Re: Saxonia Bohemia Velogida

von: veloträumer

Re: Saxonia Bohemia Velogida - 10.01.17 20:41

KAPITEL SBV-1
Die Sächsisch-Böhmische Schweiz mit dem Elbdurchbruch im Elbsandsteingebirge

Musiktipp: Der Leipziger Pianist Jochim Kühn steht für die gespaltene (Musik)Geschichte Deutschlands “Poet“ (8:42 min.). Während sein älterer Bruder und Klarinettist ausschließlich ein Westbindung hatte, emigrierte Joachim Kühn erst 1966 aus der DDR. Er wurde zum Weltenbürger, der immer wieder Kultur- und Stilgrenzen überschreitet und seine ganz eigene harmonische Konzeption entwickelt hat, von Fusion über Klassik und Freejazz reicht das Spektrum bis zu multiethnischen Kooperationen. So ist er ein ständiger Brückenbauer, so auch hier mit russischen Saxophonisten Alexey Kruglov.

Ähnlich wie für das Vogtland am Ende der Reise gilt auch für die Region im ersten Teil, dass parallel ein soziogeografischer als auch geologischer Begriff für das fast Gleiche steht. Während das Elbsandsteingebirge die geologische Formation zu beiden Seiten der Elbe zwischen Pirna und Decin bezeichnet, verweißt der Begriff Sächsisch-Böhmische Schweiz gleich auf mehrere kultur-historische Akzente dieses Landstrichs. Nicht nur heute verläuft mitten durch das Gebiet die Grenze zwischen Tschechien und Deutschland, sondern auch bereits früher, als beide Teile noch deutschsprachig waren, unterschieden sich Kultur und Völker schon in Sachsen und Böhmen. Der Begriff bildete sich jedoch historisch Mitte des 18. Jahrhundert heraus und wird den beiden Schweizer Malern Adrian Zingg und Anton Graff zugeschrieben, die mit zu den Entdeckern dieser Landschaft zählten und Ähnlichkeiten zu ihrer Schweizer Heimat empfanden. In der Folge ließen weitere Schweizer Touristen es sich nehmen, den Landstrich mit Begeisterung zu besuchen und veranlassten neue Einkommensmöglichkeiten nicht nur über Gasthäuser, sondern auch über Saumtaxen für Träger oder Pferde.

Dabei könnte es verwirrende Erwartungen geben, wenn man das heutige Klischee der Schweiz mit der alpinen Bergwelt als Grundlage nimmt. Die o.a. Maler aus St. Gallen und Winterthur hingegen hatten vielmehr den Schweizer Jura im Blick, was dann die Ähnlichkeiten zur Schweiz als Gesamtes etwas relativiert. Die widerspenstigen Hochalpen wurden zudem als romantisches Touristenziel weitaus später Ende des 19. Jahrhundert entdeckt. Die Jurassischen Schluchten, Tafelberge und gelegentlich Felstürme sind ja heute eher Teil der unbekannten Schweiz und nicht „typisch“ Schweiz im Sinne der alpinen Bergwelten-Schweiz und seinem sportlichen wie feudalem Hochtourismus moderner Prägung.

So finden sich objektiv eher weitere Formanleihen etwa bei den Externsteinen im Teutoburger Wald, in der Schwäbischen Alb oder noch deutlicher im Pfälzer Wald und den angrenzenden Nordvogesen, wenngleich nicht wie im letzteren Fall mit Rottönen, sondern mit den typischen Grautönen von Hell nach Dunkel, wobei die dunklen Seiten die stark oxidierten Flächen kennzeichnen (so auch im Städtebau zu sehen, etwa mit den neuen und alten Sandsteinen der wiederaufgebauten Frauenkirche). Nimmt man die Formgestalten der Felsen als Maßstab, so ist die Sächsisch-Böhmische Schweiz ihren „Vorbildern“ allerdings weit überlegen – sie ist eigentlich der Maßstab, an dem sich vergleichbare Felswelten messen müssen. Noch mehr: Wir finden hier das ultimative Landschaftsmärchen, um nicht zu sagen, dass hier heimlich Pinsel benutzt wurden.

Damit sind wir bei einer anderen Dimension dieser Landschaft: Die Malerlandschaft. Es gibt zumindest in deutschen Landen nur noch wenige Landschaften, die eine derart umfängliche wie romantisierende Verehrung in der Malerei, darüber hinaus auch in der Literatur erfahren haben, wie die Sächsisch-Böhmische Schweiz (historisch fällt mir da noch am ehesten das Mittelrheintal ein, Oberbayern oder Schwarzwald sind hingegen eher modernere, spät- bis neoromantische Klischees). Der historisch Malerweg dehnt sich bereits über eine Länge von ca. 130 km, kann nur in kleinen Teilen beradelt werden und erfasst längst nicht mal alle Höhepunkte der Sächsisch-Böhmischen Schweiz, die weit über die Nationalparkgrenzen hinausreichen.

