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#1510693 - 28.09.22 20:13
Kurze Herbsttour in Friaul und Venetien
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Hallo in die Runde, eigentlich hatten wir für diesen September eine ganz andere Radtour in Planung gehabt, die aber dem wechselhaften Herbstwetter auch im Süden zum Opfer gefallen ist. Und eigentlich ist die nun hier beschriebene kleine Radreise für einen Reisebericht zu kurz und unscheinbar. Ich stelle die Reise aber doch vor, weil ich in gewisser Weise auch Neues aus der Welt der Radwege berichten kann: die Ciclovia Treviso-Ostiglia. Das ist eine aufgelassene Bahntrasse, die über weite Strecken zu einem schönen Radweg ausgebaut wurde. Wir haben auf unserer Strecke davon etwa die Hälfte befahren, den Abschnitt von Treviso nach Vicenza. Wir fahren - wie so oft bereits – aus dem heimatlichen Salzburger Land mit dem Zug nach Villach. Da eine ohnehin schon lange Tagestour geplant ist, nehmen wir noch den Zug bis Tarvis, starten also auf italienischem Boden in die Radtour. Die ersten paar Dutzend Kilometer auf dem Alpe-Adria-Radweg kennen wir bereits sehr gut, sind aber jedes Mal wieder schön. Weniger schön ist die Erkenntnis nach zwei Platten kurz hintereinander am Hinterreifen meiner Frau: der Mantel zeigt ein schönes Loch, deshalb auch das Leck im Schlauch beide Male an derselben Stelle. Der Schlauch ist rasch gewechselt, der Mantel wird von innen mit einer doppelten Flickenlage versehen und wir versprechen ihm, ihn heute möglichst keiner Schotterfahrbahn auszusetzen. Der Wind bläst mäßig von vorne, so verlangt auch das stetige leichte Bahntrassengefälle ständige Kraft auf den Pedalen. Unmittelbar hinter Pontebba führt der Radweg in einen neuen Tunnel, den wir vor zwei Jahren noch auf der Staatsstraße umfahren mussten. Selbiges gilt für die Wiederbelebung der Bahntrasse bei Pietrasanta. Offenbar wird die Ciclovia Alpe Adria ständig weiter ausgebaut. Schön ist es allemal, hier im engen Kanaltal neben Fella und SS 13 entspannt dahinzurollen. Inzwischen hat auch die Sonne gehört, dass Sonntag ist. Auf dem Radweg ist heute viel Betrieb, noch mehr natürlich an den wenigen Haltepunkten. So lassen wir das Café im alten Bahnhof von Chiusaforte heute links liegen, ohne dass ich angesichts von Illy-Kaffee von meiner Frau dafür ans Kreuz geschlagen werde. Wir verschieben die obligate Kaffeepause auf später. Der Wind kommt weiter stetig von Südwesten, das leichte Gefälle auf der alten Bahntrasse erfordert also doch Kraft auf den Pedalen. Zwischen Resiutta und Venzone müssen wir wieder für ein paar Kilometer auf die vielbefahrene Staatsstraße SS13, in Venzone wird das Kaffee-Sakrileg gut gemacht und wir halten für Espresso und Capuccino auf der Piazza Municipio - erstaunlicherweise ohne weitere Radlermassen. Wenige Kilometer hinter Gemona verlassen wir den CAAR und drehen uns mehr in Richtung Westen. Dieser Streckenabschnitt ist neu für uns und ich bin positiv überrascht über die schöne Landschaft und die ruhigen Straßen. Natürlich, heute am Sonntag fällt der Berufsverkehr weg, und wir können auf ruhigen Nebenstraßen durch den sonnigen Nachmittag radeln. Ein paar Hügelchen schenken uns einige Höhenmeter, Anker werfen wir dann nach 105 Tageskilometern in einem kleinen Ort südlich von San Daniele del Friuli. Flaibano hat nicht viel mehr zu bieten als eine exklusive „Ristolocanda“, wo wir nicht nur gut schlafen, sondern auch ein exquisites Abendessen serviert bekommen. Meine Vorspeise nennt sich Tortelli di ricotta di pecora con gamberi marinati in salsa thai und schmeckt so, wie sie aussieht. Der nächste Morgen begrüßt uns mit Sonnenschein – und (Überraschung!) mit Gegenwind. Heute wird rasch deutlich, dass wir im Weinbaugebiet unterwegs sind, die Region nennt sich DOC Friuli Grave, das Ergebnis konnten wir am Abend beim Essen kennenlernen. Auf schönen und kaum befahrenen Nebenstraßen nahe dem Tagliamento geht es in Richtung Süden, rasch wird es auch wärmer (von zu Hause wissen wir, dass es regnet und zehn Grad kälter ist) Bei Codroipo überqueren wir den Tagliamento und damit die Provinzgrenze zu Pordenone. Da ich dem provisorisch geflickten Hinterreifen meiner Frau nicht wirklich traue, peilen wir in Fiume Veneto einen Decathlon an. Der neue Mantel ist schnell aufgezogen und wir können uns wieder beruhigt dem Gegenwind widmen und müssen uns vor Schotterstraßen nicht mehr fürchten. Für uns immer wieder erstaunlich und eindrucksvoll ist das absolut flache Land bei gleichzeitigem Blick in die so nahen Berge. Die südlichen Karnischen Alpen haben wir auch heute den ganzen Tag in Sichtweite, sie sind nur etwa 30 Kilometer entfernt. Immer interessant sind auch Blicke in die Friedhöfe, die meist außerorts schön gelegen sind und sich gerne als Jausenplätze samt Trinkwasseranschluss anbieten. Wir können weiter im Zickzack auf verkehrsarmen Straßen durch die Landschaft radeln. Unmittelbar hintereinander überqueren wir die Flüsse Meduna und Livenza, damit haben wir die Region Friaul-Julisch Venetien verlassen und befinden uns ab jetzt in Venetien. Später überqueren wir noch den Italiens