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#1488329 - 08.01.22 00:39
¡Viva Mexico!
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Dauer: | 6 Monate |
Zeitraum: | 13.12.2021 bis 10.6.2022 |
Entfernung: | 6000 Kilometer |
Bereiste Länder: | |
Moin zusammen!
Ich bin gerade auf dem Weg von Cancún nach Tijuana in Mexiko. Begonnen habe ich meine Reise Mitte Dezember, nach ungeplanten, aber wunderschönen Pausen unterwegs bin ich jetzt in Frontera (Tabasco) angelangt.
Mittlerweile habe ich Montezumas Rache und die Omicron Variante erfolgreich überstanden.
Dieser Reisebericht ist kein Bericht über meine Reise sondern ein Bericht von meiner Reise. Wer mich kennt, weiß, dass die Reisen in die Welt auch immer Reisen in mich selbst sind und voller Eindrücke, aber auch Reflektionen. Die Begegnungen mit den Menschen vor Ort sind mir mindestens genauso wichtig wie das Unterwegssein mit dem Fahrrad.
Ich habe in WhatsApp einen Broadcast eingerichtet - wer meine Berichte auch auf Spanisch und Englisch lesen und die Bilder dazu sehen möchte, kann mir per Privat Nachricht gerne seine WhatsApp Telefonnummer schicken.
Ebenfalls lade ich als Bild, und daher nur per WhatsApp einsehbar, den Screenshot meines jeweiligen täglichen Strava Ergebnisses hoch, um zu zeigen, wo ich bin, wie weit ich gefahren bin und wie lange das gedauert hat.
WhatsApp funktioniert halt nach dem Prinzip "Mobile first" und da ich nur mein Telefon dabei habe, nutze ich für die Text-/Bild-Kombi lediglich dieses Medium.
Leider ist das Bilder hochladen und Kombinieren mit dem Text hier im Forum etwas tricky und ich habe einfach nicht die Technik, die Zeit und die Datenvolumina, um das befriedigend zu erledigen. Daher gibt es hier erst mal nur die Texte, die Bilder folgen dann, wenn ich meinen Blog schreibe und die Bilder dort einstelle. Das könnte allerdings bis zum Ende meiner Visumsfrist hier in Mexiko, die 180 Tage beträgt, dauern.
Bitte versteht mich nicht falsch: das soll keine Kritik am Forum sein, sondern es ist einfach nur Fakt. Selbst meine WordPress Seite pflege ich nicht, da es zu viel Aufwand ist, Bilder und Texte dort lediglich mit dem iPhone mittlerer Größe zu kombinieren.
Ich wünsche trotzdem Inspiration und Freude beim Lesen hier im Forum.
Gruß, Cheers, Saludos
Jörg.
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Geändert von joeyyy (08.01.22 00:40) |
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#1488330 - 08.01.22 00:45
14.12.2021 - Cancún
[Re: joeyyy]
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Der Immigrationsbeamte am Flughafen will mir nur eine Genehmigung bis zum 13. Januar erteilen, dem Datum meines virtuellen Ausreisefluges nach Guatemala.
Auf meiner Navigations App zeige ich ihm dann meine geplante Route bis nach Tijuana. Glücklicherweise fährt dieser Beamte selbst Fahrrad und ist ganz begeistert von meinem Plan. Nun habe ich 180 Tage Zeit, um im Norden Mexikos anzukommen.
Um mich zu akklimatisieren, bleibe ich einen Tag in Cancún und schlendere ein wenig durch die Stadt. Nicht spannend, nicht schön. Viel Verkehr, schwül, laut.
Ich liebe die Suppenküchen in Mexiko und genieße ein All you can eat and drink Buffet für 95 Pesos. Das sind knapp vier Euro. Muffins gibt es hier in Tassen, Suppen können die Mexikaner besser.
Auf dem Rückweg steige ich in einen Bus ein, wo mir das erste Mal Mexiko als Drogenland begegnet. Dealer und Junkie pflegen ihre unheilvolle Symbiose.
Ich will aufs Fahrrad und freue mich darauf, morgen Cancún in Richtung Westen zu verlassen.
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#1488331 - 08.01.22 00:48
15.12.2021: Cancún - Tulum
[Re: joeyyy]
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Autobahn fahren ist dann spannend, wenn der Tacho meines Motorrads 250 und mehr Kilometer pro Stunde anzeigt. Im Auto kann man wenigstens noch Musikhören, auf dem Fahrrad ist Autobahn fahren einfach nur blöd.
Die Wachsstöpsel in den Ohren helfen, ich lasse sie den ganzen Tag drin.
Ein kleiner Junge, dessen Vater neben der Straße frische Kokosnüsse verkauft, bestaunt mein Fahrrad. Ich frage ihn, ob er auch eins hat. Ja, aber das sei gerade kaputt. Ich gebe ihm 20 Pesos für die Reparatur. Das sind die Situationen auf Reisen, die Herzen öffnen.
Ein etwas fülligerer Mann bleibt an einer Tankstelle, an der ich mir kalte Cola kaufe, im Drehgitter hängen, als er auf Toilette möchte. Ich schmeiße noch mal fünf Pesos in den Münzschlitz, damit sich die Drehtür wieder bewegt und er auf's Klo kann.
Ich weiß nicht, was die Menschen an Playa del Carmen finden, aber irgendwas muss da ja sein. Es ist rappelvoll und laut. Die Strände sind nicht schön und an den Zugängen liegen Junkies in ihrer eigenen Sauce. Ich bin froh, wieder auf der Autobahn zu sein.
