Unser Plan war eigentlich von San Pedro de Atacama nach Antofagasta zu fahren.
Erst dort in San Pedro merkten wir, wie nervig der kräftige Westwind werden kann.
Besonders wenn man nach Westen fährt.
Und heftigen Gegenwind hatten wir jetzt schon einige Wochen erlebt.
Man radelt zwar noch 2.4oo Meter runter bis an den kalten Pazifik. Allerdings verteilt auf mehrere hundert Kilometer. Und das durch die trockenste Wüste weltweit, die Atacama.
Andere Radler beschrieben uns die Strecke als wenig prickelnd mit leider relativ viel Verkehr...
Isabel liebt die Berge. Die Höhe. Über 1600 Meter Höhe weicht das Lächeln nicht aus ihrem Gesicht.
"Lass uns doch noch ein paar Pässe fahren."
Immer wieder wird sie bedauert, was für schrecklich schwere Touren sie mit ihrem verrückten Mann machen muss, während andere Frauen am Strand braten dürfen.
Dabei würden mir ein, zwei Wochen Strandurlaub, lesen, tauchen, angeln und faulenzen überhaupt nichts ausmachen. Es würde mir sogar gefallen.
Aber nicht mit meiner Isabel!
Mich bedauert niemand.
Und natürlich bekommt Isabel noch mehr Berge.
Anstatt von Bolivien kommend nach rechts biegen wir nach links ab. Nicht zum Pazifischen Ozean, sondern Richtung Atlantik, Richtung Argentinien.
Einen kleinen Schlenker machen wir allerdings noch um uns in San Pedro de Atacama ein wenig zu erholen und Kalorien zu tanken.
San Pedro wird wegen der vielen und netten Hunde gerne auch San Perro de Atacama genannt.
(Perro (span.) = Hund.)
Ein verrückter Ort mitten in der Atacamawüste, Ausgangspunkt für unzählige Touren und Bergbesteigungen und Radtouren über einige der höchsten Pässe der Welt.
Und bewohnt und besucht von echten Freaks.
Allerdings kein billiger Ort. Übernachtungen und Restaurants sind noch mal deutlich teurer als im Rest von Chile.
Von solch einem frisch gezapften, kühlen Bier hatten wir an vielen Abenden geträumt.
Wir sind schon eine Weile unterwegs. Gestartet sind wir in Lima und schon mehr als zwei Monate durch Peru und Bolivien geradelt.
Die bisherigen Berichte:
Der zweite Frühling - Peru Atem- (be-) raubend: Bolivien In San Pedro treffen wir auch andere Radler.
Sie kamen alle- wie wir auch- über die bolivianische Lagunenroute.
Und wie wir auch wollen sie noch mehr Pässe fahren. Es gibt deren einige, die man von hier aus anfahren kann. Die meisten Biker wählen den Paso Sico, früher der wichtigste Übergang in dieser Gegend über die Anden. Er ist mittlerweile sehr einsam, nicht asphaltiert und besteht eigentlich aus einer ganzen Reihe von Pässen. Der höchste 4.600m hoch.
Dort möchte natürlich auch Isabel hin.
Ich weigere mich diesmal jedoch standhaft.
Nach den letzten harten Tagen in Bolivien mit Gegensturm, vielen Höhenmetern, tiefem Sand, Schotter und heftigem Wellblech bestehe ich auf Asphalt.
Es trifft sich gut, dass direkt von San Pedro aus der höchste asphaltierte Pass Amerikas nach Salta in Argentinien führt. Der
Paso de Jama. Unter den Radlern hier gilt er eher als ein etwas langweiliger Pass für Leute, die sich nicht quälen wollen. Weicheier also.
Zudem wird die Höhe meist mit "nur" 4.200 oder 4.320m angegeben. Das liegt daran, dass die gemeinsame Grenzstation der Chilenen und Argentiniern auf einer Höhe von 4320m Höhe liegt.
Die erreichen wir irgendwann nach einer langen Abfahrt. Die größte Höhe dieses Passes beträgt aber immerhin 4.830 Meter.
Plötzlich werden wir von einer Anzahl von Autos mit deuschen Nummernschildern überholt. Das haben wir hier in Südamerika noch nicht erlebt. Motorräder und Camper schon etliche- aber PKW`s?
Ein paar Kilometer später warten sie auf uns.
Es sind ein paar deutsche Fahrzeugingenieure, die mit einer ganzen Anzahl an Autos Tests in dieser extremen Höhe absolvieren. Ein besseres Gebiet in solcher extremen Höhe und mit gleichzeitig solch guten Straßen gäbe es weltweit nirgends, meinen sie.
Wir werden viel fotografiert und gefilmt.
Umgekehrt bitten sie uns dagegen keine Fotos von ihnen und den Fahrzeugen zu veröffentlichen. Alles streng geheim.
Wir versprechen keine Fotos zu veröffentlichen.
Und halten das natürlich.
Wie man sieht.... Oder eben halt nicht.