Heiligen Fluss, den Piave. Jetzt ist es vorbei mit der Ruhe, die restlichen 25 Tageskilometer verbringen wir in Lärm und Abgasen. Die SR 53 verfügt zwar fast durchgehend über einen abgetrennten Radweg oder zumindest einen Radstreifen, die vorbeidonnernden Autos und LKW setzen dem Radgenuss aber ein abruptes Ende. Lediglich der Gegenwind bleibt uns freundlicherweise erhalten. Wir ziehen durch und nach gut einer Stunde erreichen wir nach 102 Tageskilometern Treviso und freuen uns über Dusche, Stadtspaziergang und Abendessen in freundlichem und wasserreichem Ambiente. Der nächste Tag führt uns rasch (Achtung: heute Rückenwind) aus der Stadt hinaus und auf den eingangs erwähnten Radweg. Die Ciclovia Treviso – Ostiglia ist in den einschlägigen Kartenportalen enthalten und scheint damit in den Routenplanungen auf. Interessanterweise hatte ich zuvor noch nie davon gehört; auch hier im Forum wurde er offensichtlich noch nicht thematisiert. Es handelt sich um einen seit 2005 kontinuierlich ausgebauten Radweg auf der alten Bahntrasse, die Ende des 19. Jahrhunderts von Treviso nach Ostiglia (eine Kleinstadt am Po in der Provinz Mantua) erbaut und zwischen 1945 und den achtziger Jahren etappenweise stillgelegt wurde. Auf unserer Tagesetappe führt sie großteils schnurgerade durch die Landschaft und lässt dabei die meisten Ortschaften links liegen. Über weite Strecken ist sie gesäumt von dichtem Baumbestand, ermöglicht also im Sommer ein angenehmes schattiges Radeln. Weniger angenehm sind die Umlaufgitter vor und nach jeder Straßenkreuzung. Die Brücke über die Brenta stammt offensichtlich nicht aus Zeiten des Eisenbahnbetriebs: Auf den ersten Kilometern holpern wir auf ruppigem Bahnschotter dahin, später rollen wir meist auf feinem Asphalt. Der Wind zeigt uns heute, dass er auch freundlich sein kann und wir rollen ohne Anstrengung flott durch die ländlichen Gegenden. Ein paar Mal verlassen wir die Ciclovia für eine Kaffeepause in einem nahegelegenen Ort, die letzten Kilometer nach Vicenza sind (anders als gestern) bis ins Zentrum sehr angenehm und ruhig zu radeln. Nach 85 Tageskilometern erreichen wir in Vicenza die Piazza dei Signori: Unser Hotel am Rand der historischen Altstadt ist rasch gefunden und wir gehen in unser übliches Abendprogramm: duschen, umziehen, bummeln, essen, schlafen. Unser vierter Tag hat einen Fixpunkt: Venedig Bahnhof Santa Lucia Abfahrt um 15:52 Uhr – und außerdem den Wunsch meiner Frau, wieder einmal ein paar Stunden in Venedig zu verbringen. Wir radeln daher in Vicenza kurzerhand zum Bahnhof, zwängen uns in den überfüllten Regionale Veloce und steigen eine gute halbe Stunde später in Mestre wieder aus. Zumindest die Einfahrt nach Venedig wollen wir (wieder einmal) auf den Rädern erleben. Der Radweg in die Serenissima ist brauchbar beschildert und wurde gegenüber unserem letzten Besuch vor allem am Ponte della Libertà deutlich ausgebaut. Wir deponieren die Räder im BiciPark an der Piazzale Roma und verbummeln die Stunden in der Stadt mit … naja, mit Bummeln. Um 15 Uhr holen wir die Räder wieder ab, trudeln zum Bahnhof und setzen uns in den ÖBB-Railjet Richtung Wien. Unser Waggon ist so gut wie leer, unsere Räder sind bis Udine die einzigen, in Villach steigen wir in den Intercity nach Salzburg um und sind danach rasch wieder zu Hause im Salzburger Seengebiet. Fazit: drei bzw. vier angenehme Tage in doch sehr schönen Landschaften bei frühherbstlichen Temperaturen. Wir sind über die Jahre bereits viele Male in den Regionen Friaul-Julisch Venetien und Venetien geradelt und bei der Tourenplanung schwingt da im Hinterkopf immer ein bisschen „langweilige Ebene“ und „Verkehrshölle“ mit. Was sich dieses Mal nicht bestätigt hat. Die spätsommerlichen Landschaften im klaren Herbstlicht haben wir als sehr reizvoll empfunden, und vom üblichen Straßenverkehr haben wir (außer der Einfahrt nach Treviso) nicht viel mitbekommen. Wenn zu Hause nicht unverschiebbare Termine gewartet hätten, wären wir noch ein paar Tage länger geblieben. Weitere Bilder der Tour gibt es wie immer in meinem Web-Album. Hans
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#1510696 - 28.09.22 20:42
Re: Kurze Herbsttour in Friaul und Venetien
[Re: Hansflo]
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Klasse Weckt Hinwillweh. Nach meiner abgebrochenen Sommergeschichte hätte ich große Lust, eine ähnliche Tour zu machen. Allerdings wird das diesen Herbst nix mehr. Danke für die Tips mit dem neuen Radweg. Inzwischen bin ich so weniger jung geworden, daß ich den Vorbeifahrsog der LKW im Gegenwind zwar noch angenehm erleichternd in Erinnerung habe, aber nicht mehr zu den größten Begehrlichkeiten zähle.
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...in diesem Sinne. Andreas | |
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#1510760 - 29.09.22 15:49
Re: Kurze Herbsttour in Friaul und Venetien
[Re: iassu]
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Danke Andreas,
ich auch wieder hinwill, vor allem angesichts der Wetterprognosen für die nächsten Tage, und unbedingt (bei mir altersunabhängig) ohne LKW-Sog, egal aus welcher Richtung.