Manche romantische Malerei idealisierte das Klischee allerdings in gesteigerter Form, indem manche Ausblicke „erfunden“ wurden – in gewisser Weise schon ein Vorgriff auf das manipulierte Foto, das gleichwohl schon in den Anfängen der Fotografie populär wurde. Manipulation gibt es aber auch in dieser Landschaft, die also auch ein Teil Kulturlandschaft aus Menschenhand geworden ist: Viele Felsen sind über Brücken verbunden, Aussichtsplateaus wurden bereits früh eingerichtet, Gipfel um Siegessäulen erhöht, Gasthäuser pittoresk in Felskulissen eingewoben, Wasserfälle gebaut bzw. mit Staubecken zu pompösen Überläufen aufgewertet, um den Schweizer Vorbild nicht nachzustehen und zusätzlich romantische Landschaftselemente zu erzeugen – zuweilen mit dem Hintergedanken, auch dafür eine kleine Einnahmegebühr zu verlangen (so z.B. am Lichtenhainer Wasserfall). Die Festung Königstein wurde mit einer Mauer zwischen den wilden Felsen auf ein gleichmäßiges Niveau gebracht. Das wäre bei heutigem Naturschutz nicht mehr denkbar, wenngleich ein solches Bauwerk uns die gekonnte Symbiose aus Naturwunder und Architektur eindrücklich vor Augen führt.



Apropos Fotografie: Der Dresdner Fotopionier Hermann Krone unternahm 1853 eine erste „fotografische Landschafstour“ durch die Sächsische Schweiz in der Umgebung der Schweizer Mühle im Bielatal, damals ein florierender Kurort, heute ein bescheidenes Ausflugsziel in einem fast vergessenen Zipfel. Mögen die Felsen den Anstoß für die malerische und fotografischen Huldigungen gegeben haben, so sollte man nicht vergessen, dass die lieblichen Elbufer, die hübschen Dörfer, Weiler und Mühlen, das weiche Licht des weiten Himmels, das milde Klima und vor allem eines noch das Seinige dazu getan haben: der Wald! Nur selten wird Wald so schön von der Natur zelebriert wie hier, verdichtet sich zu dem Klischee nicht nur des „deutschen“ Waldes, sondern eher noch treffender des „böhmischen“ Waldes. Natürlich ist dies auch kein Urwald, sondern ein Kulturwald, der manche romantische Facette der strategischen Haue des Försters verdankt.

Für den Pedaleur bedeutet diese Malerlandschaft auch: Wer sie beradeln möchte, der muss zwingend Zeit mitbringen, die Fähigkeit zur bedingungslosen Entschleunigung besitzen, den Drahtgaul mal in die Ecke stellen und absatteln für Treppen, Stiege, schmale Pfade, felsstürmende Gipfelmomente und noch mehr für die Licht- und Perspektivwechsel in einer irisierenden Märchenwaldidylle. Wer einen schnellen Durchritt plant, sollte sich lieber andere Ziele aussuchen – er ist hier definitiv fehl am Platze!

Mit meinen vier Reisetagen gehöre ich eigentlich schon zu den Frevlern, die Maßgebliches unbeachtet haben liegen lassen und die sich bereits kaum Zeit für Fußwege und stille Genussmomente nehmen wollen. Diesen Bericht schreibe ich daher schon mit einem schlechten Gewissen. Die Entschuldigung mag angenommen sein dafür, dass es kurze Tage waren und dass die Jahreszeit nicht alles zeigen kann, was in der Landschaft steckt. Wiederkehren ist also zur neuen berufenen Pflicht meiner „Reiseaufträge“ geworden. Nichtsdestotrotz gab es Licht- und Farbstimmungen, die weit über die befürchtete November-Tristesse hinausgingen, ja sogar nur zu dieser Zeit zu finden sind – nicht nur hier, sondern auch noch später auf dem Erzgebirgekamm.

Heute bezeichnet die Sächsische Schweiz gleichwohl den Naturpark bzw. das Landschaftsschutzgebiet westlich der Elbe wie den Nationalpark östlich der Elbe. Analog gilt das auch für den Böhmischen Teil, wobei die beiden Nationalparkverwaltungen mittlerweile zusammenarbeiten, in touristischer Sicht aber noch längst nicht, was zu den signifikanten Unterschieden bei den Besucherzahlen führt. Unterschiede gibt es in Besucherzahlen allerdings auch im Verhältnis Nationalpark zu Naturpark, sodass die Sächsische Schweiz zum westlichen Elbeufer deutlich weniger Besucher aufweist.

Weniger unterschiedlich werden Nationalpark und Naturpark in Tschechien besucht. Hier liegt im Naturpark östlich der Elbe mit den Felsplatten von Tisa ein bekanntes Kletter- und Wandergebiet (im Winter auch Langlauf), erweitert mit dem Sneznik (Schneeberg, nicht mit anderen „Schneebergen“ zu verwechseln wie etwa im Fichtelgebirge) auch mit eine Reihe touristischer Betriebe gut erschlossen. Beides liegt autogerecht günstig zu den größeren Städten Decin, Usti nad Labem oder gar Teplice – günstiger als der Kern des Nationalparks Böhmische Schweiz oder dessen östliches Tor Krasna Lipa. Dem Nationalpark Böhmische Schweiz fehlt auch etwas das nationale Hinterland, denn dieser tschechische Zipfel mit einem Stück Lausitzer Bergland im Norden und Zittauer Gebirge im Osten gleicht schon fast einer Exklave.