In Tulum habe ich mich jetzt in einem Hostel eingemietet und fühle mich wohl.
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#1488332 - 08.01.22 01:05
16.12.2021: Tulum - Valladolid
[Re: joeyyy]
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Das Hostel in Tulum wird von jungen Leuten geführt. Der Rezeptionist von heute Morgen fragt mich, ob ich "Mexican Pharmacy" brauche. Ich stehe in Fahrradsachen vor ihm: "Seriously?"
Die Straße Q.Roo 10 von Tulum nach Valladolid ist geradeaus. Aus Tulum raus geht es rund 2 km geradeaus, dann folgt ein ungefähr 10° Knick und dann geht es 45 km geradeaus. Nach Coba, wo ich geradeaus durch einen Kreisverkehr fahre, geht es nach einem ungefähr 5° Knick ungefähr 35 km geradeaus durch den Dschungel. Danach fahre ich durch Chemax (mein erstes Nichttouristendorf), biege links ab und fahre bis Valladolid geradeaus.
In Chemax esse ich in einer Suppenküche meinen ersten Taco auf dieser Reise und das erste Mal rufen mir Kinder "Gringo" hinterher.
Wenn es den Mexikanern warm ist, öffnen sie nicht die Knöpfe ihrer T-Shirts sondern Rollen die Shirts von unten bis zur Brust nach oben. So mancher Mexikaner präsentiert damit auch einen gewissen Wohlstand.
Kurz vor Valladolid kaufe ich an einem Fruchtstand einen Liter Kokos Wasser. Mit den Händlern rede ich über Frauen und Kirche. Wir stimmen darin überein, dass die katholische Kirche Scheidungen eigentlich gar nicht verbieten kann, da weder die Pfarrer vor Ort noch der Papst und sein hoher Klerus jemals verheiratet waren. Ansonsten sind die wesentlichen Regeln aus der Bibel ganz okay, ohne Regeln bräche wohl Chaos aus. Bis neue Regeln gesetzt würden.
Mein Hotel in Valladolid ist liebevoll geschmückt, an die Verbindung Weihnachtsdekoration und schwüle 30 Grad muss ich mich noch gewöhnen.
Der Song des Tages ist "Mejor me quedo aqui" von Chambao und kombiniert eine grandiose Stimme mit Elementen aus Pop, Jazz und Soul. Die ganze Platte heißt "endorfinas de la mente" und passt gut zu meiner Situation.
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#1488333 - 08.01.22 01:08
17.12.2021: Valladolid - Chichen Itza
[Re: joeyyy]
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Die Verkäuferin vor der Kirche in Valladolid hat eine infektiöse Art zu lachen. Ich sage ihr das: "Wenn du lachst, steckst du mich an und ich muss auch lachen." Daraufhin lacht sie wieder und ich kaufe eine kleine Geldbörse aus Stoff bei ihr. Somit muss ich nicht immer die große Brieftasche rausholen, wenn ich etwas bezahlen muss.
Nach 25 Kilometern bin ich fertig. Völlig fertig. Die Beine sind absolut leer, Hungerast, Tribut an die Hitze. Ich muss wohl meine Kilometer-Tageskontingente runterschrauben und einfach lockerer fahren. Das nächste Hotel ist meins.
Eine amerikanische Teenagerin, auf die ich mit ihren Eltern in einem Comedor (eine Mischung aus Imbiss und Restaurant) treffe, fragt mich, ob sie mich interviewen könnte. Sie macht das mit allen möglichen Menschen, die sie unterwegs trifft, für ihren Social Media Account auf TikTok. Ihr Vater hält das Telefon und sie interviewt mich. Ich frage sie wie alt sie ist, wo sie herkommt und warum sie das tut. Ich frage sie ob sie Journalistin werden möchte und wie ihre Follower auf die Interviews reagieren. Ich frage sie ob das ein Projekt ist und wenn ja wofür. Ich frage sie ob sie mehr Interesse an den Menschen hat, die sie interviewt oder an den Likes, die sie erzielt. Mich fragt sie, wo ich herkomme und wo ich hin will. Nach dem Interview will ihr Vater noch wissen, ob ich schon in den USA gewesen wäre und wie das denn so wäre, mit dem Fahrrad unterwegs zu sein. Am Schluss sage ich ihr, dass ich jetzt mehr über sie weiß als sie über mich, obwohl sie mich doch interviewt hat. Eine gute Journalistin zeichnet sich durch tiefes Interesse und daraus abgeleitete Fragen aus. Fragen sind es, die die Welt bewegen, nicht die Antworten. Ich fühle mich ein wenig wie Sokrates vor zweieinhalbtausend Jahren.
Die Menschen in Mexiko haben ein positives Verhältnis zum Tod und ihren Toten. Bei aller Orientierung am christlichen Glauben ist die spirituelle Seele Mexikos immer noch auch von den Mayas und Azteken geprägt. Die Friedhöfe sind bunt und wenn die Toten einmal im Jahr aus dem Jenseits zu ihren Familien zurückkehren, dann soll das Tor zwischen Leben und Tod bunt sein. Am "Dia de los Muertos", dem Tag der Toten, wird auf den Friedhöfen schließlich gegessen, getrunken, getanzt und gefeiert.
Ich miete mich in einem Hotel direkt an den Ruinen von Cichen Itza ein. Nach einer zweistündigen Siesta lerne ich, dass die Ruinen schon um halb fünf schließen. Schade. Zum Glück war ich ja schon einmal dort und nehme mir vor, dieses mal Teotihuacán bei Mexico Ciudad zu besuchen.