Hans
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#1510763 - 29.09.22 17:01
Re: Kurze Herbsttour in Friaul und Venetien
[Re: Hansflo]
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Servus Hans,
merci für den schönen Bericht, über eine mir nicht unbekannte Gegend. Ich war zu gleichen Zeit gerade etwas weiter westlich unterwegs und habe die Feststellung gemacht, dass die Qualität einer Cyclovia innerhalb von Sekunden von vorbildlich in unterirdisch wechseln kann. Es ist immer gut zu lesen wo es gut zu fahren ist. Ihr hattet ja wirklich Prachtwetter, da macht das Fahren gleich doppelt Freude. Das Lesen hier ebenso.
Gruß
Nat
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#1510769 - 29.09.22 18:15
Re: Kurze Herbsttour in Friaul und Venetien
[Re: Hansflo]
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Danke für deinen Bericht!
Manchmal finden sich in "flachen, langweiligen Gegenden" auch ganz nette Ecken und Orte. Ihr habt offenbar genau solche gefunden.
Wir haben um Gemona herum eine ganze Reihe an netten Tagesausflügen mit den Rädern gefunden, die absolut hübsch und abweschlungsreich sind. In ein Tourenradlerforum passen sie natürlich nur als Teile einer Tagesetappe. Aber sie zeigen, dass sich oft in unscheinbaren Gegenden Schönes finden lässt.
lg! georg
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#1510776 - 29.09.22 19:38
Re: Kurze Herbsttour in Friaul und Venetien
[Re: natash]
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Ich war zu gleichen Zeit gerade etwas weiter westlich unterwegs und habe die Feststellung gemacht, dass die Qualität einer Cyclovia innerhalb von Sekunden von vorbildlich in unterirdisch wechseln kann. Danke Nat, dann gibt es von dir bald ebenfalls einen neuen Reisebericht? Besser kennst du meines Wissens ja den Osten Friauls, oder? Die Radwege in Italien sind tatsächlich ein eigenes Kapitel, zum Glück gibt es aber auch viele derart positive Erlebnisse, dieses Mal übrigens auch mit den vielen Nebenstraßen. Hans
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#1510777 - 29.09.22 19:47
Re: Kurze Herbsttour in Friaul und Venetien
[Re: irg]
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Hallo Georg, den Osten Friauls (die Gegenden um Gemona, Cividale und Gorizia) kenne ich ebenfalls um einiges besser und dort am Rand der Julischen Alpen hat es mir immer ausgesprochen gut gefallen und werden wir auch in Zukunft noch öfters einmal radeln. Deine Westentasche Slowenien wird auch bald einmal ausführlicher unter die Räder kommen. Du hast Recht, auch in auf den ersten Blick unscheinbaren Regionen lassen sich immer wieder ausgesprochen schöne Touren fahren. LG, Hans PS: ach ja, Julische Alpen, wir waren im Sommer eine Woche auf Bergtour dort. Falls dich das interessiert, in meinem Web-Album Julische Alpen gibt es schöne Bilder dieser beeindruckenden Bergwelt.
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Geändert von Hansflo (29.09.22 19:51) |
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#1510778 - 29.09.22 19:59
Re: Kurze Herbsttour in Friaul und Venetien
[Re: Hansflo]
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Ja, ich kenne den Osten besser, aber vom Westen auch das ein oder andere.
Wenn ich mich von den Kältereizen, die eine Überquerung des Arlbergpasses in der letzten Woche so mit sich brachte, erholt habe (zum Trost haben wir uns beim Rückweg mit Riesenpackungen Schweizer Schoggi getröstet), nehme ich sicherlich das Berichteschreiben in Angriff.
Gruß
Nat
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#1510793 - 30.09.22 06:09
Re: Kurze Herbsttour in Friaul und Venetien
[Re: natash]
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Themenersteller
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Dann wünsche ich rasche Genesung und freue mich auf einen weiteren Bericht von dir.
Hans
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#1510796 - 30.09.22 06:20
Re: Kurze Herbsttour in Friaul und Venetien
[Re: Hansflo]
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Hallo Georg, Deine Westentasche Slowenien wird auch bald einmal ausführlicher unter die Räder kommen. LG, Hans PS: ach ja, Julische Alpen, wir waren im Sommer eine Woche auf Bergtour dort. Falls dich das interessiert, in meinem Web-Album Julische Alpen gibt es schöne Bilder dieser beeindruckenden Bergwelt. Wennst was brauchst, rühr dich einfach! Deine Fotos schaue ich gerne an! lg! georg
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#1510843 - 30.09.22 20:00
Re: Kurze Herbsttour in Friaul und Venetien
[Re: irg]
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Danke Georg, darauf werde ich gerne zurück kommen.
LG, Hans
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#1510844 - 30.09.22 20:06
Re: Kurze Herbsttour in Friaul und Venetien
[Re: Hansflo]
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Hanloo Hans, ketzerische Frage: Hast du die Bilder mit einem Lineal nachbearbeitet? Oder haben die Pioniere des Straßenkurvenbaus ihr Handwerk verlernt? - Also, ich finde deine Bilder recht effektvoll und bestmalend gelungen, aber würde doch schnell eine Krise bekommen, wenn ich solche Strecken länger fahren müsste. Ich war im Sommer ein paar mal auf der Via Rhone ähnlich unterwegs und immer froh, wenn ich wieder runter war. Über die Käfiggitter auf dem CAAR habe ich mich ja auch schon mal geäußert, ebenso finde ich die Tunnelstrecken im Eisental nicht gerade einladend - Straße ist da viel offener und man sieht mehr. Für den Bericht hast du aber einen Daumen hoch verdient!