Dazu kommt, dass das tschechisch-sächsische Verhältnis nicht gerade günstig ist. „Die Tschechen haben das Arbeiten nicht gerade Erfunden“ ist denn eine häufige Ansicht von Sachsen gewesen – ganz unterschiedlicher Herkunft. Auch „meine Sachsen“ haben sich dahingehend eher negativ geäußert und Böhmen gehört nicht gerade zu ihren bevorzugten Ausflugszielen in der weiteren Umgebung. Einige Ursachen im Tourismus habe ich ja bereits oben genannt. Barrieren in Praxis aber auch im Kopf gibt es allerdings nicht nur Richtung Tschechien sondern auch Richtung Polen, wie mir zu anderen Zeiten und Ohren bekannt ist.

Nicht zuletzt konnte ich besonders im späteren Erzgebirge einige Schilder über Instandhaltungsmaßnahmen auf tschechischer Seite studieren, demnach der Anteil eigener Landesmittel sehr gering ausfällt. Neben allfälligen EU-Geldern stecken dort oft Aufbau- und Solidaritätsgelder des Landes Sachsens drin. Hier stellt sich manchmal nicht nur die Frage nach den ärmlicheren Verhältnissen in Tschechien und den notwendigen sozialen Angleichungen innerhalb der EU-Länder, sondern auch die Frage, ob immer zu allen Seiten – also auch der tschechischen Seite – der ausreichende Wille zur Besserung der Verhältnisse da ist. Ohne fundierte ökonomische Zahlen lässt sich das natürlich nicht vollständig analysieren – es soll hier nur mal als flüchtiger Gedanke eingeworfen sein. Dass beide Seiten an ihren völkerfreundlichen und geschäftlichen Verhältnissen noch arbeiten müssen, scheint allerdings unzweifelhaft.

Do 17.11. Stuttgart 21:11 h || per Bahn IC/CNL || 7:50 h Bad Schandau – Königstein – Festung Königstein – Leupoldishain – Bielatal – Schweizermühle – Ottomühle – Dürre-Biela-Grund – Schneeberger Kreuz/Eulenthor – Fuchsteich – Taubenteich – Forstmühle – Krippengrund – Reinhardtsdorf-Schöna – Wolfsberg
Fr (Kaffeehaus Königstein): Eierlikörtorte, Sandwich überbacken, Cafe 11,10 €
B: Festung Königstein 8 €
Ü: H Wolfsberg 0 € (reg. 42 € mFr)
AE (dito): Wildgulasch, Knödel, Rotkohl, Rw, Apfelstrudel m. Eis 18,30 €
57 km | 1015 Hm | 11,8 km/h | 4:48 h

Im Nebel erwacht die Elbe. Die Felsenberge verbergen sich – sogar die mächtige Festung Königstein lässt sich nur erahnen, als ich unten im Ort stehe. Doch das Herbstlaub und die halb entgrünten Grashalme an den Ufern sorgen für eine besondere Stimmung der Farben, des Schweigens, des vorübergehenden Sterbens, der Stille. Hier wird etwas erzählt, geflüstert. Zum Beispiel sagen es die Sockel der Häuser in Königstein: Die Spuren der großen Elbhochwasser – das letzte 2013 – sind immer noch sichtbar. Manche habe daraus Ausstellungsstücke gemacht: In einem Papiergeschenkeladen sind die vermoderten Türen der Tragödie heute Dekorationsinventar.

Die erste menschliche Begegnung im Sachsenland dann im Königsteiner Kaffeehaus. Die Werbung hat mir das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen und ich warte trotz einer geöffneten Alternative etwa 15 Minuten bis sich die Tore öffnen. Nun ja, die Eierlikörtorte war jetzt eher durchschnittlich, das Käsetoast schon ansprechender, die Preise eher überdurchschnittlich. „Wandern müsste ich, nicht radfahren, so kommentiert die Konditoreiinhaberin mein Vorhaben, die Sächsische Schweiz zu beradeln. Da werde ich nochmal wiederkommen müssen, denke ich schon jetzt und jeder Tag hier zwischen Sachsen und Böhmen wird das mir bestätigen.



Nach dem kleinen Frühstück haben sich erste Nebelwolken nach oben verzogen und geben die ersten Türmchen der Festung frei. Die ist hier aber eh nicht richtig zu erkennen, denn der steile Felssockel schneidet den Blick des Betrachters unten vom Ort ab. Hat man den Abzweig nach eher leichter Auffahrt hinter sich gelassen, eröffnet sich endlich der mächtige Burgkomplex, der einst eigentlich ein autarkes Dorf war – samt Wasserversorgung über einen 152 m tiefen Brunnen (noch heute wird das Wasser im Brunnenhaus gefördert) und einem eigenen Wald, der im Falle der Belagerung den Bewohnern und Soldaten ausreichend Holz zum Heizen und Bauen liefern sollte. Unterhalb der Festungsmauern warten zwei Fahrstühle. Einer trägt Lasten wie Autos, der andere Panoramaaufzug für die Touristen ist in schwachen Zeiten geschlossen – so auch heute. Andrang erwartet man erst wieder zum Weihnachtsmarkt, der Budenaufbau war schon im Gange.

Als sogar die Sonne ein paar leichte Strahlen durch die Nebendecke schickt, entfaltet sich über den Mauern, Wachtürmen und Kanonen ein traumhafter Blick auf die Elbmäander. Man fühlt sich wie der Wachsoldat einst, der in Friedenszeiten wohl den schönsten Job in Burgdorf gehabt haben dürfte. Die Eintrittskarte fürs Museum ist bereits unten vor der Aufzugfahrt zu lösen, sodass man frei ist in der Auswahl, was man besichtigen möchte. Das Museum ist ein idealer Einstieg zur sächsischen Geschichte, die Präsentation elegant, licht und übersichtlich. Virtuell lässt sich sogar mal die Steinschleuder ausprobieren. Nicht nur hier begegnet man August dem Starken, der bei seinen opulenten Festen einen besonderen Gag installierte: Eine Personenwaage diente dazu, das Körpergewicht seiner Gäste vor und nach dem Fest festzustellen. Einige Gäste konnten laut Eintrag ins Buch 5 Kilo Gewichtszunahme verzeichnen. Dick war damals schick.