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#1488334 - 08.01.22 01:10
18.12.2021: Chichén Itzá - Mérida
[Re: joeyyy]
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Heiß soll es werden heute. Bis zu 34 Grad und dabei eine drückende Schwüle. Ich starte um sieben Uhr und bin fasziniert von dem nebeligen Dschungel, durch den die Straße Richtung Mérida führt.
Der Literatur Nobelpreisträger Albert Camus resümierte einst, dass das Leben keinen Sinn bräuchte, um gelebt werden zu können. Recht hatte er. Meine heutige Etappe braucht ebenfalls keinen Sinn, um gefahren zu werden. Hitze, wieder viele Kilometer Autobahn, keine Pesos mehr und viele Militärkontrollen unterwegs.
Dafür nehme ich mir in Mérida ein schönes Hotel in einem alten Kolonialgebäude und gönne mir morgen einen Ruhetag.
Mein Podcast des Tages handelt von den Farben des Mais, dessen Ursprung hier in Mexiko vermutet wird. Durch das NAFTA Abkommen hat genetisch veränderter Mais aus den USA nicht nur die große Vielfalt dieser Frucht, die in Mexiko bis Ende der 1990er Jahre herrschte, zerstört sondern auch die Lebensgrundlage vieler Kleinbauern. Ein mexikanischer Designer hatte eine tolle Idee, die hier beschrieben wird.
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#1488335 - 08.01.22 01:12
20.12.2021: Mérida - Halachó
[Re: joeyyy]
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Heute fahre ich das erste Mal im Regen. Dadurch, dass die Temperaturen trotzdem nicht fallen, ist mir das ziemlich egal.
Die Strecke heute ist anfangs nicht sehr attraktiv. Es gibt viele Schweinefabriken und Müll am Straßenrand. Eine furchtbare Geruchskombination.
In Halachó suche ich das Hotel, dass ich gestern Abend gebucht habe. Es existiert nicht. David sieht mich suchen und lädt mich dann zum Abendessen zu sich nach Hause ein. Direkt neben seinem Haus ist ein Motel, in das ich mich einmiete. Beim Essen unterhalten wir uns über unsere Länder. David sagt, dass sich Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg wirtschaftlich positiv entwickelt habe. Die Revolution in Mexiko sei nun 200 Jahre her und in Mexiko gäbe es eine solche Entwicklung nicht. Warum? Spannende Frage.
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Geändert von joeyyy (08.01.22 01:14) |
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#1488336 - 08.01.22 01:15
21.12.2021: Halachó - Campeche
[Re: joeyyy]
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In Merida kaufte ich mir in einer Bücherei "Das Labyrinth der Einsamkeit" von Octavio Paz, dem berühmten mexikanischen Schriftsteller und Literatur Nobelpreisträger. Ich kaufte mir das Buch auf Spanisch, damit ich meine Sprachkenntnisse mit anspruchsvoller Literatur vertiefen kann. Ich scheitere schon am Vorwort komplett und lasse das Buch in meinem Hotelzimmer liegen, in der Hoffnung, dass es jemandem mit spanischer Muttersprache zur Erbauung dient. Ich werde mir Octavio Paz auf Deutsch kaufen.
Laut Landkarte ist heute meine letzte Etappe mit Autobahn Teilabschnitten. Kurz vor meinem Tagesziel fahre ich an einem auf dem Standstreifen parkenden Auto vorbei. Der Fahrer ist ausgestiegen und fragt mich, ob ich ihm helfen könne. Er ist liegen geblieben, weil er kein Benzin mehr hat. Ich erkläre ihm, dass ich kein Benzin bei mir habe, schaue aber im Internet nach einer Art Pannenhilfe in Mexiko und gebe ihm die Telefonnummer des Services. Seine Frau und sein kleiner Sohn sitzen im Auto, ich lasse Ihnen noch einen Liter Wasser da.
In Campeche erreiche ich auch wieder den Atlantik und habe damit die Halbinsel Yucatan einmal komplett durchquert.
In einem Restaurant direkt am Strand esse ich endlich mal Fisch hier in Mexiko, einem sehr Schweine- und Hühnerfleisch lastigen Land.
In meinem Hotel treffe ich Diana, eine Mexikanerin, die in Dresden Kulturwissenschaften studierte. Sie ist die Rezeptionistin und wir verabreden uns für morgen zu einem Stadtrundgang mit kulturellen Erklärungen. Campeche ist Weltkulturerbe, ich verlängere meinen Aufenthalt spontan um einen Tag.
===> Podcast des Tages: Soziopod über Erich Fromm. 50 Jahre her, seine Gedanken und nie aktueller und treffender als jetzt.
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#1488337 - 08.01.22 01:17
23.12.2021: Campeche - Champotón
[Re: joeyyy]
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Rund 25 km südwestlich von Campeche erreiche ich die ersten Strände des Golfs von Mexiko. Das ist jetzt Karibik Feeling. Ohne Hotels, ohne Touristen.
Champoton ist ein Fischerdorf, das wirklich noch ein Fischerdorf ist. Am Straßenrand kann man den Fang des Tages kaufen, die kleinen Restaurants bieten vielfältige Fisch Menüs. Ich esse Reis mit Meeresfrüchten, super lecker.
