Re: Jakobsweg mal wieder

von: Fricka

Re: Jakobsweg mal wieder - 31.07.12 06:29

25. Tag

Als wir ausgeschlafen haben, sind die Pilger schon alle abmarschiert und abgeradelt. Wir hatten am Abend noch mit einigen gesprochen. Das Problem beim Jakobsweg ist aber, dass einem niemand entgegenkommt. Über die weiterführende Strecke gibt es also nur Gerüchte. Die gingen hier eindeutig in Richtung „bitterkalt, Schnee, Tote, die es nicht geschafft haben“. Das können wir uns nicht so ganz vorstellen. So hoch ist der Pass nun auch wieder nicht. Wir glauben jedenfalls auch bei gemütlicher Abreise im Laufe des Tages irgendwie die 28 km bis zur Passhöhe bewältigen zu können. Zur Sicherheit kramen wir mal die Pullover raus und bringen sie bei den stets griffbereiten Regensachen unter.

Wir wandern noch mal durch den Ort, holen uns im Pilgerbüro Stempel, besuchen eine Pilger-Boutique, kaufen im örtlichen Supermarkt ein und besuchen das danebenliegende Sport-/Outdoorgeschäft, um unsere Sammlung an Fahrradflickzeug wieder aufzufüllen. Ort und Berge waren zunächst mal in dichten Nebel gehüllt. Mittags haben sie sich gelichtet und wir steigen auf unsere Räder und nehmen den Aufstieg in Angriff.

Zunächst mal geht es relativ gemütlich los. Man fährt einem Bach entgegen, der hier die Grenze zwischen Frankreich und Spanien bildet. Über eine Brücke besuchen wir schon mal ein spanisches Einkaufszentrum, fahren wieder nach Frankreich zurück und verlassen es im nächsten Ort wieder. In Valcarlos kaufen wir uns spanische Chorizo für ein Picknick unterwegs.

Dann geht es hoch und immer höher. Pässe kannte ich bisher so, dass sich nach einigen Vorbergen die Kehren über einem auftürmen und man abzählen kann, wie weit es noch bis zur oben sichtbaren Passhöhe ist. Am Ibaneta-Pass ist das nicht so. Man fährt durch Wald. Das ist nicht unpraktisch, weil man immer Schatten hat, aber man sieht nicht viel. Irgendwann gibt es auch Kehren, aber die liegen weit auseinander, so dass man auch hier nicht überblickt, was noch vor einem liegt. Die Aussicht ist überhaupt relativ eingeschränkt. Zusätzlich gibt es sehr abweichende Vorschläge, wie weit es denn nun bis zur Passhöhe ist. So weiß man nicht einmal, wie viele Kilometer man noch bewältigen muss. Jedenfalls war es für mich durchaus grenzwertig. Einfach schon durch die schiere Länge der relativ gleichmäßigen Steigung. Da gibt es keine flacheren Einschübe zum Atemholen oder Ausruhen. Es geht immer nur stramm aufwärts.

Und auf einmal fährt man um eine Kurve und ist oben. Wir machen das übliche Gipfelfoto und statten der gut verschlossenen Kapelle einen Besuch ab. Daneben ist ein Parkplatz von dem aus man endlich eine eindrucksvolle Aussicht in die Berge genießen kann. Und von der Seite kommen die Fußpilger anmarschiert.

Wir rollen gemächlich bergab nach Roncesvalles, das wir sehr bald erreichen. Wir haben die Schilderung von HP Kerkeling gelesen, der sich hier gleich mit Schaudern abwandte und die Flucht antrat. Dazu steht in allen unseren Führern, dass man dort keine Radfahrer aufnimmt. Wir haben also hier keine Übernachtung eingeplant. Dazu ist es noch viel zu früh. Aber wir wollen uns Herberge und Kloster natürlich ansehen. Viele Touristen wollen das auch. Es gibt eine getrennte Wegführung für Pilger und Touristen. Damit die sich nicht gegenseitig belästigen. Wir schieben unsere Räder vor die Herberge. Refugio heißt das ab jetzt. Eine Niederländerin empfängt uns herzlich. Wir sollen gleich mal unsere Räder in die extra dafür vorgesehene Scheune schieben und uns im Büro für die Übernachtung einschreiben. Alles ist extrem aufwändig ausgebaut. Sieht durchaus verlockend aus, aber sechs km weiter gibt es einen Campingplatz. Da fahren wir noch hin und werden sicher ruhiger schlafen als in so einem Massenlager. Wir fragen nach. 7 Mio € sind in das Gebäude seit K.s Besuch gesteckt worden. Nun ist alles top. Ach so. Es sind etliche Radfahrer bereits angekommen. Wir tauschen uns ein wenig über das Woher aus. Das Wohin steht nicht in Frage.

Wir sehen uns noch ein bisschen um und rollen dann weiter hangabwärts. Der Pass ist ziemlich asymmetrisch. Auf der spanischen Seite geht es wesentlich weniger bergab. Wir bleiben auf ca. 800 m, während wir am Morgen von nur 160 m gestartet waren. Im ersten Dorfladen füllen wir unsere Vorräte auf, da wir über den Pass nicht viel mitgenommen haben und versuchen, uns in Spanien zu orientieren. Die Autos überholen uns genauso rücksichtsvoll wie in Frankreich. Wir werden freundlich gegrüßt. Jetzt wünscht man sich auch endlich ununterbrochen „Buen Camino“. Der Campingplatz liegt freundlicherweise genau dort, wo er eingezeichnet ist. Er hat geöffnet, ist stärker frequentiert als die bisherigen, fast doppelt so teuer und schlicht aber ordentlich ausgestattet. Unsere Nachbarn kennen wir schon von der Passhöhe. Zufrieden mit uns machen wir uns einen netten Abend.