28. Tag

Morgens machen wir noch einmal eine Runde durch den interessanten Ort und sehen uns die Kirchen von innen an. Gestern waren sie schon geschlossen. Aus dem Ort heraus geht es steil bergauf. Oben werden wir mit einer unglaublichen Supermarkt-Häufung belohnt. Praktisch. Bis Irache ist es jetzt nur noch ein Katzensprung. Das Kloster ist zwar geschlossen, aber die Weinquelle sprudelt. Wir bleiben ein Weilchen. Ständig kommen Pilger vorbeigewandert. Ihr Bedarf an Rotwein am frühen Morgen ist unterschiedlich. Als nächstes kommt eine komplette Busfüllung anmarschiert, da räumen wir lieber das Feld.

Oben vor dem Kloster gibt es einen Picknickplatz. Da frühstücken wir. Die weitere Strecke ist zunächst mal wieder so eine Autobahnbegleitstrecke wie gestern. So richtig begeistert uns das immer noch nicht. Heute sind wir zudem völlig allein unterwegs auf der Straße und auch der Jakobsweg ist nicht besonders belebt. Er ist immer noch schmal, steil und von Treppen durchsetzt. Also nichts für uns. Es gibt diverse Steigungen, aber unsere Beine sind inzwischen so fest, dass wir relativ mühelos darüber segeln. Wir verbessern dabei ständig unsere Technik, indem wir immer mal probieren, wie man am besten bergab Schwung holt und in welcher Weise man dann, ohne ihn zu verlieren, zurückschaltet. Langsam klappt das ziemlich optimal.

Um etwas Abwechslung zu haben, fahren wir auch heute in jedes Dorf, wobei wir schließlich in Los Arcos auf einem hübschen Dorfplatz landen, wo wir in einer der Bars einkehren, um etwas zu essen. Natürlich nur eine Kleinigkeit. Wir wollen noch weiter. Um uns herum sitzen nur Pilger, die sich bereits zur Übernachtung entschlossen haben. Das sieht man regelmäßig an den sauberen Sachen und den Badelatschen an den Füßen. Die sind schon geduscht und werden jetzt den Nachmittag beim Vino Tinto verbringen. Zuerst einmal wird ein Pilger-Menü verzehrt. Dabei weiß man nicht so richtig, ob man besser unter einem Sonnenschirm sitzt oder nicht. Das Wetter ist heute sehr wechselhaft. Mal prallt die Sonne regelrecht herunter, mal kommt ein kalter Windstoß und es fängt an zu tröpfeln.

Wir fahren weiter über Sansol nach Torres del Rio. Wir möchten die kleine Templerkirche dort besichtigen. Es hängt ein Zettel mit Öffnungszeiten dran. Um 16 Uhr wird geöffnet. Das ist einer halben Stunde. Wir trinken einen Kaffee in der Bar nebenan. Auch hier sitzen Pilger. Um 16 Uhr kommt niemand. Wir warten eine halbe Stunde und fragen dann in der Bar nach. Vielleicht um 17 Uhr ist die Auskunft. Daraus wird aber auch nichts. Falls man außerhalb der Öffnungszeiten hinein möchte, soll man eine Nummer anrufen, die dort hängt. Wir haben kein Handy dabei und können kein Spanisch. Schließlich gehen wir in eine weitere Bar, die wie die erste zugleich Refugio ist, um jemanden zu finden, der das mal macht. Nun klappt es. Nach einer weiteren halben Stunde dürfen wir in die Kirche. Diverse Leute aus dem Refugio kommen mit. Und wie aus dem Nichts erscheinen auch mehrere Touri-Autos. Das Warten hat sich jedenfalls definitiv gelohnt. Wir sind begeistert.

Nach der Besichtigung kehren wir noch einmal auf eine Cola in der freundlichen Herberge ein. Wir überlegen, hier auch zu bleiben, da es im Grunde sehr nett aussieht, entscheiden uns dann aber doch für die Weiterfahrt nach Logrono, um dort zu zelten. Im Grunde schlafen wir am liebsten im Zelt. Außerdem ist die Auswahl an Plätzen nicht groß. Wenn wir da so eine Etappe stark verkürzen, kommen wir aus dem Takt. Außerdem fühlen wir uns noch zu fit, um schon den Tag zu beenden. Also weiter.

