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#1259424 - 10.01.17 20:31
Saxonia Bohemia Velogida
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Mitglied
Themenersteller
abwesend
Beiträge: 17.389
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Dauer: | 11 Tage |
Zeitraum: | 17.11.2016 bis 27.11.2016 |
Entfernung: | 666 Kilometer |
Bereiste Länder: | Deutschland Tschechische Republik
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“Der Teufel hat wirklich Geschmack. Jede Stelle, die seinen Namen trägt, oder auf ihn hindeutet, hat etwas Pikantes. Es sind die allerromantischsten Gegenden, die man mit seinen Interessen in Verbindung gesetzt hat. Wie gesagt, er hat Geschmack, und das ist eine gute Eigenschaft.“Hans Christian Andersen* SAXONIA BOHEMIA VELOGIDA
Radlerische Novemberimpressionen aus dem Elbsandsteingebirge, Erzgebirge und Vogtland mit einem multivisuellen Geschichtsblick auf das weltoffene Dresden, einer besonderen Freundschaft und lichterner VorweihnachtsstimmungSummen: 10 Radeltage (11 Reisetage): 666 km | 10550 Hm Durchschnitte (Radeltage): 67 km | 1055 Hm | 12,6 km/h | 5:14 h InhaltsverzeichnisEinführung mit Lesetipps (gleich hiernach) SBV-1 Sächsisch-Böhmische Schweiz mit Elbdurchbruch & ElbsandsteingebirgeSBV-2 Dresden – ohne RadSBV-3 ErzgebirgekammSBV-4 Westerzgebirge & Vogtland mit Musikerwinkel & BädereckGedicht: Novemberlichter im ErzgebirgeWelch eine Schnapsidee, eine Radreise in den späten, tristen wie dunklen Novembertagen im Nordosten aus Sicht des Südwestens. Exakt 666 „Schnaps“-Kilometer waren die Ausbeute – gewiss kein Zufall. Und wie ich in den Exerzitien der christlichen Lehre finden konnte, ist 666 die Zahl des Teufels. Es wurde ein wahrlicher Teufelsritt in die Weihnachtszeit hinein, im wahrsten Sinne von Hans Christan Andersen (vgl. Eingangszitat). Also nix Schnapsidee, sondern großes Radreisekino! Saxonia Bohemia Velogida (SBV) ist eine noch schwache 1-Mann-Bewegung, die aber bereits von einigen freundlich Gesinnten nach besten Kräften unterstützt wurde und wird. Angestrebt ist die flächendeckende Infizierung mit den Ideen von Saxonia Bohemia Velogida: Umarmende Freundesabsichten, nachhaltiges wie freigeistiges Natur- und Kulturerleben, lebensfrohe Genusskultur, ebenso freizügige wie weltoffene Haltung mit Rückgrat und Zivilcourage, stets grenzüberschreitende Weltoffenheit und Europaliebe in alle Himmels- und empathisch ausgerichteten Denkrichtungen. Der Kern der Bewegung fährt sui generis Fahrrad, Sympathisanten dürfen natürlich auch andere Verkehrsmittel benutzen. Eine Vollmitgliedschaft ist folglich nur durch Radfahren in der Region möglich, zudem durch virtuellen Eintrag in das Gesinnungsregister, welches an allen Wegepunkten ausliegt, an denen man durchatmet und einem die wahrhaftigen Grundsätze dieser Bewegung bewusst werden. Neudeutsch werden diese Wegepunkte auch als Momente der Entschleunigung oder slow points bezeichnet. Ein feuchtes Leuchten in den Augen an solchen Orten ermöglicht eine Premium-Mitgliedschaft, sofern genügend solche authentische Wegepunkte gesammelt wurden. Über eine ausreichende Punktezahl (slow points premium line) entscheidet der Teufel, entsprechend werden damit auch privilegierte Plätze in dessen Refugium nach dem eventuellen Ableben reserviert (devil’s friendship corner). Musiktipp: Der Dresdener Saxophonist Robert Menzel gehört zu den jungen Talenten der sächsischen Musikszene und setzt mit dem “Lied der Wiedervereinigung“ (6:40 min.) seinen Akzent auf die junge Geschichte der neuen Gesamtrepublik, die immer noch an einer verständigen gemeinsamen Identität mit ungleichem Geschichtsgedächtnis arbeitet. Jazz war in de DDR weit mehr als eine antibürgerliche Teufelsmusik, sie war nicht selten eine aufrührerische Untergrundmusik, die sich der staatlichen Lenkungskontrolle entzog. Nun brauchte ich schon nahezu eine ganze Generation um mal den deutsche Osten zu erkunden – das verlangt nach einem patriotischen Soundbekenntnis.Planung, Routenwahl & Witterungseinflüsse – ein GlückstrefferZurück zum profanen Radleralltag. Dieser beginnt immer und in irgendeiner Weise mit einer Planung. Die „Schnapsidee“ reifte über ein Jahr, eine entsprechende Anfrage stellte ich bereits hier ein Jahr zuvor. Allerdings ergriff ich die Gelegenheit nunmehr unter umgekehrten Vorzeichen der Himmelsrichtungen – sprich: statt von Südwest nach Nordost kehrte sich die Richtung um auf von Nordost nach Südwest, grob skizziert von Dresden nach Hof. Dabei schälten sich andere Schwerpunkte heraus. So schwächte ich die Erzgebirge-Achse ab zugunsten der Sächsisch-Böhmischen Schweiz (SBS), die der Unsicherheit der Jahreszeit angemessen weniger hoch gelegen ist, sodass ich eine entsprechende Anpassung der Routen vornehmen konnte – im Falle eines Wintereinbruchs evtl. auch der komplette Verzicht auf die Erzgebirgshöhen. Im Südwesten hingegen verzichtete ich auf das weltbekannte Schickeria-Bäderdreieck mit Karlsbad, Marienbad und Franzensbad. Dafür hatte ich eigentlich schon einen Reiseführer im Vorjahr erworben, der nun nur noch kleine Teile meiner Reise erfasste. Nicht unerwähnt möchte ich lassen, dass die Novemberreise bereits meine zweite Reise an die Elbe ist – im gleichen Jahr, und das als Bergziege! Was als Sand zwischen Decin und Dresden abgeschmirgelt, verlandet bekanntlich im Elbtrichter zwischen Hamburg und Nordsee als freizeiteinladende Elbsandstrände. Der Kreis des Sandkorns schließt sich. Die Wintertour – ebenso mit einer besonderen persönlichen Begegnung verbunden – findet ihr unter Winterimpressionen von den Elbmarschen. Trotzdem war die Reise auch gewichtiges Neuland für mich – die erste Reise nach Sachsen, die erste nach Böhmen, nach Ostdeutschland und Tschechien ganz allgemein sogar. Neuland soll es nicht bleiben, denn die Eindrücke der Reise sind doch so tief, begeistert und freudig, dass ich die meisten Gebiete nochmal und zu einer besseren Jahreszeit besuchen möchte. Verlockende Erweiterungsmöglichkeiten stehen ja ausreichend zu allen Seiten offen. War für die zweite Novemberhälfte der Schnee auf dem Erzgebirgekamm quasi „rechtzeitig“ wieder geschmolzen, traf ich im Januar zuvor ja noch auf typische Winterlandschaften mit Schnee und Eis – wenn auch nur kurz. Rein technisch war ich in Hamburg/Stade auch mit Spike-Reifen auf Winter vorbereitet – im Erzgebirge wollte ich diesem noch Möglichkeit aus dem Wege gehen. Wenn auch nicht so warm und günstig wie im Vorjahr, zeigte sich der Spätherbst milde (etwa 3-13 °C), manchmal sonnig, oft hochneblig, an 2-3 Tagen mit Regen, davon einer quasi mit Dauerregen und einer zum Schluss mit peitschendem Eisregen. Besonders in der ersten Hälfte der Tour fegten Stürme übers Land, meist konnte ich mich aber vor ihnen in schmalen Talschluchten oder dichten Wäldern verstecken. Der der stärkste Wind herrschte wohl ohnehin am radfreien Tag. Trotz der langen Anlaufzeit für diese Tour war die Planung alles andere als fundiert und meine Erzgebirge/Vogtland-Route stückelte ich in den letzten zwei Tagen vor Abreise zusammen, lediglich das Elbsandsteingebirge hatte ich etwas genauer durchdacht. Trotz üppiger Puffer erwies sich aber auch dieser Plan noch als weitaus zu ambitioniert. Die typischen Reiseaktivitäten wie intensives Fotografieren und/oder Museumsbesuche kann man an den kurzen Spätherbsttagen nur unterschätzen – meist limitiert das Tageslicht schlichte 50 km. Längere Fahrstrecken waren meist mit Dunkelfahrten teuer erkauft. Gemäß Nordost-Verschiebung fällt die Dämmerung schon deutlich früher ins Gewicht – ab 16:15 h war Tageslichtfotografie schon sinnlos, wenig später ist es bereits dunkel. Da ist leicht mehr als eine halbe Stunde weniger Helligkeit als im mir bekannten Südwesten der Republik zu beklagen. Früher beginnt der Morgen schon wegen der Frühstückszeiten in den Unterkünften hingegen nicht. Sicherlich erreichte ich auch eine neue Klimax der Entschleunigung – besuchte ich doch auf dieser Tour mehr Museen als jemals auf einer Radreisen – mehr gar als im üblichen Jahresdurchschnitt. Doch verlangsamten nicht nur Besichtigungen die Tour, auch die Wegstrecken sorgten für Schneckenkilometer. Die sicherlich auch anspruchsvolle Topographie – wenn auch nicht mit anspruchvollen Schwarzwaldtouren oder gar meinen alpinen Sommertouren zu vergleichen – blieb manchmal träge im tiefen Geläuf stecken. Die Pisten zeigten sich zwar besser als erwartet, doch verlangsamte überdurchschnittliche Feuchtigkeit messbar das Fortkommen. Matschige Pfützenpisten blieben aber rar, denn viele Radrouten zeigten gute Asphaltqualität, soweit nicht ohnehin Straße. Waren Entscheidung und Planung zur Tour kurzfristig anberaumt und die Witterungsverhältnisse ohnehin ungewiss, verwackelten noch ein paar Sonderfaktoren eine stringente Kurswahl. Der Besuch bei „meinen Sachsen“ (Birgit & Hans) in Brand-Erbisdorf bei Freiberg änderte sich zum Nebenschauplatz, unser Haupttreffpunkt wurde Dresden – allerdings angesteuert per Auto von einem Hotel am Rande des Malerweges südöstlich an der Elbe und unweit von Bad Schandau, dem Startort meiner Tour. Als Radler hatte ich die Großstadt Dresden ja nicht mal im primären Fokus. Die unerwartet hohe Hotelauslastung verschob die Reihenfolge nochmals. Die Dresden-Besichtigung, eher mittig angedacht, lag damit schon fast am Anfang. Die vorgenannte Betrachtung ist in gewisser Weise wichtig für die Kapitelfolge hier im Bericht, mit der ich eher am ursprünglichen Gedanken festhalte: Das Einradeln im Elbsandsteingebirge als geschlossener Block (SBV-1), die Stadtbesichtung Dresden als Intermezzo für Kultur und Begegnung (SBV-2), die Fortsetzung ins Erzgebirge, hier aufgeteilt als Ost- und Mittelerzgebirge einerseits (SBV-3) und der Abschluss im Vogtland mit Westerzgebirge andererseits (SBV-4), wobei Schwarzenberg und Schwarzwassertal als offizielle Teile des Westerzgebirges hier im Bericht noch in das mittlere Erzgebirge fallen. (Eine Übersicht der Gebirgs- bzw. Naturraumaufteilung findet ihr z.B. hier.) Damit wird die chronologische Abfolge zumindest ein wenig gebrochen. Dresden selbst, obwohl unmittelbar nicht gerade sehr hügelig umgeben, könnte man gleichwohl als Teil des Elbsandsteingebirges betrachten – schon allein der historischen Bausubstanz wegen – dem Sandstein. Die Geschichte der Stadt und Sachsens insgesamt ist gleichwohl Thema schon beim Besuch der Festung Königstein am Vortag. Die frühen malerischen und erzählerischen Entdecker der Sächsisch-Böhmischen Schweiz verbanden häufig den Besuch des Elbsandsteingebirges mit dem von Dresden oder Pirna als städtische Juwelen. Schöpft man die gesamte Ausdehnung dieses romantischen Landschaftsidylls der Sächsischen Schweiz aus, beginnen die ersten Talpassagen bereits unmittelbar an der Siedlungsagglomeration Dresdens – etwa wenn man dem Elbezufluss Wesenitz nach Lohmen folgt (von mir nicht gefahren), nicht mehr weit zur Bastei. Wie weit Dresden entfernt ist, hängt jedoch auf nicht unwesentliche Art von der Routenwahl ab. Folgt man der Elbe, nimmt sich der Weg besonders lange aus, weil diese zwei große Schleifen von Schandau nach Dresden ins Sandsteingebirge hineinmäandert hat. Nicht zuletzt folgt entsprechend langatmig die transitgewichtige Bahnlinie von bzw. nach Tschechien diesem Flussweg, der vielleicht der schönste Abschnitt des gesamten Stroms ist. Dachgeber, Verpflegung & Tourismus – mit einigen FragezeichenDass ich auf dieser Reise kein Zelt mitnahm, folgte gleich mehreren Gedanken. Nimmt man nur einmal die Nachttemperaturen, waren diese teils milder als in manchem Frühjahr, wenn tagsüber die Sonne bereits kräftig einheizt. Die zufällige Suche nach geöffneten Campings im Internet führte jedoch nicht selten zu unklaren Ergebnissen. Wenn nicht als geschlossen vermerkt, bleibt der potenzielle Gast im Unklaren (unsichere Öffnungszeiten im Web immer häufiger ein Problem, auch bei Hotels). Vor Ort zeigte sich, dass die meisten Campings geschlossen haben dürften. Winter- oder Dauercamping scheint in der Region kein Thema zu sein, die Zeltplätze orientieren sich tatsächlich vornehmlich an eher typischen Sommeraktivitäten wie Wandern, Kanufahren, Radfahren, Badeurlaub usw. Wildcampen wollte ich in der mir unbekannten Region doch eher nicht anstreben. Neben den feuchten Novemberböden (Matsch?) ging die Reise ja auch durch Nationalparkgebiet, in anderen Teilen musste ich dichte Besiedlung, unzugänglichen Wald oder steile Hänge vermuten. Tatsächlich gäbe es zumindest rund um den Erzgebirgekamm gute Biwakiermöglichkeiten, sogar etliche Wetterschutz- und Picknickhütten würden für Notübernachtungen in Frage kommen (besonders auf der tschechischen Seite), nicht selten auch ergänzt von kleineren einsamen Seen. Letztlich sprach neben den unsicheren Witterungsverhältnisse vor allem gegen das Campen, dass sich über Tag keine Trockenmöglichkeit für das Zelt ergeben würde, um nicht zu sagen gar keine Zeit dafür vorhanden wäre – die kurze Tageszeit dafür zu kostbar. Ohnehin sind lange Winterabende eher zeltfeindlich, Taschenlampenabende sind nicht meins. Die Restaurants schließen nicht selten deutlich früher als im Sommer, sodass man nicht immer bis zur Schlafzeit sitzen bleiben kann. Leute und Landeskultur schließlich lernt man leichter über Gasthofaufenthalte kennen. Die Angebote und Preise sind allerdings nicht einfach zu erahnen. Viele Betriebe, die auch äußerlich als geöffnet zu vermuten waren, stellten sich auf Nachfrage als geschlossen heraus. Die Situation war in Tschechien nochmal schwieriger als in Sachsen. Nicht selten halten die Betriebe sich halboffen, sprich sie geben Zimmer am Wochenende frei, nur für Gruppen, nur mit Beginn von Ski und Rodel usw. Dann waren da auch unfreundliche Avancen. In Tisa wurde mir das Zimmer verweigert mit der Begründung, es wäre für mich als Einzelperson zu groß. Von den ca. 15 Hotelbetrieben am Sneznik und dem Nachbarort Tisa (mit berühmten Felsplatten) zeigte sich kein einziger für mich als Radler aufnahmenbereit. Rätselhaft auch die Angaben der Einheimischen. Da wird auf den Nachbarbetrieb verwiesen, der aber dann auch geschlossen hat. Eigentlich sollte man meinen, dass bekannt ist, was mein Konkurrent und Nachbar macht? Fragte ich eine Angestellte in der Küche, musste diese erst die Chefin anrufen, die dann bekannt gab, das geschlossen sei. Im vogtländischen Bad Brambach wusste die Tochter nicht, ob Mutter aktuell die Zimmer vermietet oder nicht. Ob geschlossen ist, wird nahezu gar nicht angeschrieben – am Sneznik bei den 6 oder 7 Betrieben nur bei einem – der war auch stockdunkel. Sonst waren meist Personen vorzufinden, nicht selten gab es die Auskunft „alles belegt“, obwohl weit und breit inklusive Parkplatz keine Gäste zu erahnen waren. Möglicherweise eine Schutzbehauptung für Unlust, aber auch für nicht gutes Deutsch. Belegt also übersetzt für „vorübergehend geschlossen“. In Doubice im wohl besten Hotel des Ortes sagte man mir an der Rezeption „heute nicht“. Ich fand dann ausgerechnet dort ein Zimmer, wo die geringste Beleuchtung war. Tourismus im Geheimen. Der Eindruck des Unfreundlichen beschränkte sich aber nicht nur auf die Zimmersuche, sondern auch dort, wo ich Unterschlupf oder Essen fand. Obwohl nahezu alle Tschechen in der Grenzregion im Gastgewerbe scheinbar gut Deutsch konnten, wuchs das Gespräch nie über das Notwendigste hinaus. Die Sätze kurz und knapp, selten mit einem Lächeln. So ganz kann ich den Verdacht nicht loswerden, dass auch die Arbeit mit dem Gast eher widerwillig erledigt wird oder Ressentiments existieren. In der Pension Hubertus fühlte ich mich als einziger Gast wie jemand, der das Familienleben stört (Kinder lernten Klavier spielen). Wie zu hören, kriselte es aber wohl in der Familie selbst. Nicht zuletzt werden die schlechten Touristenzeiten zu Baumaßnahmen und Reparaturen genutzt – da stört der Gast auch eher. Auswirkungen hat das sogar auf die Naturbereiche. So wurde an der Edmundsklamm bei Meza die Brücke renoviert, sprich sie war zu einem gesperrten Gerüst reduziert. Gleichermaßen befand sich beim Prebisch-Tor ein Hinweis, dass der Zugang über die kürzeste Wanderstrecke wegen irgendwelcher Arbeiten nicht möglich wäre. Ob das effektiv so war, habe ich nicht getestet, obwohl ich unten an der Straße beim Abzweig zwei abgestellte Reiseräder sah – übrigens die einzigen auf dieser Reise. Auch am Touristenzentrum Mezna Louka (mit Camping, natürlich auch geschlossen) wurde an weiteren Chalets gebaut. Von den zahlreichen Betrieben hatte dort nur ein Hotel geöffnet. Einer der Gasthöfe in Na Tokani hatte ebenfalls noch geöffnet, was aber nicht zu erahnen war, weil man das