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Liebe Grüße! Ciao! Salut! Saludos! Greetings! Matthias Pedalgeist - Panorama für Radreisen, Landeskunde, Wegepoesie, offene Ohren & Begegnungen | |
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#1510845 - 30.09.22 20:30
Re: Kurze Herbsttour in Friaul und Venetien
[Re: veloträumer]
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Hallo Matthias,
ich habe mir meine Fotos zur Vorsicht noch einmal durchgeschaut und dabei gar nicht so wenige Kurven entdeckt. Offenbar sind es die Eisenbahner, die mit engen Kurvenradien auf Kriegsfuß stehen, die Straßenbauer bringen sie sehr wohl zu Wege. Ich bin den Bahnern deswegen nicht Gram, sind sie doch auch die Meister der sanften Steigungen und Gefälle. Solange ich links und rechts genug zu schauen und alle zehn Minuten ein Drängelgitter zu umkurven habe, wird meine Weile nicht lang.
Danke auch für das Lob!
Hans
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Off-topic
#1510848 - 30.09.22 21:21
Re: Kurze Herbsttour in Friaul und Venetien
[Re: Hansflo]
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Offenbar sind es die Eisenbahner, die mit engen Kurvenradien auf Kriegsfuß stehen, die Straßenbauer bringen sie sehr wohl zu Wege. Ich bin den Bahnern deswegen nicht Gram, sind sie doch auch die Meister der sanften Steigungen und Gefälle. Da kennst du aber einige Eisenbahnbauer nicht, etwa die der Albulabahn. Da gibts enge 360°-Kreisel und du staunst nur verwundert, wo immer wieder und wieder die Löcher im Berg Züge ausspucken. Und sanfte Steigungen ist relativ, da gehts auch mit über 10 % etwa auf der Gotthardbahn nach Andermatt oder zum Oberalppass oberhalb von Disentis - wenn auch mit Zahnradzuschaltung. Ich habe da auch immer noch das Quietschen und Ächzen der Bahnen im Ohr und dachte dabei, also die müssen auch bergauf schnaufen, nicht weniger als ich.
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Liebe Grüße! Ciao! Salut! Saludos! Greetings! Matthias Pedalgeist - Panorama für Radreisen, Landeskunde, Wegepoesie, offene Ohren & Begegnungen | |
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Off-topic
#1510850 - 01.10.22 02:40
Re: Kurze Herbsttour in Friaul und Venetien
[Re: veloträumer]
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Ich finde es amüsant, wie zuverlässig sich Radreisevorlieben in zwei Gruppen einteilen lassen. Die Bergziegen und die Gravitationisten. Was des einen Paradies ist, ist das Folterprogramm des anderen. Mir machen topfebene Langpassagen, und seien es auch noch schnurgerade, nichts aus, das Thema Gegenwind mal außen vor gelassen. Voraussetzung natürlich, ich bin einigermaßen fit und die Landschaft schmeichelt meinen Sinnen. Gegen Ende einer Tagesetappe bekommen Höhenmeter, die ich zudem auch noch für topografisch überflüssig einschätze, die mir aber die Örtlichkeiten dennoch zumuten, tendenziell Frustcharakter. Andere nehmen jede Bodenerhebung mit, die sie kriegen können, weil sie in der Ebene vor Langeweile den Linealtod zu sterben drohen. Zuverlässig an eigenen Berichten wie an Reaktionen auf Reiseberichte verifizierbar, wer zu welcher Fraktion gehört. Amüsant.
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...in diesem Sinne. Andreas | |
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Off-topic
#1510851 - 01.10.22 02:47
Re: Kurze Herbsttour in Friaul und Venetien
[Re: veloträumer]
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anwesend
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Da kennst du aber einige Eisenbahnbauer nicht, etwa die der Albulabahn. Naja, Matthias, man kann Holland nicht mit dem Himmel-Aya vergleichen. Die Albulaingenieure waren sicherlich um jede 100 m froh, die ihnen keine Kunststücke abverlangten, und warum sollte eine Bahnstrecke in der Topfebene künstliche Kurven einbauen? Immerhin kenne ich ein Beispiel für Kurvenparty ohne Not. Der Kreisel oberhalb von Tirano. Das ist Folklore, hätte man ohne weiteres anders lösen können, einfach nett.
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...in diesem Sinne. Andreas |
Geändert von iassu (01.10.22 02:47) |
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#1510915 - 01.10.22 16:04
Re: Kurze Herbsttour in Friaul und Venetien
[Re: iassu]
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Ich finde es amüsant, wie zuverlässig sich Radreisevorlieben in zwei Gruppen einteilen lassen. Die Bergziegen und die Gravitationisten. Was des einen Paradies ist, ist das Folterprogramm des anderen.