Die Strecke, die jetzt kommt, bezeichnet Bikeline als kaum noch zu fahren und empfiehlt einen weiten, steigungsärmeren Umweg. Der Bruckmann-Führer schreibt mal wieder von entspanntem Radeln. Also gehen wir es an. Die Hügel haben angezogen, was die Landschaft sehenswerter macht. Der Jakobsweg ist eng an der Straße, wie wir es mögen. Es geht kräftig aufwärts über eine Bergkette. Wir treten motiviert in die Pedale und sind bald oben. Pünktlich dazu zieht eine gewaltige Gewitterfront auf. Das mag ich nun nicht so gerne. Im Gewitter auf dem Berggipfel – nein. Also weiter. Heftige Böen leiten einen starken Sturm ein. Das Gewitter droht erst einmal nur. Der Wind kommt meistens von hinten und verleiht uns Flügel. Aber ab und zu auch mal von der Seite. Das ist grenzwertig. Hier können wir aber nicht bleiben. Nun geht es abwärts. Das Tempo verstärkt sich weiter. Wir sausen auf Viana zu. Sollen wir gleich dran vorbei nach Logrono? Natürlich nicht. Gewitter hin – Gewitter her, erst einmal sehen wir uns Viana an. Das wird lustig. In den Gassen, wo sich die Leute schon zur fröhlichen Abend-Party versammelt haben, fliegen Stühle und Tische umher. Es geht recht heftig zu.

Von Viana aus ist Logrono unten in der Ebene am Ebro schon sichtbar. Die Straße führt schnurgerade dort hin. Parallel dazu der Jakobsweg. Wir beeilen uns. Das Wetter wird immer heftiger. Leichter Regen hat eingesetzt. Auf dem Jakobsweg ist auch noch ein Grüppchen Wanderer unterwegs. Mit wehenden Regenponchos kämpfen sie sich vorwärts. Logrono ist gar nicht so klein. Wir kommen also wieder auf heftige Verkehrsbauwerke zu und wie so meist wird aus unserer Straße eine Autobahn. Inzwischen haben wir gelernt, in solchen Momenten auf den Jakobsweg zu wechseln. Wo Fußgänger überleben können, können das meist auch Radfahrer. Schnell noch ein Blick in den Führer: „an der Papierfabrik auf den Fußweg wechseln“. Ist das eine Papierfabrik vor uns? Keine Ahnung. Nehmen wir es mal an.

Und tatsächlich, ein gut ausgebauter Asphaltweg führt verkehrsfrei nach Logrono. Wir tunneln uns unter den Autobahnen und Schnellstraßen durch. Wir kommen durch eine Art Mischung aus Kleingartensiedlung und Müllkippe und halten wie vorgeschrieben am Haus der alten Dame, die hier immer schon Pilgerpässe stempelt und Getränke verkauft. Inzwischen macht das ihre Tochter. Hier bricht nun endlich der erwartete Wolkenbruch über uns herein. Wir drücken uns zuerst an die Hauswand, werden dann in eine Art Scheune gebeten.

Als es nur noch leise regnet, machen wir uns wieder auf den Weg. Nun ist es nicht mehr weit. Es geht abwärts nach Logrono. Vor dem Ebro biegen wir nach rechts ab und folgen ihm bis auf den Campingplatz. Der ist konkurrenzlos teuer. Und gegen jede Gewohnheit kostet Wifi noch extra. In Spanien ist das sonst an jeder Straßenecke kostenlos zu haben. Um noch mal in die Stadt zu fahren, ist es zu spät. Im Regen sind wir dazu sowieso nicht motiviert genug. Wir bekommen einen Stellplatz zu gewiesen, der genau so groß ist, dass wir unser Zelt gerade aufbauen können. Die Räder müssen schon auf dem Weg stehen. Erst einmal sammeln wir den Müll, der drauf liegt ein, das hatten wir auch noch nicht. Auf dem Areal wächst kein Grashalm.

Da es wieder stark regnet, kochen und essen wir in der „Gemeinschaftsküche“. Eine Überdachung ohne Licht mit zwei defekten E-Herden. Ein wenig trostlos. Vorsichtig ausgedrückt.