so abgelegen im Nationalpark weniger erwartet hätte. Insofern war die Unterkunfts- und Verpflegungssituation recht unübersichtlich – mehr Transparenz und Infos wären wünschenswert und förderlich. Für die sächsische Seite gilt ähnliches, aber weniger angespannt. Erstaunt war ich, dass im Kirnitzschtal sogar der historische Gasthof am Lichtenhainer Wasserfall geschlossen war, obwohl die Kirnitzschtalbahn weiterhin fährt (dort Endstation, auch etliche Wanderer unterwegs). Dass man in die Kahnfahrten in Kirnitzsch- und Edmundsklamm (letztere in CZ) im späten November nicht angeboten bekommt, ist hingegen völlig plausibel und zu erwarten gewesen. Ruhiger als erwartet fand ich die Vorweihnachtszeit im Erzgebirge vor. Dort wird diese Zeit mit Hochsaisonpreisen durchaus touristisch beworben und genutzt. Das heißt allerdings nicht, dass alle Betriebe ihre Tore öffnen. Eher sind es die gehobenen Segmente, die ihre Preise erhöhen, die einfachen Betriebe aber allenfalls noch zu gewissen Hochzeiten (an einem Adventswochenende oder bei Skisaison) öffnen. So gestaltete sich die Zimmersuche unmittelbar in Oberwiesenthal recht schwierig, wenn man nicht vier Sterne teuer bezahlen wollte (mit 60 € EZ mFr aber noch vergleichsweise günstig). Manche Pension, überborden mit Schwibbögen innen beleuchtet, erwies sich als unbemannter Lichterpavillon. Trotz all dieser Mankos sind Übernachtungen für kleines Geld noch gut möglich. Blicke in den Südwesten dieser Republik wie etwa in die Pfalz zeigen, dass es dort auch nicht besser bestellt ist – übrigens auch nicht in Sachen Unfreundlichkeiten. Preislich ist Tschechien schon unschlagbar günstig, zweimal zahlte ich 22 € mFr, die deutsche Jugendherberge verlangte hingegen 29 €. Selbst die 37 € in Nejdek für das beste Haus am Platz gehen voll in Ordnung. Die Ausstattung ist in Tschechien schon mal etwas altbackener, dafür kostet Raum weniger und die Zimmer sind größer. In Doubice gab es keinen Fernseher auf dem Zimmer, was ich schon wieder gut finde (zumal wenn die Kinder Klavier spielen – ein Wunder in diesen Medienzeiten). International und dem Anspruch des deutschen Hotelgastes zufolge ist das aber vielleicht schon wieder ein Ausstattungsmangel wie auch die eine oder andere nicht sauber verklebte Leiste. Wie ich in einem TV-Beitrag über die Böhmische Schweiz nachhören konnte, sagen das die Tschechen selbstkritisch über ihre Situation. Die Böhmische Schweiz hat etwa nur ein Drittel der Besucher der Sächsischen Schweiz zu Deutschland. Mängel gibt es allerdings auch in der Infrastruktur (nur sporadische, saisonabhängige Bahn nach Krasna Lipa). Weit mehr scheint die Geschichte eine Rolle zu spielen. Aus vielen Teilen Böhmes wurde die deutschsprachige Bevölkerung vertrieben – eine Folge revanchierenden Hasses gegenüber der Vertreibung und den Gräueln der Nazis, die den Tschechen ihre komplette Auslöschung androhten. Die nach 1945 entvölkerten und platt gewalzten Gebiete wurde nur zögerlich von Tschechen wiederbesiedelt. Denen fehlt die Bindung zur Heimat, den Naturlandschaften und Traditionen. Damit ergibt sich ein gravierender Unterschied zur sächsischen Seite, wo die Tradition sehr lebendig und bewusst gelebt wird. Traditioneller Handwerk ist dort eine Haupteinnahmequelle, welches auch Touristen anlockt. Das Essen ist in Tschechien nicht weniger günstig als Übernachtungen. Die 10-Euro-Grenze überschreitet man nur mit Mühe und meistens mit übervollem Magen. Die tschechische Gastronomie erwies sich als zuverlässig gutbürgerlich ohne allzu große Ausreißer nach oben oder unten. Einige Vergleiche (etwa Wildgulasch in Wolfsberg und Petrovice) fallen sogar zugunsten Tschechiens aus. Es wäre aber ungerecht, wenn ich den Sachsens ein Minus beim Essen andichten würde, im Schnitt war das Essen dort mindestens gleichwertig. Bei einem so kurzen Einblick erstmals in diese Region allerdings nur ein sehr zufälliges Schlaglicht, das mir keine endgültige Bewertung ermöglicht. Im Gegensatz zu Übernachtungen konnte ich deutsche Besuchergruppen oder Familien an tschechischen Abendtischen häufiger beobachten. Man fährt anschließend aber wieder mit Auto zurück. Zumindest die Trinkkultur ist zu beiden Seiten der Grenze ähnlich – man trinkt Bier. Auf der Reise lernte ich als sonst fanatischer Weintrinker das tschechische Schwarzbier schätzen. Es überzeugt mich ob seiner malzigen Note und mit bekömmlich geringem Kohlensäuregehalt. Leider ist es hier in Läden (Krusovice, Kozel) kaum zu finden und ich gebe mich nunmehr hin und wieder mit Köstritzer zufrieden, was eine herbere Note aufweist, und in Sachsen sehr präsent ist (eigentlich aus Thüringen). Zu den touristischen Angeboten im Elbsandsteingebirge und Erzgebirge gehört das Radfahren. Tatsächlich bestätigt diese meine Reise das vorzügliche Radroutennetz Tschechiens mit einer sehr übersichtlichen, einfachen wie lückenlosen Beschilderung (schwarze Schrift auf gelbem Grund, lesbare Größe auch im fahrenden Zustand). Im Vordergrund steht dabei nicht der Fokus auf einzelne touristische Radwege wie in Deutschland, sondern das Gesamtnetz, zu dem auch etliche kleine Nebenstraßen gehören. Fast alle Waldpisten, die Teil des Radroutennetzes sind, habe ich in gutem Zustand erlebt – meist auch rennradtauglich. Die einzig relevanten Ausnahmen waren der R21A bei Mezna (zu ruppig) sowie ein Teil des Anstiegs zum Sneznik ab Decin (R3017) – dazu hätte es aber eine komplett asphaltierte Alternative gegeben (R23) – allerdings offiziell zumindest für Autos zu meiner Reisezeit in Decin als gesperrt vermerkt. Grenzwertig wird es im wahrsten Sinne des Wortes auf einigen grenzüberschreitenden Wegen, so etwa die Route von Bad Brambach nach As, wo der kurze Pistenteil zumindest bei schwierigem Wetter nicht stabil ist. Zwar finden sich auch in Tschechien gelegentlich Schilder nur mit den Nummern, diese dienen aber nur zu Bestätigung des Radweges bei Wegeinmündungen, die entweder zum oder auch nicht zum Radroutennetz gehören. An allen wichtigen Verzweigungen finden sich nebst den Nummern aber auch immer die Ortsnamen mit Entfernungsangaben. Eine Vielzahl von Info-Tafeln verschiedener Art ergänzen das System, ebenso getrennte Schildersysteme für Wanderer oder Skilangläufer. Zwingend braucht man wohl keine Radkarte mit den Nummern, ich würde es aber für längere Reisen durch Tschechien empfehlen. Wenn auch zur deutschen Seite das übliche deutsche Radschildsystem existiert (grüne Schrift auf weißem Grund, zu kleine Schrift), so ist es zumindest im Gebiet des Elbsandsteingebirges dem tschechischen fast ebenbürtig, die Nationalparkrouten sind unzweifelhaft zu finden und markiert. Auch die im Web zu findende oder in der Nationalparkverwaltung zu erhaltende Radroutenkarte ermöglicht mit leichtem Blick, die Radrouten zu erkennen. Leseempfehlungen & Karten – nicht ganz grenzenlosAllen Reiseführern zur Region ist gemein, dass es keine grenzüberschreitenden Betrachtungen des Erzgebirges in einem Reiseführer gibt – nicht einmal wirklich für die SBS, von den historischen Betrachtungen abgesehen. Hier liegt ein schweres Defizit auf dem Reiseführermarkt, der eigentlich alle Regionen betrifft, die geschlossene Landschaften bilden, aber sich auf mehrere Länder verteilen (ein Vorbild könnte der Gesamt-Pyrenäen-Führer aus dem KnowHow-Verlag sein, der aber immer wieder mal vom Markt verschwindet). Sogar die Kartenmacher beteiligen sich an dieser nationalen Grenzperspektive. Europäisches Denken steckt hier noch in den Kinderschuhen. • Michael Bussmann/Gabriele Tröger: Westböhmen & Bäderdreieck. Karlsbad – Marienbad – Franzensbad. 288 S., Michael Müller Verlag, Erlangen, 5. Aufl. 2014, ISBN 978-3-89953-832-8 Den Reiseführer habe ich kaum genutzt, weil meine Reise nur zu kleinen Teilen durch das besprochene Gebiet führte – nicht einmal wusste ich zuvor, welche Teile davon (Bozi Dar, Nejdek, Kraslice). Neben den schon im Untertitel genannten Städten behandelt er auch Pilsen und Prag. Ein reiner Städteführer ist er deswegen noch nicht, auch die Landschaften dazwischen kommen zu Wort und Bild. Sicherlich richtet sich der Führer mit dieser Zielregion an Reisende, die eher das mondäne und hippe Tschechien suchen, ohne dabei eine Budgetgruppe auszuschließen. Farbige Fotos, Karten und Stadtpläne sorgen für den gestalterischen Rahmen mit einer Vielzahl von Infos, die vorzüglich aufbereitet sind, ausgelagerte Specials geben zusätzliche Hintergrundinfos. Das kleine Reisegebiet lässt denn auch kaum einen Wunsch offen. So vermittelt der Reiseführer mehr Lebensgefühl – um nicht zu sagen „Bohéme“ als man es von einem kompakten Reiseführer erwarten würde. Gut durchdachte und ansprechende grafische Gestaltung. • Hanna Jordan: Führer durch das Musikinstrumenten-Museum Markneukirchen., 64 S., Musikinstrumenten-Museum Markneukirchen (Hg.), im Museumsshop des Museums erhältlich Zahlreiche Abbildungen ausgewählter Instrumente einschließlich mancher Kuriositäten aus der Sammlung der Exponate im Museum. Die Texte geben Hintergründe zu den Instrumentenfamilien sowie den einen oder anderen Blick hinter den vogtländischen Musikinstrumentenbau und darüber hinaus. Als Museumsführer ist er entsprechend der Räume und Zimmer geordnet. Dennoch gut auch als Nachschlagewerk zu gebrauchen, selbst wenn man nicht im Museum war. • Frank Richter: Der historische Malerweg. Die Entdeckung der Sächsischen Schweiz im 18./19. Jahrhundert. 86 S., Verlag der Kunst Dresden, 4. Aufl. 2012, ISBN 978-3-86530-080-5 Der Band versammelt einige große Fülle von malerischen Abbildern der Sächsischen, auch Böhmischen Schweiz von allen prägenden Malern, die den Landstrich als Motiv wählten. Herausgearbeitet ist auch die vielfache Sepia-Technik der Maler. Die Hauptsehenswürdigkeiten werden in geschlossen Blöcken abgearbeitet, in denen verschiedenen Facetten nicht nur mit den Bildern, sondern auch in Ausschnitten von Literaten wiedergegeben sind. Jeder Block enthält eine kurze Einführung aus heutiger Sicht. Durch die ausführlichen Quellenangaben findet man auch leicht seinen Favoriten – so auch meiner, nämlich die Zitate aus: *Hans Christian Andersen „Reise nach Dresden und in die Sächsische Schweiz“, der nicht nur als galanter Schreiber auffällt, sondern auch über die verklärte Sicht vieler seiner Kollegen hinausgeht und nuancenreiche Details am Rande und über die Menschen der Zeit übermittelt. Eine ebenso bildnerisch wie erzählerisch verführerisch gestaltete Einstimmung auf eine Reise in die Sächsisch-Böhmische Schweiz • Bernd Wurlitzer/Kerstin Sucher: Sachsen. Mit Dresden, Leipzig, Erzgebirge, Sächsischer Schweiz. 444 S., Trescher Verlag, Berlin, 3. Aufl. 2015, ISBN 978-3-89794-319-3 Ein Reiseführer, der vieles abdeckt, mit übersichtlichen Infokästen von gut gewählten und angeordneten Regionalblöcken samt regionalen Übersichtskarten. Neben der ausführliche Grundlageneinführung zu Geschichte, Land und Leute sorgen gelb unterlegte, 1-2-seitige Specials für einige Sonderthemen zu vertieften Einblicken, wie etwa zum Wein, zu den Sorbische Bräuchen, zu den Museumsbahnen, zum Trabbi oder zur Sächsischen Sprache. Mit vielen Farbfotos ist man quasi gut im Bilde. Die Auswahl und Perspektiven der Fotos sind nicht immer gelungen. Bei den Infoblöcken wird der Reisende mit kleinem Budget eher etwas benachteiligt. Grafisch sind die Müller-Reiseführer etwas ansprechender gemacht. • Elbsandsteingebirge/Nationalpark Sächsische Schweiz, Kümmerly+Frey 1:35000, Wandern, Rad, Reiten, inkl. kostenloser Karte für Smartphone, ISBN 978-3-259-00967-3 Wegen Waterproof-Papier schwer zu falten. Großes Ärgernis: fehlende Kilometerangaben. In der SBS allerdings von untergeordneter Bedeutung. Unter den von mir begutachteten Karten (viele!) die vielleicht beste in der Abwägung von Details und Übersichtlichkeit. Wanderer beklagen den groben Maßstab und fehlende Sehenswürdigkeiten im Felsenland. Aus Radlersicht sind die Radrouten gekennzeichnet, es besteht allerdings Verwirrung, weil einige Fahrwege bzw. Straßen weder als solche noch als Radweg identifizierbar sind (z.B. der Übergang nach Ostrov, Übergang Zadni Doubice ins Khaatal oder die Zufahrt zum Wolfsberg). Anderseits gibt die Karte die verminderte Wegequalität etwa auf der NP-Radroute an den Affenbergen vorbei exakt wieder. Positiv sind auch die vielen Gasthofsymbole – nutzt leider nichts, wenn geschlossen. Leider gilt für die Karte das, was auch für Reiseführer gilt: die grenzüberschreitende Vollständigkeit fehlt. Die Böhmische Schweiz ist zu beiden Seiten der Elbe nur teilweise im Kartenbild drin. Die einfache Radkarte vom Tourismusbüro oder der NP-Verwaltung ist als Ergänzung ratsam und das Paket dann voll ausreichend für Radler: Flyer mit Radkarte des Nationalparks bzw. Naturparks SBS• Sachsen, freytag & berndt 1:200000, Auto + Freizeitkarte, ISBN 978-3-707-900569 Deckt mit einer Karte meine gesamte Reiseroute ab, im Gegensatz zu Generalkarte/Marco Polo (hier nicht aufgeführt). Beide Straßenkarten sind veraltet, was z.B. an der aktuellen Verkehrsführung zwischen Dippoldiswalde und Freiberg erkennbar ist (Hauptstraße über Grillenburg ab Klingenberg). Manche Fahrwege sind besser als auf der Detailkarte zu finden (Ostrov), andere sorgen wieder für Verwirrung, weil Wegteile fehlen, wo Durchfahrten sind (Zadni Doubice, Zadni Jetrichovice) – allerdings sind die Durchfahrten nicht für Autos, also wiederum korrekt. Andererseits findet sich sogar ein Weiterwanderweg, der aber in vielen Teilen nicht mal radelbar ist. Probleme bereiten auch die vielen sperrigen Kreuze als Symbole für Kirchen, weil sie teils wichtige Infos verdecken. Bei anderen Karten mit eher radler-typischen Maßstäben (1:75000-150000) war die Erzgebirgeaufteilung oder das Kartenbild so grauenhaft, dass ich dort keinerlei Empfehlungen aussprechen kann. Eher müsste man die Kartendesigner einmal in Kerkerhaft setzen. Bildansichten – technischer HinweisWie dem einen oder anderen vertraut, ist eine vollständige und erfüllende Bilderpräsentation im Forumseditor weder technisch noch gestalterisch sinnvoll. Daher gibt es Bildergalerien, die sich im Diamodus sowohl für interne Mitglieder wie externe Interessenten gleichwertig anschauen lassen. Wie schon in vergangenen Berichten, lassen sich die Bildergalerien (Alben) jeweils über den Klick auf das „Einladungsbild“ öffnen, derer es entsprechend der Anzahl der Regioblöcke 4 Stück gibt. Die insgesamt 537 Bilder sind in den Galerien auf maximal 1400 Pixel auf der Horizontalen skaliert. Alle hier direkt sichtbaren, zur Illustration eingestreuten Bilder finden sich auch nochmal in den Bildergalerien wieder. Die Bilder sind auf Google+ hinterlegt. Durch die ständigen Formatwechsel der Bilderhoster muss ich diesmal auf Bildunterschriften verzichten. Empfohlene Betrachtungsweise: Man klicke auf das Einladungsbild (welches nicht das erste Bild der Galerie sein muss). Danach erscheint das erste Bild des Albums zum jeweiligen Kapitel. Mittels Pfeiltaste oder Mausklick auf den neben dem Bild rechts bzw. links erscheinenden Pfeils kann man vor oder zurück navigieren. Mit Drücken von F11 erreicht man die komplette Bildschirmausnutzung für ungestörten Genuss. Mit der ESC-Taste hebt man die Vollbilddarstellung wieder auf. Weitere Betrachtungsvarianten seien dem Anwender je nach Kenntnis und Lust selbst überlassen. Fortsetzung folgt
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Liebe Grüße! Ciao! Salut! Saludos! Greetings! Matthias Pedalgeist - Panorama für Radreisen, Landeskunde, Wegepoesie, offene Ohren & Begegnungen |
Geändert von veloträumer (12.11.17 17:02) |
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#1259429 - 10.01.17 20:41
Re: Saxonia Bohemia Velogida
[Re: veloträumer]