Nebst Brunnenhaus, einiger Gaststätten, von denen nicht alle auf hatten, finden sich im Museumladen schöne Souvenirs wie etwa barocke Lesezeichen, künstlerische Postkarten, Kartenspiele, ein bisschen Holzschnitzwerk aus den Erzgebirge, große Mengen von Ritterfiguren und spezielle Fachliteratur zur Geschichte sowie Landkarten zur Region der Sächsischen Schweiz.

Hinunter ins Bielatal soll es ab Parkhaus einen Radweg geben, den finde ich aber nicht. Weiter auf Straße, geht es bei Leupoldishain über Landstraßenpflaster. Bis 1990 war die Region um Königstein ein Uranerzabbaugebiet mit einem Streckennetz von 118 km. Unten im Tal bei einer Fabrik hat man nochmal einen Blick aufwärts zu den Festungsmauern mit den Wachtürmchen, eindrucksvoll erkennbar, wie die Mauern in die wilden Felszacken eingelassen wurden, um eine geschlossene, weitgehend ebene Burg- und Dorfanlage anzulegen.



Von nun geht es das nahezu ausgestorbene Bielatal hinauf, die Steigung moderat. Es ist übrigens nicht ratsam hier den in Karten eingetragenen Radweg unterhalb Leupoldishain zu wählen. Dieser würde durch Wald verlaufen ohne Bindung zum Bachlauf, der die eigentliche Idylle verströmt. Weiter oben, nach den etwas verwirrenden Ortsnamen Bielatal, Rosenthal, Bielatal-Rosenthal (was ist was?), erkennt man den ehemaligen Glanz des Tales, als der Tourismus in der Sächsischen Schweiz begann bzw. rund um die Schweizermühle ein nobler Kurort entstand. Heute sind viele Jugendstilvillen in Privatbesitz, andere eher bescheidene touristische Betriebe. Das Tal bleibt aber schweigsam und auch der Grenzübergang nach Tschechien wird fast geheim gehalten, erst die obersten Wandertafeln geben dies an. Zwar ist der Weg jenseits Ottomühle nur noch Piste, doch auch gut befahrbar für Autos.

Den Übergang nach Ostrov muss ich aber abschneiden und ich fahre eine etwas schwierigere Waldpistenalternative durch den Dürre-Biela-Grund. Auch diese Piste ist noch gut radelbar, steigt aber besonders gegen Ende recht steil an. Auch hier findet sich noch manche Felssäule beim Blick durch die Lücken im dichteren Wald, zuvor im Bielatal stehen sie hingegen weit besser als Galerie schon meist greifbar an der Straße. Apachengesicht und Herkulessäulen – alles faszinierende Zapfen aus Stein und überall Stiege und Pfade, um diese kuriose Landschaft zu erkunden.

Da die Dämmerung einbricht, wähle ich nur noch die besten Routen. Es folgen zwei Teiche, dazwischen mit Auf und Abs verbunden, die Felsen nun eher wenige. Einige Waldpistenabzweige sind von Forstfahrzeugen zu tiefen Matschrillen zerfurcht, sodass ich im Dunkeln lieber einen Umweg über Asphalt suche. Insgesamt wird der Weg so zum Wolfsberg nicht nur länger sondern auch bergiger, denn ab Forsthaus führt das Krippental recht weit nach unten, fast auf Höhe der Elbe. Dann im scharfen Winkel wieder aufwärts nach Reinhardtsdorf. Man erahnt hier in den schmalen Tälern, die an einige Schwarzwaldtäler erinnern, wie sich die Hochwasser verheerend auf die anliegenden Höfe und Weiler ausgewirkt haben mögen.

Die Straße zum Panoramahotel Wolfsberg ist auf der Karte als Skultpturenweg bezeichnet und nicht als Straße zu identifizieren. Nicht ganz ohne letzte Körner sollte man den Weg antreten, wenn auch nicht wirklich steil. Das Hotel liegt allerdings einsam, sodass man wissen sollte, ob offen und Zimmer frei. Nun hatte mich Hans bereits vorab eingebucht. Ungefragt drückte man mir bei Ankunft gleich den Schlüssel in die Hand – mehr als einen Radler hat man hier im November nicht erwartet. Das konnte nur der eine aus dem fernen Süden der Republik sein. Eigentlich war die Belegung mäßig, aber eine Seminargruppe zwei Tage später sorgte für volles Haus. Von der Terrasse und dem Speiseraum führt der Blick weit übers Land hin zum eindrucksvollen Zirkelstein. Über Frühstück und Hotelambiente lässt sich nur Positives sagen, das Restaurant macht sich hingegen recht bescheiden.