Ein paar Kilometer nach Champoton fahre ich über eine leere Straße, die parallel zur viel befahrenen Straße führt und an deren Ende nach circa 10 km eine Schranke von einem Security Mann bewacht wird. Ich dürfte hier nicht durch sagt er, Privatbesitz. Ich schaue ihn ungläubig an und sage, dass ich dann 10 km zurück und auf der viel befahrenen Straße wieder 10 km in Richtung Süd Westen fahren müsse. Er zuckt mit den Schultern. Während wir diskutieren, kommt ein Auto an der Schranke an, in dem offensichtlich ein Manager des Hotels sitzt. Wir reden kurz zu dritt und dann darf ich über das Hotel Gelände fahren, um nach 500 m dann wieder auf die viel befahrene Straße zu kommen. Ich weiß mal wieder nicht, ob ich Privatbesitz von Grund und Boden gut finden soll oder nicht.
Heute Abend schlafe ich direkt am Strand, ich habe einen tollen Platz gefunden, an dem ich mein Zelt aufstellen kann.
===> Musik des Tages: "Blue Monk" von McCoy Tyner. Im linken Ohr die Variationen des Themas per Klavier, rechts die lässigen, gebürsteten Schlagzeugrhythmen. Zwischendurch ein geiles Kontrabass Solo. Ich liebe diese Art von Musik!
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#1488338 - 08.01.22 01:21
24.12.2021: Champoton - Ciudad del Carmen
[Re: joeyyy]
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Mein Zelt erlaubt es mir, auch ohne Dach, nur einfach als gespanntes Mückennetz in ihm zu schlafen. Das ist, wie unter freiem Himmel schlafen - ohne Belästigung durch die Blutsauger. Ich lausche den Wellen des Atlantiks und schaue in den sternenklaren Himmel über mir. Um sechs wecken ich die Vögel, ich stehe zügig auf und sitze um sieben auf dem Rad. Heute ist ein langer Tag, 130 km liegen vor mir.
Die Temperatur am Morgen ist sehr angenehm, es ist windstill und ich fahre direkt am Meer entlang. Genuss radeln.
Nach 40 km frühstücke ich in einem Restaurant direkt am Meer. Ich lerne, das grüne Chilisauce schärfer ist als rote.
Dank Rückenwind bin ich relativ easy und fix in Ciudad del Carmen. Ich habe mir dort ein etwas schickeres Hotel reserviert, will den Weihnachtsabend mit einem guten Essen ausklingen lassen.
Leben kann schon echt geil sein.
===> Album des Tages: Natürlich zu Weihnachten den "Nussknacker" von Tschaikowsky, gespielt von den Berliner Symphonikern unter Simon Rattle. Sorry Ösis, die Russen können Walzer noch ein bisschen schöner als ihr.
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#1488339 - 08.01.22 01:23
28.12.2021: Ciudad del Carmen - Isla Aguada
[Re: joeyyy]
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Ich fühle mich in dieser Gegend einfach wohl. Ich entscheide, noch bis über Silvester und Neujahr hier zu bleiben. Ich kann es mir erlauben - die mexikanischen Behörden haben mir 180 Tage gegeben, um das Land zu erkunden. Vielleicht nutze ich die sogar aus.
In Ciudad del Carmen treffe ich Diana wieder, meine Tour Guide aus Campeche. Sie empfiehlt mir, nach Isla Aguada zu fahren und dort in der Laguna Terminos, der größten Lagune Mexikos eine Exkursion zu buchen. Mein Fahrrad kann ich bei Irlanda, ihrer Cousine, lassen.
Die Lagune und auch die kleinen Inseln in ihr faszinieren mich. Für die Bootstour auf dem Meer nehmen sich die Leute hier viel Zeit. Über zwei Stunden kreuzen wir hin und her, um die Meeresfauna zu beobachten. Delfine sind majestätische und gleichzeitig verspielte Tiere. Ich habe noch nie Delfine gesehen. Es mag kitschig klingen, aber es sind bewegende Momente, diese ersten Begegnungen.
Isla Aguada ist ein Ort in der Lagune, der vor allem abends zu langen Spaziergängen am Malecon, der Strandpromenade, einlädt. Hier sind ausschließlich Mexikaner und es ist ganz spannend, das Leben dieser kleinen Stadt zu beobachten.
Ich miete mich in einem kleinen Hotel direkt am Meer ein und genieße die Ruhe und das Farbspektakel des Sonnenuntergangs.
===> Album des Tages: Natalia Lafourcade - "Hasta la Raíz". Mexikanische Mischung aus Pop und Folk mit toller Stimme. Grammy nominiert.
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#1488340 - 08.01.22 01:42
1.1.2022: Campeche
[Re: joeyyy]
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Ich wünsche euch allen ein tolles Jahr 2022 mit Liebe, Freundschaft, Gesundheit und frohem Mut. Silvester und den Neujahrstag verbrachte ich mit Diana und ihrer Familie. Freunde finden ist auf der ganzen Welt möglich. Die Menschen hier in Mexiko begeistern mich mit ihrer Herzlichkeit, Offenheit und großem Interesse. Alles basiert auf Gegenseitigkeit und großem Respekt für einander. So habe ich eine große Inspiration für meine weitere Reise und das angebrochene Jahr. Gemeinsam, mit Freunden und Familie, können wir ganz viel bewegen und schaffen.
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#1488341 - 08.01.22 01:50
6.1.2022: Campeche / Cd. d. Carmen - Frontera
[Re: joeyyy]
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Campeche:
50 Pesos liegen vor mir auf der Straße, irgend jemand mag sie verloren haben. Ich frage mich, ob es richtig wäre, sie aufzuheben und einzustecken. Wenn ich es nicht tue, tut es ein anderer. Was würde Kant denken?