Mir machen topfebene Langpassagen, und seien es auch noch schnurgerade, nichts aus, das Thema Gegenwind mal außen vor gelassen. ... Andere nehmen jede Bodenerhebung mit, die sie kriegen können, weil sie in der Ebene vor Langeweile den Linealtod zu sterben drohen. Zuverlässig an eigenen Berichten wie an Reaktionen auf Reiseberichte verifizierbar, wer zu welcher Fraktion gehört. Jetzt ist die scherzhafte Bemerkung schon zu einer erkenntnistheoretischem Schubladenwissenschaft geworden. Ich würde dir widersprechen, kann ich auch an flachen Routen gefallen finden und sind nach Bergauffahrten auch immer lange Abfahrten und Flachpassagen weiterzufahren - also leichtes Pedalwerk. Der Bergfahrer fährt ja nicht nur bergauf. Ebenso gibt es manch entäuschende Hügelroute, wo ich dann doch lieber die flache Flussroute hätte wählen sollen. (So erst kürzlich mir auf dem Finale meiner großen Radtour passiert.) Es ist doch durchaus schön sich im oberen Donautal flach dahingleiten zu lassen, dem Doubs mäandernd zu folgen und Fischreiher zu grüßen, oder um Uferkurven am glitzernden Lac Annecy zu schleichen. Indes macht es für mich einen Unterschied, wie die Strecke beschaffen ist und lange Geraden finde ich grundsätzlich ätzend, wenn ich da lange her muss. Das gilt auch und besonders für gerade Bergstrecken, denn die muss ich bei niedriger Geschwindigkeit noch länger im Auge halten als im Flachen. Dass ein Kontrast zu den fotogenen Wirkungen besteht, habe ich oben schon vermerkt und meine ich auch so ernst. Der allfällige Forumskalender gibt Hinweise darauf, welche Motive gefragt sind - eine lange Gerade bewirkt schneller Fernweh als viele andere Motive. Vor Ort ist dann die Weite eine harte Prüfung, z.B. in einer heißen Wüste usw. und ferner von Romantik als es aussieht. Ich sehe auch immer viel Schiebebilder durch Sand oder Matsch als Siegestrophäe dargezeigt - aber macht das wirklich soviel Spaß oder haben die Protagonisten letztlich nicht doch mehr geflucht vor Ort? Muss man immerglücklich sein oder darf man auch mal enttäuscht sein - z.B. von schnurgeraden antiseptischen Radwegen? Schließlich geben die Erbauer viel Steuergeld dafür aus. Die Umgebung spielt natürlich auch eine Rolle, aber ein paar Flusswindungen oder geschwungene Ufer machen eine Strecke immer lebendiger als ein gerader Strahl. Nicht selten führen die geraden Bahntrassen auch an der Abwechslung vorbei, umgehen die Dörfer, die ja Farbtupfer in eine Tour bringen, versagen manche Ausblicke etwa wegen der einst angelegten Böschungen usw. Nicht selten sind parallele Straßen abwechlsungsreicher. Ähnlich ist es ja mit kanalisierten Flüssen, die letztlich nur Ausdruck menschlicher Ordnungsliebe für wirtschatliche Nutzbarkeit sind, was nicht dem natürlich Habitus entspricht. Es hat soagr graviernde Folgen für die Umwelt. Vielleicht ist auch zu wilde Natur weniger gefragt als man derweil zu hören glaubt - anders kann ich mir manchen Hype auf denaturierte Radwege nicht erklären. Krass kann man den Kontrast eines linearen Radwegs im Friaul zwischen Venzone und Gemona neben dem breiten, ungezügelten Flussbett des Tagliamento sehen, der als eine der wenigen Alpenflüsse noch im Ursprungsbett verharren darf. Mag sein, dass andere gerne schnurgearde am Kanal fahren, was mir für eine kurze Strecke auch mal gefallen kann, aber bitte nicht zu lange. Ob es dafür eine leichte Schubladentheorie gibt, würde ich mal bezweifeln.
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Off-topic
#1510928 - 01.10.22 18:41
Re: Kurze Herbsttour in Friaul und Venetien
[Re: veloträumer]
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Mir geht es zwar prinzipiell ähnlich wie Dir, aber wenn ich Etappen habe, wo ich schnell von A nach B will (solche, wo viele andere in den Zug steigen, was ich eher vermeide) dann finde ich lange gerade Strecken hervorragend geeignet um mit höherem Tempo viele Kilometer herunterzustrampeln. Für einen Tag, max zwei, macht mir das auch Spaß und ist eine hervorragende Alternative zu den Ärgernissen (und Kosten) des öffentlichen Nahverkehrs. Nur Gegenwind ist in diesem Fall doppelt unerfreulich. Allerdings sollte diese Diskussion nicht den Reisebericht torpedieren, zumal im erwähnten Gebiet nicht nur schnurgerade Strecken tonangebend sind. Rund um San Daniele hat es außerdem nicht nur den besten Schinken Italiens sondern auch eine nette Hügellandschaft. Dass es in der Provinz Pordenone nicht ganz flach ist, kann ich zusätzlich durch die Tatsache bestätigen, dass ich in jüngeren Jahren in Piancavallo die Grundlagen des Skifahrens erlernt habe. Vielleicht sollte ich dort wieder einmal hin.
Gruß
Nat
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Off-topic
#1510930 - 01.10.22 18:59
Re: Kurze Herbsttour in Friaul und Venetien
[Re: veloträumer]
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Beiträge: 4.011
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... erkenntnistheoretischem Schubladenwissenschaft ... ... Ob es dafür eine leichte Schubladentheorie gibt, würde ich mal bezweifeln. Wie schön, dass mein kleiner Reisebericht zu derart exzellenten intellektuellen Geistesblitzen inspiriert und solch Ideenreigen bei dir, Matthias, hurtig zu einem bombastischen erkenntnistheoretischen Feuerwerk schwillt. Hans
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Geändert von Hansflo (01.10.22 19:00) |
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Off-topic
#1511016 - 03.10.22 09:47
Re: Kurze Herbsttour in Friaul und Venetien
[Re: Hansflo]
