen für den Abend auf eine gemütliche Wiese in der Sonne. Mal sehen.

Den Ebro entlang fahren wir durch eine Grünanlage bis zur Brücke in die Altstadt. Es ist 9 Uhr. In Logrono ist gestern wohl heftig gefeiert worden. So viele Scherben hatten wir bisher denn doch noch nicht auf unserem Weg. Über diesen Bodenbelag suchen sich Pilger zu Fuß und auf Rädern ihren Weg aus der Stadt. Ansonsten rührt sich noch nichts. Wir machen eine kurze Stadtrundfahrt und sehen uns die Kirchen an. Die Stadt spricht uns nicht besonders an. Das kann am Schlafmangel liegen.

Karten und Führer sind jetzt der Meinung, dass man, da es keine Straße neben der Autobahn mehr gibt, entweder den Jakobsweg nutzen muss, was Bikeline für unmöglich hält oder einen weiten Umweg fahren. Wir glauben mal Bikeline, zumal die darin vorgeschlagene Alternative am Ebro entlang führt, wo es uns ganz gut gefällt. In El Cortijo ist dann allerdings vorgesehen, Radwege zu nutzen, die es hier in jeder Form im Gelände gibt. Die sind nicht wirklich ausgeschildert und wir verbringen viel Zeit damit, uns durchzufragen. Von den vielen Möglichkeiten fahren wir einen Schotterweg entlang, der in ziemlich schlechtem Zustand ist und eine Bahnlinie entlang auch nicht wirklich reizvoll. Genauso wenig wie die Straße, auf die es uns anschließend verschlägt. Wir beschließen, auf die Bikeline-Vorschläge künftig zu verzichten und uns mehr am Jakobsweg zu orientieren.

In Navarrete schüttet es mal wieder ordentlich. Wir machen einen kurzen Stop unter einem Vordach und fahren dann weiter. Jetzt bleiben wir zwischen den Wanderern auf dem Jakobsweg und finden ihn ziemlich gut befahrbar. Außerdem ist es nett zwischen all den Leuten. Heute im Regen tragen alle bunte Ponchos mit spitzen Kapuzen und einer Ausbuchtung auf dem Rücken für den Rucksack. Das sieht lustig aus. Dazu die urzeitlichen klobigen Wanderstöcke. Muscheln überall. So haben wir uns den Jakobsweg vorgestellt.

Der Weg nimmt nicht ganz den im Bikeline eingezeichneten Verlauf. Und im wesentlichen folgen wir auch der Autobahn. Aber geteiltes Leid ist halbes Leid. An einer Autobahnbaustelle durchqueren wir eine riesige Pfütze, die so groß ist, dass man sie nicht umfahren kann. Sie ist auch überraschend tief und rutschig. Nachdem wir erst noch denken, da sei ein Wassertank ausgelaufen, merken wir bald, dass hier wohl ein heftiger Schauer niedergegangen ist. Jedenfalls hat er Weg und Felder in eine rote Lehmgrube verwandelt. Unsere Räder kleben sich schnell mal wieder fest. Ich erreiche das rettende Ufer – eine Querstraße – indem ich das Vorderrad hochhebe und das blockierende Hinterrad hinter mir her schleife. So muss ich mehrere 100 m zurücklegen. Interessant auch der Effekt an den knöcheltief im Morast versinkenden Füßen.

Wir glauben jetzt also mal unseren Reiseführern, dass der Weg hinter Najera für Räder unbefahrbar ist. Der Ort liegt an einem Fluß vor einer Felswand. Sicher besser, die zu umfahren. Wir suchen lange nach dem Kloster, das aber geschlossen hat, als wir es finden. Die Stadt ist touristisch offenbar häufig angefahren. In solchen Ballungen fühlen wir uns inzwischen nicht mehr wohl. Wir nehmen die vorgeschlagene Straßen-Ausfahrt. Im Grunde führt die direkt auf die neue Autobahn, die in unseren Karten noch gar nicht eingezeichnet ist. Wieder mal ohne Begleitstraße. Wir sollen auf Hormilla zufahren, vor dem Ort links abbiegen, die Hauptstrecke überqueren und über einen Feldweg nach Azofra.

Wir versuchen das, aber das Überqueren einer Autobahn ist schwierig. Wir irren über verschiedene Feldwege bis wir eine Unterführung finden. Bis Azofra kommen wir nun leicht. Und dort biegen wir in den Jakobsweg ein. Das erweist sich als gute Entscheidung. Wir kommen zwar nur langsam vorwärts, aber die Wegführung ist deutlich attraktiver als die der Straßen. Und man ist überall in netter Gesellschaft. Neben den Wanderern sind hier auch viele Radfahrer unterwegs. Es gibt hübsche Rastplätze. Kein Vergleich mit den Landstraßen. Die meisten Radfahrer sind allerdings mit MTBs und wenig bis keinem Gepäck unterwegs.

Ganz ohne Treppengeschleppe geht die Tour nicht ab. Aber die Landschaft ist hier wunderschön. Bergauf wird es häufig zu steil zum Fahren, da schieben wir zwischen den Wanderern. Einige Gefällestrecken schiebe ich auch, wenn es sehr steil ist und ich das Gefühl habe, mein Rad im losen Schotter nicht mehr im Griff zu haben. Wir beschließen bald, diesen Weg jetzt öfter zu benutzen. So kommen wir bis Ciruena. Es wird Abend. Wir nehmen von dort aus die Straße, die direkt nach Santo Domingo de la Calzada führt und sehen dort nach einem Refugio, da es keinen Campingplatz gibt.

Im Zisterzienserinnen-Kloster ist schon alles belegt. Ein Stück weiter ist das Gemeinde-Refugio, in dem auch die Kirchen-Hühner wohnen, da checken wir ein. Im Erdgeschoss gibt es wieder einen Fahrrad-Abstellraum, wo schon diverse Räder stehen. Auch sonst ist alles da, was man so brauchen könnte. Das Zimmer enthält „nur“ zwölf Betten. Mal sehen wie das wird. Erst einmal machen wir einen Spaziergang durch den Ort, treffen alte Bekannte, lernen andere kennen. Sich mit Radfahrern auszutauschen, ist natürlich immer wieder besonders interessant. Erstmalig essen wir heute ein Pilgermenü. Das wollten wir immer schon mal ausprobieren und tun das umso lieber in netter Runde. Es ist gut. Es ist viel. Wir haben uns eigentlich angewöhnt, mit sehr viel weniger auszukommen. Ein halbes würde mir auch reichen. Nachdem wir noch einen Wein getrunken haben, gehen wir zum Refugio zurück und finden die Tür abgeschlossen. Das war für 22 Uhr angekündigt. (Während man es mit dem Öffnen nicht so genau nimmt, wird häufig sehr, sehr pünktlich geschlossen. Eine Viertelstunde vor der angeschlagenen Zeit ist normal. Die Spanier nennen das "poco tarde". Ein bißchen spät.)Wir machen einen Uhrenvergleich. Die Uhren meinen, dass es so zwischen zwei vor Zehn und zwei nach Zehn ist. Draußen wollen wir nicht schlafen. Wir klopfen und rufen, bis man uns öffnet.