Sa 19.11. Wolfsberg – Reinhardtsdorf-Schöna – Bad Schandau – Halbestadt – Grahlenwäldchen – Lilienstein – Waltersdorf – Rathen – Stadt Wehlen – Dorf Wehlen – Bastei – Rathewalde – Hohnstein – Porschdorf – Bad Schandau – Ostrau – Bad Schandau – Ostrau
B: Toskana-Therme 20 € (4 h Saunanacht)
AE (dito): Spaghetti Aglio e Olio, Ofenkart./Zaziki, Rw, Kirschcremekuchen, Cafe 21,40 €
Ü: JH Ostrau 29 € mFr
76 km | 1120 Hm | 13,2 km/h | 5:46 h

Nach dem Dresden-Intermezzo (vgl. nächstes Kapitel SBV-2) schauen mir Birgit und Hans entgeistert zu, wie ich fast regenfest das Rad unter den Sattel nehme. Die könne nicht glauben, dass ich nun Outdoor-Refreshing betreibe und in vier Tagen wieder in Brand-Erbisdorf lebendig auftauchen könne. Doch wer eine Novemberreise angekündigt, muss sie nun auch zu Ende führen. Unten an der Elbe überlege ich kurz, ob ich den ganzen Tag in der Therme Bad Schandau verbringen sollte. Ich fahr schon mal in den Ort und erkundige mich über Radrouten und anderes im Nationalparkhaus. Neben Infos gibt es dort auch Sach- und Fachliteratur rund um die Sächsisch-Böhmische Schweiz, Souvenirs und lehrreiches Spielzeug.

Der Besuch hier hatte sich gelohnt, denn der Regen wurde zeitweilig schwächer. Die folgende Elbroute ist nicht ganz eben, in jedem Fall aber schön. Nach dem Blick auf die Festung Königstein kann der Radler eine Waldpiste hinauf zum Lilienstein bzw. zur Straße unterhalb desselben angehen. Hier liegt recht viel Laub, doch bleibt alles überraschend gut fahrbar. Oben hingegen peitscht der Wind den Regen ins Gesicht oder ins Objektiv. Ich fahre über die wellige Hochebene nach Waltersdorf, dort führt eine Straße mit eingeschränktem Verkehr hinunter und vorbei an einer Felsformation, die man recht kurzweilig zu Fuß begehen kann. Unten dann stehen in Rathen wieder neue Felsen am Horizont – die Große Gans zum Beispiel. Bastei und Amselfall lassen sich von hier aus begehen, doch näher ist es von oben.

Dazu geht es weiter an der Elbe entlang, über Stadt Wehlen, dann von der Elbe weg und hinauf Richtung Bastei. Bald klebt scheinbar flüssiges Eis an den Wangen und die Handschuhe hängen wie ein voll gesogener Schwamm an den Fingern. Mit Regenhose könnte ich auch für einen Giftsucher gehalten werden. Trotz der Dauerschüttung finden sich an der Bastei recht viele Touristen ein, insbesondere Busreisen können ja auch nicht so gut Wetter planen. Am Kiosk wird teures Meißener Porzellan verkauft – Japaner und Chinesen finden sich immer. „Originally manufactured in Germany“ versichert der Verkäufer, um dem Chinesen die Zuckerdose schmackhaft zu machen, der wohl zuhause schon eine ganze Sammlung von Plagiatsware für einen Bruchteil des Preises besitzt.

Die zerklüfteten Felszapfen bilden hier mit Steinbrücken eine Kulturlandschaft besonderer Art über dem Elbtal. Die feste Sandsteinbrücke zum Neurathener Felsentor ermöglicht bereits seit 1851 einen gefahrlosen Promenadengang. Zivilisatorische Bequemlichkeit suchten die Menschen also auch schon in der Zeit der Romantik. Heute orientiert sich das Hotel und separate Panoramarestaurant mit Nepp-Preisen eher am Automobilisten als am Wanderer. Das traditionelle Gasthaus mit Cafe war heuer geschlossen. An Sonnentagen der besseren Jahreszeiten sollte man hier verwegene Uhrzeiten zur Besichtigung aussuchen. Jetzt aber sorgt Regen mit Nebelschwaden für die besondere Sicht, die vom Postkartenhochglanz deutlich abweicht. Eine Besucherin kann es nicht fassen, dass Postkarten immer so anders aussehen.



Die nasskalten 7 °C dringen kapillar in alle Ecken des Körpers. Bald setzt sich dazu die Dunkelheit. Hohnstein liegt einigermaßen anspruchsvoll auf einem Felssporn, mit Burg und Kirche ein hübsches Ortsbild. Die schnellste Straße zurück zur Elbe wird als gesperrt ausgewiesen, was sich aber nur als Vorsichtsmaßnahme für herumliegendes Geäst erweist. Ausgezehrt, dem Nässetod nahe, erreiche ich Bad Schandau. Dort wartet zur Jugendherberge noch eine Steilrampe, vor der mich der Mitarbeiter der Nationalparkverwaltung morgens gewarnt hatte. Der normale Straßenweg führt allerdings flacher jenseits des Ortes durch den Zahmsgrund auf den Berg von Ostrau. Trotz November, die Jugendherberge ist recht gut belegt – bekomme aber noch ein Zimmer zur Alleinbelegung. Genügend nasse Teile habe ich ja um das halbe Zimmer auszulegen.

