Hallo zusammen,
unten der Bericht des "Wüsten-Abschnitts". Es ging von Figuig, einer Oase im marokkanisch, algerischen Grenzgebiet über den Erg Chebbi, entlang der Strasse der Kasbahs nach Ouarzazate am Südrand des Hohen Atlas. Der Bericht besteht aus den beiden Newslettern, die ich während der Tour geschrieben und per eMail an meine Kumpels geschickt habe. Diesmal habe ich noch ein paar Bilder eingefügt.
Das Video zu diesem Abschnitt ist auch fertig "geschnibbelt" und hochgeladen.
Findet ihr unter:
https://www.youtube.com/watch?v=8xIV3IaMY0gÜber Kritik und Verbesserungsvorschläge freue ich mich und werde es versuchen beim nächsten Video einfließen zu lassen. Über Lob freue ich mich natürlich auch.
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4. Newsletter (Rad)tour Marokko -Oujda nach Erg Chebbi- Gesendet: 23. Oktober 2017
Hallo zusammen,
mein rechtes Knie macht mir noch Tage nach den heftigen Steigungen zwischen Tétouan und Al Hoceima Probleme. Man könnte auch sagen, es wird einfach nicht besser. Um es zu schonen, nehme ich von Oujda den Bus nach Süden.
Das Ziel ist Figuig (sprich:Figig), eine abgelegene, auf drei Seiten von Algerien "umzingelte" Oasengruppe. Mit anderen Worten am A... äh Ende der Welt gelegen.
Sechs Stunden und 400 Kilometer später kommen mein treues Fahrrad Rosinante und ich in Figuig an. Der Blick aus dem Busfenster während der Fahrt zeigte, dass es nicht nur "Knietechnisch" eine weise Entscheidung war die Strecke nicht mit dem Fahrrad zu fahren. Es geht fast die ganze Zeit durch öde Halbwüste. Wobei, ganz so unbesiedelt wie es scheint ist die Gegend offensichtlich nicht. Immer wieder stehen Leute am Straßenrand und werden vom Bus eingesammelt, andersrum steigen auch immer wieder Leute an Stellen aus, wo ich beim besten Willen kein Dorf, keine Piste, noch nicht mal einen Pfad in die Wüste entdecken kann.
Datteln
Der Camping in Figuig ist echt Klasse und ich treffe endlich mal wieder andere Traveller. Meine direkten Nachbarn sind ein belgisches Pärchen mit einem riesigen MAN LKW, die hier eine kurze Test Tour für eine größere Reise machen und Philipp aus Frankfurt, der mit seinem geländegängigen PKW hier ist.
Philipp ist auch Elektroingenieur. Und was machen zwei Elektroingenieure wenn sie sich in der Wüste treffen? Klar über ihren Job reden. Nee, wir haben nicht NUR über unsere Jobs geredet sondern über Reisen, Fotografieren, Filmen, ... . Das erste Mal auf dieser Reise, dass ich mich mal so richtig mit jemandem unterhalten konnte. Es war ein echt klasse Abend.
Am nächsten Morgen schlendere ich, nachdem ich mich von Philipp, der zum Erg Chebbi weiterfährt verabschiedet habe durch die Oasengärten und Teilorte der Oase. Im Reise-Know-How Marokko ist diese Oase als besonders ursprünglich und vom Massentourismus "verschont" beschrieben. Den zweiten Teil, kann ich definitiv bestätigen. Was das Ursprünglich betrifft, kamen mir schon gestern Abend, als wir in einem Straßencafé am hell erleuchteten Hauptplatz saßen und dem Farbenspiel der bunt beleuchteten Fontaine zusahen, so meine Gedanken, ob man nicht eher sagen könnte Figuig ist ein Oase des 21 Jahrhunderts. Jetzt bei meinem Bummel durch die Oase fange ich an Vergleiche zu ziehen, mit der Oase Siwa in der westlichen Wüste im ägyptisch/libyschen Grenzgebiet, wo ich 2007 am Ende meiner 5. RuM Etappe war. Es führt meist zu nichts Dinge miteinander zu vergleich aber irgendwie macht mein Gehirn das automatisch. Hier die durchgehend geteerten Straßen, auf denen ziemlich neue Autos fahren mit Randsteinen und Gehweg, dort die Sandwege mit Eselsfuhrwerken.