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KAPITEL SBV-1 Die Sächsisch-Böhmische Schweiz mit dem Elbdurchbruch im ElbsandsteingebirgeMusiktipp: Der Leipziger Pianist Jochim Kühn steht für die gespaltene (Musik)Geschichte Deutschlands “Poet“ (8:42 min.). Während sein älterer Bruder und Klarinettist ausschließlich ein Westbindung hatte, emigrierte Joachim Kühn erst 1966 aus der DDR. Er wurde zum Weltenbürger, der immer wieder Kultur- und Stilgrenzen überschreitet und seine ganz eigene harmonische Konzeption entwickelt hat, von Fusion über Klassik und Freejazz reicht das Spektrum bis zu multiethnischen Kooperationen. So ist er ein ständiger Brückenbauer, so auch hier mit russischen Saxophonisten Alexey Kruglov.Ähnlich wie für das Vogtland am Ende der Reise gilt auch für die Region im ersten Teil, dass parallel ein soziogeografischer als auch geologischer Begriff für das fast Gleiche steht. Während das Elbsandsteingebirge die geologische Formation zu beiden Seiten der Elbe zwischen Pirna und Decin bezeichnet, verweißt der Begriff Sächsisch-Böhmische Schweiz gleich auf mehrere kultur-historische Akzente dieses Landstrichs. Nicht nur heute verläuft mitten durch das Gebiet die Grenze zwischen Tschechien und Deutschland, sondern auch bereits früher, als beide Teile noch deutschsprachig waren, unterschieden sich Kultur und Völker schon in Sachsen und Böhmen. Der Begriff bildete sich jedoch historisch Mitte des 18. Jahrhundert heraus und wird den beiden Schweizer Malern Adrian Zingg und Anton Graff zugeschrieben, die mit zu den Entdeckern dieser Landschaft zählten und Ähnlichkeiten zu ihrer Schweizer Heimat empfanden. In der Folge ließen weitere Schweizer Touristen es sich nehmen, den Landstrich mit Begeisterung zu besuchen und veranlassten neue Einkommensmöglichkeiten nicht nur über Gasthäuser, sondern auch über Saumtaxen für Träger oder Pferde. Dabei könnte es verwirrende Erwartungen geben, wenn man das heutige Klischee der Schweiz mit der alpinen Bergwelt als Grundlage nimmt. Die o.a. Maler aus St. Gallen und Winterthur hingegen hatten vielmehr den Schweizer Jura im Blick, was dann die Ähnlichkeiten zur Schweiz als Gesamtes etwas relativiert. Die widerspenstigen Hochalpen wurden zudem als romantisches Touristenziel weitaus später Ende des 19. Jahrhundert entdeckt. Die Jurassischen Schluchten, Tafelberge und gelegentlich Felstürme sind ja heute eher Teil der unbekannten Schweiz und nicht „typisch“ Schweiz im Sinne der alpinen Bergwelten-Schweiz und seinem sportlichen wie feudalem Hochtourismus moderner Prägung. So finden sich objektiv eher weitere Formanleihen etwa bei den Externsteinen im Teutoburger Wald, in der Schwäbischen Alb oder noch deutlicher im Pfälzer Wald und den angrenzenden Nordvogesen, wenngleich nicht wie im letzteren Fall mit Rottönen, sondern mit den typischen Grautönen von Hell nach Dunkel, wobei die dunklen Seiten die stark oxidierten Flächen kennzeichnen (so auch im Städtebau zu sehen, etwa mit den neuen und alten Sandsteinen der wiederaufgebauten Frauenkirche). Nimmt man die Formgestalten der Felsen als Maßstab, so ist die Sächsisch-Böhmische Schweiz ihren „Vorbildern“ allerdings weit überlegen – sie ist eigentlich der Maßstab, an dem sich vergleichbare Felswelten messen müssen. Noch mehr: Wir finden hier das ultimative Landschaftsmärchen, um nicht zu sagen, dass hier heimlich Pinsel benutzt wurden. Damit sind wir bei einer anderen Dimension dieser Landschaft: Die Malerlandschaft. Es gibt zumindest in deutschen Landen nur noch wenige Landschaften, die eine derart umfängliche wie romantisierende Verehrung in der Malerei, darüber hinaus auch in der Literatur erfahren haben, wie die Sächsisch-Böhmische Schweiz (historisch fällt mir da noch am ehesten das Mittelrheintal ein, Oberbayern oder Schwarzwald sind hingegen eher modernere, spät- bis neoromantische Klischees). Der historisch Malerweg dehnt sich bereits über eine Länge von ca. 130 km, kann nur in kleinen Teilen beradelt werden und erfasst längst nicht mal alle Höhepunkte der Sächsisch-Böhmischen Schweiz, die weit über die Nationalparkgrenzen hinausreichen. Manche romantische Malerei idealisierte das Klischee allerdings in gesteigerter Form, indem manche Ausblicke „erfunden“ wurden – in gewisser Weise schon ein Vorgriff auf das manipulierte Foto, das gleichwohl schon in den Anfängen der Fotografie populär wurde. Manipulation gibt es aber auch in dieser Landschaft, die also auch ein Teil Kulturlandschaft aus Menschenhand geworden ist: Viele Felsen sind über Brücken verbunden, Aussichtsplateaus wurden bereits früh eingerichtet, Gipfel um Siegessäulen erhöht, Gasthäuser pittoresk in Felskulissen eingewoben, Wasserfälle gebaut bzw. mit Staubecken zu pompösen Überläufen aufgewertet, um den Schweizer Vorbild nicht nachzustehen und zusätzlich romantische Landschaftselemente zu erzeugen – zuweilen mit dem Hintergedanken, auch dafür eine kleine Einnahmegebühr zu verlangen (so z.B. am Lichtenhainer Wasserfall). Die Festung Königstein wurde mit einer Mauer zwischen den wilden Felsen auf ein gleichmäßiges Niveau gebracht. Das wäre bei heutigem Naturschutz nicht mehr denkbar, wenngleich ein solches Bauwerk uns die gekonnte Symbiose aus Naturwunder und Architektur eindrücklich vor Augen führt. Apropos Fotografie: Der Dresdner Fotopionier Hermann Krone unternahm 1853 eine erste „fotografische Landschafstour“ durch die Sächsische Schweiz in der Umgebung der Schweizer Mühle im Bielatal, damals ein florierender Kurort, heute ein bescheidenes Ausflugsziel in einem fast vergessenen Zipfel. Mögen die Felsen den Anstoß für die malerische und fotografischen Huldigungen gegeben haben, so sollte man nicht vergessen, dass die lieblichen Elbufer, die hübschen Dörfer, Weiler und Mühlen, das weiche Licht des weiten Himmels, das milde Klima und vor allem eines noch das Seinige dazu getan haben: der Wald! Nur selten wird Wald so schön von der Natur zelebriert wie hier, verdichtet sich zu dem Klischee nicht nur des „deutschen“ Waldes, sondern eher noch treffender des „böhmischen“ Waldes. Natürlich ist dies auch kein Urwald, sondern ein Kulturwald, der manche romantische Facette der strategischen Haue des Försters verdankt. Für den Pedaleur bedeutet diese Malerlandschaft auch: Wer sie beradeln möchte, der muss zwingend Zeit mitbringen, die Fähigkeit zur bedingungslosen Entschleunigung besitzen, den Drahtgaul mal in die Ecke stellen und absatteln für Treppen, Stiege, schmale Pfade, felsstürmende Gipfelmomente und noch mehr für die Licht- und Perspektivwechsel in einer irisierenden Märchenwaldidylle. Wer einen schnellen Durchritt plant, sollte sich lieber andere Ziele aussuchen – er ist hier definitiv fehl am Platze! Mit meinen vier Reisetagen gehöre ich eigentlich schon zu den Frevlern, die Maßgebliches unbeachtet haben liegen lassen und die sich bereits kaum Zeit für Fußwege und stille Genussmomente nehmen wollen. Diesen Bericht schreibe ich daher schon mit einem schlechten Gewissen. Die Entschuldigung mag angenommen sein dafür, dass es kurze Tage waren und dass die Jahreszeit nicht alles zeigen kann, was in der Landschaft steckt. Wiederkehren ist also zur neuen berufenen Pflicht meiner „Reiseaufträge“ geworden. Nichtsdestotrotz gab es Licht- und Farbstimmungen, die weit über die befürchtete November-Tristesse hinausgingen, ja sogar nur zu dieser Zeit zu finden sind – nicht nur hier, sondern auch noch später auf dem Erzgebirgekamm. Heute bezeichnet die Sächsische Schweiz gleichwohl den Naturpark bzw. das Landschaftsschutzgebiet westlich der Elbe wie den Nationalpark östlich der Elbe. Analog gilt das auch für den Böhmischen Teil, wobei die beiden Nationalparkverwaltungen mittlerweile zusammenarbeiten, in touristischer Sicht aber noch längst nicht, was zu den signifikanten Unterschieden bei den Besucherzahlen führt. Unterschiede gibt es in Besucherzahlen allerdings auch im Verhältnis Nationalpark zu Naturpark, sodass die Sächsische Schweiz zum westlichen Elbeufer deutlich weniger Besucher aufweist. Weniger unterschiedlich werden Nationalpark und Naturpark in Tschechien besucht. Hier liegt im Naturpark östlich der Elbe mit den Felsplatten von Tisa ein bekanntes Kletter- und Wandergebiet (im Winter auch Langlauf), erweitert mit dem Sneznik (Schneeberg, nicht mit anderen „Schneebergen“ zu verwechseln wie etwa im Fichtelgebirge) auch mit eine Reihe touristischer Betriebe gut erschlossen. Beides liegt autogerecht günstig zu den größeren Städten Decin, Usti nad Labem oder gar Teplice – günstiger als der Kern des Nationalparks Böhmische Schweiz oder dessen östliches Tor Krasna Lipa. Dem Nationalpark Böhmische Schweiz fehlt auch etwas das nationale Hinterland, denn dieser tschechische Zipfel mit einem Stück Lausitzer Bergland im Norden und Zittauer Gebirge im Osten gleicht schon fast einer Exklave. Dazu kommt, dass das tschechisch-sächsische Verhältnis nicht gerade günstig ist. „Die Tschechen haben das Arbeiten nicht gerade Erfunden“ ist denn eine häufige Ansicht von Sachsen gewesen – ganz unterschiedlicher Herkunft. Auch „meine Sachsen“ haben sich dahingehend eher negativ geäußert und Böhmen gehört nicht gerade zu ihren bevorzugten Ausflugszielen in der weiteren Umgebung. Einige Ursachen im Tourismus habe ich ja bereits oben genannt. Barrieren in Praxis aber auch im Kopf gibt es allerdings nicht nur Richtung Tschechien sondern auch Richtung Polen, wie mir zu anderen Zeiten und Ohren bekannt ist. Nicht zuletzt konnte ich besonders im späteren Erzgebirge einige Schilder über Instandhaltungsmaßnahmen auf tschechischer Seite studieren, demnach der Anteil eigener Landesmittel sehr gering ausfällt. Neben allfälligen EU-Geldern stecken dort oft Aufbau- und Solidaritätsgelder des Landes Sachsens drin. Hier stellt sich manchmal nicht nur die Frage nach den ärmlicheren Verhältnissen in Tschechien und den notwendigen sozialen Angleichungen innerhalb der EU-Länder, sondern auch die Frage, ob immer zu allen Seiten – also auch der tschechischen Seite – der ausreichende Wille zur Besserung der Verhältnisse da ist. Ohne fundierte ökonomische Zahlen lässt sich das natürlich nicht vollständig analysieren – es soll hier nur mal als flüchtiger Gedanke eingeworfen sein. Dass beide Seiten an ihren völkerfreundlichen und geschäftlichen Verhältnissen noch arbeiten müssen, scheint allerdings unzweifelhaft. Do 17.11. Stuttgart 21:11 h || per Bahn IC/CNL || 7:50 h Bad Schandau – Königstein – Festung Königstein – Leupoldishain – Bielatal – Schweizermühle – Ottomühle – Dürre-Biela-Grund – Schneeberger Kreuz/Eulenthor – Fuchsteich – Taubenteich – Forstmühle – Krippengrund – Reinhardtsdorf-Schöna – WolfsbergFr (Kaffeehaus Königstein): Eierlikörtorte, Sandwich überbacken, Cafe 11,10 € B: Festung Königstein 8 € Ü: H Wolfsberg 0 € (reg. 42 € mFr) AE (dito): Wildgulasch, Knödel, Rotkohl, Rw, Apfelstrudel m. Eis 18,30 € 57 km | 1015 Hm | 11,8 km/h | 4:48 h Im Nebel erwacht die Elbe. Die Felsenberge verbergen sich – sogar die mächtige Festung Königstein lässt sich nur erahnen, als ich unten im Ort stehe. Doch das Herbstlaub und die halb entgrünten Grashalme an den Ufern sorgen für eine besondere Stimmung der Farben, des Schweigens, des vorübergehenden Sterbens, der Stille. Hier wird etwas erzählt, geflüstert. Zum Beispiel sagen es die Sockel der Häuser in Königstein: Die Spuren der großen Elbhochwasser – das letzte 2013 – sind immer noch sichtbar. Manche habe daraus Ausstellungsstücke gemacht: In einem Papiergeschenkeladen sind die vermoderten Türen der Tragödie heute Dekorationsinventar. Die erste menschliche Begegnung im Sachsenland dann im Königsteiner Kaffeehaus. Die Werbung hat mir das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen und ich warte trotz einer geöffneten Alternative etwa 15 Minuten bis sich die Tore öffnen. Nun ja, die Eierlikörtorte war jetzt eher durchschnittlich, das Käsetoast schon ansprechender, die Preise eher überdurchschnittlich. „Wandern müsste ich, nicht radfahren, so kommentiert die Konditoreiinhaberin mein Vorhaben, die Sächsische Schweiz zu beradeln. Da werde ich nochmal wiederkommen müssen, denke ich schon jetzt und jeder Tag hier zwischen Sachsen und Böhmen wird das mir bestätigen. Nach dem kleinen Frühstück haben sich erste Nebelwolken nach oben verzogen und geben die ersten Türmchen der Festung frei. Die ist hier aber eh nicht richtig zu erkennen, denn der steile Felssockel schneidet den Blick des Betrachters unten vom Ort ab. Hat man den Abzweig nach eher leichter Auffahrt hinter sich gelassen, eröffnet sich endlich der mächtige Burgkomplex, der einst eigentlich ein autarkes Dorf war – samt Wasserversorgung über einen 152 m tiefen Brunnen (noch heute wird das Wasser im Brunnenhaus gefördert) und einem eigenen Wald, der im Falle der Belagerung den Bewohnern und Soldaten ausreichend Holz zum Heizen und Bauen liefern sollte. Unterhalb der Festungsmauern warten zwei Fahrstühle. Einer trägt Lasten wie Autos, der andere Panoramaaufzug für die Touristen ist in schwachen Zeiten geschlossen – so auch heute. Andrang erwartet man erst wieder zum Weihnachtsmarkt, der Budenaufbau war schon im Gange. Als sogar die Sonne ein paar leichte Strahlen durch die Nebendecke schickt, entfaltet sich über den Mauern, Wachtürmen und Kanonen ein traumhafter Blick auf die Elbmäander. Man fühlt sich wie der Wachsoldat einst, der in Friedenszeiten wohl den schönsten Job in Burgdorf gehabt haben dürfte. Die Eintrittskarte fürs Museum ist bereits unten vor der Aufzugfahrt zu lösen, sodass man frei ist in der Auswahl, was man besichtigen möchte. Das Museum ist ein idealer Einstieg zur sächsischen Geschichte, die Präsentation elegant, licht und übersichtlich. Virtuell lässt sich sogar mal die Steinschleuder ausprobieren. Nicht nur hier begegnet man August dem Starken, der bei seinen opulenten Festen einen besonderen Gag installierte: Eine Personenwaage diente dazu, das Körpergewicht seiner Gäste vor und nach dem Fest festzustellen. Einige Gäste konnten laut Eintrag ins Buch 5 Kilo Gewichtszunahme verzeichnen. Dick war damals schick. Nebst Brunnenhaus, einiger Gaststätten, von denen nicht alle auf hatten, finden sich im Museumladen schöne Souvenirs wie etwa barocke Lesezeichen, künstlerische Postkarten, Kartenspiele, ein bisschen Holzschnitzwerk aus den Erzgebirge, große Mengen von Ritterfiguren und spezielle Fachliteratur zur Geschichte sowie Landkarten zur Region der Sächsischen Schweiz. Hinunter ins Bielatal soll es ab Parkhaus einen Radweg geben, den finde ich aber nicht. Weiter auf Straße, geht es bei Leupoldishain über Landstraßenpflaster. Bis 1990 war die Region um Königstein ein Uranerzabbaugebiet mit einem Streckennetz von 118 km. Unten im Tal bei einer Fabrik hat man nochmal einen Blick aufwärts zu den Festungsmauern mit den Wachtürmchen, eindrucksvoll erkennbar, wie die Mauern in die wilden Felszacken eingelassen wurden, um eine geschlossene, weitgehend ebene Burg- und Dorfanlage anzulegen. Von nun geht es das nahezu ausgestorbene Bielatal hinauf, die Steigung moderat. Es ist übrigens nicht ratsam hier den in Karten eingetragenen Radweg unterhalb Leupoldishain zu wählen. Dieser würde durch Wald verlaufen ohne Bindung zum Bachlauf, der die eigentliche Idylle verströmt. Weiter oben, nach den etwas verwirrenden Ortsnamen Bielatal, Rosenthal, Bielatal-Rosenthal (was ist was?), erkennt man den ehemaligen Glanz des Tales, als der Tourismus in der Sächsischen Schweiz begann bzw. rund um die Schweizermühle ein nobler Kurort entstand. Heute sind viele Jugendstilvillen in Privatbesitz, andere eher bescheidene touristische Betriebe. Das Tal bleibt aber schweigsam und auch der Grenzübergang nach Tschechien wird fast geheim gehalten, erst die obersten Wandertafeln geben dies an. Zwar ist der Weg jenseits Ottomühle nur noch Piste, doch auch gut befahrbar für Autos. Den Übergang nach Ostrov muss ich aber abschneiden und ich fahre eine etwas schwierigere Waldpistenalternative durch den Dürre-Biela-Grund. Auch diese Piste ist noch gut radelbar, steigt aber besonders gegen Ende recht steil an. Auch hier findet sich noch manche Felssäule beim Blick durch die Lücken im dichteren Wald, zuvor im Bielatal stehen sie hingegen weit besser als Galerie schon meist greifbar an der Straße. Apachengesicht und Herkulessäulen – alles faszinierende Zapfen aus Stein und überall Stiege und Pfade, um diese kuriose Landschaft zu erkunden. Da die Dämmerung einbricht, wähle ich nur noch die besten Routen. Es folgen zwei Teiche, dazwischen mit Auf und Abs verbunden, die Felsen nun eher wenige. Einige Waldpistenabzweige sind von Forstfahrzeugen zu tiefen Matschrillen zerfurcht, sodass ich im Dunkeln lieber einen Umweg über Asphalt suche. Insgesamt wird der Weg so zum Wolfsberg nicht nur länger sondern auch bergiger, denn ab Forsthaus führt das Krippental recht weit nach unten, fast auf Höhe der Elbe. Dann im scharfen Winkel wieder aufwärts nach Reinhardtsdorf. Man erahnt hier in den schmalen Tälern, die an einige Schwarzwaldtäler erinnern, wie sich die Hochwasser verheerend auf die anliegenden Höfe und Weiler ausgewirkt haben mögen. Die Straße zum Panoramahotel Wolfsberg ist auf der Karte als Skultpturenweg bezeichnet und nicht als Straße zu identifizieren. Nicht ganz ohne letzte Körner sollte man den Weg antreten, wenn auch nicht wirklich steil. Das Hotel liegt allerdings einsam, sodass man wissen sollte, ob offen und Zimmer frei. Nun hatte mich Hans bereits vorab eingebucht. Ungefragt drückte man mir bei Ankunft gleich den Schlüssel in die Hand – mehr als einen Radler hat man hier im November nicht