20. Tag

Bis Perigueux ist es jetzt nicht mehr weit. Wir bleiben auf der N21 und zweigen dann auf einen Radweg in die Stadt ab. Das ist natürlich Luxus. Schnell sind wir in der Innenstadt und laufen ein wenig durch die Gassen. Anschließend besichtigen wir die Kathedrale. Ein merkwürdiger Bau. Man hat in Zeiten des Historismus das Dach abgebaut, so dass die Kuppeln über den Kirchenschiffen jetzt den oberen Abschluss bilden, was der Kathedrale ein merkwürdig byzantinisches Aussehen gibt. Die Kirchen werden im Moment gerade alle großzügig mit Blumen geschmückt. Bald ist Pfingsten.

Wir verlassen Perigueux am Isle entlang. Da gibt es einen ausgeschilderten Flussradweg, was wir natürlich genießen. Auch wenn die Jakobsweg-Schilder in eine andere Richtung zeigen. Wie immer lässt er keinen Hügel und vor allem keine Kirche, kein Kloster aus. Wir dagegen schon. Wir fahren solange am Fluss entlang, wie das geht. Als der Weg aufhört und wir kurz anhalten, um zu gucken, wie es weitergeht, werden wir von Mückenschwärmen geradezu aufgefressen. Also nichts wie weg in Richtung Straße.

Wir passieren viele hübsche Orte. In St. Astier sehen wir uns die Kirche an und der Herstellung des dortigen Blumenschmuckes zu. Hier gibt es außerdem nette Gassen und einen Markt. Anschließend halten wir noch beim Discounter. Wie schon öfter kommt jemand auf mich zu und schenkt mir Blumen. Wenn die Leute unsere Muscheln sehen, fragen sie nach dem Woher. Das Wohin ist ihnen klar. „Kann ich etwas für Sie tun?“ „Beten Sie für mich, wenn Sie dort sind.“ Die Franzosen haben augenscheinlich einen starken Bezug zum Jakobsweg. Das sind sehr nette Begegnungen. Im Moment brauchen wir aber definitiv keine Unterstützung. Da es recht warm ist, kehren wir im nächsten Ort in eine schattige Bar ein, in der schon ein deutscher Pilger sitzt. Er ist erst in Perigueux losgelaufen und hat noch nicht viel zu berichten. So bummeln wir durch die Örtchen. Schließlich überqueren wir den Fluss in Richtung Mussidan und treffen dort auf einen sehr schönen Markt. Wir parken unsere Räder und lassen uns von der Menschenmenge zwischen den Ständen durchschieben, auf denen Spezialitäten jeder Art angeboten werden. Man kann sich kaum entscheiden, was man mal probieren möchte.

Und schon geht es wieder aufwärts. Über die Berge in Richtung Dordogne-Tal. Wir haben im Internet einen Campingplatz kurz vor der Talabfahrt gefunden. Die sind hier rar. Die meisten, die es gibt, öffnen erst am 1. Juli. Wenn es denn überhaupt welche gibt. Mal wieder sind wir auf einer Nebenstraße bergauf unterwegs. Aber hier gibt es eine Besonderheit. Überall auf der Straße liegen überfahrene Schlangen. Dick. 1,50 m lang. Plattgefahren. Bis zu diesem Moment haben wir unterwegs weder tote noch lebendige Schlangen getroffen. Aber das gibt nun irgendwie zu denken. Suchen wir vielleicht doch zu leichtfertig das grüne Gestrüpp am Wegesrand auf, wenn uns mal danach ist? Ab jetzt gucke ich sehr genau, wohin ich trete.

Auch diese Strecke zieht sich. Wir könnten mal ankommen. Am eigentlichen Abzweig von der Straße (aus dem wir am nächsten Morgen wieder in die Straße einbiegen) steht kein Schild (mehr). An der nächsten Kreuzung geht es bereits nach Monfaucon ab. Wir sind zu weit. Wir fahren mal in die Richtung und fragen einen Mann, der in seinem Garten arbeitet, nach dem Weg. Er empfiehlt uns durch den Ort bis zur Kirche zu fahren und dort rechts ab. Dann so ca. 7 km geradeaus. Da wäre der Platz. Das Schild am Abzweig an der Kirche hätte jemand umgefahren. Da stünde also (auch) keins mehr. Ein gut versteckter Platz. Das ist bestimmt umsatzfördernd.

Der Weg ist sehr schlecht. Asphalt nur noch in Resten. Schotter, große Löcher und steil bergab. Wir fragen uns, ob wir da wohl richtig sind. Aber genau auf den Punkt stehen wir vor einer großen Einfahrt, geschmückt mit diversen Fahnen. Die Anlage ist groß und fast völlig verlassen. Die Bungalows stehen leer. Ein einziges Zelt wird gerade aufgebaut. In Rezeption und Restaurant ist niemand. Wir bewundern einen großen See, mückenumschwirrt natürlich, ein großes Schwimmbecken (Pool kann man dazu schon nicht mehr sagen) und eine Badelandschaft mit diversen Großrutschen. Alles ohne Wasser.

Den mürrischen Betreiber klopfen wir aus seinem Wohnhaus. Er sagt uns, es sei zwar offen, aber wenn keiner käme, lohne sich das nicht. Ob wir wirklich bleiben wollen? Ja, doch. Wohin denn sonst. Wir sollen unser Zelt aufbauen, wo wir wollen. Die Anmeldung könnte man doch morgen machen. Es sei denn, wir wollen vormittags weiter. Doch, das wollen wir. Brummig kassiert er einen ungeheuer hohen Betrag. Wegen der Badewelt. Dann brauchen wir ihn nicht mehr. Im Grunde ist für alles gesorgt. Wenn auch im Waschhaus offensichtlich nach der Winterpause noch nicht sauber gemacht wurde. Wir stellen uns vor, wie er dort sitzt und sich wundert, dass keiner mehr kommt, weil es keine Zufahrtsschilder mehr gibt, deren Reparatur aber leider völlig über seine Kräfte geht.