Kurze Herbsttour in Friaul und Venetien

von: Hansflo

Kurze Herbsttour in Friaul und Venetien - 28.09.22 20:13

Hallo in die Runde,

eigentlich hatten wir für diesen September eine ganz andere Radtour in Planung gehabt, die aber dem wechselhaften Herbstwetter auch im Süden zum Opfer gefallen ist. Und eigentlich ist die nun hier beschriebene kleine Radreise für einen Reisebericht zu kurz und unscheinbar. Ich stelle die Reise aber doch vor, weil ich in gewisser Weise auch Neues aus der Welt der Radwege berichten kann: die Ciclovia Treviso-Ostiglia. Das ist eine aufgelassene Bahntrasse, die über weite Strecken zu einem schönen Radweg ausgebaut wurde. Wir haben auf unserer Strecke davon etwa die Hälfte befahren, den Abschnitt von Treviso nach Vicenza.

Wir fahren - wie so oft bereits – aus dem heimatlichen Salzburger Land mit dem Zug nach Villach. Da eine ohnehin schon lange Tagestour geplant ist, nehmen wir noch den Zug bis Tarvis, starten also auf italienischem Boden in die Radtour.



Die ersten paar Dutzend Kilometer auf dem Alpe-Adria-Radweg kennen wir bereits sehr gut, sind aber jedes Mal wieder schön. Weniger schön ist die Erkenntnis nach zwei Platten kurz hintereinander am Hinterreifen meiner Frau: der Mantel zeigt ein schönes Loch, deshalb auch das Leck im Schlauch beide Male an derselben Stelle. Der Schlauch ist rasch gewechselt, der Mantel wird von innen mit einer doppelten Flickenlage versehen und wir versprechen ihm, ihn heute möglichst keiner Schotterfahrbahn auszusetzen.



Der Wind bläst mäßig von vorne, so verlangt auch das stetige leichte Bahntrassengefälle ständige Kraft auf den Pedalen. Unmittelbar hinter Pontebba führt der Radweg in einen neuen Tunnel, den wir vor zwei Jahren noch auf der Staatsstraße umfahren mussten.



Selbiges gilt für die Wiederbelebung der Bahntrasse bei Pietrasanta. Offenbar wird die Ciclovia Alpe Adria ständig weiter ausgebaut. Schön ist es allemal, hier im engen Kanaltal neben Fella und SS 13 entspannt dahinzurollen. Inzwischen hat auch die Sonne gehört, dass Sonntag ist.



Auf dem Radweg ist heute viel Betrieb, noch mehr natürlich an den wenigen Haltepunkten. So lassen wir das Café im alten Bahnhof von Chiusaforte heute links liegen, ohne dass ich angesichts von Illy-Kaffee von meiner Frau dafür ans Kreuz geschlagen werde. Wir verschieben die obligate Kaffeepause auf später.



Der Wind kommt weiter stetig von Südwesten, das leichte Gefälle auf der alten Bahntrasse erfordert also doch Kraft auf den Pedalen.



Zwischen Resiutta und Venzone müssen wir wieder für ein paar Kilometer auf die vielbefahrene Staatsstraße SS13, in Venzone wird das Kaffee-Sakrileg gut gemacht und wir halten für Espresso und Capuccino auf der Piazza Municipio - erstaunlicherweise ohne weitere Radlermassen.



Wenige Kilometer hinter Gemona verlassen wir den CAAR und drehen uns mehr in Richtung Westen.



Dieser Streckenabschnitt ist neu für uns und ich bin positiv überrascht über die schöne Landschaft und die ruhigen Straßen. Natürlich, heute am Sonntag fällt der Berufsverkehr weg, und wir können auf ruhigen Nebenstraßen durch den sonnigen Nachmittag radeln.



Ein paar Hügelchen schenken uns einige Höhenmeter, Anker werfen wir dann nach 105 Tageskilometern in einem kleinen Ort südlich von San Daniele del Friuli. Flaibano hat nicht viel mehr zu bieten als eine exklusive „Ristolocanda“, wo wir nicht nur gut schlafen, sondern auch ein exquisites Abendessen serviert bekommen.
Meine Vorspeise nennt sich Tortelli di ricotta di pecora con gamberi marinati in salsa thai und schmeckt so, wie sie aussieht.



Der nächste Morgen begrüßt uns mit Sonnenschein – und (Überraschung!) mit Gegenwind.



Heute wird rasch deutlich, dass wir im Weinbaugebiet unterwegs sind, die Region nennt sich DOC Friuli Grave, das Ergebnis konnten wir am Abend beim Essen kennenlernen.



Auf schönen und kaum befahrenen Nebenstraßen nahe dem Tagliamento geht es in Richtung Süden,



rasch wird es auch wärmer (von zu Hause wissen wir, dass es regnet und zehn Grad kälter ist)



Bei Codroipo überqueren wir den Tagliamento und damit die Provinzgrenze zu Pordenone.



Da ich dem provisorisch geflickten Hinterreifen meiner Frau nicht wirklich traue, peilen wir in Fiume Veneto einen Decathlon an. Der neue Mantel ist schnell aufgezogen und wir können uns wieder beruhigt dem Gegenwind widmen und müssen uns vor Schotterstraßen nicht mehr fürchten.





Für uns immer wieder erstaunlich und eindrucksvoll ist das absolut flache Land bei gleichzeitigem Blick in die so nahen Berge. Die südlichen Karnischen Alpen haben wir auch heute den ganzen Tag in Sichtweite, sie sind nur etwa 30 Kilometer entfernt.