erwartet. Das konnte nur der eine aus dem fernen Süden der Republik sein. Eigentlich war die Belegung mäßig, aber eine Seminargruppe zwei Tage später sorgte für volles Haus. Von der Terrasse und dem Speiseraum führt der Blick weit übers Land hin zum eindrucksvollen Zirkelstein. Über Frühstück und Hotelambiente lässt sich nur Positives sagen, das Restaurant macht sich hingegen recht bescheiden. Sa 19.11. Wolfsberg – Reinhardtsdorf-Schöna – Bad Schandau – Halbestadt – Grahlenwäldchen – Lilienstein – Waltersdorf – Rathen – Stadt Wehlen – Dorf Wehlen – Bastei – Rathewalde – Hohnstein – Porschdorf – Bad Schandau – Ostrau – Bad Schandau – OstrauB: Toskana-Therme 20 € (4 h Saunanacht) AE (dito): Spaghetti Aglio e Olio, Ofenkart./Zaziki, Rw, Kirschcremekuchen, Cafe 21,40 € Ü: JH Ostrau 29 € mFr 76 km | 1120 Hm | 13,2 km/h | 5:46 h Nach dem Dresden-Intermezzo (vgl. nächstes Kapitel SBV-2) schauen mir Birgit und Hans entgeistert zu, wie ich fast regenfest das Rad unter den Sattel nehme. Die könne nicht glauben, dass ich nun Outdoor-Refreshing betreibe und in vier Tagen wieder in Brand-Erbisdorf lebendig auftauchen könne. Doch wer eine Novemberreise angekündigt, muss sie nun auch zu Ende führen. Unten an der Elbe überlege ich kurz, ob ich den ganzen Tag in der Therme Bad Schandau verbringen sollte. Ich fahr schon mal in den Ort und erkundige mich über Radrouten und anderes im Nationalparkhaus. Neben Infos gibt es dort auch Sach- und Fachliteratur rund um die Sächsisch-Böhmische Schweiz, Souvenirs und lehrreiches Spielzeug. Der Besuch hier hatte sich gelohnt, denn der Regen wurde zeitweilig schwächer. Die folgende Elbroute ist nicht ganz eben, in jedem Fall aber schön. Nach dem Blick auf die Festung Königstein kann der Radler eine Waldpiste hinauf zum Lilienstein bzw. zur Straße unterhalb desselben angehen. Hier liegt recht viel Laub, doch bleibt alles überraschend gut fahrbar. Oben hingegen peitscht der Wind den Regen ins Gesicht oder ins Objektiv. Ich fahre über die wellige Hochebene nach Waltersdorf, dort führt eine Straße mit eingeschränktem Verkehr hinunter und vorbei an einer Felsformation, die man recht kurzweilig zu Fuß begehen kann. Unten dann stehen in Rathen wieder neue Felsen am Horizont – die Große Gans zum Beispiel. Bastei und Amselfall lassen sich von hier aus begehen, doch näher ist es von oben. Dazu geht es weiter an der Elbe entlang, über Stadt Wehlen, dann von der Elbe weg und hinauf Richtung Bastei. Bald klebt scheinbar flüssiges Eis an den Wangen und die Handschuhe hängen wie ein voll gesogener Schwamm an den Fingern. Mit Regenhose könnte ich auch für einen Giftsucher gehalten werden. Trotz der Dauerschüttung finden sich an der Bastei recht viele Touristen ein, insbesondere Busreisen können ja auch nicht so gut Wetter planen. Am Kiosk wird teures Meißener Porzellan verkauft – Japaner und Chinesen finden sich immer. „Originally manufactured in Germany“ versichert der Verkäufer, um dem Chinesen die Zuckerdose schmackhaft zu machen, der wohl zuhause schon eine ganze Sammlung von Plagiatsware für einen Bruchteil des Preises besitzt. Die zerklüfteten Felszapfen bilden hier mit Steinbrücken eine Kulturlandschaft besonderer Art über dem Elbtal. Die feste Sandsteinbrücke zum Neurathener Felsentor ermöglicht bereits seit 1851 einen gefahrlosen Promenadengang. Zivilisatorische Bequemlichkeit suchten die Menschen also auch schon in der Zeit der Romantik. Heute orientiert sich das Hotel und separate Panoramarestaurant mit Nepp-Preisen eher am Automobilisten als am Wanderer. Das traditionelle Gasthaus mit Cafe war heuer geschlossen. An Sonnentagen der besseren Jahreszeiten sollte man hier verwegene Uhrzeiten zur Besichtigung aussuchen. Jetzt aber sorgt Regen mit Nebelschwaden für die besondere Sicht, die vom Postkartenhochglanz deutlich abweicht. Eine Besucherin kann es nicht fassen, dass Postkarten immer so anders aussehen. Die nasskalten 7 °C dringen kapillar in alle Ecken des Körpers. Bald setzt sich dazu die Dunkelheit. Hohnstein liegt einigermaßen anspruchsvoll auf einem Felssporn, mit Burg und Kirche ein hübsches Ortsbild. Die schnellste Straße zurück zur Elbe wird als gesperrt ausgewiesen, was sich aber nur als Vorsichtsmaßnahme für herumliegendes Geäst erweist. Ausgezehrt, dem Nässetod nahe, erreiche ich Bad Schandau. Dort wartet zur Jugendherberge noch eine Steilrampe, vor der mich der Mitarbeiter der Nationalparkverwaltung morgens gewarnt hatte. Der normale Straßenweg führt allerdings flacher jenseits des Ortes durch den Zahmsgrund auf den Berg von Ostrau. Trotz November, die Jugendherberge ist recht gut belegt – bekomme aber noch ein Zimmer zur Alleinbelegung. Genügend nasse Teile habe ich ja um das halbe Zimmer auszulegen. Jetzt aber Warmbad-Abschluss! Sauna und Solebad, Sprudelliegen und Lebkuchenhäppchen, das findet sich in der Toskana-Therme, die gleichwohl beim Elbhochwasser völlig geschwemmt und danach wiederaufgebaut wurde. Sowohl Badbistro als auch Ambiente sind eine Empfehlung, die Atmosphäre angenehm leger, die lange Saunanacht nicht mal überlaufen. Bei Tageszeiten gibt es sogar einen Aufzug am Ortsausgang Bad Schandaus nahe der Therme, über den man am Fels hochfahren kann und dann mit Rad oder zu Fuß zur Jugendherberge gelangen kann. Abends ist der Aufzug aber nur ein leuchtendes Wahrzeichen. So 20.11. Ostrau – Falkenstein – Radwegweg NP-Route/Malerweg – Affensteine – Beuthenfall – Lichtenhainer Wasserfall – Neumannmühle – Zeughaus – Thorwalder Brücke – Kirnitzschbrücke – Rabensteine/Zadni Jetrichovice (Grenze) – Kirnitzschklamm Obere Schleuse – Hinterhermsdorf – Zadni Doubice (Grenze) – R3032 – Kyjov – DoubiceÜ: P Hubertus 22 € mFr AE (P/R Stara Hospoda): Hähnchenschnitzel m. Käse überb., Gem., Bratkart. m. Speck, Knoblauchsauce, Bier, Honigkuchen m. Nüssen 12,40 € 45 km | 880 Hm | 10,4 km/h | 4:23 h War der gestrige Teil überwiegend eine Felsenwelt für Spaziergänger, so ist der folgende Teil schon fordernder für Wanderer. Lässt man das untere Kirnitzschtal aus, kann man direkt von Ostrau in den idyllischen Kern des Nationalparks mit dem Malerweg eindringen. Dazu gibt es einen Abzweig in der oberen Kehre Zahmsgrund. Von nun an Piste, lohnt alsbald ein Abstecher zu Fuß zum Falkenstein. Zur anderen Seite warten eigentlich auch noch die Schrammsteine – aber wie soll man all diese Felswunder ablaufen. Kaum ein Blick von atemberaubender Schönheit verglüht, stolpert man schon über Wurzeln, weil zur anderen Seite wieder eine neue Perspektive durch die Äste dringt. Zwischen den Birkenstämmen der mächtige Hauptfels des Falkensteins, der aber seine Satelliten hat. Das sind schlank zulaufende Zipfelsäulen, dann wieder plumpe Riesenbrüste von Steinsaurierweibchen, an deren Löchern man sich saugende Saurierkinder vorstellen könnte. Dann steht man mitten am Meeresstrand – nur das Wasser fehlt. Feinster Sand auf einer polynesischen Insel und doch mitten im deutschen Wald. Statt gleich wieder über den Nassen Grund ins Kirnitzschtal auf guter Piste abzufahren, lohnt es dem Malerweg weiterzufolgen. Hier wird der Weg auch mal schmaler und welliger. Gelegentlich muss man Rücksicht auf Wanderer nehmen. Die Waldfenster aus Licht, Farnen, Moos und Felssäulen verdichtet sich bei den Affensteinen zu einem Augengedicht von waldpoetischen Jubelarien. Das Sonnenlicht spinnt fahle Streifen zwischen das rote Restlaub, lässt vom Boden Moosteppiche aufleuchten, auf denen einst die malenden Pioniere sich schlafen legten, wenn sie die Sächsische Schweiz bewanderten. Das Herbstgold der Lärchen krönt den Glanz auf den Augenlidern. Das Staunen trommelt unaufhörlich an die Kameralinse: „Ich bin der schönste Blick, nimm mich! Schaue mich an, mache ein Bild von mir!“ So neidet jeder Blick den anderen, jeder Moment den nächsten. Erst mit der Abfahrt ins Kirnitzschtal dunkelt der Wald ab zu gewöhnlichen Farben und Ästen. Will man nicht zur Straße, gibt es eine Pistenvariante als Zeughausstraße, das wäre deutlich kürzer als die folgende Route. Doch unten an der Straße warten Wasserfälle, der Beuthenfall eher ein Rinnsal, der Lichtenhainer Fall mit seinen Stufenkaskaden über Moosbollensteine schon ein deutlich zeigefreudiger Augenfang. Nostalgieschilder verraten die alten Preise für Saumdienste der einst begüterten Touristen. Wollte man vom Wasserfall bis Hrensko samt aller Attraktion wie Kuhstall und Prebisch-Tor getragen werden, kostete das etwa Mitte des 19. Jahrhunderts immerhin schon 19 Mark. Selber Reiten war natürlich günstiger. Aber schon damals hatten die Schweizer viel Geld. Die Straße führt vom Lichtenhainer Wasserfall mit historischem Gasthaus und der Endhaltestelle der Kirnitzschtalbahn durch verschiedene Talstimmungen mit Auen, Schluchtpasssagen und Mühlenhäusern, die allerdings nur zum Teil wieder hergerichtet sind. Bei der Neumannmühle besteht die letzte Möglichkeit den Kurs über das Zeughaus zu legen. Auch hier hat man Piste, der Wald zunächst recht dunkel, als Gasse zwischen Felswände gelegt. Beim Zeughaus eine Lichtung mit Teich, wieder weite Blicke auf andere Felsen am Horizont – ähnlich zum Bielatal. Nach einer Steigung geht es steil begrab zurück an die Kirnitzsch, nun aber schon getrennt von der Straße, die nach Hinterhermsdorf führt. Bei mäßigem Anstieg erreicht man moorige, typisch böhmische Moorwiesen mit Hainen, immer wieder von seltsamen Felsen zur anderen Seite kommentiert. Kurz verengt sich der Weg zum Wiesenpfad, wo man sodann die Brücke an der Grenze von Zadni Jetrichovice erreicht. Früher stand hier ein schönes Gasthaus, doch ist dies ebenso Geschichte wie in vielen anderen Teilen Böhmens, wo die Folgen des Krieges das Land ausgesaugt und entleert haben. Von der tschechischen Seite hat man einen Blick zur deutschen hin auf die Rabensteine, in Tschechien selbst folgt wieder feste Piste (mit ein paar Pfützen), die sog. Böhmerstraße. Es bestehen sodann Anschlüsse nach Mezna Louka oder Na Tokani bzw. Doubice oder auch Vysoka Lipa und Jetrichovice. Ursprünglich hatte ich hier die Querung angedacht, um die auch so vom Nationalparkmenschen in Bad Schandau empfohlene Route zu fahren. Ich änderte aber den Kurs im Uhrzeigersinn aus logistischen Gründen und arbeite zunächst die deutsche Seite ab. Erneut steigt der Fahrweg nochmal deutlich an bis zu einem Picknickplatz. Dort findet sich eine Straßenverzweigung mit Abfahrt zur Oberen Schleuse in der Kirnitzschklamm mit Kahnanlegestelle und Kiosk, natürlich nur zu Saisonzeiten geöffnet. Die Schlucht kann man auch auf einem engen Pfad ablaufen, wobei ich mich auf ein kurzes Stück für ein paar Impressionen beschränkte. Schlucht heißt hier aber stilles Wasser, kein reißender Bergbach, aber ein Fortsetzung der Lichtspiele. Zurück durch lichten Buchenwald, erreicht man beim Waldausgang den höchsten Punkt und Hinterhermsdorf liegt in der Talmulde vor den Augen. Der Ort hat musealen Charakter, will sagen, es ist das sächsische Vorzeigedorf mit noch erhaltenen Umgebindehäusern. Umgebindehäuser bestehen aus drei Bauteilen, dem Mauerwerk aus Sockel und Rückwand, dem Blockhaus und dem Überbau, oft im Fachwerkstil. Die Bauweise spiegelt verschiedene Bauweisen aus dem slawischen und deutschen Kulturraum wieder. Das Blockhaus war für ein angenehmes Klima wichtig, das Fachwerk ermöglicht höhere Bauten, und der Maueranteil sollte die Feuchtigkeit zur kalten Hausseite abwehren. Durch die Trennung von Blockhaus und dem Umgebinde entstand eine Entlastung des Holzfraßes besonders des Blockhauses mit querliegenden und damit stärker gefährdeten Holzstreben. Später mutierten die Häuser auch zu Zierhäusern und wurden als schick empfunden, was man in Zeiten des heutigen freudlosen Zweckbaus gerne bestätigt. Die Umgebindehäuser sind natürlich auch typisch zur angrenzenden tschechischen Seite. Die immer noch verbreitete Ansicht, dass Umgebindehäuser zum Zwecke der Dämpfung von rüttelnden Webstühlen gebaut wurden, ist wissenschaftlich nicht haltbar. Aus den offenen Hügeln schwingt man ins nun fast urwaldartige Kirnitzschtal zurück, bald zur Grenze Zadni Doubice. Hier wird aus Kirnitzschtal Khaatal, wobei Khaa wiederum der deutsche Name des Ortes Kyjov am Rande des Nationalparks ist, der zur Gemeinde Krasna Lipa gehört. Wie schon zuvor am Grenzübergang Zadni Jetrichovice verengt sich der Weg kurz zum matschigen Pfad, und wird zur tschechischen Seite wieder härter, anfangs aber auch stark mit Pfützen zerfurcht. Alsbald windet sich das Tal schluchtig und geheimnisvoll leicht aufwärts, weitgehend auf Asphalt. Obwohl mit der Nationalparkmensch in Bad Schandau ein neues Hotel in Krasna Lipa schmackhaft geredet hatte, entschied ich mich doch, näher am Rande des Nationalparks zu bleiben und suchte die Unterkunft in Doubice. Trotz der Problem bei der Zimmersuche überzeugte Speis und Trank im Altes Wirtshaus, wo ich auch hätte übernachten können – hätte man es gewusst. Musiktipp: Der Inbegriff des böhmisch-slawischen Patrioten in der Musik ist der Spätromantiker Antonin Dvorak, der ebenso die Brücke nach Amerika schlug mit der Sinfonie „Aus der Neuen Welt“, aber auch den deutschen Romantikern wie Johannes Brahms nahe stand und einige seiner Werke beim Musikverleger Simrock aus meiner ersten, rheinischen Heimat herausbrachte. Haben seine sinfonischen Werke Weltgeltung, stehen manche seiner Kammerwerke noch im Schatten davon. Nicht ganz unpassend zu diesem Kapitel deswegen hier ein Duett mit Klavier und Violine: “Romance for piano and violine, op. 11“ (12:46 min.)Mo 21.11. Doubice – R3029 – Na Tokani – R3030 – Mezni Louka – Mezna (exc. Edmundsklamm) – Mezni Louka – Hrensko (exc. Edmundsklamm) – Decin – R3017 – Sneznik – Tisa – PetroviceÜ: P/R Orion 22 € mFr AE (dito): Hirschgulasch, Knödel, Pistazienkuchen, Bier 9 € 70 km | 1055 Hm | 12,2 km/h | 5:42 h In den typischen böhmischen Streusiedlungen fehlen Ortskerne, sodass man nicht weiß, wo es so was wie eine Bankomaten oder einen Dorfladen geben könnte. Tatsächlich bedarf es hier keiner Kronen, es kann nahezu überall mit Euros bezahlt werden. Ob sich der Sonderweg für die Tschechen auszahlt, scheint allerdings fraglich. Ab Doubice taucht man zunächst in dunklen Wald ab. Am Hegerhaus „Zur Saule“ bzw. Budersdorfer Säule (ein Hinweis auf eine lange untergegangenen Siedlung aus dem Mittelalter) zweigt man über R3029 wieder in den Nationalpark ein. Es rücken wieder vermehrt Steinblöcke auf, eine Auenbiegung umschließt einen großen Felsklotz fast mit symmetrischer Präzision. Die Verzweigung in mehrere Richtungen ist wieder ein Hochpunkt. Nur unweit führt ein kleiner Stich zu mehreren schmucken Gasthäusern vor einer Felskulisse, von denen allerdings aktuell nur eines geöffnet hatte. Rasant ist die Abfahrt nun durch ein enges Felsspalier. Zunehmend mischen sich Moospolster mit Variationen von Gras, in Büscheln, zu Fächern aufgespreizt, oder wie Schnittlauch tiefgrün aufgereiht. Gar folgt ein kleiner See mit Steinbruchufer. Nach Mezna Louka zweigt man ohne Sicht auf den Grenzübergang Zadni Jetrichovice ab, der aber nur wenig weiter entfernt liegt (Schnittpunkt mit dem Vortag). Nach der Tannenwaldpassage und einer kleine Steilrampe öffnet sich die Landschaft durch lichten, fast entlaubten Buchenwald zu weiten Hügeln. Mezna Louka ist eher ein reines Touristenghetto mit Chalets, Hotels und Camping – ebenfalls im Novemberschlaf bzw. in Bauvorbereitung für die nächste Saison. Das zugehörige Dorf Mezna ist allerdings kaum größer, auch dort Unterkünfte. Hier führt ein steiler Weg (ohne Rad) hinunter zur Edmundsklamm. Allerdings ist die Brücke zur Renovierung nahezu abgerissen, nur noch ein nacktes Gerüst. Mühsam also retour (viele Treppen). Der R21A als Offroad-Variante erscheint mir zu ruppig und ich fahre so lieber über die Straße zurück. Die ausgewiesene Sperrung zum Prebisch-Tor kam mir nicht ganz ungelegen, denn mit der zusätzlichen Wanderung dorthin hätte ich es am nächsten per Rad nicht mehr bis Brand-Erbisdorf geschafft. Alternativ zog ich da die Edmundsklamm mit dem unteren Zugang bei Hrensko vor. Zwar ist der Weg hier für Radler gesperrt – mangels Besucher lässt sich aber der flache Uferstieg ganz gut fahren. Man kommt allerdings nur bis zu einem Wegtunnel, durch den man für das Gasthaus mit Kahnanleger hindurch müsste. Da ist natürlich auch geschlossen. Die Edmundsklamm kann nach dem Gasthaus übrigens nicht begangen werden – dort ist man auf die Kahnfahrt vollständig angewiesen (im Gegensatz zur Kirnitzschklamm). Ohne Asiamärkte kommt kaum eine Grenzstadt in Tschechien aus. Wer allerdings die Waren kauft, bleibt unklar. Schundware, Kitsch, Plagiatsprodukte mischen sich mit echten böhmischen Gläsern, mit tyischen Nahrungsmitteln wie Oblaten. Hrensko schmiegt sich mit einer ganzen Parade von schmucken Türmchenhäusern in die Felsen. Der Fels reicht hier steil bis an die Elbe. Fern nach Norden lugen die Schrammsteine am Horizont hervor, nach Süden ist es weniger spektakulär. Decin überzeugt mit schönen Jugendstilhäusern, einer Burganlage und einigen Freizeit- wie Kultureinrichtungen einschließlich einer modernen Bibliothek. Zum linken Elbufer hebt sich ein Berg mit lieblichem Schlösschen ab, unten garnieren die bunten Häuser die leider zu stark befahrene Straße. Eigentlich müsste ich schon hier die Etappe einstellen. Doch für das Ziel des Folgetages suche ich noch den Weg hinauf zum Sneznik. Die kürzere Route erweist sich als die härtere, denn Teile des Weges sind steil und gleichzeitig sehr steinig. In Dunkeln ein Balanceakt. Zwischenzeitlich haben Forstautos eine Schlammwüste gegraben, durch die ich nur mühsam durchkomme. Danach dann doch noch überraschende Entspannung auf Asphalt. Die desaströse Unterkunftssuche am Sneznik endet mit einer Fortsetzung der Dunkelfahrt an ungesehenen Attraktionen wie den Felsen bei Tisa vorbei. Erst in Petrovice finde ich Einlass und Einkehr in einem eher zweckmäßigen Transithotel mit Tankstelle gegenüber. Auch hier unterhält der Wirt Asia-Ramsch an der Straße, kontrolliert potenzielle Kunden über eine Videokamera aus dem Restaurant raus. Digitaltrack SBV-1Bildergalerie SBV-1 (196 Fotos): Fortsetzung folgt