Alte Gassen in Figuig
Hier die Betonhäuser, die lehmfarben angemalt sind, dort die noch traditionell aus Lehm und Palmenstämmen gebauten Häuser, die sich festungsartig zusammendrängen. Hier die teilweise stark vernachlässigten Palmengärten, die manchmal schon etwas an unsere aufgegebenen Streuobstwiesen erinnern, dort die vielen Menschen die in den Oasengärten arbeiteten. Da fällt mir ein Siwa, das war 2007, jetzt ist es 10 Jahre später. Die Welt verändert sich kontinuierlich, in den Schwellenländern wahrscheinlich sogar etwas schneller als bei uns. Aber auch bei uns ändert sich viel, wir nehmen es bloß nicht so wahr, weil wir mitten drin sind. Denkt euch einfach mal 10, 20 Jahre zurück oder noch krasser, spiegelt mal euer Alter an eurem Geburtsdatum und überlegt euch wie es zu der Zeit war und was sich von der gespiegelten Zeit bis zu eurer Geburt alles geändert hat. In der eigenen Lebensspanne hat sich wahrscheinlich mindestens genauso viel geändert, man nimmt es bloß nicht so wahr.
Es sind nicht nur die gleich sichtbaren Dinge, die sich geändert haben, die die Welt verändert haben. Als ich 1987 das erste Mal in Indien war, gab es nur in den ganz großen Städten die Möglichkeit ins Ausland zu telefonieren. Man zahlte 20$ schrieb die Telefonnummer auf ein Formular und wartete (manchmal 24h) bis man aufgerufen wurde. Wenn ein AB oder ein Fax rangingen, waren die 20$ futsch und das Ganze noch Mal. Die andere Möglichkeit waren Briefe postlagernd eine "Frage und Antwort" dauerte 4 - 5 Wochen. Jetzt ist die Welt, durch mehr oder weniger weltweite Verfügbarkeit des Internet sehr klein geworden. Am Sonntagabend habe ich z.B. hier in Marokko nach Testberichten über Diascanner gegoogelt, da ich noch unentschieden bin ob ich mir einen kaufe oder einen miete. Hier schließt sich der Kreis. Ich will das Vergangene, die Dias, also eigentlich die durch die Dias ausgelösten Erinnerungen mit in die Zukunft nehmen. Aber jetzt wird es echt Zeit meinen Oasenspaziergang fortzusetzen, bevor es zu heiß wird und ich hier komplett philosophisch werde.
Und siehe da, wenn man lang genug sucht, findet man zwar nicht die Vergangenheit, aber dann doch eine Altstadt mit engen Gassen und Häusern komplett aus Lehm gebaut und am nächsten Morgen auch noch richtig akribisch bewirtschaftete Oasengärten.
Figuig ist sehr entspannt, die Leute hier super freundlich. Mehrmals bekomme ich bei meinen Spaziergängen durch die Oase Obst geschenkt.
Nach zwei Nächten ist es Zeit aufzubrechen. Es wären wieder knapp 400km durch die Wüste. Diesmal nach Westen. Ich will mein Knie, nachdem es etwas besser geworden ist nicht gleich wieder überlasten und nehme den Bus. Da ich keine Lust habe morgens in der Dunkelheit zusammenzupacken, bleibt mir nur der Nachmittagsbus. Mit einmal umsteigen, brauche ich so halt 2 Tage für die Strecke. Während ich den letzten Abschnitt getippt habe, saß ich in einem Café und wartete auf den Bus.
Der Bus kam, der "Schaffner" erklärte mir dass das mit dem Fahrrad überhaupt kein Problem sei, ich solle nur kurz das Ticket und einen Gepäckschein kaufen und deutet auf einen Tabakladen. Der hat sich da gerade materialisiert, sonst war da immer nur ein geschlossenes Stahltor. Ich gehe das Ticket kaufen. "... dann noch zwei Gepäckstücke und das Fahrrad" und deute auf mein Rad draußen auf der Straße". "Nein, das geht nicht, der Bus ist heute zu voll, kommen Sie morgen wieder!" Ich bitte und bettle. "Der Schaffner meinte es sei überhaupt kein Problem." "Hier bin ich der Chef, der hat gar nichts zu sagen." Ich warte bis fertig geladen ist und zeige dem Herrn vom "Ticketschalter" noch mal, dass da doch genug Platz ist." Dann kommt der "Schaffner" der meinte kein Problem und schnauzt mich regelrecht an ob ich behaupten wolle er hätte gesagt kein Problem, es sei sogar per Gesetz verboten Fahrräder mitzunehmen. Also was bitteschön jetzt, "kein Problem", "Morgen wiederkommen", "per Gesetz verboten".
