Re: Jakobsweg mal wieder

von: Fricka

Re: Jakobsweg mal wieder - 09.08.12 08:17

30. Tag

Wegen eher noch verstärktem Pollen-Niedergang beschließen wir, zusammenzupacken, uns heute Burgos anzugucken und nachmittags weiterzufahren. Den Arlanzon entlang haben wir die Innenstadt schnell erreicht und sind gleich begeistert. Schnell stellen wir fest, dass hier mit einer Kurzbesichtigung nicht viel zu wollen ist. Es gibt einfach zuviel zu sehen. Wir beginnen mit der Kathedrale, bezahlen brav den Pilger-Eintritt und verbringen dort gleich mehrere Stunden in den verschiedenen Schiffen, Kapellen, Kreuzgängen usw. Irgendwann reicht es uns, obwohl wir immer noch nicht den Eindruck haben, alles gesehen zu haben. Auch von außen ist sie sehr imposant, so dass wir sie einmal umrunden, wobei wir auf weitere hübsche Plätze treffen. In einem Straßencafe vor der Kathedrale treffen wir Bekannte, die gerade eingetroffen sind und machen uns wie sie mit dem Gedanken an eine Quartiersuche vertraut. Die Touri-Info ist nicht wirklich hilfreich. Sie verteilt Listen. Wir sollen die Unterkünfte abtelefonieren oder ablaufen. Beides ist nicht sehr verlockend. Das Gemeinde-Refugio ist gigantisch. Das schreckt uns ab. So richtig Lust auf Refugio haben wir sowieso nicht.

Hotels sind erschreckend teuer. Die Privatzimmer liegen weit außerhalb. Wir beschließen, es mal bei den Emaus-Pilgern zu versuchen. Ein kleines Refugio mit laut Führer strenger Gesichtskontrolle bei der Aufnahme und verpflichtendem Abendgebet. Es liegt jenseits des Arlanzon aber nicht allzu weit außerhalb. Nach einigem Suchen finden wir die Adresse, aber keinen Eingang. Ein Pfarrer vor der Tür winkt uns ein. Wir müssen ein paar Fragen beantworten und werden zugelassen. Das Refugio ist nagelneu und ein Traum. Liebevoll ausgestaltet. Blitzsauber. Wir bekommen ein Zimmer für uns und werden gebeten, um 19 Uhr in der Kapelle zu sein. Nach der Messe werde man gemeinsam das Abendessen zubereiten.

Wir fahren zurück in die Innenstadt und sehen uns die anderen Sehenswürdigkeiten an. Wir sind begeistert von dieser Stadt. Alles ist wunderschön. Um 19 Uhr sind wir zurück und gehen in die Kapelle. Alle sechs Pilger sind anwesend, werden von der spanischen Gemeinde freudig begrüßt und im Anschluss an die Messe gesegnet. Das kennen wir jetzt schon. Hier war es aber zweifelsohne nach Vezelay am persönlichsten. Wir essen gemeinsam und unterhalten uns intensiv, bis es Zeit ist, schlafen zu gehen. Wir schlafen wortwörtlich wie in Abrahams Schoß und reisen am nächsten Morgen nach einem gemeinsamen Frühstück ab.


31. Tag

Stadtauswärts folgen wir nun gleich dem Jakobsweg, was sich als relativ angenehm erweist. Nach Verlassen der Stadt und Kreuzen der Autobahn geht es hinter Tardajos die Meseta aufwärts. Der Pilgerstrom hat sich ausgedünnt. Viele benutzen anscheinend auf diesen Strecken den Bus. Es sind aber immer noch reichlich Menschen unterwegs, um für ausreichende Geselligkeit zu sorgen. Es geht gleich einmal reichlich nach oben bis wir auf einer leicht welligen wogenden grünen Ebene landen, die mit bunten Blumen übersät ist. Meseta im Frühsommer. Ein herrlicher Anblick.

Ein Weilchen bleiben wir oben. Hier überholen wir eine Gruppe, die sich als eine mexikanische Schulklasse erweist. Das wirkt schon etwas speziell. Ihr Lehrer und ihr Bus erwarten sie im nächsten Ort. Abwärts nach Hornillos geht es sehr steil in einer ausgewaschenen Schotterrinne. Während ich vorsichtig hinunterrutsche, werde ich von einer MTB-Truppe überholt, die förmlich über mich hinweg fliegt. Im Ort unterhalten wir uns und sie erzählen, dass sie keinen Zentimeter vom Fußweg abweichen. Und wenn sie in den Bergen kilometerweit die Räder tragen müssen. Das ist wahrer Sportsgeist, aber bei den Fußgängern nicht sehr beliebt, da die offensichtlich teilweise um ihr Leben fürchten und eine solche rein sportliche Motivation bei den meisten auch nicht so wirklich gut ankommt.