Ich hebe sie auf, behalte sie in der Hand und weiß, dass ich hier in Campeche an meinem letzten Tag in der nächsten halben Stunde sicherlich Menschen sehen werde, die diese 50 Pesos mehr brauchen können als ich. Keine zweihundert Meter weiter sitzt eine junge Frau mit ihrem Kind auf der Straße und bittet um Geld. Ich gebe ihr die 50 Pesos, sie strahlt und ich muss mir keine Gedanken mehr um meine Moral machen.
Ich bin einfach nur Überbringer eines kurzen Glücks für diese junge Frau mit ihrem Kind.
Ciudad del Carmen:
Eigentlich will ich am zweiten Januar weiter fahren. Aber Montezumas Rache erwischt mich und so bleibe ich noch drei Tage in Ciudad del Carmen. Salzgebäck, Bananen und Wasser sind hilfreich und können sogar richtig gut schmecken.
Mein Trapezmuskel schmerzt und ich fahre zu einer Physiotherapeutin. Sie hat Erfahrungen in Chiropraxis und hat meinen Kopf schnell so im Griff, wie ich es mir vorstelle, wenn man einem Hund das Genick brechen will. "Hast du Angst?" fragt sie mich. Da ich mich der Wahrheit verpflichtet fühle, nicke ich leicht, soweit es der Griff zulässt. Das interessiert sie allerdings nicht weiter, ich soll einatmen und ausatmen und dann macht es Knack.
Ich sehe mich schon im Krankenhaus, aber der Schmerz im Hals lässt in der Tat nach. Nach einigen Massagen im oberen und unteren Rücken fühle ich mich wesentlich besser.
Am Dreikönigstag, der hier eine wesentlich größere Bedeutung hat als bei uns in Deutschland, frühstücke ich noch mal mit Diana und Irlanda, hole mein Fahrrad ab, verabschiede mich herzlich und fahre los in Richtung Westen.
In der Mangrovenlandschaft, durch die ich heute fahre, gibt es Pumas und Jaguare. Und Schrimps, die die Menschen hier am Straßenrand bergeweise verkaufen. Ich vertraue meinem Verdauungssystem noch nicht, also belasse ich es beim Fotografieren.
Man kann sich hier für 2000 Pesos (ca. 90 €) scheiden lassen. Das Schild sehe ich leider 20 Jahre zu spät.
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#1488342 - 08.01.22 02:04
7.1.2022: Frontera
[Re: joeyyy]
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Irgendetwas habe ich. In mir. Es kratzt im Hals und auf den Bronchien, meine Nase ist leicht verstopft. Vorsichtshalber lege ich heute einen Ruhetag ein.
Es ist so genial, ohne Zeitdruck reisen zu können.
Ruhetag? Auf jeden Fall kein verlorener Tag!
Ich lese den Roman "quo vadis?" zu Ende (Sehr empfehlenswert: Die Dekadenz Neros, dabei die Hilflosigkeit seines Lehrers Seneca, die Beschreibung der Speichellecker um ihn herum - erinnert mich manchmal ans Berufsleben, der Brand Roms, die damit verbundene Christenverfolgung und der Ursprung der Verbreitung des Christentums durch Petrus und Paulus). Und ich bearbeite ein paar Bilder aus meiner Leica Kamera.
Die schicke ich euch mal mit. Chronologisch nicht sortiert.
Morgen früh geht's weiter.
===> Podcast des Tages: Soziopod # 55 über das Resonanzkonzept von Hartmut Rosa. Weil es mit meinem eigenen Ressourcenkonzept viele Übereinstimmungen hat.
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#1488361 - 08.01.22 17:38
Re: ¡Viva Mexico!
[Re: joeyyy]
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Hallo Jörg Das liest sich doch gut, vor allem das Interview fand ich sehr unterhaltsam Vielen Dank Kurt
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May the road rise to meet you | |
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#1488385 - 09.01.22 06:28
Re: ¡Viva Mexico!
[Re: joeyyy]
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Moderator
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Hi Jörg, Du hast ja schon ein ordentliches Programm hinter dir. Was ich nicht kapiere ist, dass Du nichts über die Cenoten berichtest. Warst Du nicht tauchen oder schnorcheln? Möglichkeiten gibt es doch unendlich viele. 15km südwestlich von Tulum Cenote Angelita Beim Anblick der Bilder sträuben sich mir allerdings die Nackenhaare. Vor 20 Jahren waren wir mit 6 Tauchern alleine auf 50m. Einer meiner Best-of-Five Tauchspots.
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° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° Reisen + | |
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#1488388 - 09.01.22 08:50
Re: ¡Viva Mexico!
[Re: joeyyy]
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Tolle Reise! Aber das mit der langen Unterhose solltest Du nochmal überdenken.
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Gruss Markus Forza Victoria !
When nothing goes right -> go left! | |
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Off-topic
#1488390 - 09.01.22 09:12
Re: ¡Viva Mexico!
[Re: cyclerps]
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Ich sehe die lange Unterhose als Anregung für Skandinavien-Fahrer. Gruß, Gerd
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#1488455 - 09.01.22 16:55
Re: ¡Viva Mexico!
[Re: joeyyy]
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Moin zusammen, vielen Dank für die Nachrichten und die Feedbacks.
In den Cenoten war ich 2015 schon mal, bin auch schon mal in einer abgelegenen von einem 10 m Turm ins schwarze Nichts gesprungen. Sehr interessant.