Ich beschließe dass ich hier wohl nur aus eigener Kraft wegkomme. Es ist 14:30, die Läden haben jetzt alle geschlossen und gestern haben sie auch erst um 19 rum wieder aufgemacht. Im Café noch meinen Wassersack am Hahn aufgefüllt. Damit hab ich mit den 1,5 Litern die ich für die Busfahrt eingepackt hatte fünf Liter. Wird schon irgendwie reichen, mein Auto packt 100km mit 5,5l.
Beim Verlassen der Oase stoppt mich die Polizei zwei Mal und fotografiert meinen Pass. "Pour votre securité". Ich habe extremen Gegenwind, das hat mir mit meinem lädierten Knie gerade noch gefehlt. Nach 30km und über zwei Stunden kommen einige große Häuser und eine Moschee mit Mauern drum. Ich habe schon von weitem den Eindruck, dass das ein Mädcheninternat ist. Da davon jede Menge verschwinden, als ich mich den Häusern nähere und zwei Schulbusse da rumstehen. Am Tor rufe ich so lange bis jemand kommt. Der Herr ist sehr freundlich, wahrscheinlich der Hausmeister. Wir finden keine gemeinsame Sprache, auch Arabisch gesprochen, bzw. vorher schon geschrieben helfen nicht weiter. Er will Camping einfach nicht verstehen. Er fragt noch mit Zeichen, ob ich genug zu Essen und zu trinken habe und deutet immer nach Westen. Wahrscheinlich hat er Order, dass hier niemand übernachten darf.
Wüstenblumenkohl
Es ist flach, kein Sicht- und Windschutz weit und breit. In einer Stunde wird es dunkel. An der nächsten kleinen Brücke verschwinde ich unter die Straße. Eine Art viereckiger Tunnel mit betoniertem Boden. Einigermaßen wind- und sichtgeschützt (wenn einen beim runter niemand gesehen hat). Es darf halt bloß nicht Regnen auch nicht im den entfernten Bergen aus denen der momentan trockene Bach (hier heißen die Dinger nicht Wadi, sondern Oued) gespeist wird. Der Sturm rüttelt am Zelt, obwohl der Tunnel quer zur Windrichtung liegt. Ich bin so froh, dass ich hier unten bin, oben ohne Windschutz hätte ich das nicht heil überstanden. Als ich mal zum Pinkeln aus meinem Tunnel rausmuss schüttet es. SCHEISSE!!! Der Tunnel, also das Bachbett ist noch trocken. Der Wetterbericht hatte keinen Regen gemeldet, also mal abwarten. Nach 'ner Weile hört der Regen auf und ich lege mich wieder beruhigt schlafen. Echt Glück gehabt, es war zu Wenig um das Oued in einen reißenden Bach zu verwandeln.
Nach etwa 40km kommt mir ein Reiseradler entgegen Der erste den ich auf der Tour treffe. Ayaxi ist etwas älter als ich, kommt aus Tanger und macht eine lange Radtour durch sein Heimatland. Wir erzählen noch 'ne ganze Weile. Er sagt, dass ich seine Reise auf facebook verfolgen kann. Ich erwähne, dass ich evtl. mein Videotagebuch auf Youtube stelle und frage, ob ich die Aufnahmen, die ich bei unserem Zusammentreffen gemacht habe verwenden darf, falls ich es online stelle. Er gibt seine begeisterte Zustimmung.
Marokkanischer Reiseradler
Ayaxi aus Tanger, fährt mit seinem Fahrrad schon seit Monaten durch sein Heimatland.
Ich habe hauptsächlich mit Links in die Pedale getreten um mein rechtes Knie zu schonen. Es ist nicht besser, aber auch nicht schlimmer geworden. Dafür tut mir jetzt Links vom Ischias bis zur Wade alles weh. Trotzdem ich bin froh, dass ich die Strecke gefahren bin.
Weniger als 24h nachdem ich Figuig verlassen habe erreiche ich Bouarfa. Erst mal lecker Hähnchen und dann Hotel gesucht. Ich nehme gleich das erste. Es ist günstig (5Euro) aber doch sehr heruntergekommen. Der Hoteltyp ist total erkältet und rotzt mir beim Einchecken ständig in meinen Pass, also exakter ausgedrückt er rotzt in seine Finger und die putzt er dann an meinem Pass ab.