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#1259453 - 10.01.17 22:09
Re: Saxonia Bohemia Velogida
[Re: veloträumer]
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KAPITEL SBV-2 Freundschaftstreff mit Insider-Führung in DresdenMusiktipp: Der Dresdener Günter Baby Sommer, für kurz auch mal wohnhaft in einem meiner Heimatorte, in Konstanz am Bodensee, ist eine Institution unter den kreativen Improvisationsschlagwerkern, der nie um launige, aber auch nachdenkliche Einfälle verlegen ist. Ein Projektkünstler, ein Kommunikator, der gerne auch in den musikalischen Dialog tritt, hier mit dem französische Tubisten und Serpent-Spieler Michel Godard: “langer weg zu langer berg“ (6:51 min)Eine Stadt zum Verlieben, mild und lieblich, am breiten Wasser gebaut, mit Panoramaterrassen, die Brücken schlagen nicht nur an andere Ufer, sondern auch Erinnerung in die Wunden der Stadt – das Blaue Wunder widersetzte sich trotzig den Sprengversuchen des soldatischen Vernichtungsfeldzuges. Es spiegelt den Menschen wieder – der Sachse, der die Freiheit sucht, widerständig, geradlinig und unbeugsam, der seinen Eigensinn in ebenso Kreatives wie genussreich Schönes zu münzen weiß. „Dresden im Barock“ im Panometer war denn auch ein ebenso symbolischer wie glanzvoller Höhepunkt der Stadtbesichtung – oder auch eine Summe der Geschichtsperspektiven des Tages in Dresden und der Festung Königstein am Vortag. Birgit, echte Sächsin und Hans, aus Halle zugewanderter Wahlsachse, hatten ein überfülltes Besichtigungsprogramm vorbereitet, dessen Umsetzung allerdings zeitlichen Schranken gesetzt war. Am Ende nötigte die Reduktion auf Weniges einen Roten Faden ab, wie er nicht hätte besser gespinnt werden kann. Die Perspektiven auf Dresden unter und über der Kuppel der Frauenkirche spiegelten sich in der 360°-Panoramaschau im Panometer ebenso wieder wie in der grauen Taube im Schlammbad über den Elbterrassen: „Krieg verzehrt was Frieden beschert“ heißt es da im Sinnbild des Mars, dem Planeten des Krieges, wie er nicht nur in Gustav Holst’ Planetenkomposition heißt. Wie lebendig der Gedanke an das zerstörte Dresden, den Feuersturm im Zweiten Weltkrieg, noch ist, zeigte die Andacht in der Frauenkirche. Es dürfte auch ein Zeichen der aufgeschobenen Geschichtsbewältigung sein, den die schweigende Decke des Sozialismus lähmend über den Ostteil Deutschlands für Jahrzehnte legte. Die Ablenkung des Nachkriegskonsums ließ den Westen die vergangene Schrecken schneller vergessen, die 1968er-Bewegung leitete eine breite Geschichtsbewältigung ein. Im Osten blieben viel Trümmer liegen – auch diese Kirche, die im nun glanzvoll wiederaufgebauten Zustand gar nicht verhindern kann, dass sie vordinglich ziervolles Museum und Weltgedenkstätte des Friedens geworden ist – auch wenn sie für sich den Anspruch erhebt, nur ein schlichter Ort des Gebetes und der religiösen Einkehr zu sein. Kaum eine Kirche dürfte so das Licht dem Besucher aufdrängen wie die Frauenkirche. Das barocke Zierwerk erhellt in geradezu tänzerischer Leichtigkeit, in schwebender Lichtflut, im Sinkflug der nackten Engel – die späte Novembersonne lächelt zudem zur rechten Zeit. Die Pastelltöne – Zartrot bis Rosa (die Farbe der Bibel) über das leichte Mintgrün (die Farbe der Hoffnung) fügt sich bis in die äußerste der Doppelkuppel das Sanftblau (die Farbe des Himmels) zu einem Gedicht der malerischen Pyramide aus Gold und weißem Marmor, emporgesungen von den ebenso licht klingenden Orgelpfeifen im Auge des wahrhaftiges Tageslichtes – aber ebenso im Auge Gottes (wie heutzutage eine Überwachungskamera platziert). Wer die Orgel hören möchte, sollte die Andacht zu Mittag wählen. Es ist keine verlorene Zeit, nicht mal für einen Ungläubigen – zu eindringlich die Mahnung im Zeichen des zerstörten Kreuzes an die Opfergeschichte der Menschen in der Stadt. Umso mehr steht die Frage im Raum, was nun Menschen anzetteln, wenn sie neuen Hass säen – und das direkt vor dieser Kirche, dem Mahnmal des Krieges – Krieg, diese Inkarnation des Hasses schlechthin. Krieg und Kampf inszeniert die Rüstkammer im Residenzschloss in so ästhetischer Weise, dass der Blutzoll von Säbel und Schießeisen fast vergessen werden könnte. In Hochglanzvitrinen reihen sich Ritter zu Pferd und zu Stiefel, nicht weit vom Pomp der verschwenderischen Hoffeste eines August des Starken entfernt. Dieser ließ schon mal Feste über Wochen abhalten, bei dem die Verschwendungssucht des Adels geheim gehalten werden sollte, um es nicht zu Volksaufständen des armen Gassen- und Landvolkes kommen zu lassen. Diese lebten nicht selten in Sichtweite der barocken Festterrassen. Das Leben des Barocks hat Yadegar Asisi in seiner multimedialen Installation aus Malerei, Fotografie, Kostümschneiderei und Computertechnik geradezu lebendig im Panometer nachgestellt. Ausgehend von der Malerei Canalettos, der mitentscheidend für die romantische Bildsetzung Dresdens, der Festung Königstein und auch der Sächsischen Schweiz verantwortlich zeichnete, werden Leben, Landschaft und Bauwerke der Barockzeit nachgezeichnet und in verschiedenen Höhenperspektiven erlebbar gemacht. Das Ganze taucht in kurzen Abständen auf und ab zwischen Tag und Nacht. Bis zum Miau der Katze auf dem Dach hat Asisi eine detailversessene Projektionskunst aus dem Heute für das Gestern geschaffen. Barock wird hier lebendig und lässt manchen Museumsstaub um antiquarischen Plüsch vergessen. Deswegen: Beim Dresden-Besuch nicht vergessen, die Themen im Panometer wechseln im Laufe der Zeit immer mal wieder. In Zentrum des Kunstdiskurses steht allerdings bis 2022 Canaletto, wenn sich der 300. Geburtstag des Malers jährt. War die erste Tageshälfte schon fast frühlingshaft bei allerdings auffällig föhnigem Wind, machte sich zur zweiten Hälfte regnerisches Schauerwetter breit. Am Blauen Wunder erlosch daher etwas der Elbglanz, ins Cafe Toskana mussten wir schon fast flüchten. Dem Auto sei Dank, blieben wir aber weitgehend trocken – bis auf den Abschluss im Brauhaus. Dort ist die Attraktion eine sog. Biersäule, in die mindestens 5 Liter Bier (offenbar kann man unterschiedliche Füllmengen bestellen) in einer übermannshohen Plexiglassäule eingelassen werden und zu Tische von feucht-fröhlichen Gesellen geleert werden. Manche brauchen dabei mehr als eine Säule – sächsischer Durst eben. Der Braukeller ist recht hellhörig laut, das Essen dafür zünftig gut, das Ambiente kann mit bayerischen Brauhäusern gut mithalten. Nostalgie in Form der alten Registrierkassen ist in Sachsen nicht gerade selten zu finden – man sammelt gerne Nostalgisches. Am Beginn des Dresden-Rundgangs stand ein Besuch in der Tonne Dresden, der führende Jazzclub der Stadt. In altem Kellergewölbe versuchen eine junge Dame und ein junger Herr ein anarchisches Gegengewicht in dem von der Klassik dominierten Stadt zu setzen. Die Präsenzeleganz einer Semperoper ist schon äußerlich über einen verschämten Nebeneingang nicht annähernd erreicht, doch beinhaltet der Gewölbekeller eine stilvolle Atmosphäre zwischen der verdächtig beäugten Subkultur des Jazz und den modernen Anforderungen improvisatorischer Konzertmusik. Die Tonne wird wortwörtlich in Form einer Kugel aus einer glasummantelten Sammlung von Karten, die beweglich gelagert als modernes Kunstwerk eine leicht zu übersehende Besonderheit des Kellers darstellt. Mein „Cityguide“ Hans füllt seine rastlose Rentnerzeit mit sehr viel Engagement für die Jazzszene in Freiberg und Dresden. Der Stellenwert des Jazz ist auch im weltoffenen Dresden noch ausbaufähig, insbesondere steht das Festival der Jazztage Dresden (im November) mit dem modernen, zeitgemäßen Jazz in der Wahrnehmung noch deutlich im Schatten des Dixieland-Festivals (im späten Frühling) als Straßen- und Dampfschifffahrtsvolksfest. Die Jazzliebe führte Hans zur anerkennend gehoben Jazzfotografie, die er nunmehr nebst diversen Publikationen im Printbereich auch schon in einigen großformatigen Ausstellungsprojekten präsentiert hat. Einen besonderen Weg beschreitet er mit Jazzfotografien im Wirtschaftsgebäude des Uniklinikums, wo ganz unbedarfte Jazzlaien mit den etwas anderen Ansichten konfrontiert werden. Dort endete fast die Tagesbesichtung – also wieder ein kleiner Roter Faden. Tatsächlich war nebst nächtlicher Stadtansicht der Schlusspunkt der Goldene Reiter – erneut also August der Starke, gleichwohl morgens etwa in der Fresken-Collage der Fürsten und Herrscher unweit der Trinitatis-Kirche (selten: die Orgel ist gegenüber der Kanzel platziert) als auch im Panometer gesichtet. August der Starke ist bei Birgit ganz stark im sächsischen Bewusstsein verankert, ein Stück Heimatidentität ganz offensichtlich. Nicht zuletzt bedient der Kurfürst Sachsens und zeitweise auch König Polen (um 1800 herum) viele Klischees und Legenden noch heute. Sein Wirken war nichtsdestotrotz von nachhaltigem Nutzen für die Entwicklung des Landes Sachsen, z.B. indem er als Unternehmer für die Ankurbelung der Wirtschaft sorgte, darunter mit der Gründung der Porzellanmanufaktur Meißen. Seinen Beinamen verdankte er dem Umstand, Münzen und Hufeisen mit bloßen Händen verbiegen zu können. Von den ihm 354 angedichteten unehelichen Kindern können allerdings nur 9 nachgewiesen werden – die meisten sogar ehelich. Bekanntlich imponiert den Menschen aber mehr die Dichtung als die Faktenlage. Damit sind wir wieder im Hier und Jetzt angelangt. Aufgeweckt werden könnte man etwa durch das Glockenspiel am Zwinger, wo Klöppel auf echtes Meißener Porzellan schlagen. Natürlich hatte Hans auch hier für ein exaktes zeitliches Timing gesorgt. Vom Schönklang zum Schönleben: Dazu hat Dresden zahlreiche Jugendstilvillen, pittoreske Elbschlösser und liebliche Rebenhänge, die sich am rechten Ufer leicht elbaufwärts finden. Dieses sommerfröhliche Ausflugsareal wurde weitgehend ein Opfer des Regenwassers und der fortgeschrittenen Dunkelheit. Die Fahrradfreundlichkeit der Stadt ist mit einer solchen Kurzbesichtigung schwer einzustufen. Vordergründig sah ich zumindest recht viele Radwege, die auch einigermaßen durchdacht angelegt schienen. Die Elbufer haben natürlich viel Platz nicht nur für Radler, sondern auch für das savoir vivre. Und wer gar nicht auf Stadt steht, wird recht einfach an der Elbe mit viel Stadtnatur vorbeiziehen können. Klar aber: Velogida würde dieser Stadt weit besser stehen als Pegida. Fr 18.11. Dresden Stadtbesichtigung per pedes & Auto: Privatführung Jazzclub Tonne, Residenzschloss (nur Rüstkammer), Zwinger (nur außen) mit Glockenspiel (Meißener Porzellan), Frauenkirche (mit Andacht, Orgelspiel, Kuppelbesteigung), Kathedrale St. Trinitatis, Blaues Wunder (mit Blick vom Cafe Toskana), Panometer („Dresden im Barock“), Goldener Reiter, Hans' Fotoausstellung Jazzbilder im KlinikumME (Cafe Toskana): Torte, Cafe 0 € (reg. unbek.) AE (Brauhaus Dresden): Schwarzbierfleisch, Knödel, Bier, Quarkkeulchen m. Apfelmus 0 € (reg. unbek.) Ü: H Wolfsberg 0 € (reg. 42 € mFr) 0 km | 0 Hm | 0,0 km/h | 0:00 h Bildergalerie SBV-2 (42 Fotos): Fortsetzung folgt
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#1259496 - 11.01.17 07:25
Re: Saxonia Bohemia Velogida
[Re: veloträumer]
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Lieber Matthias,
man muss deinen erlebnisreichen Bericht schon zweimal lesen um so viel Information zu begreifen. Jedenfalls ging es uns so. Klasse geschrieben (wie immer)!
Wir freuen uns auf die Fortsetzung.
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Gruss Markus Forza Victoria !
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#1259590 - 11.01.17 14:55
Re: Saxonia Bohemia Velogida
[Re: veloträumer]
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Danke für den interessanten Bericht einer Fahrt durch eine mir wohlbekannte Gegend. ... das vorzügliche Radroutennetz Tschechiens mit einer sehr übersichtlichen, einfachen wie lückenlosen Beschilderung (schwarze Schrift auf gelbem Grund, lesbare Größe auch im fahrenden Zustand). Meine Rede schon seit langen. Ich mag sie nicht, die "Gurkenradwege" oder was es da noch für Verrenkungen der Tourismus-Marketender gibt in D.
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#1259624 - 11.01.17 16:30
Re: Saxonia Bohemia Velogida
[Re: veloträumer]
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Matthias, da werde ich wohl etwas mehr Zeit brauchen, um außer die schönen Bilder zu betrachten auch noch den Text mit der nötigen Muse zu lesen. Das was ich beim Überfliegen - mehr Zeit habe ich im Augenblick nicht - aber schon gesehen habe, wird mein Interesse sicher am Leben erhalten Auf jeden Fall schon einmal danke für den Bericht über eine Tour, die ich zu dieser Jahreszeit nicht gemacht hätte - obwohl, wenn ich Zeit gehabt hätte ...
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Gruß, Arnulf
"Ein Leben ohne Radfahren ist möglich, aber sinnlos" (frei nach Loriot) |
Geändert von Keine Ahnung (11.01.17 16:30) |
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#1259703 - 11.01.17 20:25
Re: Saxonia Bohemia Velogida
[Re: veloträumer]
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Ein kleiner Fehler hat sich eingeschlichen: Empfohlene Betrachtungsweise: Man klicke auf das Einladungsbild (welches nicht das erste Bild der Galerie sein muss). Danach erscheint das erste Bild des Albums zum jeweiligen Kapitel. Mittels Pfeiltaste oder Mausklick auf den neben dem Bild rechts bzw. links erscheinenden Pfeils kann man vor oder zurück navigieren. Mit Drücken von F11 erreicht man die komplette Bildschirmausnutzung für ungestörten Genuss. Mit der ESC-Taste hebt man die Vollbilddarstellung wieder auf. Die Vollbilddarstellung wird mit F11 veranlasst, aber auch damit wieder beendet. Mit der ESC-Taste gelangt man hingegen zur Albumübersicht. Das ist zumindest bei Windows so. Weiterer technischer Hinweis: die kurze Störung bei den verlinkten Alben wurde recht zügig behoben - es war eh nur ein Problem evtl. für ein paar Nachteulen. Näheres ist im Test-Bereich des Forums zu lesen.
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Geändert von veloträumer (11.01.17 20:29) |
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#1259706 - 11.01.17 20:31
Re: Saxonia Bohemia Velogida
[Re: veloträumer]
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Sehr schöner Bericht, sehr schöne Bilder. Kann bestätigen, daß das da wirklich so aussieht und insbesondere die Täler fahren sich bestens und abseits der Hauptzeiten (Hochsommer) auch deutlich angenehmer (ruhiger); vielleicht ist das ja ein Trost für die kalte Nässe, die man die überall "sieht". Den Sneznik solltest Du Dir aber mal noch "geben", irgendwann und bei guter Sicht. Auch wenn die Leute manchmal seltsam sind (kein Bett frei für Ausländer), aber das ist halt raues Grenzland und da nehmen sich Tschechen und Deutsche wohl wenig. Vielleicht paßt ja das Werbefilmchen von xyz schön dazu, um bißchen ein Feeling fürs Fahren da zu bekommen (OK, nur RR) - findet sich aber auch in den Bildern alles wieder. Eine Velogida würde der Gegend wohl auch ganz gut tun ... oder vielleicht auch als gesamtdeutsche Bewegung. Zum mal Runterkommmen und die schönen Sachen wieder wahrnehmen. Bin gespannt auf die Fortsetzung.