Jetzt aber Warmbad-Abschluss! Sauna und Solebad, Sprudelliegen und Lebkuchenhäppchen, das findet sich in der Toskana-Therme, die gleichwohl beim Elbhochwasser völlig geschwemmt und danach wiederaufgebaut wurde. Sowohl Badbistro als auch Ambiente sind eine Empfehlung, die Atmosphäre angenehm leger, die lange Saunanacht nicht mal überlaufen. Bei Tageszeiten gibt es sogar einen Aufzug am Ortsausgang Bad Schandaus nahe der Therme, über den man am Fels hochfahren kann und dann mit Rad oder zu Fuß zur Jugendherberge gelangen kann. Abends ist der Aufzug aber nur ein leuchtendes Wahrzeichen.

So 20.11. Ostrau – Falkenstein – Radwegweg NP-Route/Malerweg – Affensteine – Beuthenfall – Lichtenhainer Wasserfall – Neumannmühle – Zeughaus – Thorwalder Brücke – Kirnitzschbrücke – Rabensteine/Zadni Jetrichovice (Grenze) – Kirnitzschklamm Obere Schleuse – Hinterhermsdorf – Zadni Doubice (Grenze) – R3032 – Kyjov – Doubice
Ü: P Hubertus 22 € mFr
AE (P/R Stara Hospoda): Hähnchenschnitzel m. Käse überb., Gem., Bratkart. m. Speck, Knoblauchsauce, Bier, Honigkuchen m. Nüssen 12,40 €
45 km | 880 Hm | 10,4 km/h | 4:23 h

War der gestrige Teil überwiegend eine Felsenwelt für Spaziergänger, so ist der folgende Teil schon fordernder für Wanderer. Lässt man das untere Kirnitzschtal aus, kann man direkt von Ostrau in den idyllischen Kern des Nationalparks mit dem Malerweg eindringen. Dazu gibt es einen Abzweig in der oberen Kehre Zahmsgrund. Von nun an Piste, lohnt alsbald ein Abstecher zu Fuß zum Falkenstein. Zur anderen Seite warten eigentlich auch noch die Schrammsteine – aber wie soll man all diese Felswunder ablaufen. Kaum ein Blick von atemberaubender Schönheit verglüht, stolpert man schon über Wurzeln, weil zur anderen Seite wieder eine neue Perspektive durch die Äste dringt. Zwischen den Birkenstämmen der mächtige Hauptfels des Falkensteins, der aber seine Satelliten hat. Das sind schlank zulaufende Zipfelsäulen, dann wieder plumpe Riesenbrüste von Steinsaurierweibchen, an deren Löchern man sich saugende Saurierkinder vorstellen könnte. Dann steht man mitten am Meeresstrand – nur das Wasser fehlt. Feinster Sand auf einer polynesischen Insel und doch mitten im deutschen Wald.

Statt gleich wieder über den Nassen Grund ins Kirnitzschtal auf guter Piste abzufahren, lohnt es dem Malerweg weiterzufolgen. Hier wird der Weg auch mal schmaler und welliger. Gelegentlich muss man Rücksicht auf Wanderer nehmen. Die Waldfenster aus Licht, Farnen, Moos und Felssäulen verdichtet sich bei den Affensteinen zu einem Augengedicht von waldpoetischen Jubelarien. Das Sonnenlicht spinnt fahle Streifen zwischen das rote Restlaub, lässt vom Boden Moosteppiche aufleuchten, auf denen einst die malenden Pioniere sich schlafen legten, wenn sie die Sächsische Schweiz bewanderten. Das Herbstgold der Lärchen krönt den Glanz auf den Augenlidern. Das Staunen trommelt unaufhörlich an die Kameralinse: „Ich bin der schönste Blick, nimm mich! Schaue mich an, mache ein Bild von mir!“ So neidet jeder Blick den anderen, jeder Moment den nächsten.

Erst mit der Abfahrt ins Kirnitzschtal dunkelt der Wald ab zu gewöhnlichen Farben und Ästen. Will man nicht zur Straße, gibt es eine Pistenvariante als Zeughausstraße, das wäre deutlich kürzer als die folgende Route. Doch unten an der Straße warten Wasserfälle, der Beuthenfall eher ein Rinnsal, der Lichtenhainer Fall mit seinen Stufenkaskaden über Moosbollensteine schon ein deutlich zeigefreudiger Augenfang. Nostalgieschilder verraten die alten Preise für Saumdienste der einst begüterten Touristen. Wollte man vom Wasserfall bis Hrensko samt aller Attraktion wie Kuhstall und Prebisch-Tor getragen werden, kostete das etwa Mitte des 19. Jahrhunderts immerhin schon 19 Mark. Selber Reiten war natürlich günstiger. Aber schon damals hatten die Schweizer viel Geld.



Die Straße führt vom Lichtenhainer Wasserfall mit historischem Gasthaus und der Endhaltestelle der Kirnitzschtalbahn durch verschiedene Talstimmungen mit Auen, Schluchtpasssagen und Mühlenhäusern, die allerdings nur zum Teil wieder hergerichtet sind. Bei der Neumannmühle besteht die letzte Möglichkeit den Kurs über das Zeughaus zu legen. Auch hier hat man Piste, der Wald zunächst recht dunkel, als Gasse zwischen Felswände gelegt. Beim Zeughaus eine Lichtung mit Teich, wieder weite Blicke auf andere Felsen am Horizont – ähnlich zum Bielatal. Nach einer Steigung geht es steil begrab zurück an die Kirnitzsch, nun aber schon getrennt von der Straße, die nach Hinterhermsdorf führt.