Diesmal habe ich mit dem Bus mehr Glück. Es geht 260km nach Westen und dann heißt es:
"On the road...", ääh "On the bike again." Diesmal "freiwillig".
An der "Source bleu de Meski" gibt es einen schön gelegenen Campingplatz, aber dort hat es auch viele Souvenierhändler, faux guides und sonstige nervige Typen. Ich fahre weiter. An den Rummel und ständig angequatscht zu werden, muss ich mich erst langsam gewöhnen, nachdem ich zwei Wochen was das betrifft mein Ruhe hatte.
Source bleu de Meski
Als ich an einem Aussichtspunkt stoppe, hält da auch eine Reisgruppe. Die Erste, der ich begegne, seit ich in Marokko unterwegs bin. Ich grüße freundlich, aber werde von den meisten wie das Marsmännchen angeschaut. Taste schon vorsichtig ob mir vielleicht Antennen gewachsen sind. Naja, ich schaue vielleicht auch etwas komisch, seit zwei Wochen fast nur verhüllte Frauen und hier rennen einige der Mädels in superkurzen Shorts und Spagettiträger Tops rum.
Als ich weiterfahren will, kommt einer der Souvenierhändler hinter mir hergerannt. Ich denke mir noch, ist der aufdringlich, aber er will mir nichts verkaufen, sondern mir 'ne Schachtel Datteln schenken. Wau, das hätte ich hier jetzt nicht erwartet und es ist kein Verkaufstrick, sondern er meint es von ganzem Herzen, zumindest scheint es mir so.
Es geht durch eine super schöne Oasenlandschaft. Irgendwann, kommt mir ein ganzes Rudel Motorradfahrer entgegen. Fette BMWs, African Twins. Ohne Gepäck. Ist das jetzt der neuste Trend, Motorradtouren in Marokko mit Gepäcktransport?
Erfoud ist eine Provinzhauptstadt mit etwa 25000 Einwohnern und so richtig viel zu sehen gibt es hier nicht. Gut so, so kann ich mich ausruhen und hoffen, dass der Durchfall, der seit heute Morgen schleichend kam besser wird. Die Tajine (wer wissen will was es ist googeln), die ich heute Mittag gegessen habe war zwar nicht der Auslöser, aber vielleicht hätte ich doch besser bei meiner Keks, Brot, Cola, Tee Diät bleiben sollen.
Obwohl Erfoud, als relativ untouristisch gilt, kommen hier die ganzen 4x4 Jungs durch und normale Reisegruppen stoppen hier um Fossilien zu kaufen. Auf der Straße, kann man keinen Schritt gehen, ohne von einem Souveniershop-, 4x4-, Camelrideschlepper angequatscht zu werden. Heute Morgen wurde ich beim Radeln das erste Mal von Kindern angebettelt. Hier hörte ich das "Une Dirham" auch von Erwachsenen und ich könnte schwören der eine Typ saß als er mich kommen sah noch an einem Caféhaustisch mit einem Kaffee vor sich.
Aber was ich wirklich zum Kotzen fand, heute Nachmittag als ich am Ortsrand spazieren war, haben Kinder einen alten Mann (Bettler?, geistesgestört?) mit Steinen beworfen und wohl auch getroffen. Keiner hat ihm geholfen. Ich auch nicht. Ich hatte einfach Angst, da ich aus Pakistan weiß wie gut die Kinder im Steinewerfen sind und so einen Stein an den Kopf und aus ist es.
Wahrscheinlich werde ich Morgen den Helm, den ich hauptsächlich wegen Steine werfender Kinder mitgebracht habe aufsetzen (hab ihn nicht aufgesetzt, da waren keine Kids in der Wüste).
Auf meiner Karte ist eine Jeeppiste, direkt von Erfoud an den Erg Cebbi, Marokkos größtes Dünengebiet eingezeichnet. Ein Franzose, meinte es sei jetzt komplett geteert. "Nimm genug Wasser und was zu Essen mit, dort draußen gibt es NICHTS!" Mit dem geteert hatte er recht mit dem Nichts nicht. Schon nach 20 Kilometern kam der erste Cola Kiosk.
Cola Kiosk
Aber ich hatte da auch ein sehr unschönes Erlebnis. Ein Vollidiot von Touristentransporter Fahrer, überholt ein anderes Buschen mit Touristen, genau in dem Moment als ich entgegenkomme. Ich kann mich nur noch in den Straßengraben retten. Hat natürlich keiner der beiden Fahrer angehalten. Als ich mein Fahrrad wieder auf der Straße habe, dreht sich das Hinterrad nicht mehr so Richtig. :zensiert:, Rahmen verzogen, ein paar Speichen gebrochen?
