Re: Jakobsweg mal wieder

von: Fricka

Re: Jakobsweg mal wieder - 30.07.12 11:06

24. Tag

Während wir gerade frühstücken, erscheint ein LKW mit Arbeitern drauf, die nun mähen und die Hecken schneiden möchten. Eine Weile arbeiten sie kommentarlos um uns herum, aber schließlich kommt einer auf uns zu und fordert uns auf, sofort zu erklären, was wir da tun. Etwas reflexhaft antworte ich mit „Wonach sieht’s denn aus?“ Gut, das war nicht nett. Als wir erklären, dass der Bürgermeister uns unser Tun genehmigt hat und wir auch gleich in Richtung Hallenbad aufbrechen werden, um die entsprechende Gebühr zu entrichten, sind sie beruhigt.

Im Hallenbad amüsiert man sich heftig über uns. Wir müssen 5 € bezahlen. Wir folgen jetzt weiter der ehemaligen Fast-Autobahn, die schmaler und schmaler wird. Steigungsmäßig geht es zur Sache. Immer noch fahren wir über Hügel – nicht über Berge. Aber Kette auf Kette muss überquert werden. Und die Straße nimmt dazu den kürzesten Weg. Ist man oben, geht es gleich wieder abwärts bis fast auf Meereshöhe. Wir gewinnen insgesamt nicht wirklich an Höhe.

Die Steigungen sind anstrengend. Jetzt an einem Werktag sind viele LKWs unterwegs. Einmal quäle ich mich aufwärts, während mein Mann schon oben ist und von oben heftig winkt. Ich sehe mich um. Direkt hinter mir kommt ein Convoi exceptionelle mit Überbreite. Das Teil reicht vom Mittelstreifen genau bis an den Abgrund. Da passe ich nicht vorbei. Im Gegenverkehr ist keine Lücke. Und ich fahre mit ca.. 5 km/h. Ich lege mich mächtig ins Zeug und springe gerade noch bevor der riesige LKW endgültig anhalten muss in eine Einfahrt. So reizvoll die Landschaft auch ist, so was ist anstrengend.

So sind wir froh, als wir in Orthez ankommen. Ein nettes Dörfchen. Das auch schon ganz anders aussieht als die bisherigen. Irgendwie nach Pyrenäen. Es gibt eine Fußgängerzone mit Cafes und einen großen Markt, wo wir einkaufen, was wir in der Mittagspause essen möchten. Orthez liegt an der Gave de Pau, einem Flüsschen, das auch schon sehr nach Pyrenäen aussieht. Von der Farbe her und auch weil es so heftig über die Felsblöcke schäumt. Über die Gave führt eine Bogenbrücke mit einem Turm in der Mitte. Wir suchen uns ein Picknickplätzchen unten am Fluss mit Blick auf die Brücke.

Am diesseitigen Ufer führt die Bahnlinie entlang. Ein beschrankter Bahnübergang führt direkt auf die Brücke. Das sieht etwas eigenartig aus, weshalb dieses Stück Brücke auf den Reiseführer-Fotos nicht mit abgebildet wird.

Wir verlassen Orthez mit einem gewissen Bedauern, überlegen aber, ob wir nicht heute noch bis SJPdP fahren sollten. Wir sind ein bisschen kribbelig und würden gerne den Pyrenäen-Pass hinter uns bringen. Die Hauptstrecke macht jetzt einen weiten Umweg, während wir von den Autoabgasen sowieso die Nase voll haben. Wir bleiben also nahe am Jakobsweg und biegen auf eine Nebenstrecke ab. Eine Hügelkette nach der anderen türmt sich vor uns auf. Man fährt hier nicht auf die Pyrenäen zu, indem man in einem Tal aufwärts fährt. Die Flüsse kommen uns nicht entgegen, sondern fließen parallel zur Fahrtrichtung. Wie immer…..

Auf der Karte sind einige Aussichtspunkte eingezeichnet. Tatsächlich sieht man hier direkt auf den Pyrenäenhauptkamm. Da türmt sich was auf. Oben liegt Schnee. Tatsächlich werden wir sie sicher an einer weniger spektakulären, schneefreien Stelle überqueren. Aber der Ausblick von hier aus ist imposant. In einem kleinen Dorf müssen wir mal wieder einen Vorderreifen flicken. Es ist heiß. Wir suchen uns eine schattige Stelle, sitzen auf einem Stein und stellen fest, dass wir ganz schön verschwitzt und ausgepumpt sind. Nachdem wir in einer Stunde genau 10 km zurückgelegt haben. Das ist so eine Art Negativrekord. Wie wird es wohl weitergehen?

Aber jetzt fängt die Straße an, sich der Landschaft anzupassen. Führt auch mal in einer Schlaufe nach oben, um die Steigung bequemer zu halten. Und eine Weile oben entlang, bis wir nach Sauveterre de Bearn hinunterfahren. Sauveterre liegt an der Gave d’Oloron. Wir kommen voran. Oben über dem Ort liegen Reste einer Burg und eine sehr interessante Kirche. Hier treffen wir ein niederländisches Ehepaar, die mit einem auffälligen Gepäckwagen zu Fuß unterwegs sind. Die anderen Pilger, von denen etliche den Ort bevölkern, sind alle schon im Refuge eingecheckt und sitzen in der Bar. Vor SJPdP gibt es keinen CP mehr. Das ist noch so weit, dass wir wohl im Dunkeln ankommen werden. Und es fängt mal wieder an zu tröpfeln.

Ab hier hat uns die Ex-Fast-Autobahn wieder. Sie ist noch schmaler geworden und nicht mehr so wirklich besonders befahren. 16 km sind es noch bis SJPdP. Die Steigungen werden weniger. Die Straße folgt jetzt einem Tal. Mit Einbruch der Dunkelheit kommen wir an. In einer anderen Welt. Soviele Pilger haben wir noch in keinem Ort gesehen. Sie besetzen jeden freien Stuhl in den vielen, vielen Bars. Die Häuser, in denen keine Bars sind, sind Pilger-Unterkünfte oder beherbergen Läden mit Pilgerbedarf.

Wir suchen ein Weilchen den CP. Kann doch keiner ahnen, dass der direkt innerhalb der Stadtmauer liegt. Da sieht man ihn erst, wenn man davor steht. Aber das macht ihn sehr gemütlich. Die Ausstattung ist zwar sehr bescheiden, aber es ist nett. Neben den üblichen Wohnmobilen und Wohnwagen stehen etliche Zelte mit Fahrrädern daneben. Das sieht nach einem ergiebigen Austausch aus.

Nach Zeltaufbau und Dusche machen wir uns noch einmal auf den Weg in die Stadt. Wir haben Hunger. Außerdem sind die historischen Bauten nett angestrahlt. Das sieht alles sehr einladend aus. Ganz bis nach oben in die Burg treibt es uns nicht mehr. Wir suchen eher unten am Fluss nach einem netten Restaurant. Die haben aber anscheinend zum größten Teil schon geschlossen. Wir landen in einer kleinen Pizzeria. Neben äußerst günstigen Preisen dürfen wir hier auch die Dorfjugend kennenlernen. Wir unterhalten uns ziemlich spannend. Und lernen ein neues Phänomen kennen. Einheimische, die sich als Pilger verkleiden, mit allem was dazu gehört. Dann kann man leichter Pilger anquatschen und/oder anbetteln oder irgendwohin schleppen, wo man Prozente kriegt. Interessant.