Meine Unterhose ist keine Unterhose sondern das sind Sonnenschutzbeinlinge. Ich möchte so wenig wie möglich Sonnencreme an mich lassen, da es nicht immer möglich ist, mich abends zu duschen. Und mit Sonnencreme auf der Haut kann ich im Schlafsack nicht schlafen. Außerdem kippe ich mir bei den hohen Temperaturen hier immer mal etwas Wasser auf die Oberschenkel und mit den Beiningen verdunstet das nicht so schnell, kühlt also länger.
Den Broadcast hab ich erweitert um die WhatsApp Telefonnummern, die mir per PN zugekommen sind. Viel Spaß!
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#1488512 - 10.01.22 00:55
8.1.2022: Frontera - Westlich von Paraiso
[Re: joeyyy]
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Die Kombination aus dicken Reifen und einer minimal gefederten Sattelstütze erweist sich im Hinterland Mexikos als ausgesprochen wertvoll für meine Orthopädie. Und für Sandwege.
Heute geht es zum ganz großen Teil zwischen Fluss und Meer entlang. Wunderschöne Landschaft, ich rieche das Wasser und in den Ortschaften den gegrillten Fisch.
In Cuauhtémoc mache ich Mittagspause und kaufe mir eine Mandarine und zwei Mangos, nachdem ich vorher schon zwei Bananen aß. Ich setze mich auf den zentralen Platz in den Schatten, Pedro, ein Mann meines Alters, setzt sich zu mir und meint, dass es gut wäre, Obst zu essen. Die Menschen in Mexiko täten das nicht mehr, obwohl es doch so viel Obst überall gäbe. Ananas, Kokosnüsse, Bananen, Mangos, Papaya, man müsse es doch nur pflücken. Aber die Menschen seien zu faul und würden lieber Fleisch und Chips essen. Nach einem kurzen Gespräch über meine Reise lädt er mich zu sich nach Hause ein, damit ich duschen könne. Ich bedanke mich ganz herzlich, möchte aber weiterfahren, damit ich noch im Hellen an meinem Schlafplatz ankomme.
In Chiltepec esse ich die bisher besten Empanadas meines Lebens. Eine mit gebratenem Fisch und eine mit Krabben und Käse. Fisch und Krabben kommen frisch vom Grill, die Empanadas frisch aus der Fritteuse. Köstlich.
Nach hundert Tageskilometern - heute mache ich die ersten Tausend voll - komme ich an dem Hotel an, dass ich mir bei Google ausgesucht habe. Allein, das Hotel existiert nicht mehr. Eine alte Frau, die vor ihrem Haus steht, frage ich nach Wasser. Sie füllt mir meine Flasche auf, ich will ihr zehn Pesos geben, der übliche Preis für einen Liter Wasser, wenn ich es an der Tankstelle kaufe. Sie lehnt ab. Hinter ihr ist ein Ständer mit Keksen und Chips, ich kaufe eine Packung Cracker. Kostet 15 Pesos, ich gebe ihr 25, sie lacht und ich fahre weiter.
Direkt am Strand finde ich ein leeres Ferienhaus, in dessen Garten ich mein Zelt aufstellen. Es gibt sogar einen Wasserhahn, so dass ich mich duschen kann. Die Moskitos haben mich erspäht und greifen in Schwärmen an. Mein Zelt ist schnell aufgebaut, ich bin jedoch zu langsam mit dem Reißverschluss auf und wieder zu machen. Im Zelt muss ich dann ungefähr 30 bis 50 Moskitos killen, damit ich heute Nacht meine Ruhe habe. Ich weiß noch nicht, wie ich das mit dem Pullern mache, falls ich denn dann nachher mal muss. Zähneputzen fällt heute mückenbedingt aus.
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#1488514 - 10.01.22 03:14
9.1.2022: Westlich von Paraiso - Coatzacoalcos
[Re: joeyyy]
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In der Nacht lerne ich, dass das Mückennetz meines Zeltes zwar die Mücken draußen hält, nicht aber deren Stechrüssel. Meine Füße drücken beim Einschlafen gegen das Innenzelt und das nutzen die Mücken draußen für ein Blutmahl. Die Juckerei dauert ungefähr 10 Minuten, dann schlafe ich wieder ein. Um sechs, mit der Dämmerung, bin ich wach. Ich packe meine Sachen zusammen, putze mir die Zähne gründlich, um sieben sitze ich auf dem Fahrrad. 50 Kilometer geht es zwischen Lagune und Meer über Sand, Schotter und alten Asphalt. Immer wieder gibt es Posten, die ein paar Pesos für die Instandhaltung dieses Weges erbitten. Sie legen auf den besonders tiefen Sand große Palmblätter oder halbe Kokosnüsse, damit Mopeds und Autos nicht komplett im Sand versacken. Die Straße habe ich zum größten Teil für mich alleine. Die Leute, die hier leben, leben vom Fischfang und von ihren Rindern. Nicht kommerziell sondern wie Kleinbauern nur für den Eigenbedarf. Das lerne ich bei Carmen, in deren kleiner Tienda ich ein paar Kekse und Erdnüsse als Frühstück kaufe. In Magallanes Bin ich zurück in der Zivilisation. Kurz nach dem Ort liegt eine tote Schlange am Straßenrand. Da muss wohl erst kürzlich ein Auto über sie gefahren sein. Ich entrolle sie und lege sie neben mein Fahrrad, um abschätzen zu können, wie lang sie ist. Ich denke an den kleinen Prinzen und frage mich, wie in so eine Schlange ein Elefant passen soll. Mein Mittagessen habe ich in La Venta. Die bestellte Suppe mit Fisch und Garnelen ist genau das. Eine heiße Bouillon, in der ein Fisch und drei Garnelen liegen. Ich veranstalte ein zivilisiertes Schlachtfest, an dessen Ende nur Gräten und Garnelenreste übrig bleiben. Extrem lecker das Ganze. 90 Kilometer habe ich jetzt hinter mir und die Pause macht mich mutig. Im Internet reserviere ich mir ein Viersternehotel in Coatzacoalcos, noch mal 50 Kilometer von hier. 40 Kilometer davon sind Autobahn - das macht mir allerdings nichts aus, da die Seitenstreifen breit und in gutem Zustand sind. Coatzacoalcos ist eine Petrostadt mit einer großen Raffinerie von Pemex, der staatlichen Öl Gesellschaft. Morgen soll es regnen, ich werde mir einen Ruhetag gönnen und ein wenig spazieren gehen. https://ghondi.files.wordpress.com/2022/01/img_2175.jpgZu großes Bild in Link gewandelt. Bitte max. 1024 px in der Breite.