Bei mäßigem Anstieg erreicht man moorige, typisch böhmische Moorwiesen mit Hainen, immer wieder von seltsamen Felsen zur anderen Seite kommentiert. Kurz verengt sich der Weg zum Wiesenpfad, wo man sodann die Brücke an der Grenze von Zadni Jetrichovice erreicht. Früher stand hier ein schönes Gasthaus, doch ist dies ebenso Geschichte wie in vielen anderen Teilen Böhmens, wo die Folgen des Krieges das Land ausgesaugt und entleert haben. Von der tschechischen Seite hat man einen Blick zur deutschen hin auf die Rabensteine, in Tschechien selbst folgt wieder feste Piste (mit ein paar Pfützen), die sog. Böhmerstraße. Es bestehen sodann Anschlüsse nach Mezna Louka oder Na Tokani bzw. Doubice oder auch Vysoka Lipa und Jetrichovice.

Ursprünglich hatte ich hier die Querung angedacht, um die auch so vom Nationalparkmenschen in Bad Schandau empfohlene Route zu fahren. Ich änderte aber den Kurs im Uhrzeigersinn aus logistischen Gründen und arbeite zunächst die deutsche Seite ab. Erneut steigt der Fahrweg nochmal deutlich an bis zu einem Picknickplatz. Dort findet sich eine Straßenverzweigung mit Abfahrt zur Oberen Schleuse in der Kirnitzschklamm mit Kahnanlegestelle und Kiosk, natürlich nur zu Saisonzeiten geöffnet. Die Schlucht kann man auch auf einem engen Pfad ablaufen, wobei ich mich auf ein kurzes Stück für ein paar Impressionen beschränkte. Schlucht heißt hier aber stilles Wasser, kein reißender Bergbach, aber ein Fortsetzung der Lichtspiele.



Zurück durch lichten Buchenwald, erreicht man beim Waldausgang den höchsten Punkt und Hinterhermsdorf liegt in der Talmulde vor den Augen. Der Ort hat musealen Charakter, will sagen, es ist das sächsische Vorzeigedorf mit noch erhaltenen Umgebindehäusern. Umgebindehäuser bestehen aus drei Bauteilen, dem Mauerwerk aus Sockel und Rückwand, dem Blockhaus und dem Überbau, oft im Fachwerkstil. Die Bauweise spiegelt verschiedene Bauweisen aus dem slawischen und deutschen Kulturraum wieder. Das Blockhaus war für ein angenehmes Klima wichtig, das Fachwerk ermöglicht höhere Bauten, und der Maueranteil sollte die Feuchtigkeit zur kalten Hausseite abwehren. Durch die Trennung von Blockhaus und dem Umgebinde entstand eine Entlastung des Holzfraßes besonders des Blockhauses mit querliegenden und damit stärker gefährdeten Holzstreben. Später mutierten die Häuser auch zu Zierhäusern und wurden als schick empfunden, was man in Zeiten des heutigen freudlosen Zweckbaus gerne bestätigt. Die Umgebindehäuser sind natürlich auch typisch zur angrenzenden tschechischen Seite. Die immer noch verbreitete Ansicht, dass Umgebindehäuser zum Zwecke der Dämpfung von rüttelnden Webstühlen gebaut wurden, ist wissenschaftlich nicht haltbar.

Aus den offenen Hügeln schwingt man ins nun fast urwaldartige Kirnitzschtal zurück, bald zur Grenze Zadni Doubice. Hier wird aus Kirnitzschtal Khaatal, wobei Khaa wiederum der deutsche Name des Ortes Kyjov am Rande des Nationalparks ist, der zur Gemeinde Krasna Lipa gehört. Wie schon zuvor am Grenzübergang Zadni Jetrichovice verengt sich der Weg kurz zum matschigen Pfad, und wird zur tschechischen Seite wieder härter, anfangs aber auch stark mit Pfützen zerfurcht. Alsbald windet sich das Tal schluchtig und geheimnisvoll leicht aufwärts, weitgehend auf Asphalt.

Obwohl mit der Nationalparkmensch in Bad Schandau ein neues Hotel in Krasna Lipa schmackhaft geredet hatte, entschied ich mich doch, näher am Rande des Nationalparks zu bleiben und suchte die Unterkunft in Doubice. Trotz der Problem bei der Zimmersuche überzeugte Speis und Trank im Altes Wirtshaus, wo ich auch hätte übernachten können – hätte man es gewusst.

Musiktipp: Der Inbegriff des böhmisch-slawischen Patrioten in der Musik ist der Spätromantiker Antonin Dvorak, der ebenso die Brücke nach Amerika schlug mit der Sinfonie „Aus der Neuen Welt“, aber auch den deutschen Romantikern wie Johannes Brahms nahe stand und einige seiner Werke beim Musikverleger Simrock aus meiner ersten, rheinischen Heimat herausbrachte. Haben seine sinfonischen Werke Weltgeltung, stehen manche seiner Kammerwerke noch im Schatten davon. Nicht ganz unpassend zu diesem Kapitel deswegen hier ein Duett mit Klavier und Violine: “Romance for piano and violine, op. 11“ (12:46 min.)