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#1259709 - 11.01.17 20:34
Re: Saxonia Bohemia Velogida
[Re: veloträumer]
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wir haben das schon verstanden Teile deiner Route sind mir übrigens bekannt, im Sommer kommt man freilich ein paar Meter weiter, vor allem dann, wenn man wie ich Kulurbanause ist. Ich würde übrigens behaupten, Du hast für eine Novemebrtour ernsthaftes Glück gehabt. Die Leute in Techechien empfand ich selbst nicht unfreundlich, sondern eher als reserviert. Zumindest gegenüber Sprachfremden. Das ist aber in einigen slawischen Ländern so, da braucht man manchmal ein wenig Auftauzeit. Bin noch gespannt auf den weiteren Reiseverlauf. Die Übernachtungsproblematik hatte ich auch schon in verschiedenen Regionen- dagegen hilft wirklich nur Zelten im Wald, wobei ich selbst das November auch nicht arg prickelnd fände. Gruß Nat
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#1259711 - 11.01.17 20:35
Re: Saxonia Bohemia Velogida
[Re: veloträumer]
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KAPITEL SBV-3 Rund um den Erzgebirgekamm mit knackigen RekordenMusiktipp: Zurück zum Klang Böhmens, dem großen musikalischen Bildermaler, der die quellenden Wasser so lieblich zum Sprudeln bringt, ja die Landschaft vorbeiziehen lässt, wie es auch dem Radler geschehen kann: Bedrich Smetanas weltbekannte Flussvertonung, hier in einer Solo-Harfenversion: “Vltava – Die Moldau“ (11:11 min)Geografisch sind die Grenzen Erzgebirges im Osten zum Elbsandsteingebirge und im Westen zum Vogtland nicht gerade markant – es gibt sogar Überschneidungen. Das Vogtland besitzt eine Schnittmenge mit dem Westerzgebirge im sog. Musikerwinkel, erst mit dem Elstergebirge übernimmt eine andere tektonische Platte die Gesteinsführung. Entsprechend wird der Naturpark auch Erzgebirge-Vogtland bezeichnet. Im Osten hingegen überschneidet sich z. B. verwaltungstechnisch Osterzgebirge und Sächsische Schweiz in einem gemeinsamen Landkreis. Mehr als geplant verblieb ich meistens im Bereich des Erzgebirgekamms, ohne jedoch strikt einem Kammweg zu folgen. Das wäre allerdings möglich, insbesondere besteht zu beiden Seiten der Grenze jeweils ein Radkammweg, mit dem man das gesamte Erzgebirge beradeln kann. Zur deutschen Seite etwa ist er auch als noch weiter reichende Radfernroute „Bayreuth – Zittau“ bezeichnet, sehr wohl gleichzeitig auch Wander- und Loipenweg. Im Winter ist also zumindest in größeren Teilen nicht mit Schneeräumung zu rechnen. Auf der tschechischen Seite scheint mir der Kammweg häufiger asphaltiert zu sein. Dort wird dann auch häufig zwischen dem Hauptkammradweg und sonstigen Radwegen unterschieden, die teils parallel nutzbar sind, aber dann auch mal nur festen Kiesbelag und keinen Asphalt haben können. Nebenradwege haben nebst den üblichen Nummern noch teils gesonderte Bezeichnungen, die auch teils auf Sponsoren rückschließen lassen („Schauwerkstättl-Route“, „Jens-Weißflog-Route“, „Christkindweg“). Diese Nebenradwege dienen zumindest teils dann im Winter auch als Loipen. Für Loipen gibt es zudem ein paralleles Beschilderungssystem, für Wanderer nochmals ein ebenso farblich abgegrenztes weiteres Hinweissystem. Da die meisten Abschnitte der böhmischen Kammroute auch gleichzeitig irgendwelche Verbindungen für Höfe oder Dörfer darstellen, erscheint mir diese Seite „wintertauglicher“ zu sein als die deutsche Seite. Gleichwohl sei für die alle Jahreszeiten gesagt, dass die Radrouten – mögen sie häufig auf Straßen verlaufen – weitgehend einsame Strecken mit marginalem Verkehr sind. Da ich nicht immer darauf geachtet habe, ob ich mich auf Radrouten bzw. auf der Kammroute bewege, kann ich aber nicht alle Angaben verifizieren. Gerade zur deutschen Seiten habe ich teils bewusst Straßen gewählt, die aber möglicherweise immer eine alternative Radroute gehabt hätten. Auch sind Grenzwechsel zum Teil mit verkehrsreicheren Transitwegen verbunden, die man dann aber zu beiden Seiten der Grenzen wieder schnell verlassen kann. Gleichwohl gibt es auch eine Reihe von Grenzübergängen, die exklusiv nur für Räder oder Forstwirtschaft/Anlieger bestehen. Einige davon sind sogar asphaltiert, andere gute Pisten. Grenze, Grenzkamm und höchste Gebirgserhöhung sind drei verschiedene Dinge. Der Erzgebirgekamm liegt manchmal deutlich diesseits der Grenze. Gleichzeitig bildet das Erzgebirge im Grenzbereich oft mehrere Kämme bzw. verschachtelte Nebentäler, sodass man beim Übergang ins tiefere Tschechien auch mit mehreren Anstiegen rechnen muss, ebenso bei Grenzwechseln. Besonders verwirrend ist die Topografie um Seiffen herum. Natürlich ist der Grenzkamm zu beiden Seiten nie ein einheitliches Plateau, sondern eine stete Auf- und Ab-Bewegung mit mehr oder weniger tiefen Einschnitten. Soweit ich Tälern gefolgt bin – meistens weitgehend auf Flusshöhe geführte Straßen, waren diese ausladend und selten und nur spät steil – etwa am finalen Passanstieg unterhalb des Fichtelbergs, eine Variante des Plattenpasses (Horni Platna – Nejdek), der Rittersgrünpass (Bozi Dar – Rittersgrün via Zlaty Kopec) oder Maly Haj (Kleinhan, ab Deutschneudorf) . In Jöhstadt gibt es ortsintern einen kräftigen Anstieg, weil man der Talsohle nicht folgen kann bzw. ein Talwechsel Richtung Bärenstein erfolgt. Einige stärkere Anstiege könnte man leichter umfahren wie etwa meine Route nach Neuhausen (stattdessen Radroute in Rechenberg-Bienenmühle benützen) bzw. Seiffen via Berghof (stattdessen der oberen Flöha weiter folgen). Knackige kurze Anstiege gibt es natürlich auch immer wieder auf den Kammrouten. Dort fand ich aber weder längere Anstiege noch Grenzwertrampen, Schaltkünstler haben aber Vorteile. Während die längeren Täler von Pöhla, Schwarzwasser oder Preßnitz im November ihre Schönheit nur erahnen lassen, überzeugten die Kammhöhen mit besonderen Farb- und Lichtstimmungen – sogar manchmal noch im Hochnebel. Die rotbraunen Lärchennadel legen die Grundlage für eine leicht rot leuchtende Bodenfarbe, weich gelbgrüne Pastelltöne grüßen von den Wiesen und zwischen den Hainen, die von Bächen feucht durchzogen werden, bleiben manchmal auch ganz verdörrt als blassgelber Bastteppich zwischen den vereinzelten Fichten und Tannen als lichter Spiegel des Himmels zurück. Erreicht man die abgestorbenen Geäste von Lärchen und Fichten, haben sich diese dicke Kleider von fein silbrig glänzenden Flechten überzogen. Als wären es Edeltannen, funkeln sie dann nahezu wie eine Schnee-überzuckerte Waldlandschaft – eine ganz eigene Charakteristik von schneefreier Vorweihnacht. Höhepunkt dieser Szenerie war die Strecke Maly Haj – Kalek. Die Vorweihnachtsstimmung erreicht im Erzgebirge in den Abendzeiten ihre Stimmung durch die überall aus Fenster schimmernden Schwibbögen, nicht einmal verfallene Häuser sind davor sicher. Es gibt offenbar mehr Fensterbeleuchtungen als Einwohner, denn keineswegs lässt sich darauf auf bewohnte Häuser schließen. Kaum ein Ort, der nicht eine überlebensgroße Pyramide präsentiert, manche werden über das Fest des „Pyramiden-Anschiebens“ zum Leuchten und Bewegen gebracht. Während bereits am 22.11. der Freiberger Weihnachtsmarkt seine Pforten öffnete, stehen in kleineren Orten meist nur schmale Wochenendtermine an, wo es weihnachtliches Treiben gibt – selbst in Orten wie Oberwiesenthal. Eine durchgehend gut besuchte Adventszeit ist hingegen Seiffen sicher, dass als Eldorado der Holzschnitzkunst mit seinen Geschäften auch eine ausreichende Zahl überregionaler Gäste anlocken kann. Untrüglich aber, dass diese Schnitz- und Lichterkultur nicht aufgesetzter Kitsch ist, sondern gelebte Tradition und Volkskunst. Nicht zuletzt ist das Licht der langen Nächte unmittelbar mit der Bergbautradition verknüpft, wo die Arbeiter morgens wie abends in die Schicht abfahrend, nichts als Dunkelheit um sich hatten. Jedes Licht ist also auch immer wieder Zeichen für das Gemüt gewesen, ein Zeichen täglicher Wiedergeburt mit der Rückkehr an die Erdoberfläche – ein Schimmer der Hoffnung im schweren und gefahrvollen Alltag. Nicht zuletzt lebt die Tradition in den Figurengruppen weiter, die Arbeiten und Funktion der Arbeiter detailgetreu wiedergeben und zu den beliebtesten Sammlerstücken gehören. Wechselt man zur tschechischen Seite, verschwinden der Lichterglanz und die Holzschnitzliebe schlagartig. Lediglich einige Häuser leisten sich international bekannte Lichterketten oder anderen Weihnachtskitsch nach amerikanischem Vorbild. Entsprechendes Gezirpe findet man artgerecht auf den Vietnamesenmärkten, die es allseits in den tschechischen Grenzorten gibt. Selbst böhmische Glasbläserkunst ist nahezu gar nicht als Weihnachtsschmuck zu sehen. Wie ausgeprägt die spezifische Erzgebirge-Weihnachtskultur ist, sieht man gar beim Übergang ins Vogtland, wo dieser sich schon abschwächt, wenn auch noch sehr präsent. Di 22.11. Petrovice – Hellendorf – Bad Gottleuba – Berggießhübel – Gersdorf – Börnersdorf – Liebstadt – Schlottwitz – Cunnersdorf – Reinhardtsgrimma – Dippoldiswalde – Reichstädt – Klingenberg – Grillenburg – Hilbersdorf – Freiberg – Brand-ErbisdorfÜ: P Silvia 0 € (reg. unbek.) AE (privat): Pizza, Salat, Rw, Bier 0 € 96 km | 1545 Hm | 14,4 km/h | 6:39 h Beschränke ich mich auf wenige Höhepunkte dieses eher verstärkten Radeltages mit den 10 Postmeilen bzw. 20000 Ruten. Nach typischen Grenzmerkmalen wie Freudenhäusern, Free Shops, und gar Dienstleistern wie Zahnarzt für deutsche Wirtschaftsflüchtlinge überschreitet man beim eher verwitterten Olympiadenkmal (Fackellauf der Flamme im Jahre 1936) die Grenze. Bad Gottleuba – beschaulich und lecker. Köstliche selbstgemachte Pralinen direkt am Marktplatz – eine Empfehlung! Man kann dort sogar Gästezimmer mieten. Mondäner Klinikbau am Berg. Der Goethepark eine Enttäuschung. Hübsch durchaus der Tochterort Berggießhübel. Mit den Auf und Abs zwischen den Tälern nehmen die offen Ackerhügel zu. Trotzdem manchmal stimmungsvoll. Eine Umleitung bei der Autobahn um Börnersdorf bringt mich in heftigen Gegenwind. Mitten in der Prärie ein Denkmal: Ich kreuze die Alte Dresden – Teplitzer Poststraße. August der Starke veranlasste das kursächsische Postmeilensystem. Dazu wurde Säulen nach einem spezifischen System aufgestellt. Es gab Abstufungen von Ganzmeilen-, Halbmeilen- und Viertelsäulenmeilen – von groß zu klein. Eine Postmeile bemaß dabei 9,062 Kilometer, was 2 Wegstunden oder 2000 Ruten entsprach. Eine Dresdner Rute war das kursächsische Längenmaß für 4,531 Meter. Über Liebstadt thront ein verwunschenes Schlösschen, Besichtigungen sind nur auf Vereinbarung möglich. Nahe bei musste Napoléon einer seine vielen Niederlagen ins Auge sehen, auf seinem Rückzug von Russland. Da war ein schönes Schlafgemach im Schloss sicher recht. Eigentlich schade, dass der Ort sein Juwel nicht besser touristisch ausschlachtet – es beginnt eine Kette von Dörfern, die den Eindruck der Entvölkerung vermitteln. Zumindest gibt es kein Gewerbe, keine Jobs auf dem Lande. Einige dürften in die Städte Dresden, Pirna oder Freiberg weit pendeln, anders sind die toten Ort mit doch manchmal adretten Wohnhäuschen nicht zu erklären. Novemberschicksal, dass überall gebaut wird. Die Straßen aber so aufzureißen, dass nicht mal ein Fußgänger vorbeikommt, ist schon ein wenig dumm. War das schon beim ersten Fall in Gopersdorf der Fall, so verwundert es in Reinhardtsgrimma noch mehr, wird dadurch das durchaus reizvolle Schloss ganz abgeschnitten – es sei dann, man möchte sich Schlammfüße einhandeln. Auch die Kirche mit Silbermannorgel hat die Tore geschlossen – so gewinnt man natürlich keine Reisegäste. Erwartungsvoll strebe ich auf das pittoreske Dippoldiswalde zu. Doch trotz Erzgebirgeschmuck in den Fensterauslagen und historisch gut instand gesetzter Stadt mit Schloss und Pflastersteinen finde ich kein einladendes Bistro. In der Bäckerei eher ein Küchenschlauch zum Sitzen und dazu Mikrowellennudeln. Auch hier könnte man etwas mehr Atmosphäre und Angebot schaffen. Da Dippoldiswalde in einer Mulde liegt, erhält man ausgangs auf der Bundesstraßenkurve einen schöne Dächer-Panoramablick auf die Stadt. In Klingenberg wird man Richtung Freiberg den Berg runter nach Grillenburg geleitet, was eigentlich ein Umweg ist. Grund wird sein, dass die Einfahrt nach Freiberg ab Naundorf autogerechter ausgebaut ist. Tatsächlich macht sich die auch wirtschaftlich recht blühende alte Bergmannsstadt Freiberg mit starkem Feierabendverkehr bemerkbar. Ein stilles Idyll hingegen noch das zuvor passierte Jagdschloss Grillenburg, aus dessen vorgelagertem Teich aber das Wasser abgelassen wurde – statt Spiegelblick eher jetzt ein Kloakenblick. Das Idyll liegt mehr rückseitig mit den verfallenen Teilen des Schlosses und einem weiteren kleinen Waldsee. Über meine disziplinierte Fahrt des Tages war ich nun doch ein wenig stolz, im erhofften Zeitfenster, die ganzen Auf und Abs hinter mir – nein, nicht ganz, auch Freiberg in einer. Nun war ich doch zu sehr aufgeregt, Birgit und Hans wiederzutreffen und zog frevelhaft schnell durch das weihnachtlich feierlich beleuchtete Freiberg – gerade hatte der Weihnachtsmarkt eröffnet. Überall prangen die Zeichen der Bergmannskultur, der leuchtende Hammer am Rathaus ebenso wie an den Schutzpalisaden zum Festgelände. Die Ausfahrt ist bei Dunkelheit ein Wettkampf mit dem Berufsverkehr, nicht zuletzt ist auch Brand-Erbisdorf ein einwohnerreiches Umland von Freiberg. So wohnen auch „meine Sachsen“ in einem Neubaugebiet am Rande des Städtchens in ruhiger Lage, auf dem letzten Hügel des Tages. Wohl nicht bekannt, welche Schlaforte ich schon auf meine Radreisen alle hinter mir habe, wurde ich in eine Pension im Ort eingewiesen – eine geradezu luxuriös geräumige Ferienwohnung mit schickem Interieur. Mein Eintreffen quittierte Hans als „Wunder“ – ja gewiss, meine Sachsen sind keine Radler, da wird leicht ein Heldenmythos aufgebaut. Es ist hier wohl überflüssig zu erwähnen, dass der Abend ein großer Glücksmoment war, sind doch so wunderbare Menschen selten. Ich verneige mich nochmal in tiefer Beuge mit großem Dank vor Birgit und Hans für die extrem großzügige Gastfreundschaft. Nicht zuletzt ist ja dieser Funke auf meine gesamte Tour übergesprungen und hat feuchte Augen gebracht. Mi 23.11. Brand-Erbisdorf – Helbigsdorf – Mulda – Rechenberg-Bienenmühle – Talsperre Rauschenbach – Neuhausen – Berghof – SeiffenB: Nussknackermuseum Neuhausen 4 € Ü: P Bergmannshaus 45 € mFr AE (R Holzwurm): Schweinekamm mittelsächs. m. Honig mariniert, Rösti, Salat, Apfelküchle m. Eis, Bier ? € 50 km | 820 Hm | 12,2 km/h | 4:06 h Teils heiter war schon der Vortag, heute beginnt der Tag als Strahletag als müsste noch nachgefeiert werden. Von der Bundesstraße ab, schweift der Blick über einen gleichwohl entleerten Stausee, offenbar ein beliebtes Baderevier im Sommer. Das Muldetal zeigt die best möglichen Schattierungen für den November – das Tagesglitzerlicht blendend schön. Auch die Orte liegen lieblich eingebettet im Tal wie Helbigsdorf und Mulda. In Rechenberg-Bienemühle zweigt der Radweg von der Hauptstraße ab, diese windet sich nun kräftiger nach oben zu einem Sattelpunkt, der den Radfernweg Bayreuth – Zittau kreuzt. Den dichten Wäldern hier entfleucht man durch Abfahrt zum Speichersee, den eine markant bemalte Brücke überquert. In Neuhausen wird es dann richtig knackig – mehr als ich jemals erlebt habe! 5300 Nussknacker warten auf den Besucher des Museum für die Schalenbeißer, alle erdenklichen Formen, international vom mexikanischen Banditen bis zur Fernsehmaus, vom Morgenland-Prinzen bis zum Bierseppl. Rekorde, Rekorde: Die größte Spieluhr der Welt lässt Tschaikowskys Nussknacker-Suite zu jeder vollen Stunde erklingen, erzählt die Geschichte vom bösen Mäusekönig, den das Mädchen mit einem Schuh verjagt und dafür mit Geschenken belohnt wird. Alles nur ein Traum oder Wirklichkeit? – Tanzen tut man ein allein schon wegen der Kälte. Gleich am Eingang wartet der Größte – auch ein Nussknacker, pneumatisch betrieben könnte er im Ernstfall kräftig zulangen (5,87 m, 1028 kg), er hat wohl Mühe einen willigen Zahnarzt zu finden. Doch ist der Größte nicht der Größte – ein neuer, grau melierter Edellangstangenhans hat es weit über alle Dächer geschafft (10,10 m, 3285 kg). Kleiner geht aber auch, z.B. 4,9 mm. Mancher hat schon viel gesehen, z.B. der Älteste, ein Eidgenosse aus Brienz, seit 1650 stand- und bissfester Fürst. Das war es dann mit dem Licht. Der Hochnebel senkt sich tropfend nasskalt auf den Erzgebirgekamm und verschluckt die Geräusche. Seiffen zelebriert dann die Holzschnitzkunst und die Weihnachtsseligkeit im Lichterglanz in Vollendung. Zwar nennen sich die Männlein und Weiblein, die Engelchen und Pinguine, die Pyramiden mit dem Heißluftmotor eines Kerzenlichtes „Spielzeug“ – doch ist es hier nicht unähnlich zu den Spielzeugeisenbahnen: Es sind detailversessene Kleinodien für Sammler und kosten bis zu einem kleinen Vermögen. Die meisten Räuchermännchen vernünftiger Tischgröße beginnen bei ca. 30 Euro, eher 50 Euro. Ein Für Bergarbeitergruppen mit 5-8 Figuren in je ca. 10 cm Größe legt ab ca. 50-70 € hin, kann auch dreistellig werden. Pyramiden und Schwibbögen der kunstvollen Art kommen kaum unter 200-300 € über die Theke und für Figuren in Gartendekorgröße verlangen über 500 Euro für eine legale Übernahme. Designs, wie sie hier angeboten hat, findet man anderorts nur in sehr eingeschränkter Auswahl. Die Kunst trägt hier deutlich lebendige Weiterentwicklung, neue Modelle oder gar Modellreihen gibt es jedes Jahr. Die Faszination stellt sich ganz ohne Weihnachtsdaddelei ein. Es ist einfach schön und entzückend. Überlebensgroß Küssen sich zwei Holpuppen über einem der Verkaufsläden, die hier gleichwohl eine Museumsmeile ersetzen. So muss ich nicht klagen, das hiesige Spielzeugmuseum nicht begutachten zu können, weil schon geschlossen. In der alten Bergmannspension kann ich noch die 5 Euro Zuschlag für die 1-Nachtübernachtung runterhandeln, ohnehin wurde die Preise nur wenig Tage zuvor auf Hochsaisonniveau angehoben. Das Haus ist eine Empfehlung wurde auf der Basis alter Bergmannshäuser bis in viele Details eingerichtet und geht bis auf das Jahr 1705 zurück. Selbst der Frühstückstisch ist liebevoll in Szene gesetzt. Nicht weniger charmant das Restaurant Holzwurm mit einer Fülle von Holzschnitzwerk und einer Speisekarte mit einem „echten“ Holzwurm – aus Holz, versteht sich. Den Tagesabschluss bildet die Seiffener Bergkirche im streifigen Scheinwerferlicht, als wäre ein Sternenschweif in dieser mystischen Nebelnacht unterwegs. Die Seiffener Bergkirche ist mit ihrem achteckigen, fast rundem Bau