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Beiträge: 217
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Schöner Bericht und wie von dir gewöhnt schöne Bilder. Es muss ja nicht immer spektakulär sein; ruhiges Herbstradeln hat ja auch etwas. Vom Radweg Treviso - Ostiglia hatte ich bis dahin auch noch nie etwas gehört, daher durchaus eine interessante Information. Wir hätten uns fast treffen können. Im selben Zeitraum und aus denselben Gründen - übelstes Wetter im gesamten Raum DACH - bin ich auch in der Gegend unterwegs gewesen. Grob Trento - Bassano - Chioggia - Ferrara - Mantua - Gardasee - Trento. Die Ebene kann schon auch langweilig erscheinen, hat aber auch so irgendwie seine Reize. Die historischen Altstädte sind aber einfach nur schön. Vielleicht schreibe ich auch noch einen kleinen Reisebericht darüber; bei mir waren es ja immerhin sogar 4 1/2 Tage
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#1511210 - 06.10.22 14:13
Re: Kurze Herbsttour in Friaul und Venetien
[Re: Hansflo]
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Beiträge: 6.986
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Hallo Hans, nach 3 Jahren Italienabstinenz (abgesehen von unserem Kurzaufenthalt in Verona mit Abstecher nach Venedig) bekommt man natürlich wieder Sehnsucht und fast ein schlechtes Gewissen, wenn man deinen stimmigen Bericht mit den eindrucksvollen Fotos lesen darf. Eure Strecke ist mir bis auf ein paar Kreuzungspunkte auch völlig unbekannt. Damit wird die Schublade mit den noch zu erledigenden Touren immer voller. Man hofft demütig auf gleichbleibende Gesundheit, um all das in diesem Leben noch „abarbeiten“ zu können. Venedig fand ich übrigens Ende Juli kaum überlaufen. Es fehlten nach meinem Gefühl die sonst in Massen auftretenden Vertreter größerer Völker überseeischer Provenienz. Abgesehen vom Bahnhofsumfeld, von Rialto und San Marco konnte man durch nahezu leere Gassen wandeln. Viele Grüße auch an deine Mitradlerin von Dietmar
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#1511247 - 07.10.22 05:47
Re: Kurze Herbsttour in Friaul und Venetien
[Re: touromat]
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Beiträge: 4.011
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Wir hätten uns fast treffen können. .... Grob Trento - Bassano - Chioggia - Ferrara - Mantua - Gardasee - Trento. ... Vielleicht schreibe ich auch noch einen kleinen Reisebericht darüber ... Hallo Peter, vielen Dank und ja, ein Reisebericht von dir wäre auf jeden Fall schön. Wir waren in den letzten Tagen gleich noch einmal im Süden unterwegs und haben dabei diese deine Route gekreuzt. Vielleicht wird ja doch einmal ein zufälliges Treffen draus. Reiseradler waren im Raum Trient und Gardasee natürlich massenhaft unterwegs. Ich werde meinen hiesigen Reisebericht gelegentlich um ein paar Eindrücke ergänzen. Hans
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#1511248 - 07.10.22 05:59
Re: Kurze Herbsttour in Friaul und Venetien
[Re: Dietmar]
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Beiträge: 4.011
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Servus Dietmar,
drei Jahre Italienabstinenz, das kennt man bei euch beiden ja gar nicht und gibt schon fast Anlass zu Sorge. Die beschriebene Gegend ist jedenfalls allemal beradelnswert. Wir waren diese Woche noch einmal für ein paar Tage im Süden, dieses Mal mit Start am Brenner, also gewissermaßen auf euren Spuren (Radreise mit Enkel vor einigen Jahren, von der Ihr berichtet habt). Ein paar Eindrücke werde ich in den nächsten Tagen hier anhängen.
Herzliche Grüße von uns beiden, natürlich auch an deine charmante Begleiterin!
Hans
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#1511261 - 07.10.22 09:29
Re: Kurze Herbsttour in Friaul und Venetien
[Re: Hansflo]
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Servus Hans,
vielen Dank für den Italienappetizer!
mfg, Armin
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#1511521 - 11.10.22 08:57
Re: Kurze Herbsttour in Friaul und Venetien
[Re: Hansflo]
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abwesend
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Hallo nochmals in die Runde, ich schließe an meinen kurzen Bericht einen weiteren kurzen Bericht über eine kleine oberitalienische Radreise an. Das nasskalte Septemberwetter wollte auch nach dem Monatswechsel nicht gleich einem Goldenen Oktober weichen. Im Nordstau der Alpen war es nass und kalt, während die Temperaturkarte von Europa Tageshöchstwerte jenseits der 20 Grad südlich der Alpen anzeigte. Wir haben also unsere Radtaschen gepackt und sind noch einmal zu einer kleinen Tour in den Süden aufgebrochen. Das Ziel bzw. die Route (Etschtal und die Region um den Gardasee) schwebte schon lange in unseren Köpfen und ist ja auch nichts Neues, sondern wird jährlich von Tausenden Radlern befahren. Wir setzen uns also am Sonntag in aller Früh in den Zug, der ÖBB-Railjet bringt uns in kurzer Zeit nach Innsbruck, die fahrplanmäßige Umsteigezeit von drei Minuten zur S-Bahn zum Brenner sind mehr als knapp. Gerade als ich mit dem Rad in der Hand die Treppe hinaufhetze, setzt sich die S-Bahn in Bewegung … und bremst noch einmal ab, lässt mich einsteigen und die Tür blockieren, bis nach einer halben Minute auch meine Frau mit dem Rad in der Hand die Treppe heraufstürmt. Am Brenner ist es um halb zehn wie erwartet kühl und windig, wir trinken also erst einmal einen Espresso in einem Cafè, ziehen uns eine zusätzliche Wärmeschicht drüber und radeln zum Einstieg in den Radweg. Ein