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Geändert von Juergen (10.01.22 07:37) |
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#1488661 - 11.01.22 02:27
10.1.2022: Coatzacoalcos
[Re: joeyyy]
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Die 140 km von gestern stecken mir noch ganz schön in den Beinen. Ich schlafe bis um zehn wie ein Stein. Mein Frühprogramm beginnt normalerweise mit Yoga, Pilates und ein paar Mobilisierungsübungen für das ISG. Heute nicht, heute beginnt es mit Liegenbleiben. Danach aufstehen, aus dem Fenster schauen, Regenwolken beobachten, wieder hinlegen.
Um zwölf stehe ich auf und gehe raus. In einem kleinen Café mit eigener Rösterei trinke ich frisch gebrühten Kaffee mit Bohnen aus Oaxaca. Wie gut der Kaffee hier doch schmecken kann. In den Comedores stellte man mir meistens eine Tasse heißes Wasser und ein Glas Nescafé zum Selbstdosieren hin. OK, dafür sind die Suppen dort genial.
Coatzacoalcos ist ein offensichtlich von Pemex, der staatlichen Öl Gesellschaft, geprägter Ort. Gestern die Raffinerie, heute gehe ich am Pemex Krankenhaus vorbei. Zumindest von außen hat das Haus den Anschein, dass das Kerngeschäft von Pemex eben die Petrochemie und nicht die Gesundheit ist.
Meine Gesundheit ist mir wichtig, am Malecon kaufe ich mir eine frische Kokosnuss, trinke deren Inhalt und später in einer Fruteria suche ich mir noch eine fette Papaya aus. Ich weiß nicht, wie schwer das Ding ist, aber mehr als ein Kilo hat sie sicherlich drauf. Die Hälfte davon esse ich im Hotelzimmer. Damit habe ich rund 350 Prozent meines täglichen Vitamin C Bedarfs gedeckt und ganz viel der Vitamin B Gruppe. Meinen Mineralstoffhaushalt fülle ich ebenfalls mit dieser Frucht zur Genüge auf, zumal ich mit dem Kokoswasser von vorhin eine große Menge der bei meinen Aktivitäten hier benötigten Mineralstoffe Magnesium, Kalzium und Kalium zu mir nahm.
Am Nachmittag ruhe ich mich noch mal aus, es beginnt zu regnen und ich lese im Guardian, dass der Luxus Autohersteller Rolls Royce im letzten Jahr so viele Autos verkaufte wie nie zuvor. Die Begründung ist so simpel wie nachdenkenswert.
Die reichen Schnösel haben festgestellt, dass das Leben ziemlich kurz sein kann und damit aufgehört, für sie wichtige Entscheidungen immer nur in die Zukunft zu verschieben.
Manchmal kann man sich sogar bei der sogenannten Elite noch was abschauen...
Im Zeitalter des Materialismus ist Rolls Royce ein Sinnbild für Perfektion und damit Ästhetik und das (nicht notwendige) Schöne in der Welt. Und ein wichtiges Statussymbol, mit dem man zeigen kann, welchen Stellenwert in der Gesellschaft der Besitzer oder die Besitzerin hat.
Mein Stellenwert in der Gesellschaft ist mir ziemlich egal (Sehr lesenswert dazu: die Aphorismen von Schopenhauer). Und obwohl in den britischen Nobelkarossen sicherlich viel handwerkliches Geschick und eine Hinwendung zur Perfektion steckt, bewegen mich Autos eher selten emotional.
Statt an den Reichen würde ich mich persönlich eher an der Figur des Petronius aus "quo vadis?" (für einen Agnostiker wie mich der einzigen Figur des Romans mit einer nachvollziehbaren Vernunft) orientieren und Reichtum eher im eigenen Sein in der Welt, der Kunst, der Musik und dem Pflegen von Freundschaften sehen - auch mit sich selbst. Und im Radeln durch Mexico.