eine Vorlage für die Dresdener Frauenkirche gewesen und weltweit die vielleicht bekannteste Kirche – wenn auch nicht vom Namen. Tatsächlich ziert ihr geschnitztes Abbild zahllose Pyramiden und Schwibbögen, die in aller Welt gerne als Erzgebirgekunst gekauft werden. Musiktipp: Der tschechische Pianist Emil Viklicky lernte erst in Mathematik und den Naturwissenschaften, schaffte aber zum Glück den Sprung in das schöngeistige Musikfach. In diesem rein tschechischen Trio mit dem nicht weniger renommierten Bassisten Frantisek Uhlir hört man sogar ein wenig die böhmischen Wasser erklingen, wie man es auch bei Smetana findet: “Bezi, voda bezi – Gone with water“ (6:33 min.).Do 24.11. Seiffen – Deutschkatharinenberg – Hora Svaty Kateriny – Maly Haj/Rudolive v Horach (844 m) – R23 – Kalek – Reitzenhainer Pass (840 m) – Reitzenhain – Steinbach – Schmalzgrube – Jöhstadt (788 m)- Bärenstein – OberwiesenthalÜ: FeWo/GZ Settner 20 € oFr Ae (R Central): Erzgeb. Kartoffelpuffer, Rahmgeschnetzeltes, Bier, Quarkkeulchen m. Apfelmus ? € 74 km | 1475 Hm | 12,0 km/h | 6:13 h Nein, der Nebel ist nachts nicht verschwunden, sondern liegt weiter tief über den Auen und Tälern, kann aber den schönen Landstrich nicht ganz verdecken. Bereits die Anfahrt außen um den Berg rum nach Deutschkatharinenberg ist stimmungsvoll, mehrere charmante Einkehrmöglichkeiten liegen auf der Strecke. In der Schauwerkstatt werden Steine aus aller Welt nach Auftragsstellung geschliffen – auch heimische Steine sind dabei, die Verkaufsware aber entsprechend klein gehalten. Weiter nach oben, die Straße ein wenig steil, melden sich erste lichtbrechende Boten in den Tropfen auf Gräsern und an Zäunen. Die Blautanne an einem Fischteich leitet ein, was wenig später auf Kamm wahr wird: ein Farbenrausch im Silbermantel, als wäre hier ein Weihnachtslandschaft, die ganz ohne Schnee auskommt. Die Idylle findet sich auf der Radroute, an der auch mehrere kleine Seen liegen. Das Terrain ist stark wellig, die Kammroute immer wieder als Gerade lang gezogen. Bei Kalek taucht ein stimmungsvolles Kirchlein außerhalb des Ortes auf, nahebei müsste das Hotel sein, das ich eigentlich eingeplant hatte. Ob offen, ist ohne separaten Stichweg hinauf nicht zu sagen (gilt als fahrradfreundlich). Die Straßenroute nun weniger aufregend, zu spröde sind hier die Gräser geworden, weniger der farbenfrohe Lärchenhumus. Doch auch die Sonne beendet früh ihren Dienst und lässt den Tag trübe vor sich hinsiechen. Beim Grenzübergang Reitzenhain stößt man auf eine verkehrsträchtige Transitstrecke zwischen Marienberg und Chomutov. Nach Steinbach ist es wieder beschaulich – schon fast zu beschaulich, so hat man Angst um eine gewerbearme Region, wo der Bäcker nur wenige Stunden mal morgens, mal nachmittags öffnet. Das Preßnitztal ist weniger eine Novemberdomäne, hängt bereits zu tief mit schlichter „Normalvegetation“. Da braucht es frisches Frühjahrs- oder Sommergrün, um das Tal zu schmücken. Aber man ahnt auch hier, welch hübscher Landstrich. Nach Jöhstadt steigt man kräftig innerhalb des Ortes und landet auf einer eher langweiligen Hochebene, gleitet ab und fast eben alsbald über Bärenstein, gegenüber genauso eine Straße auf der tschechischen Seite, die industriell geprägt ist. In der Dunkelheit bleibt aber meine Sicht auf wenige Schwibbögen und den Lichterglanz des städtischen Vejprty beschränkt. An der Straße hätte es einige Gasthöfe zur Einkehr gegeben, umso überraschender, dass ich in Oberwiesenthal Mühe habe, eine der einfacheren Unterkünfte offen vorzufinden. Schon entschlossen, den Ort zu verlassen, sehe ich noch ein Schild „Gästezimmer“ und war just in time dort, weil der Inhaber als Pendler erst gerade ins Haus gekommen war. Als überraschter Alleinerbe muss er den Renovierungsbedarf über Zusatzeinnahmen aufstocken. Er wollte mir die Folgewoche schmackhaft machen, wenn weihnachtliche Blasmusik am Markt Leben und Atmosphäre in den jetzt eher zu ruhigen Ort bringt. Fr 25.11. Oberwiesenthal – Wiesenthaler Pass/Neues Haus (1083 m) – Bozi Dar – R2008 – Myslivny – Rittersgrüner Pass (980 m) – Zlaty Kopec – Böhmische Mühle – Rittersgrün – Pöhla – Schwarzenberg – Breitenbrunn – Johanngeorgenstadt – Horni Blana – Plattener Pass (914 m) – Novy Hamry – NejdekÜ: H Anna 37 € mFr AE (dito): Schweinefilet m. Käse & Schinken, Bratkart., Bier, Palatschinken m. Heidelbeeren/Sahne 10 € 79 km | 1025 Hm | 13,6 km/h | 5:48 h Der Zerrkampf zwischen Nebelwolken und Aufheiterung setzt sich schwerfällig fort. Ob es der Dampf der Lok der Fichtelbergbahn ist, die gerade am Morgen startet? Am Fichtelbergpass ist die Sichtweite kaum 50 Meter. Die restlichen knapp 150 Hm lohnen hier nicht zu fahren. Mit Aussicht ist nicht vor 1-2 Stunden zu rechnen, wenn überhaupt. Der Tag bleibt unentschieden. Zwar hellte es zur tschechischen Seite auf – das hätte aber evtl. nur eine Auffahrt zum Klinovec (Keilberg) begünstigt, der Fichtelberg blieb wohl dauernd etwas versteckt. Also weder höchster Berg des Erzgebirges noch höchster Berg Sachsens – keine Heldentrophäen heute. Nun ja, es sind ja eher Bergkuppen. Dennoch umgibt sie eine spezifische Bergwiesenflora, die allerdings auch den Sommer braucht. Bozi Dar (Gottesgab) ist eines der wenigen Beispiele, wo die tschechische Seite belebter ist als die deutsche. Der Ort besteht aus zahllosen Pensionen, Hotels und Kneipen, hat sich zusammen mit dem Fichtelbergareal zu einem Zentrum des Skitourismus entwickelt und offenbar auch ausreichend Potenzial für die schwachen Zwischenzeiten – sogar ein Bus ankerte vor einem Hotel. Der Ort ist aber keinesfalls hässlich, wirkt charmant und lässt sich einiges für die Gäste einfallen. Die Loipen- und Radwege werden begleitet von lustig bemalten Holzstumpen und Wurzelwerke, Kinder finden Schaukeln, Naturinfos oder auch Geschichten wie etwa auf dem Christkindl-Weg. Aus dem Wald raus und zurück auf Straße, zweigt bei einem Trinkwasserspeicher die Rittersgrüner Passroute mit recht kräftigem Anstieg und nicht durchgehend asphaltierten Weg ab. Auf Vereinbarung kann man einen alten Bergstollen besichtigen, die Streusiedlungen haben viele historisch interessante Wurzeln. An der Böhmermühle kehrt man auf die Fichtelbergpassstraße zurück. Dieser unnötige Umweg ist wegen des urwüchsigen Bergcharakters aber durchaus lohnenswert. Für eine offizielle Führung am Museumsbahnhof Oberrittersgrün kann ich mich nicht entschließen und fahre daher nach dem Erwerb von etwas Plauener Spitze ins Pöhla-Tal ab. Auch hier stellt sich die Bergwerksregion in den Vordergrund, so auch in den überlebensgroßen Holzmännchen an der ansteigenden Straße zur Altstadt in Schwarzenberg. Schwarzenberg – als Perle des Erzgebirges betitelt – ist sehr lebendig, wenngleich der angeschriebene „Radladen des Erzgebirges“ keine bedeutende Adresse ist (halb Motorrad). Den Stadtrundgang beendet man mit dem Schloss, welches ein Sackgasse auf dem Berg darstellt. Zuvor durfte ich aber dem Glockenspiel auf Meißener Porzellan zuhören, das mal wieder rechtzeitig erschallte. Die Porzellanglocken werden hier durch Holzläden geschützt und nur zum Spiel offen gelegt. Das Schwarzwassertal, wieder ein Tal der leichten Art, lässt sich gut an, zeigt sogar etwas Fels Bergtalcharakter. Der Verkehr stärker, aber durchaus erträglich. Johanngeorgenstadt lasse ich über mir am Berg liegen, weil die Dunkelheit mich wieder einholt. An der tschechischen Grenze großer Trubel mit Blinklichtern und den schon bekannten Asiamärkten. Erstmals sehe ich überhaupt, dass es auch Kunden gibt. Der Spuk ist schnell vorbei, es folgte eher böhmische Idylle, das Tal verschärft nun die Steigung etwas. Tatsächlich hart ist die Steigung von Horni Blana rüber nach Novy Hamry. Die dortigen Hotels machen auf mich eher einen zweifelhaften Eindruck und ich jage das Tal noch weiter runter bis Nejdek (Neudeck), zwar eingangs von Fabriken gesäumt, im Stadtkern aber von schmucken Jugendstilhäusern umschlungen wie in viele tschechischen Städten zu finden. Digitaltrack SBV-3/4Bildergalerie SBV-3 (182 Fotos): Fortsetzung folgt
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#1259712 - 11.01.17 20:41
Re: Saxonia Bohemia Velogida
[Re: veloträumer]
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KAPITEL SBV-4 Drei-Länder-AusKLANG im Riesenformat mit Westerzgebirge und Vogtland mit Musikerwinkel und sächsischem BädereckDas Vogtland beginnt eigentlich bereits in Schwarzenberg, andererseits reicht das Westerzgebirge noch bis in den Musikerwinkel bei Klingenthal. Die Schlussakkorde der Tour sind einerseits wortwörtlich im Sinne der Musik zu nennen, andererseits aber auch schon ein Abgesang der Tour, die nun wettertechnisch sich immer ungünstiger gestaltete. So ist dann die Vogtland-Erkundung nicht viel mehr als ein Epilog der Tour und hat doch ein gewisses Gewicht. Musiktipp: Eigentlich eröffnet dieses Kapitel alle denkbaren Querbezüge, nimmt man den Museumsbesuch zur Grundlage. Musikinstrumente zogen aus in alle Welt und mutierten immer wieder zu neuen Klanggebilden, die reich das Echo der Kulturen der Welt zurückwerfen. Sehnsuchtsvoller als der Tango kann kaum eine Musik die Wehmut ausdrücken, die Wehmut, die auch bei jedem Abschied einen überfällt. Ein Bandoneon-Meister des Tango Nuevo mit einer deutschen Cellistin lassen hier zwei Instrumente erklingen, die sehr typisch für den vogtländischen Musikerwinkel sind. Dino Saluzzi & Anja Lechner: “Gabriel Kondor“ (6:05 min.)Sa 26.11. Nejdek – Jindrichovice – Kraslice – Klingenthal – Zwota – Gopplasgrüner Höhe (725 m) – Markneukirchen – Adorf – Bad BrambachB: Musikinstrumentenmuseum Markneukirchen 7,50 € (m. Fotografieren) Ü: H Jungbrunnen 40 € mFr AE (dito): Schlachtfest -Büffet, Bier 25 € 68 km | 860 Hm | 13,7 km/h | 5:01 h Sehr angenehm war der Aufenthalt in Nejdek, direkt im Hotel gab es heimischen Honig und Schokoladen mit historischen Stadtmotiven. Den Sinn für grüne Fassaden haben sie zu beiden Seiten der Grenze – in Sachsen wie in Tschechien, doch liebt der Tscheche die Farbe noch mehr. Der Reiseführer macht ihnen sogar den Vorwurf, wertvolle alte Häuser mit billiger greller Farbe zu verunstalten (so schreibt Bussmann/Tröger über As). Ich sagte mir da beim grünen Haus ausgangs Nejdek – soll das heißen, ich solle wiederkehren, es ist deine Farbe, also auch dein Land? Teiche und kleine Seen, auch in den Orten, sorgen immer wieder für kleine Liebkosungen in der Landschaft, die sich ein wenig ändert, etwas Wildheit verliert, weniger markante Element in sich trägt. Vor Kraslice gelangt man nochmal abwärts in ein enges Flusstal, dass eine gute Bahnverbindung zwischen den Ländern ermöglicht. Kraslice steht Nejdek kaum nach mit hübschen Villen und Bürgerhäusern, mit Fachwerk, Türmchen oder Pastelltönen in Szene gesetzt. Selbst die modernen Plattenbauten haben einen eigenen Charakter – mögen sie nicht zu schnelle vermodern. Auch dieser Grenzübergang kennt wieder ein ausgelöschtes Dorf – Markhausen. Zu den schönsten Zeiten des 20 .Jahrhunderts, den freien und Kunst-Jahren, den Jahren des ausschweifenden Lebens, also um 1930, gab es in dem Ort zwei Musikkapellen und acht Gaststätten, in die man von weit her gerne zum Tanzen kam. Wie freudlos 90 Jahre später – ein Stein am Straßenrand, wo LKWs achtlos vorbeirauschen. Wie sich die Zeiten ändern. Bereits Kraslice und die Umgebung ist ein Zentrum der Musikinstrumentenindustrie gewesen und bediente als Zulieferregion viele der prominenteren Musikinstrumentenfabrikanten zur anderen Grenzseite in Klingenthal, Schöneck oder Markneukirchen. Sogar sollen sie die Zulieferer damals ausgebeutet haben, weil es die großen Fabrikanten oder Händler mit den Exportkompetenzen waren, die die Preise bestimmen konnten. Solches und anderes erfährt man im Musikinstrumentmuseum in Markneukirchen. Mit über 3000 Instrumenten kann es zwar mit dem Nussknackermuseum nicht ganz mithalten, aber die Exponate (etwa 1000) sind dafür handwerklich deutlich aufwändiger gefertigt. In das Vogtland kamen einst die böhmischen Instrumentenbauer und ließen sich dort nieder. Auch heute blüht diese Industrie wieder auf und sorgt für eine Dichte der Instrumentenhersteller, wie man sie woanders nicht mehr findet. In einer alten Bürgervilla werden heute junge Leute im Fach ausgebildet. Neben der Konzentration des Handwerks in einer Region waren es vor allem besondere Fähigkeiten, die Instrumente aus dem Vogtland zu einem weltweiten Exportschlager machten. So wurden Sägewerke gebaut, die jene feinen, dünnen Hölzer zuschneiden konnten, wie man sie etwa für Gitarren oder Geigen brauchte. Gleichwohl fanden Blechblasinstrumente und Harmonikas ebenfalls hier einen fruchtbaren Boden. Rekorde denn auch hier: Die Riesentuba (Subkontra B) stellt sich mit 50 kg und 2,o5 m Höhe doppelt so groß wie eine normale Tuba auf. Die Luftsäule darf dabei einen Rohrweg von 11,20 m passieren. Das Mundstück ist zwar nicht direkt, aber doch mittels Adapter spielbar. Eine Sache für konditionsstarke Radler sicherlich, wobei ich es mit Rücksicht auf mein schwache Winterkondition nicht versucht habe. Die größte spielbare Geige findet sich gleich daneben. Die 4,27 m Holz und Leim brauchen zwei Etagen im Museum, die 131 kg habe ich nicht geprüft. Den über 5 m langen und fast 16 kg schweren Bogen müssen dann gleich mehrere Personen spielen, da braucht es viel Feingefühl in der Abstimmung. Pizzicato müsste aber einfach bleiben, wenn man nicht zu klein gewachsen ist. Das Museum, in zwei schmucken Bauten, dem Gerberhaus und dem Paulusschlösschen, untergebracht, wurde bereits 1883 gegründet und konnte sein Stellung als gewichtige Sammlung stets ausbauen. Auch in DDR-Zeiten konnte sich das Museum als bedeutende Kulturstätte halten und Fördergelder gewinnen. Die Zahlen der Besucher sind heute niedriger als zu DDR-Zeiten (40000:100000) – eine Folge der neuen Reisefreiheit, die auch viele andere Sehenswürdigkeit betrifft, etwa auch die Sächsische Schweiz (Zahlen dazu kann man z.B an der Oberen Schleuse der Kirnitzschklamm nachlesen). Die Sammlung umfasst neben den Werkstätten samt der Schilderung der sozialen Verhältnisse eine Reihe exotischer Exponate. Eine historische Handorgel, eine alte Drehleier sowie das selbstspielende Pianola wurden auch vorgeführt. Sehen kann man so ungewöhnliche Instrumente wie Cister, Mandoloncello, Tripelgitarre, Stockgeige, Serpent oder Klappentrompete. Der Formenvielfalt sind keine Grenzen gesetzt und manches Instrument wurde vor allem der Schönheit wegen gebaut, wie die Ziergeigen vermuten lassen. Noch mehr Kuriositäten bietet die Sammlung außereuropäischer Instrumente, die bereits kurz nach Gründung des Museums angelegt wurde. Der Museumsshop hält neben spezifischer Literatur, diversen Souvenirs, echten Mundharmonikas auch handwerklich hochwertige Miniaturen einiger Instrumente bereit, eine E-Gitarre als Uhr ziert jetzt meinen Schreibtisch. So trüb war schon lange kein Tag, ich überlegte kurz sogar die verfrühte Abreise, was aber mangels ausreichender Verbindungen nicht mehr möglich war. Da ahnte ich schon den Folgetag. Adorf, auch als schöne Stadt empfohlen, zeigt sich ähnlich wie Markneukirchen recht still. Nun legte ich mich als Ziel auf Bad Brambach fest, im Zweifel auch noch ein Bade-Sauna-Besuch. Zu dem kam es dann nicht, denn mein Landhotelwirt eröffnete mir, dass es Schlachtfest gäbe und wenn ich wolle, mich dort am Buffet beteiligen könne. Quasi passend zum Tage spielte eine traditionsbewusste Truppe zünftige vogtländische Volksmusik – der Älteste der Musikanten mit Akkordeon war gleichzeitig der schlüpfrige Geschichten- und Witzedompteur. Geschmacklich war ich vom Schlachtfest nicht so angetan, obwohl natürlich alles von hauseigener, bester Qualität war. Der Abend brachte mich aber noch mit Bayern und Einheimischen zusammen, was ein paar interessante Ansichten vermittelte. Insofern auch ein stimmiger Teil von Saxonia Bohemia Velogida. So 27.11. Bad Brambach – Oberreuth – Horni Paseky – As – Neuhausen – Rehau – Wurlitz – Kautendorf – Tauplitz – Hof51 km | 755 Hm | 12,9 km/h | 3:59 h Nein, es war noch nicht Ende. Ich musste noch einmal raus. Die erste Nacht mit Frosttemperaturen und gleich drauf der Regen bei 3 °C – mal nieselig, mal schneematschig und auch mal als Eisregen – kurz: sehr ungemütlich. Ich war aber gut vorbereitet, denn schließlich hatte ich im „Jungbrunnen“ genächtigt. Leider bekamen es die Brambacher nicht auf die Reihe, mir die korrekte Ausfahrt aus dem kleinen Kurort zu weisen. Ich hatte wegen Dunkelheit am Abend zuvor gar keine Orientierung, wo ich eigentlich war. Schließlich fand sich der Weg auch deswegen so schlecht, weil die kürzeste Verbindung nach As eigentlich keine durchgehende Straße ist. Auch hier wieder Mängel in der infrastrukturellen Zusammenarbeit der Länder. Ein kleines Stück war schottrig und matschig, vorbei wiederum an einem „vergessenen“ Dorf. As ist sehr belebt, aber nicht so einladend trotz einiger schöner Bürgerhäuser. Auch dort war eine zuverlässige Auskunft für den Weg nach Rehau nicht zu bekommen. Gleichgültigkeit und Unfreundlichkeit fand ich dabei etwas befremdlich, kennt man aus romanischen Ländern anders. Auch hier musste ich eine matschige Waldpistenpassage überwinden, wohl auch weil die Straßenkarte Mängel hat. In Bayern wirkt alles sehr gediegen, brav und wohlhabend – es ist im Vergleich zu Tschechien, aber auch zu vielen Regionen in Sachsen sehr auffällig. Die Angleichung der Lebensverhältnisse ist doch noch asymmetrisch. Spaß hatte ich dann aber kaum noch, zum Schluss verhagelte mir der Eisregen die Laune auf eine Besichtung oder einen gemütlichen Ausklang in Hof und nutzte einen ungeplant frühen Zug zur Rückkehr. Das war’s schon fast – eine Kleinigkeit gibt es noch, auch wenn Weihnachten schon vorbei ist… Bildergalerie SBV-4 (117 Fotos): Fortsetzung folgt
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#1259713 - 11.01.17 20:43
Re: Saxonia Bohemia Velogida
[Re: veloträumer]
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Nicht jede Reise hinterlässt bleibende Spuren, aber manche doch. Sie arbeiten in einem weiter, bringen neue Gedanken, spinnen Geschichten und wollen sich in anderen Formen entwickeln – in Bildern, in Worten, vielleicht auch in Taten. Die tiefen Erlebnisse der Reise waren vielfältig, doch wohl war es die Poesie der Bilder und Farben, die malerischen Mutationen der Blickwinkel, die sich niedergeschlagen haben und in ein paar letzten lyrische Worte gefasst werden wollen:
Novemberlichter im Erzgebirge
Der Nebel hoch schluckt das Licht, im Morgen stumm die erste Stunde bricht – ich kann noch schweigen – nein, nicht lange, nicht ewig!