Hornillos ist ein reizendes Örtchen. Eine gerade Gasse führt hindurch. Daran herrscht fröhliches Pilgerleben. Überall wird gerastet, eingekauft, eingekehrt und was man in einem Ort halt so machen kann. Auf der anderen Seite geht es wieder hinaus und gleich wieder steil nach oben auf den nächsten Meseta-Abschnitt. Hier geht es eine längere Strecke oben über die Hochebene. Unterwegs liegt San Bol, ein ehemaliges Kloster und heutiges Refugio. Wir folgen dem Wegweiser bis zur Herberge, die in einer Einkerbung in der Hochebene liegt. Daneben fließt ein Bach und es gibt sogar ein kleines Wäldchen. Wir rasten hier auf der Terrasse und treffen auf eine deutsche Gruppe, die Pläne macht, wie die Spanier denn endlich mal das Radfahren auf dem Camino verbieten könnten oder wenigstens getrennte Spuren einführen.

Hontanas ist Hornillos recht ähnlich, eher noch tiefer in das Tal geduckt und noch enger. Wir schieben gemütlich durch und sehen uns ausführlich um. Am Ende des Ortes treffen wir auf eine Straße, in die wir nach links einbiegen, um gemütlich der Straße bergab zum Convento San Anton zu folgen. Gemeinsam mit dem Fußweg. Der Convento ist eine Ruine, in der sich ein Refugio findet. Wir folgen weiter Straße und Jakobsweg nach Castrogeriz. Der langgestreckte Ort mit seinem Castillo oben drüber besteht praktisch nur aus Ruinen. Irgendwie erschreckend. Man erklärt uns, wir kämen jetzt in die Tierra del Campo. Eine Gegend, die einst eine vielfältige Agrarstruktur hatte. Aber dann kam die EU mit Flurbereinigung und Monokulturen. Einige wurden ziemlich reich und alle anderen arm. Und deshalb verfallen jetzt eben die Dörfer, weil dort niemand mehr sein Auskommen findet.

Im Anschluss führt der Fußweg steil und felsig einen Hang hoch. Wir folgen der Empfehlung, lieber die Straße zu nehmen, die einen ebeneren Weg einschlägt. Das Radeln durch die Monokulturen ist ziemlich eintönig. Wir fahren an einem Ort mit dem schönen Namen Matajudios vorbei. Eigentlich heißt das „Judentöter“. So wie Jakobus häufig als Matamoros (Maurentöter) dargestellt wird. Uns wird aber erklärt, in diesem Fall heiße das Judenhügel. Was so bleiben darf. Bis zur Puente de Itero folgen wir der Straße, die uns mit eindeutig langweiligen Ausblicken und vielen nervigen Steigungen erfreut. An der romanischen Bogenbrücke biegen wir ab zum romanischen Refugio und folgen anschließend lieber wieder dem Fußweg. Man kommt zwar langsamer voran, aber es macht einfach mehr Spaß.

Als wir Itero de la Vega in Richtung Boadilla del Camino verlassen, kommt Wind auf. Kräftiger Wind. Natürlich von vorne. Die schotterigen Steigungen werden sofort deutlich mühsamer. Wir lassen uns davon nicht beirren, zumal wir hinter Boadilla auf den Canal de Castillo treffen und an seinem Ufer weiterfahren, also eben. Am Kanal entlang erreichen wir Fromista, das Ziel der meisten Radler, die wir heute trafen, allerdings nicht unseres, da ohne Campingplatz.

Wir überqueren den Kanal ziemlich halsbrecherisch über eine der zahlreichen, offensichtlich nicht mehr betriebenen Schleusen. Zwar hätten wir theoretisch noch etwas weiterfahren und eine normale Brücke benutzen können, aber Umwegen sind wir im Gegenwind wenig aufgeschlossen. Der Ort wirkt nicht besonders reizvoll, aber in der Mitte steht mit S. Martin eine besonders schöne romanische Kirche, die tatsächlich auch geöffnet hat. Das lassen wir uns natürlich nicht entgehen, obwohl der Tag schon weit fortgeschritten ist und wir noch etliche Kilometer vor uns haben.

Der Fußweg läuft ab jetzt direkt neben der Straße, so dass wir auf den Asphalt wechseln. Es bleibt mühsam genug, noch bis Carrion de los Condes weiter durchzuhalten. Relativ spät kommen wir dort an und freuen uns, eine Beschilderung zum Campingplatz am Flussufer vorzufinden. Der Platz wirkt ein wenig – eigenartig. Heruntergekommene Sanitärgebäude. Kaum Besucher. Aber immerhin wird der Rasen fleißig gesprengt. Im strömenden Regen wirkt auch das – eigenartig. Wir treffen hier auf insgesamt sechs radelnde niederländische Camper. Das ist nett. Wir besichtigen natürlich gleich gegenseitig die Fahrräder und tauschen uns auch sonst aus. Teils wollen sie morgen nach Leon, teils nach Mansilla de las Mulas. Alle gehen früh schlafen, so dass es rundum schon still ist, während wir uns noch etwas zu essen produzieren.