Immer interessant sind auch Blicke in die Friedhöfe, die meist außerorts schön gelegen sind und sich gerne als Jausenplätze samt Trinkwasseranschluss anbieten.



Wir können weiter im Zickzack auf verkehrsarmen Straßen durch die Landschaft radeln. Unmittelbar hintereinander überqueren wir die Flüsse Meduna und Livenza, damit haben wir die Region Friaul-Julisch Venetien verlassen und befinden uns ab jetzt in Venetien.



Später überqueren wir noch den Italiens Heiligen Fluss, den Piave.



Jetzt ist es vorbei mit der Ruhe, die restlichen 25 Tageskilometer verbringen wir in Lärm und Abgasen. Die SR 53 verfügt zwar fast durchgehend über einen abgetrennten Radweg oder zumindest einen Radstreifen, die vorbeidonnernden Autos und LKW setzen dem Radgenuss aber ein abruptes Ende. Lediglich der Gegenwind bleibt uns freundlicherweise erhalten. Wir ziehen durch und nach gut einer Stunde erreichen wir nach 102 Tageskilometern Treviso und freuen uns über Dusche, Stadtspaziergang und Abendessen in freundlichem und wasserreichem Ambiente.





Der nächste Tag führt uns rasch (Achtung: heute Rückenwind) aus der Stadt hinaus und auf den eingangs erwähnten Radweg.



Die Ciclovia Treviso – Ostiglia ist in den einschlägigen Kartenportalen enthalten und scheint damit in den Routenplanungen auf. Interessanterweise hatte ich zuvor noch nie davon gehört; auch hier im Forum wurde er offensichtlich noch nicht thematisiert.
Es handelt sich um einen seit 2005 kontinuierlich ausgebauten Radweg auf der alten Bahntrasse, die Ende des 19. Jahrhunderts von Treviso nach Ostiglia (eine Kleinstadt am Po in der Provinz Mantua) erbaut und zwischen 1945 und den achtziger Jahren etappenweise stillgelegt wurde.

Auf unserer Tagesetappe führt sie großteils schnurgerade durch die Landschaft und lässt dabei die meisten Ortschaften links liegen. Über weite Strecken ist sie gesäumt von dichtem Baumbestand, ermöglicht also im Sommer ein angenehmes schattiges Radeln. Weniger angenehm sind die Umlaufgitter vor und nach jeder Straßenkreuzung.



Die Brücke über die Brenta stammt offensichtlich nicht aus Zeiten des Eisenbahnbetriebs:



Auf den ersten Kilometern holpern wir auf ruppigem Bahnschotter dahin, später rollen wir meist auf feinem Asphalt.



Der Wind zeigt uns heute, dass er auch freundlich sein kann und wir rollen ohne Anstrengung flott durch die ländlichen Gegenden.







Ein paar Mal verlassen wir die Ciclovia für eine Kaffeepause in einem nahegelegenen Ort, die letzten Kilometer nach Vicenza sind (anders als gestern) bis ins Zentrum sehr angenehm und ruhig zu radeln. Nach 85 Tageskilometern erreichen wir in Vicenza die Piazza dei Signori:



Unser Hotel am Rand der historischen Altstadt ist rasch gefunden und wir gehen in unser übliches Abendprogramm: duschen, umziehen, bummeln, essen, schlafen.

Unser vierter Tag hat einen Fixpunkt: Venedig Bahnhof Santa Lucia Abfahrt um 15:52 Uhr – und außerdem den Wunsch meiner Frau, wieder einmal ein paar Stunden in Venedig zu verbringen. Wir radeln daher in Vicenza kurzerhand zum Bahnhof, zwängen uns in den überfüllten Regionale Veloce und steigen eine gute halbe Stunde später in Mestre wieder aus. Zumindest die Einfahrt nach Venedig wollen wir (wieder einmal) auf den Rädern erleben.
Der Radweg in die Serenissima ist brauchbar beschildert und wurde gegenüber unserem letzten Besuch vor allem am Ponte della Libertà deutlich ausgebaut.



Wir deponieren die Räder im BiciPark an der Piazzale Roma und verbummeln die Stunden in der Stadt mit … naja, mit Bummeln.



Um 15 Uhr holen wir die Räder wieder ab, trudeln zum Bahnhof und setzen uns in den ÖBB-Railjet Richtung Wien. Unser Waggon ist so gut wie leer, unsere Räder sind bis Udine die einzigen, in Villach steigen wir in den Intercity nach Salzburg um und sind danach rasch wieder zu Hause im Salzburger Seengebiet.



Fazit: drei bzw. vier angenehme Tage in doch sehr schönen Landschaften bei frühherbstlichen Temperaturen. Wir sind über die Jahre bereits viele Male in den Regionen Friaul-Julisch Venetien und Venetien geradelt und bei der Tourenplanung schwingt da im Hinterkopf immer ein bisschen „langweilige Ebene“ und „Verkehrshölle“ mit. Was sich dieses Mal nicht bestätigt hat. Die spätsommerlichen Landschaften im klaren Herbstlicht haben wir als sehr reizvoll empfunden, und vom üblichen Straßenverkehr haben wir (außer der Einfahrt nach Treviso) nicht viel mitbekommen.
Wenn zu Hause nicht unverschiebbare Termine gewartet hätten, wären wir noch ein paar Tage länger geblieben.

Weitere Bilder der Tour gibt es wie immer in meinem Web-Album.

Hans