Einheimischer merkt unsere suchenden Blicke, zeigt uns die Richtung, will noch wissen, wie weit wir heute fahren wollen und wünscht uns einen schönen Tag. Die ersten Meter auf dem Radweg: Die ersten Kilometer des Radweges verlaufen für längere Zeit an der Brenner Staatsstraße SS12 und wir verlieren ordentlich Höhenmeter. Wir sind unverkennbar auf einer alten Bahntrasse unterwegs, die ab und zu auch durch Tunnel führt. Im Pflerschtal macht die Trasse einen gewaltigen Bogen ins Tal hinein, die Schneegrüße aus den Bergen erwidern wir noch ohne große Begeisterung. Mehr Freude bereitet uns heute die Sonne, die sich zwischen Gossensass und Sterzing zum ersten Mal zeigt – ziemlich genau, wie von der Wetterprognose angekündigt. Wir machen weiter kräftig Höhenmeter, nun, eigentlich sind es Tiefenmeter. Kurz vor Brixen passieren wir eine Kastanienallee, die hier natürlich „Keschtnweg“ heißt. Eigentlich müsste man zugreifen und sammeln und sammeln. In Brixen ist großer Marktauftrieb und wir schaffen es nicht, irgendwo einen Platz für einen Kaffee oder ein kühleres Getränk zu ergattern. Meine Schwiegereltern haben Anfang der sechziger Jahre hier geheiratet und ich hätte gerne mit dem Resultat der Ehe darauf angestoßen. Unterhalb von Brixen weitet sich das Tal, der Eisack ist nach Aufnahme der Rienz aus dem Pustertal nun zu einem richtigen Flüsschen angewachsen. Wir sind in der Obst- und Weinbauregion angekommen. In Klausen holen wir die Kaffeepause mit Apfel- und Zwetschkenverwertung nach. Der Eisackradweg ist hervorragend ausgebaut Nach gut 100 Kilometern erreichen wir Bozen, erweisen dem großen Minnesänger unsere Reverenz und radeln zum Bahnhof. In Bozen ist gerade Messe (Hochzeits- und Herbst-) und kein Zimmer zu akzeptablem Preis zu bekommen. Ich habe daher in Trient gebucht, das wir mit dem Zug in einer guten halben Stunde erreichen. Dass uns dabei die schönen, aber (nach dem fünften oder sechsten Mal) „eintönigen Kilometer auf dem Etsch-Radweg“ (O-Ton meiner Begleiterin) entgehen, damit muss ich mich abfinden. Im Hotel in Trient kommt zeitgleich mit uns eine größere Gruppe englischsprachiger Reiseradler an. Die Aussprache kann ich nicht zuordnen und frage nach: Neuseeländer. Die welche der Meinung sind, dass WIR angesichts unserer Nähe zu Italien doch oft in diese schöne Gegend kommen müssten. Ja, eh. Der Begleitbus mit dem Gepäck ist auch schon da, der Fahrer kümmert sich um das ordnungsgemäße Verstauen der Räder im Radkeller und offensichtlich auch um kleinere Reparaturen an den Geräten. Am nächsten Morgen radeln wir fürs Startfoto zur nahen Piazza del Duomo. Immer wieder schön. Dann pedalieren wir auf einigen Kilometern des „eintönigen“ Etsch-Radweg (siehe O-Ton …) und meine Begleiterin fühlt sich bestätigt, dass es richtig war, den Zug nach Trient zu nehmen. Ich finde es trotzdem immer wieder schön hier. Bei Rovereto verlassen wir das Etschtal nach Westen Richtung Gardasee und machen ein paar Höhenmeter (dieses Mal nach oben) zum Passo San Giovanni. Der Anstieg ist so kurz und die Passhöhe so unspektakulär, dass ich fast aufs Fotografieren vergesse. Spektakulär sind dafür dann die erste Sicht auf den Gardasee und die Abfahrt nach Torbole: Hier am Nordufer mit dem Blick nach Süden und den Alpen im Rücken kann man die vielen Österreicher und Deutschen durchaus verstehen, für die der Gardasee ein ewiger Sehnsuchtsort ist. Wir pausieren kurz, radeln die paar Kilometer nach Riva weiter und warten dort auf die Abfahrt des Schiffes, das uns ein großes Stück nach Süden bringen wird. Die Uferstraßen am Gardasee hier im Norden sind etwas für eingefleischte Masochisten, auf die wir (hier sind wir uns einig) gerne verzichten und dafür eine gemütliche Bootsfahrt von gut zweieinhalb Stunden genießen. Mit uns sind ein gutes Dutzend weiterer Reiseradler an Bord gegangen, die meisten (natürlich) mit E-Bikes und viele mit Leihrädern der großen Veranstalter (rote Räder = Eurobike, orangefarbene Räder = Girolibero), die wir vorher auf den Radwegen bereits in Massen gesehen hatten. Wir nächtigen in Salò und genießen ein feines Abendessen. Das Ristorante ist offensichtlich ausschließlich von Gästen aus dem Norden bevölkert, das Essen (nicht ganz regional) ist in Ordnung, der Wein (sehr regional) ebenfalls. Am nächsten Tag starten wir in Salò bei trüberem Wetter als die Prognose versprochen hatte und den ganzen Tag lang hoffen wir auf etwas mehr Sonnenschein. Unser Tagesziel heißt Iseo-See, es geht also nach Westen, auch heute wieder viele Kilometer auf einer ehemaligen Bahntrasse. Der Wind mag uns heute und wir machen rasch Kilometer. Am späten Vormittag erreichen wir Brescia. Ich habe es von früheren Radreisen als eher hässlich in Erinnerung, die zehnkilometrige Einfahrt in das Stadtzentrum bestätigt meine alten Eindrücke, das Zentrum ist dann aber doch sehr hübsch und wir pausieren für Kaffee und Dolce. Hinter Brescia wird es etwas hügeliger, die Radwege sind in der ganzen Provinz sehr gut ausgeschildert und auch in einem brauchbaren Zustand. Wir sind in der Lombardei, auch hier wächst Wein: Am Nachmittag erreichen wir den Lago d’Iseo. Er ist als kleiner Bruder des berühmten Gardasees bei uns wenig bekannt, ging aber vor einigen Jahren durch alle Medien, als ein sogenannter Verpackungskünstler rund um die Inseln im See zugange war. Heute – es ist Geburtstag meiner Reise- und Lebensbegleiterin – habe ich ein etwas exklusiveres Hotel am Ortsrand reserviert und den Fehler gemacht, Halbpension dazu zu buchen. Die „raffinierteste Küche im Zeichen