Mo 21.11. Doubice – R3029 – Na Tokani – R3030 – Mezni Louka – Mezna (exc. Edmundsklamm) – Mezni Louka – Hrensko (exc. Edmundsklamm) – Decin – R3017 – Sneznik – Tisa – Petrovice
Ü: P/R Orion 22 € mFr
AE (dito): Hirschgulasch, Knödel, Pistazienkuchen, Bier 9 €
70 km | 1055 Hm | 12,2 km/h | 5:42 h

In den typischen böhmischen Streusiedlungen fehlen Ortskerne, sodass man nicht weiß, wo es so was wie eine Bankomaten oder einen Dorfladen geben könnte. Tatsächlich bedarf es hier keiner Kronen, es kann nahezu überall mit Euros bezahlt werden. Ob sich der Sonderweg für die Tschechen auszahlt, scheint allerdings fraglich. Ab Doubice taucht man zunächst in dunklen Wald ab. Am Hegerhaus „Zur Saule“ bzw. Budersdorfer Säule (ein Hinweis auf eine lange untergegangenen Siedlung aus dem Mittelalter) zweigt man über R3029 wieder in den Nationalpark ein. Es rücken wieder vermehrt Steinblöcke auf, eine Auenbiegung umschließt einen großen Felsklotz fast mit symmetrischer Präzision. Die Verzweigung in mehrere Richtungen ist wieder ein Hochpunkt. Nur unweit führt ein kleiner Stich zu mehreren schmucken Gasthäusern vor einer Felskulisse, von denen allerdings aktuell nur eines geöffnet hatte.

Rasant ist die Abfahrt nun durch ein enges Felsspalier. Zunehmend mischen sich Moospolster mit Variationen von Gras, in Büscheln, zu Fächern aufgespreizt, oder wie Schnittlauch tiefgrün aufgereiht. Gar folgt ein kleiner See mit Steinbruchufer. Nach Mezna Louka zweigt man ohne Sicht auf den Grenzübergang Zadni Jetrichovice ab, der aber nur wenig weiter entfernt liegt (Schnittpunkt mit dem Vortag). Nach der Tannenwaldpassage und einer kleine Steilrampe öffnet sich die Landschaft durch lichten, fast entlaubten Buchenwald zu weiten Hügeln.

Mezna Louka ist eher ein reines Touristenghetto mit Chalets, Hotels und Camping – ebenfalls im Novemberschlaf bzw. in Bauvorbereitung für die nächste Saison. Das zugehörige Dorf Mezna ist allerdings kaum größer, auch dort Unterkünfte. Hier führt ein steiler Weg (ohne Rad) hinunter zur Edmundsklamm. Allerdings ist die Brücke zur Renovierung nahezu abgerissen, nur noch ein nacktes Gerüst. Mühsam also retour (viele Treppen). Der R21A als Offroad-Variante erscheint mir zu ruppig und ich fahre so lieber über die Straße zurück.



Die ausgewiesene Sperrung zum Prebisch-Tor kam mir nicht ganz ungelegen, denn mit der zusätzlichen Wanderung dorthin hätte ich es am nächsten per Rad nicht mehr bis Brand-Erbisdorf geschafft. Alternativ zog ich da die Edmundsklamm mit dem unteren Zugang bei Hrensko vor. Zwar ist der Weg hier für Radler gesperrt – mangels Besucher lässt sich aber der flache Uferstieg ganz gut fahren. Man kommt allerdings nur bis zu einem Wegtunnel, durch den man für das Gasthaus mit Kahnanleger hindurch müsste. Da ist natürlich auch geschlossen. Die Edmundsklamm kann nach dem Gasthaus übrigens nicht begangen werden – dort ist man auf die Kahnfahrt vollständig angewiesen (im Gegensatz zur Kirnitzschklamm).

Ohne Asiamärkte kommt kaum eine Grenzstadt in Tschechien aus. Wer allerdings die Waren kauft, bleibt unklar. Schundware, Kitsch, Plagiatsprodukte mischen sich mit echten böhmischen Gläsern, mit tyischen Nahrungsmitteln wie Oblaten. Hrensko schmiegt sich mit einer ganzen Parade von schmucken Türmchenhäusern in die Felsen. Der Fels reicht hier steil bis an die Elbe. Fern nach Norden lugen die Schrammsteine am Horizont hervor, nach Süden ist es weniger spektakulär.

Decin überzeugt mit schönen Jugendstilhäusern, einer Burganlage und einigen Freizeit- wie Kultureinrichtungen einschließlich einer modernen Bibliothek. Zum linken Elbufer hebt sich ein Berg mit lieblichem Schlösschen ab, unten garnieren die bunten Häuser die leider zu stark befahrene Straße. Eigentlich müsste ich schon hier die Etappe einstellen. Doch für das Ziel des Folgetages suche ich noch den Weg hinauf zum Sneznik. Die kürzere Route erweist sich als die härtere, denn Teile des Weges sind steil und gleichzeitig sehr steinig. In Dunkeln ein Balanceakt. Zwischenzeitlich haben Forstautos eine Schlammwüste gegraben, durch die ich nur mühsam durchkomme. Danach dann doch noch überraschende Entspannung auf Asphalt. Die desaströse Unterkunftssuche am Sneznik endet mit einer Fortsetzung der Dunkelfahrt an ungesehenen Attraktionen wie den Felsen bei Tisa vorbei. Erst in Petrovice finde ich Einlass und Einkehr in einem eher zweckmäßigen Transithotel mit Tankstelle gegenüber. Auch hier unterhält der Wirt Asia-Ramsch an der Straße, kontrolliert potenzielle Kunden über eine Videokamera aus dem Restaurant raus.

Digitaltrack SBV-1

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Fortsetzung folgt