Zum Glück ist es dann nur ein total verbogenes und verzogenes Schutzblech und das lässt sich mit Bindfaden und einem Strick wieder provisorisch in Position bringen.
In Merzouga, dem größten Ort an den Dünen checke ich am Camping "Petit Prince" ein. Alles sehr schön, habe die hintere Dusche, Toilette direkt neben dem Zelt, es ist sozusagen fast mein privates Badezimmer.
Auch hier habe ich wieder echt tolle Nachbarn. Ruth und Jürg aus der Schweiz, haben nach Erreichen der Rente ihr Haus verkauft und sich ein riesiges 4x4 WoMo zugelegt, mit dem sie auf der ganzen Welt unterwegs sind. Ich dachte ich hätte schon viel erlebt und gesehen, aber die beiden haben noch mehr von der Welt gesehen. Es ist klasse abends Geschichten aus dem Indien der 70iger zu hören oder von Verfolgungen durch Haschhändler im Rif in den 80igern.
Erg Chebbi ist für Sahara Verhältnisse mit ca. 30km mal 6km und mit bis zu 200m hohen Dünen ein kleines Dünengebiet. Mir reicht die Größe aber vollkommen. Schon bei der Anfahrt, durch eine schwarze Geröllwüste, war es ein fantastischer Anblick, die gelben Dünen am Horizont auftauchen zu sehen. Bei Sonnenaufgang in den Dünen war wie von Bergen puren Goldes umgeben zu sein.
Erg Chebbi
Düne direkt hinter dem Camping
Fahrzeug von Jürg und Ruth
Touristenkaravane
Jemand hatte gefragt, ob mein treues Fahrrad Rosinante männlich oder weiblich sei. Als ich mal gutes Internet hatte, hab ich gegoogelt. Ich konnte nicht herausfinden ob Don Quichottes Pferd männlich oder weiblich ist, gehe aber mal davon aus weiblich.
Durch die Unterbrechung (Bus von Oujda, bis kurz vor Errachidia) fühlte sich dieser Teil irgendwie anders an. Losgelöst vom Rest der Reise.
Freue mich wie immer auf Mail, ganz besonders von denen, von denen ich noch nichts gehört habe.
Zum Schluß noch 'ne kleine Quizfrage:
Was ist süß und steht in der Wüste?
Viele Grüße
Jürgen
5. Bericht Radtour Marokko -Erg Chebbi nach Ouarzazarte- Gesendet: 31. Oktober 2017
Hallo zusammen,
ich bin ein ganz klein wenig reisemüde, aber die Reise hat die Halbzeit schon überschritten. Ich hoffe ihr seid meiner Berichte noch nicht müde. Hm, wenn ich die Zahl der Antworten auf meinen letzten Bericht als Indikator heranziehe wohl schon.
Also, wie immer freue mich auf Mails und Neuigkeiten von "Zuhause".
Als sich Ruth und Jürg verabschieden fragte ich Jürg wo es als Nächstes hingeht. Er meint: "Da wo es uns gefällt bleiben wir". Muss ich auch mal wieder so machen, nicht das Ziel sondern nur die Richtung festlegen. Da aber in Richtung Westen schon nach 40 Kilometern Rissani kommt beschließe ich erst nachmittags loszufahren, wenn die größte Hitze vorbei ist, früh ein Plätzchen zu finden und dann in aller Ruhe zu kochen. Der Plan geht voll auf. Etwa auf halbem Weg nach Rissani kommt ein kleineres Dünengebiet. Ich muss zwar etwas mehr als einen Kilometer Offroad fahren um dahinzukommen aber die Nacht in den Düne war klasse, das Abendessen auch (Fertignudelsuppe und ein Upgradekit bestehend aus einer Karotte und weiteren Suppennudeln).