der lokalen Tradition“ (Eigenbeschreibung) erweist sich als totaler Reinfall. Traurige Durchschnittskost auf Kantinenniveau, der Fisch zur Hauptspeise zäh und an der Grenze der Genießbarkeit hat offensichtlich seit Stunden in der Warmhaltebox auf uns gewartet. Hätte der Koch doch einfach ein „Schlemmerfilet a la irgendwas“ aus dem Supermarkt in die Pfanne geworfen! Zum Glück fragt der Schnarchkellner nicht, ob es geschmeckt hat, sondern legt mir unaufgefordert und wortlos die Rechnung zum Unterschreiben her. Der nächste Tag beginnt wieder neblig-trüb, der Wetterbericht verspricht allerdings sechs Sonnenstunden. Wir starten auf angenehm ruhigen Nebenstraßen und kommen bei Paratico noch einmal ganz an das Ufer, das sich heute wenig einladend zeigt. Auf gut ausgebauten, als Radwege markierten, Nebenstraßen radeln wir in Richtung Südwesten, immer in Nähe des Oglio, des Abflusses vom Iseosee. Wir passieren einige Ortschaften, in denen die Tische der Cafès bzw. Bars allesamt gut gefüllt sind mit älteren Damen und Herren. Es schaut nach vormittäglichen Stammtischtreffen aus und wir sitzen dann irgendwann einmal mittendrin und genießen einen ordentlichen Kaffee. Die Frühstücksbrühe im Hotel war konsequenterweise genauso schal wie das Abendessen. Festes Tagesziel haben wir heute keines, sondern wollen gelegentlich an die Bahnlinie Mailand-Verona kommen, von wo (fast) stündlich ein Regionale Veloce nach Verona fährt. Nachdem Wetter und Landschaft heute nicht zu ausgedehnten Radkilometern verlocken, steuern wir dann den nahe gelegenen Bahnhof in Romano di Lombardia an, um in Verona noch Zeit für einen Stadtbummel zu haben. Der Zug ist rammelvoll, die variablen Radplätze sind allesamt von Personen besetzt und es dauert einige Zeit, bis wir die Räder ordnungsgemäß verstauen können. In Verona rollen wir auf dem Corso Porta Nuova zur Piazza Bra und lassen uns vor der Arena fotografieren. Die restliche Zeit verbummeln wir, meine Frau muss unbedingt ein paar Geschäfte mit textilem Angebot besuchen, wir trinken einen ausgezeichneten Kaffee und radeln dann zurück zum Bahnhof zum Eurocity um 15:01 Uhr. Fazit: wieder eine kurze schöne Radreise in teils bekannte, teils unbekannte Gegenden. Die Landschaft im Etschtal und rund um die oberitalienischen Seen ist einfach schön, entsprechend viel Touristen sind unterwegs. Entsprechend gut ist auch die Infrastruktur für Radreisende, was man für den Rest von Italien ja nur wenig behaupten kann. Das Wetter war leider nicht so sonnig wie angekündigt, aber allemal besser als zu Hause im Nordstau der Alpen. Für uns sind Nähe und rasche Erreichbarkeit mit der Bahn ein großer Vorteil und ermöglichen uns diese spontanen Entscheidungen. Weitere Bilder zur Tour wie immer in meinem Web-AlbumHans
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#1511529 - 11.10.22 10:28
Re: Kurze Herbsttour in Friaul und Venetien
[Re: Hansflo]
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„eintönigen Kilometer auf dem Etsch-Radweg“ (O-Ton meiner Begleiterin) entgehen, damit muss ich mich abfinden.
Frauen empfinden wohl anders als Männer, werde nächstes Mal auch den Zug nehmen! Bei strömenden Regen und Sprachnavigation ständig "Ciclopista della valle dell'Adige" zu hören, damit die Abfahrt zum Ort des Hotels nicht verpasst, ist grausam. Danke für die schönen Bilder.
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#1511532 - 11.10.22 10:47
Re: Kurze Herbsttour in Friaul und Venetien
[Re: Hansflo]
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Merci für die schnelle Berichterstattung.
Am Lago d'Iseo war ich in diesem Jahr auch, allerdings aus Richtung Bergamo kommend. Der Radweg am Oglio geht sogar Richtung Norden bis quasi zum Passo Tonale (theoretisch zumindest) weiter. Dort hat er aber neben richtig guten, auch einzelne Abschnitte, die mit einem voll beladenen Velo und ohne Geländereifen nicht so sehr erfreulich sind. Schön ist es jedoch.
Die Keschde (die heißen hier ebenfalls so) sind aktuell auch hier reif. Für mich sind sie immer ein kleiner Vorbote des Herbstes.
Gruß
Nat
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#1511562 - 11.10.22 18:42
Re: Kurze Herbsttour in Friaul und Venetien
[Re: Margit]
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Frauen empfinden wohl anders als Männer Hallo Margit, hmm, jetzt, wo du's sagst ... Ich gestehe, dieser Gedanke ist mir auch schon einmal durch den Kopf gegeistert Bei strömenden Regen und Sprachnavigation ständig "Ciclopista della valle dell'Adige" zu hören, damit die Abfahrt zum Ort des Hotels nicht verpasst, ist grausam.
Ich nehme an, dieser Grausamkeit könnte man durch eine einfache Änderung in den Geräteeinstellungen entfliehen. Hans
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Geändert von Hansflo (11.10.22 18:45) |
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#1511563 - 11.10.22 18:50
Re: Kurze Herbsttour in Friaul und Venetien
[Re: natash]
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Hallo Nat,
wir dürfen uns also noch auf einen Reisebericht von dir freuen? Den Oglio-Radweg nach Norden habe ich mir angesehen. Spannend, spannend, ... wenn man ihn denn irgendwie geschickt in eine Tour einbauen könnte. Danke für den Tipp.
Hans
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#1511564 - 11.10.22 18:51
Re: Kurze Herbsttour in Friaul und Venetien
[Re: talybont]
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Hallo Armin,
bitte gerne und gerne immer wieder.
Hans
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