Den Tropfen nachts gefangen, im Tau zu Reif gerieselt, als Glanzkristall nun krönt den Untertan hernieder biegend – den dürren Halm – du Schöner!
Ein jeder Sonnenstrahl so zart den Humus lustvoll leuchten lässt, die Lärchennadeln am Wonnebusen gratiniert, gebleichtes Chlorophyll zu rotem Gold gewandelt – nun nährt das Erdenblut – du Frucht des Lebens!
So mancher hier am Wegesrand erwartet Leben selbst im Tod, der Pilz sich greift den Stamm der Birke, die Flechten überziehen tote Fichten – gar tanzen silbrig glitzernd fesch im Paillettenkleid – ihr Freudengeister!
Im Zweigentor des Hagebuttenstrauchs, da tropfen die roten Wunden sehr, was Feindlichkeit und Grenzen hier verletzten: den freien Bund der Menschen himmelblau und ungeteilt – welch Farbenfest so gierig rasch verzehrt sein kann!
Du Iris der getreuen Europa, wache nur – wache sehr!!
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#1259714 - 11.01.17 20:47
Re: Saxonia Bohemia Velogida
[Re: weisszeh]
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Den Sneznik solltest Du Dir aber mal noch "geben", irgendwann und bei guter Sicht. Einige Formulierungen in meinem Bericht werden dich ahnen lassen, dass das schon im Hinterkopf abgelegt ist.
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#1259717 - 11.01.17 20:54
Re: Saxonia Bohemia Velogida
[Re: natash]
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Die Leute in Techechien empfand ich selbst nicht unfreundlich, sondern eher als reserviert. Zumindest gegenüber Sprachfremden. Das ist aber in einigen slawischen Ländern so, da braucht man manchmal ein wenig Auftauzeit. Ja, das wäre vielleicht die bessere Formulierung gewesen - für die meisten Situationen (so viele waren es auch wieder nicht - ich will jetzt daraus keien Schelte und Affäre machen). Die Beobachtung im slawischen Raum teile ich auch so. Allerdings erwarte ich von Leuten im Gastgewerbe, dass sie Geld verdienen wollen. Wenn man da aus vorgeschobenen oder unsinnigen Gründen (Zimmer ist zu groß für mich) weggeschickt wird, obwohl man ein abgekämpften Radler vor sich stehen hat, den man dann wieder in die Dunkelheit schickt - hm, da sollte ja mal ein freundliches oder hilfreiches Wort möglich sein - Mentalität hin oder her...
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Off-topic
#1259737 - 11.01.17 21:44
Re: Saxonia Bohemia Velogida
[Re: natash]
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Als ich vom "Eindruck des Unfreundlichen" las musste ich schlucken . Dieser Eindruck ist mir bei den Tschechen nirgends über den Weg gelaufen - vielleicht liegt das an der Jahreszeit (ich war im Sommer dort). 05:30 Uhr in der S-Bahn springt dich um diese Jahreszeit auch in Deutschland keine Freundlichkeit an.
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#1259757 - 12.01.17 00:02
Re: Saxonia Bohemia Velogida
[Re: Friedrich]
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Als ich vom "Eindruck des Unfreundlichen" las musste ich schlucken . Dieser Eindruck ist mir bei den Tschechen nirgends über den Weg gelaufen - vielleicht liegt das an der Jahreszeit (ich war im Sommer dort). 05:30 Uhr in der S-Bahn springt dich um diese Jahreszeit auch in Deutschland keine Freundlichkeit an. Lies mal andere Reiseberichte von mir. Ich mache da keine Ausnahme, die Pfälzer haben diesen Winter von mir auch schon ihr Fett abbekommen, die Schwarzwälder traf es im Spätsommer, an den Österreichern habe ich auch schon schwer herumgeschraubt, Italiener habe ich auch schon zum Unmut hier "geschlagen" usw. Manchmal möchte man einfach nur, das etwas besser wird, weil man gerne wiederkommen würde. Die Aussage in der Tendenz ist ja auch zitert von anderen Leuten aus der Region, genauer von Sachsen. Sogar eine meiner Arbeitskolleginnen kommt aus der Erzgebirgeregion und erzählt ähnlich über die Tschechen. Ich kenne auch andere Aussagen, die lauten "immer freundlich". Ich weiß dann aber nie, ob damit evtl. nur ein allzu professionelles Touristikumfeld abgegriffen wurde, wo man die Zwischentöne nicht mitbekommt, wenn es mal nicht nach Schema F läuft. Standardfloskeln der Schmeichelei liegen mir fern. Überzeichnen (das ist ja hier nicht mal der Fall) tue ich auch gerne in die andere, die gute Richtung - da könnten sich viele Tourismusverbände erstmal bei mir bedanken. Also bitte nicht überbewerten, auch in der Wortwahl, aber ein bisschen muss was dran sein, vgl. auch die Geschichtserfahrungen in der Region, die noch lebendiger sind als bei uns, zumindest in Westdeutschland. Die Deutschen haben da eben nicht die besten Karten, moderne Entwicklungen wie Sextourismus inklusive.
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#1259828 - 12.01.17 08:57
Re: Saxonia Bohemia Velogida
[Re: veloträumer]
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Mal wieder ein echter Velotraum Jetzt muss ich sogar mehrfach Danke sagen. 1. Du hast dieses mal ein paar Bilder mehr im Bericht. Die Stimmung zur Novemberzeit kommt beim Lesen sehr schön rüber. 2. Das Ende des Radeltages gegen 16:15 Uhr trifft meinen Geschmack punktgenau. 3. Die Erzgebirgsmagistrale auf tschechischer Seite hab ich nach meinen guten Erfahrungen in Tschechien auf meiner Bayerntour schon länger auf dem Schirm. Du hast mir eine vorzügliche Vorlage geliefert. Wie immer verlangt dein Bericht eine genaue Auseinandersetzung mit der Landkarte. Dies werde ich zu gegebener Zeit nachholen. Herzliche Grüße Jürgen
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Off-topic
#1259831 - 12.01.17 09:12
Re: Saxonia Bohemia Velogida
[Re: Friedrich]
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Der Bericht über die "Verweigerung der Herberge" kam mir leider sehr bekannt vor. Trotz erbärmlichen Regens und später Stunde wurde ich auch bei meiner letztjährigen Radtour in Tschechien gleich von mehreren Hotels und Unterkünften abgewiesen, wobei ich zweimal zunächst von der "niederen Charge" die Auskunft erhielt, dass Zimmer frei sein würden und dann der Chef von "Überbelegung" sprach. Es gab dann - nach 180 km Tagesetappe - aber auch einen freundlichen Wirt, der mir in seinem Restaurant ein Bedienstetenzimmer anbot. Negativ war dabei aber, dass ich einen Preis mit Frühstück in seinem Restaurant abends zahlte und in der Früh keiner mehr wusste, was ein Frühstück sei.
Das mögen unglückliche Anhäufungen von negativen Erfahrungen gewesen sein, aber sie hinterlassen zumindest ein etwas getrübtes Bild.
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Gruß, Arnulf
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#1259932 - 12.01.17 14:18
Re: Saxonia Bohemia Velogida
[Re: veloträumer]
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Ein blöde und vielleicht ketzerische Frage, die mich aber sehr interessiert: Von wo nach wo bist du denn überhaupt gefahren - Sachsen und Böhmen klar, aber wo gestartet, wo lang und wo beendet? Irgendwie bekommt man das ohne stundenlanges Lesen nicht heraus, und auch dann nur mit Mühe. Einen verlinkten Track oder sowas finde ich leider auch nicht. Dabei interessiert mich die Gegend sehr. Könntest du das vielleicht in ein bis zwei Sätzen zusammenfassen? Gruß Thoralf
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#1259941 - 12.01.17 14:48
Re: Saxonia Bohemia Velogida
[Re: veloträumer]
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Lies mal andere Reiseberichte von mir. Ich gebe mir Mühe, ich nehme mir Zeit, … Ich kenne auch andere Aussagen, die lauten "immer freundlich". Ich weiß dann aber nie, ob damit evtl. nur ein allzu professionelles Touristikumfeld abgegriffen wurde, wo man die Zwischentöne nicht mitbekommt, wenn es mal nicht nach Schema F läuft. Standardfloskeln der Schmeichelei liegen mir fern. Das Abgreifen „professioneller Touristikumfelder“ war noch nie Sinn und Zweck meiner Radreisen und ein Gespür für Zwischentöne habe ich dank Herkunft und Ethnie frühzeitig entwickeln können (ohne Schema F, Standardfloskeln und Schmeicheleien ) . Geschichtserfahrungen sind in Tschechien gewiss lebendiger (vor allem die negativen) und recht präsent bei der älteren Generation; die jüngeren Leute haben davon teilweise Abstand genommen ohne ihr Geschichtsbewusstsein zu verlieren. Sextourismus war noch nie Thema meiner Radreisen auch wenn ich dabei Gegenden gestreift habe die von deutschen Gockeln gerne aufgesucht werden. Unfreundlichkeit ist mir in Tschechien nirgendwo begegnet – vielleicht hatte ich nur Glück und kein Bedürfnis „herumzuschrauben“ . Schreib weiter
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#1259942 - 12.01.17 14:51
Re: Saxonia Bohemia Velogida
[Re: Toxxi]
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Ein blöde und vielleicht ketzerische Frage, die mich aber sehr interessiert: Von wo nach wo bist du denn überhaupt gefahren - Sachsen und Böhmen klar, aber wo gestartet, wo lang und wo beendet? Irgendwie bekommt man das ohne stundenlanges Lesen nicht heraus, und auch dann nur mit Mühe. Einen verlinkten Track oder sowas finde ich leider auch nicht. Dabei interessiert mich die Gegend sehr. Könntest du das vielleicht in ein bis zwei Sätzen zusammenfassen? Gelich gegen Anfang findest du u.a. diese Stelle: Planung, Routenwahl & Witterungseinflüsse – ein GlückstrefferZurück zum profanen Radleralltag. Dieser beginnt immer und in irgendeiner Weise mit einer Planung. Die „Schnapsidee“ reifte über ein Jahr, eine entsprechende Anfrage stellte ich bereits hier ein Jahr zuvor. Allerdings ergriff ich die Gelegenheit nunmehr unter umgekehrten Vorzeichen der Himmelsrichtungen – sprich: statt von Südwest nach Nordost kehrte sich die Richtung um auf von Nordost nach Südwest, grob skizziert von Dresden nach Hof. Zudem besitzen alle vier Regionalkapital die Etappen mit Ortsangaben in Fettdruck. Die erste Etappe beginnt in Bad Schandau. Diese Datenblöcke sollten leicht zu scrollen sein, eben weil sie fett sind wie noch einige andere Überschriften. GPS-Tracks findest du zwei, einen Ende Kap. SBV-1/vor der Bildergalerie SBV-1 (Elbsandsteingeb.) und einen Ende Kap. SBV-3/vor der Bildergalerie SBV-3 (Erzgebirge/Vogtand im Track zusammengefasst). Ich dachte, du bist verpflichtet alles im Forum zu lesen
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#1259944 - 12.01.17 14:58
Re: Saxonia Bohemia Velogida
[Re: Friedrich]
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Sextourismus war noch nie Thema meiner Radreisen auch wenn ich dabei Gegenden gestreift habe die von deutschen Gockeln gerne aufgesucht werden. Das hast du jetzt vielleicht irgendwie falsch interpretiert. Eine bestimmte Verhaltensweise der Deutschen, die über die Grenze kommen, könnten bestimmte Negativbilder verankern oder verstärken. Ob du das machst, ist dabei egal, wenn es eine andere relvante Gruppe gibt, die evtl. unangenehm im Lande auffällt. Es ist manchmal gut, etwwas zu wissen, was man selbst nicht macht. Das ist wie mit dem Handtücher-Reservieren an Stränden und Hotelpools oder Ballermann in Mallorca. Ob tatsächlich Sextourismus in Tschechien allerdings tatsächlich negativ konnotiert (und im Zusammenhang mit Deutschen) wird, kann ich dir leider auch nicht sagen - da fehlt mir auch etwas die Erfahrung.
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#1259945 - 12.01.17 14:59
Re: Saxonia Bohemia Velogida
[Re: veloträumer]
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Gruss Markus Forza Victoria !
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#1259947 - 12.01.17 15:03
Re: Saxonia Bohemia Velogida
[Re: Toxxi]
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Beides ist allerdings vorhanden. Zum einen werden die Tagesetappen mit Ortsangaben zusammengefasst und zum anderen gibt es am Ende der Abschnitte jeweils einen Hinweis auf die "digitale" Version der Strecke.
P.S. Hat Matthias inzwischen ja schon selber geschrieben ...
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Gruß, Arnulf
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Geändert von Keine Ahnung (12.01.17 15:04) |
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#1260063 - 13.01.17 06:34
Re: Saxonia Bohemia Velogida
[Re: Keine Ahnung]
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Netter ausführlicher Bericht über eine der wenigen Gegenden in CZ die ich noch nicht beradelt habe. Was die Unterkünfte betrifft : gerade in den ehemal. Oststaaten gibt es WLAN in jedem kleinen Cafe - ich buche unterwegs (wenn ich abschätzen kann wo es mich am Abend hinverschlägt) über booking einfach ein Zimmer. Das Suchen am smartphone ist immer noch einfacher als in einem Ort von Quartier zu Quartier zu radeln und Preis/Frühstücksdiskussionen bleiben so auch erspart. Im Feld "Anmerkung" kommt der Standardsatz : " I need a safe and locked place for my bicycle and breakfast at 7.am.". Hat bisher noch überall auf der Welt geklappt...
Gruß Gerold
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#1260162 - 13.01.17 14:07
Re: Saxonia Bohemia Velogida
[Re: gerold]
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Ich bin ein homo analogus und die meisten Erfahrungen damit sind durchaus positiver Art. Ob es vorteilhaft ist, bei ohnehin kurzen Tageszeiten unterwegs durchs Web zu streunen, bezweifle ich - zumal auf meinen Strecken nicht überall geöffnete Cafés lagen. Weitere Anmerkungen zum Thema von mir ausreichend im Forum... - jede Sache hat eine endliche Falle.
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Geändert von veloträumer (13.01.17 14:09) |
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#1260349 - 14.01.17 20:02
Re: Saxonia Bohemia Velogida
[Re: veloträumer]
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Hi Matthias, mit deiner Spätherbst-Radreise warst du anfangs ja in meiner unmittelbaren Heimat unterwegs. Habe mir deshalb deinen Bericht mit besonderem Interesse angesehen. Danke für die Eindrücke. Deine Strecken im ersten und anfangs zweiter Teil bin ich natürlich alle schon mehrfach gefahren, einiges davon gehört zu meinen Standardrepertoire. Hast dir im Bereich Sächsische und Böhmische Schweiz auf jeden Fall schon eine ganz nette Variante ausgedacht. Und hügelig genug für den Herren Bergradler sollte es ja auch gewesen sein... In den verlinkten Tracks ist manch kleiner unwichtiger Schlenker usw. drin. Wirkt irgendwie wie aufgezeichnet. Bist du unter die Technikfreaks gegangen? Schön auch zu lesen, dass du eine Rückkehr ins Elbsandsteingebirge und Umgebung zu deinen Reisepflichtaufgaben erhoben hast. Gibt sicher noch Einiges für dich zu entdecken. Muss ja nicht gerade im nasskalten November mit diversen ungeplanten Dunkelfahrten sein...
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#1260574 - 15.01.17 19:56
Re: Saxonia Bohemia Velogida
[Re: Moarg]
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In den verlinkten Tracks ist manch kleiner unwichtiger Schlenker usw. drin. Wirkt irgendwie wie aufgezeichnet. Bist du unter die Technikfreaks gegangen?
Aber, aber, Stefan! Die Digitaltracks sind reine Bonus-Leistungen für die Grobmotoriker gedacht, die Schwierigkeiten mit dem Falten von Landkarten haben. Ich selbst habe die nach Abschluss des Berichtes noch schnell bei GPSies erstellt, bin aber wohl auch dann recht detailversessen. Einziges Limit ist ein bisschen mein PC, der zumindest online recht langsam reagiert - deswegen auch lieber mehrere Tracks (passt aber auch inhaltlich). Ohnehin sind die Tracks hier relativ sinnlos nachzufahren, da ja in anderen Jahreszeiten ganz andere Möglichkeiten bestehen - auch mein Plan sah sehr verschieden davon aus. Route durch Nationalpark - okay, das kann man als Vorlage nehmen, aber das sieht man auch gut anhand der verlinkten Radkarte. Aber wer kann die noch lesen? Richtig, die Nähe zu dir war mir bewusst, die erste Planung lief noch durch Pirna, flog dann raus und die tatsächliche Route war dann noch weiter weg. Habe jetzt Pirna nur per Autodurchfahrt und per Bahndurchfahrt gesehen. Ich hatte auch kurz an eine PN zum Treffen mit dir gedacht, aber das verworfen, weil sich zwei Treffen so nicht einfach managen lassen, war ja selbst mit Birgit und Hans letztendlich auch noch zu kurz. Als ich den Rennradler im Kirnitzschtal gesehen habe (Foto in der Galerie), habe ich kurz gedacht, das könnte theoretisch auch der moarg sein, der muss ja seine Pustetouren auch im Winter trainieren. Da ich sehr diszipliniert und entspannt gefahren bin, waren die Höhenmeter gar kein Problem - die Strategie war, nicht an irgendwelche Limits zu gehen, weil sonst Erkältungsgefahr bestehen könnte (bei zu starker Atmung). Die Höhenmeter dort würde ich auch nicht überschätzen, habe hier hin und wieder Winteretappen im Schwarzwald, die waren fordernder. Die Tour war aber sicherlich die, auf der ich den geringsten sportlichen Ehrgeiz entwickelt habe - von der Januar-Tour mal abgesehen. Das war also sehr bewusst ganz anders angegangen als manche Rampentour. Ohnehin sage ich mir immer öfters "Du musst nicht jeden Berg gefahren sein" - ich werde halt auch weise.
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