Camp in den Minidünen
Am nächsten Morgen in Rissani trinke ich dann mit 10 Dirham den bisher teuersten Kaffee in Marokko (Normalpreis so 6 -7 und da ist dann meist noch 'ne 0,5er Flasche Wasser dabei). Im Reise-Know-How steht, dass Rissani sehr touristisch ist und das man für einem Stadtbummel am besten einen Führer anheuert, damit einen die anderen Führer in Ruhe lassen. Ich hatte da keine Probleme. Etwa 15 Kilometer später hat es in der Nähe einen markanten Berg, von dem ich schon gehört habe. Er fällt rundrum senkrecht ab, ist an einer Seite offen und hat sozusagen einen Innenhof. Die offene Seite wurde von Menschen bis auf ein kleines Tor zugemauert. Ich beschließe hinzuradeln. Es ist mit über drei Offroad-Kilometern dann doch weiter als ich dachte. In der Wüste verschätzt man sich da leicht. Als ich durch das Tor radle, begrüßt mich ein auf Tuareg kostümierter Marokkaner so überschwänglich, dass ich zuerst denke vielleicht sind die Dreharbeiten für den Film "Mars", welche hier letzte Woche stattfanden noch nicht abgeschlossen und er ist hier das Empfangskomitee. War aber einfach nur ein Souvenierhändler auf Kundenjagd. An diesem Berg wurden auch Teile der "Mumie" und Teile von einem "James Bond" gedreht. Ich finde das hier alles eher unspektakulär, aber die Begrüßung war die 6 Offroad-Kilometer allemal wert.
Markanter Berg, der schon oft Filmkulisse war
40 Kilometer weiter gibt es ein kleines Dorf und sogar einen Laden. Als ich dort Wasser, Milch, Eier und vier Ein-Tassen Portionen Nescafe kaufe, werde ich von einer Frau bedient. Das zweite Mal seit ich in Marokko bin, es ist ganz ungewohnt. Sie addiert meine Einkäufe zusammen und kommt auf 46 Dirham. Ich habe natürlich, bei jeder einzelnen Sache gefragt was es kostet (ein absolutes Muss hier in Marokko, sonst entstehen bei der Summe Fantasiepreise, die definitiv nicht zu Ungunsten des Händlers sind). Ich kam im Kopf auf 23 Dirham und sage ihr dass etwas nicht stimmen kann. Sie zeigt mir wieder die 46 vom Taschenrechner. Ich nehme den Taschenrechner und tippe vor Ihren Augen und lasse mir jeden Teilbetrag durch deuten auf den Gegenstand bestätigen. 23. Sie nimmt wieder den Taschenrechner und kommt auf 46. Jetzt Papier und Kuli. Ich komme wieder auf 23. Sie muss passen. Wir einigen uns auf die 23. Ich denke sie wollte mich nicht bescheißen. Mir ist echt unklar, wie man einen Taschenrechner so fehlbedienen kann, dass man beim Addieren immer das Doppelte herausbekommt. Im Kopf konnte sie das nicht überschlagen, sie hat es wahrscheinlich nie gelernt und ich denke, sie denkt immer noch ich hätte sie beschissen.
Muss mich korrigieren, überall wo Touristenbusse stoppen taucht der Faktor zwei auf. Entweder entsteht er im Taschenrechner oder gleich beim nennen des Preises. Beispiel: "Ein Glas Tee bitte was kostet es?" "10 Dirham!" Wende mich zum Gehen. "Zu teuer." "Ach so, Sie wollen EIN Glas Tee bestellen, das kostet 5 Dirham."
Oder (hier nur Faktor 1,5) "Was kostet ein Omlette?" "50 Dirham." (bisher immer maximal 20 mit Beilagen). "Das ist teuer." "Dafür ist auch ein Salat und Brot dabei." "Naja, okay, also ein Omlette mit Salat und Brot für 50 Dirham." "Die Rechnung kommt schriftlich: Omlette 40 & Salat 35, Summe 75. Wer hat jetzt wen falsch verstanden. Letztendlich geht man dann nach Nachverhandeln mit dem Kompromiss 60 raus. Wie gesagt normal 20 mit Brot und Salat.
Vielleicht sollte ich etwas ausholen. Die Strecke, die ich seit Rissani fahre ist die Südroute zur Todraschlucht. Also nicht die Straße der Kasbahs. Viele hatten mir den Tipp gegeben diese Südroute zu nehmen. "Ist entspannter, landschaftlich genauso schön." Kann ich nur bestätigen, aber jetzt nach etwas über 2 Tagen entspanntem durch Wüste und Berge radeln, nähere ich mich langsam der Todraschlucht und diese liegt quasi schon am Rande des touristischen Epizentrums Südmarokkos.