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#1489007 - 13.01.22 02:01
12.1.2022: Coatzacoalcos - Estación Juanita
[Re: joeyyy]
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Was ich hier in Mexiko noch nicht so wirklich herausgefunden habe, ist das System des Blinkens. Vor allem LKWs blinken oder auch nicht und bleiben dann stehen oder auch nicht oder biegen ab oder auch nicht. Ich gehe immer davon aus, dass alles mögliche passieren kann und fahre super defensiv. In Acayucan kaufe ich mir eine Kokosnuss, die ich erst öffnen lasse, austrinke und deren Fruchtfleisch ich mir dann rausschneiden lasse. Ein älterer Passant möchte wissen, wo ich herkomme. Deutschland sage ich. Ein junger Musiker spricht mich dann auf Deutsch an. Ich frage ihn wo er die Sprache gelernt hat, für ihn war es reines Interesse. Er war noch nie in Deutschland. Er ist ein sehr sympathischer Student, der in Mexiko-Stadt Lehramt studiert und in den Semester Ferien mit der Gitarre durch die Busse läuft und sich mit seinen Liedern ein bisschen Geld verdient. Ich besseres ein Stipendium um ein paar Pesos auf und bekomme dafür ein Ständchen. Nach rund 70 km in Richtung Landesinneres ändert sich die Vegetation im Vergleich zur Halbinsel Yucatan komplett. Vor allem die Vielfalt der Bäume nimmt zu. Mexiko ist eines der Länder mit der größten Bio Diversität der Welt. Und ich sehe die ersten hohen Vulkane, deren Spitzen in Wolken gehüllt sind. In Juanita, einem Dorf ausschließlich mit Sandstraßen, finde ich ein Hotel für 250 Pesos. Das sind knapp über zehn Euro.
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Geändert von joeyyy (13.01.22 02:09) |
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#1489097 - 14.01.22 03:50
13.1.2022: Estación Juanita - María Lombardo Caso
[Re: joeyyy]
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Die Landschaft hat sich jetzt komplett geändert. Am Anfang fahre ich noch durch Farm- und Weideland. Ich wusste bisher noch nicht, dass Ananas in der Erde wachsen. Später überquere ich dann die Grenze nach Oaxaca und es wird urwaldig.
Bis zur Hauptstraße MEX 147 Sind es von Juanita aus 62 km Sand und Schotterstraße. Gut ist, dass der Regen, der den ganzen Tag fällt, den Staub bindet und auch gut aufgesogen wird, so dass ich keinen Matsch von unten entgegen geschleudert bekomme.
Zum Glück finde ich einen kleinen Laden mit Vordach, als es wirklich anfängt zu schütten. Ich kaufe mir einen Saft und ein paar Cracker und fülle somit meine Zucker, Salz und Kohlenhydrat Depots auf. Da ich eine Zeit lang warten muss, spreche ich mit der jungen Verkäuferin ein wenig über die Strukturen hier oben. In den kleinen Dörfern gibt es jeweils Grundschulen, die allerdings zu Corona Zeiten alle geschlossen sind. Die Kinder müssen warten, bis die Pandemie vorbei ist. Nach und nach treffen Farm und Feldarbeiter ein, die jetzt Feierabend haben und sich hier auf einen Plausch treffen.
Federico kauft sich ein paar Tomaten, wir kommen ins Gespräch. Er lebte eine Zeit lang in den USA und ist jetzt wieder zurückgekehrt nach Mexiko. Seine Frau und seine drei kleinen Kinder sitzen im Auto, er muss weiter, lädt mich allerdings in sein Restaurant ein, welches auf meiner Route liegt.
Der Regen hört auf und ich fahre weiter. An Federicos Restaurant halte ich an und werde auf einen Kaffee und dann zum gemeinsamen Abendessen eingeladen. Ich lerne die ganze Familie kennen, ich mag die zwischenmenschliche Stimmung sehr und fühle mich wohl. Sue Ellen, die siebenjährige Tochter erzählt mir, dass sie nicht in die Schule gehen kann, aber mit ihrer Mutter gemeinsam schreiben, lesen und rechnen lernt. Die Zeit rennt, um halb sechs muss ich leider weiter, damit ich noch vor der Dunkelheit im nächsten Ort bin, um mir ein Hotel zu suchen. Bei dem Wetter habe ich keine Lust auf Zelten.
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#1489105 - 14.01.22 06:49
Re: 12.1.2022: Coatzacoalcos - Estación Juanita
[Re: joeyyy]
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Der nächste Biergarten scheint weit weg zu sein.
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Gruss Markus Forza Victoria !
When nothing goes right -> go left! | |
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#1489975 - 22.01.22 01:53
Re: ¡Viva Mexico!
[Re: joeyyy]
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Moin zusammen, ich habe jetzt einen Weg gefunden, meinen Blog zu pflegen. Texte und Bilder gibt es ab sofort unter www.gondermann.deWer Interesse hat, kann gerne abonnieren. P.S.: Und nein, ich bin nicht mit dem Pedelec an der Mosel unterwegs, auf der Suche nach Biergärten.
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#1489981 - 22.01.22 09:02
Re: ¡Viva Mexico!
[Re: joeyyy]
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Moin zusammen, ich habe jetzt einen Weg gefunden, meinen Blog zu pflegen. Texte und Bilder gibt es ab sofort unter www.gondermann.de Die Seite funzt nicht, wird als unsicher eingestuft. (Feuerfuchs, Windows) Auf deinen anderen Seiten gibt es keine Informationen nach dem 16. Dezember.
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° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° Reisen + |
Geändert von Juergen (22.01.22 09:04) |
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#1490005 - 22.01.22 14:25
Re: ¡Viva Mexico!
[Re: Juergen]
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...oh, sorry. Ist www.gondermann.net 🤦‍♂️ Ich hab grad ein paar Ruhetage und hole alles in den Blog rein. Sollte bald aktuell sein.
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