Was auch auffällt, die Qualität stimmt nicht mehr. Mein letzten beiden Tees war lauwarmes Wasser mit ein paar Minze Blättchen drin (normal ist es ein Schwarztee in den zusätzlich Minze reinkommt), mein letztes (siehe oben) Omelette war nicht durch, nicht gewürzt, gar nichts. Klar spart Gas. Einem Einheimischen würden sie so was nicht andrehen. Nicht nur dass es nach nichts schmeckt, es ist auch gesundheitlich bedenklich, Tee aus nicht gekochtem Wasser, Ei mit evtl. Salmonellen nicht durch. Aber ein Tourist auf der Durchreise, kommt ja eh kein zweites Mal und wenn er krank wird egal. Wenn ein paar Einheimische krank werden kann der Wirt dicht machen.
Der Plan war noch mal Draußen zu übernachten, aber ich finde keinen Lagerplatz. Hinter den zwei sichtschutzbietenden Felsen, die ich checke liegen Berge von zerdepperten Bier und Weinflaschen. Na, wenn das die illegale Kneipe hier in den Bergen ist, möchte ich da nicht übernachten. Dann halt Vollgas, vielleicht schaffe ich es noch vor Dunkelheit an den Beginn der Todraschlucht. Dort gibt es auf jeden Fall Campingplätze. Bin echt etwas genervt.
Und wie fasst immer nach Leid kommt Freud. Kurz nachdem ich auf die N10 eingebogen bin, es sind noch ca. 30 Kilometer bis zur Todraschlucht, kommt ein Campingplatz. Der Besitzer nennt mir gleich einen echt fairen Preis und fragt ob ich Datteln haben will. "Du musst sie Dir schon selbst pflücken." So komme ich unter fachlicher Anleitung zu meiner persönlichen Erstbesteigung einer Dattelpalme. Es ist deutlich einfacher als bei 'ner Kokospalme, aber es fällt schwer die Qualität der Griffe zu beurteilen. Ich versuche mir nicht anmerken zu lassen, dass mich die Qualität der Datteln nicht überzeugt. Entweder er hat es mir doch angemerkt, oder das mit dem Selbstpflücken war nur ein Test, auf jeden Fall bringt er mir kurz drauf eine Schale echt guter Datteln, als nächstes 'ne Kanne Tee und obwohl ich sage, dass ich genug Brot habe, schickt er noch seinen Sohn mit zwei leckeren Pfannkuchen. Ja, da ist man mit der Welt wieder versöhnt.
Sonnenuntergang am „unerwarteten“ Camping
Am nächsten Morgen begleitet mich noch der Hund des Campingplatzes auf dem ersten Kilometer.
Kurz vor Mittag komme ich in der Todraschlucht an. Es ist sehr touristisch, aber es sind sehr wenige Touristen da.
Was gibt es tolles in der Todraschlucht? Ich bin nach der Wüste am meisten vom Wasser fasziniert. Aber auch der rote Fels, die grünen Palmen und der blaue Himmel bieten wunderbare Kontraste.
Von der Todraschcht hatte ich schon vor Jahren gehört, sie gilt als DAS Klettergebiet Marokkos. Das was ich sehe, sieht doch eher bescheiden aus. Aber es gibt sogar EINEN Klettersteig.
Was mich beim Bouldern wirklich stört, ist der Staub auf den Griffen, aber vielleicht ist das im Frühjahr nach den Winterregen komplett anders.
Am Camping habe ich wieder, ihr ahnt es schon echt nette Nachbarn. Ein Pärchen aus Leonberg, die die Elternzeit, für eine Reise mit ihrem alten Daimlerbusle nutzen. Die älteren zwei Kinder (Kindergartenalter) sind echt aufgeweckt und mir wird keine Minute langweilig. Es macht wirklich Spaß das Auskunftsbüro für die Kinder zu sein und ich staune wie genau sie die Dinge beobachten und wie schnell sie lernen.
Morgenstimmung in der Todraschlucht
Nachdem ich dann doch etwas später loskomme, trete ich in die Pedale was mein Knie zulässt. Nach Boumalne du Dades, dem nächsten richtigen Ort sind es 65 Kilometer. Es ist jetzt eine Woche her, dass ich mal richtig im Restaurant gegessen habe (wenn man von dem traumatischen Omelette absieht) und für heute ist das Tagesprojekt mal wieder richtig Essen zu gehen. Es war bestimmt kein Geiz, dass ich die ganze letzte Woche selbst gekocht habe, aber ich war nie zu den üblichen Essenszeiten in der Nähe eines (geöffneten) Restaurants. Und dass habe ich wirklich gelernt, der Grill muss schon an sein, die Tajine muss schon einige Zeit auf dem Feuer gestanden haben, sonst gibt's nichts Gescheites. Der Plan geht auf um 13 Uhr erreiche ich das Städtchen. Lecker!
Nach Essen und Einkäufen, fahre ich noch etwa 15 Kilometer in die Dardesschlucht hoch. Sie ist ganz anders, wie die Todraschlucht. Weitläufiger, die Vegetation erinnert mich an Ladakh. Die Berge, die in allen möglichen Rot und Gelbtönen schimmern auch.
Kasbah in Dades Schlucht
Als ich wegen Camping frage, meint der Typ, ich soll doch lieber ein Zimmer nehmen, hätten wir beide mehr davon. Recht hat er, schon letzte Nacht fand ich etwas kühl im Zelt und wenn ich hier so auf die Vegetation schaue liegt das hier deutlich höher. So habe ich jetzt ein gemütliches Zimmer in einem echt schönen Kasbah-Hotel. War doch nicht so gut.
Habe ganz schlecht geschlafen. Obwohl nicht wirklich laut, waren öfter für längere Zeit Gespräche vor meinem Fenster und ich bin immer wieder aufgewacht. Ab Vier miaut dann die Katze direkt vor meiner Zimmertüre. Ich bin um 7:30 startklar, aber ich und mein Fahrrad sind eingeschlossen. Vom Hotel-besitzer weit und breit keine Spur. Ich klopfe überall, ich brülle, Nichts. Durch das schmiedeeiserne Tor rufe ich einem Passanten zu ob der Besitzer überhaut hier in der Kasbah wohnt. Er ruft zurück, dass er ihn anrufen wird. Um kurz nach 8 kommt er. Um 8:10 komme ich dann los.
Ich radle das Tal runter und folge dann der Straße der Kasbahs weiter Richtung Westen. Die Bebauung ist die ersten 40 Kilometer dicht, ich fahre quasi durch eine langgezogene Ortschaft. Bei mir verstärkt das die Reisemüdigkeit, die sich seit ein paar Tagen schleichend einstellt.
Manchmal habe ich die Vision um Frühjahr durch das Allgäu zu radeln, mit saftig grünen Wiesen und gelbem Löwenzahn. Zu meiner Rechten im Süden die Alpen, die Gipfel noch schneeweiß. Das hatte ich auf meiner 2ten Etappe tatsächlich mal.
On the road
Etwa 40 Kilometer vor Ouarzazarte finde ich einen Camping. Ich freue mich schon als ich Wohnmobile sehe. Wieder Nachbarn, wieder gute Gespräche. Es ist eine belgische Gruppe, bestehend aus 17 WoMos. Man bucht sozusagen eine geführte Reise mit seinem eigenen Wohnmobil. Ich kann es nicht ganz verstehen, ein Wohnmobil, das Synonym für Freiheit und dann bezahlt man eine ziemlich hohe Summe um geführt in einer Gruppe unterwegs zu sein. Aber eines muss man den Belgiern lassen. Sie sind jetzt knapp zwei Monate unterwegs und es harmoniert in der Gruppe noch immer. In Damaskus hatte ich mal so 'ne geführte Gruppe aus deutschen Wohnmobilisten getroffen und die waren hoffnungslos zerstritten.
Ouarzazarte gilt als Hollywood Marokkos. Aus einem alten Filmstudio hat man das "Musée du Cinéma" gemacht. Es ist schon witzig durch die Kulissen zulaufen. In einem Raum ist auch etwa ein Jahrhundert an technischen Geräten gesammelt. Leider gibt es ganz wenig Beschriftungen und Erklärungen.
Die Stadt, die etwa 100000 Einwohner zählt ist sehr schön modernisiert. Keine hohen, hässlichen Häuser, sondern Alles an die traditionelle Architektur angepasst. Sogar die Mobilfunkmasten sind als Dattelpalmen getarnt.
Heute Nachmittag werde ich noch zu den "Atlas Filmstudios" draußen vor der Stadt radeln und Morgen geht es weiter.
Ich habe mir ein kleine Straße rausgesucht um den hohen Atlas zu überqueren. Drei Pässe, viele Höhenmeter. Für mein immer noch "schmollendes" Knie wohl nicht so der Hit und dort oben ist es sicher auch saukalt, aber irgendwie freue ich mich schon drauf.
Wie gesagt, freue mich auf Mails.
Viele Grüße
Jürgen
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Marokko Oktober & November 2017 Teil 3 (Reiseberichte)