Den ganzen Urlaub haben wir noch nicht die 5.000er Höhenlinie überquert. Wenn wir jetzt schon auf 4.800m sind, so wollen wir einen der umliegenden Hügel besteigen. Einen echten 5.000er. Die Wahl fällt auf diesen, nicht weit von der Straße enfernten. Und sogar ein Weg führt zu ihm. Das überflüssige Gepäck deponieren wir in einer Senke.
Oh, eine Schranke. Das Verbotsschild wird von uns sicherheitshalber geflissentlich ignoriert. Die Schranke umfahren.
Wir sind, eigentlich unbeabsichtigt, auf dem riesigen Gebiet der
ALMA gelandet.
(ALMA - das Atacama Large Millimeter/submillimeter Array | ESO )
Das große europäische Observatorium.
ALMA Auf der Suche nach unseren kosmischen Ursprüngen Wir wussten schon, dass es sich in der Nähe von San Pedro befindet und hätten es auch gerne besucht. Das geht aber nur an Wochenenden. Und wir hatten uns schließlich dagegen entschieden dafür noch ein paar Tage länger im teuren San Pedro zu bleiben.
Gut, jetzt sind wir, eher zufällig, trotzdem hier...
Eigenartige Gebilde und Gebäude mitten in der Wüste.
Jetzt wird es uns doch ein wenig mulmig.
Wir kommen uns vor wie die Helden in einem James Bond Film. Oder sind wir die Bösewichter?
Sicherlich kommen jetzt aber gleich irgendwo aus dem Nichts Helicopter auf uns zugeflogen.
Gerade der von uns auserkorene Berg muss etwas ganz besonders Wichtiges sein. Der Weg dorthin ist selbst in diesem gesperrten Terrain noch mal gesperrt.
Wir drehen lieber um und besteigen im ganzen Urlaub auch keinen anderen 5.000er.
Hier erwischt uns der bisher stärkste Sturm der gesamten Reise. Die meiste Zeit kommt er mit Orkanstärke von hinten. Aber etwa fünf Kilometer bis zur Passhöhe müssen wir gegen den Sturm kämpfen. Wir sind sehr erschöpft. Ein Auto hält an. Zwei deutsche Geologen versorgen uns mit Essbaren und Getränken. Wir sollen unsere Räder auf ihren Pickup laden.
"Nein danke, wir sind ja gleich oben."
Für die beiden ist die Atacama die interessanteste und spannendste Gegend weltweit.
Isabel wird mehrmals vom Sturm in den Straßengraben geweht.
Selbst beim Schieben.
Und fühlt sich dementsprechend.
Wir hätten deshalb gerne früher einen Windschutz gefunden. Es dauerte dann aber doch bis zum Abend.
Auch diese Mauer half letzendlich nicht sehr viel. An Schlaf war in dieser Nacht kaum zu denken.
Dort tief unten liegt die gemeinsame Grenzstation der Chilenen und Argentiner.
Es gibt auch eine Tankstelle mit Imbiss, kleine Geschäfte, ein Restaurant, das aber erst spät abends öffnet, und ein paar einfache Zimmer.
So lange kein Telefon? Und natürlich auch kein Internet. Das gilt für die Gegenrichtung als von der Grenze Richtung San Pedro.
Wir haben mittlerweile das vierte Land auf unserer Südamerikatour erreicht.
Der Paso Jama liegt ganz in der Nähe des Dreiländerecks Bolivien/ Chile/ Argentinien.
Er ist der nördlichste Grenzübergang zwischen den Ländern Chile und Argentinien.
Bis zu unserem Ziel Ushuaia sind es von hier aus noch 3600 Kilometer.
Luftlinie!
Wir werden noch ein gutes Dutzend Mal die Grenze zwischen den beiden Staaten, die sich nicht gerade sehr zugetan sind, an meist kleinsten Grenzposten überqueren. Es werden dann auch noch deutlich mehr Kilometer als die der Luftlinie.
Und die Anden werden wir auch immer wieder überqueren.
Begrüßt werden wir, noch ehe wir den Grenzposten erreichen, von solch einem netten Pärchen an Sittichen, die ununterbrochen schnäbelten- also sich küssten.
(Liebe Sittichexperten, handelt es sich hier um ein Paar der "Unzertrennlichen"? Eher wohl nicht. Welche Sittiche gibt es hier in einer Höhe von 4.400 Metern?)
Obwohl wir unentwegt in Höhen über 4.000 Metern radeln, fahren wir jetzt täglich deutlich mehr als 100 Kilometer. Das ist für uns nicht unbedingt normal. Meist sind es eher um die 80.
Hier sind wir aber noch immer auf dem eher flachen Altiplano und zugleich in der Atacamawüste
(Auch wenn deren Grenzen unterschiedlich angegeben werden).
Der Wind kommt immer noch aus westlichen Richtungen.
Zum Glück fahren wir aber in östliche Richtung, und wir sammeln hier auch deutlich weniger Höhenmeter als sonst.
Schade. Leider geschlossen.
Aber ein schöner Platz für ein zweites Frühstück.
Und das ausnahmsweise einmal ganz ohne Wind.
Leider ist dieser immer noch das ewige Thema.
In der Hitze des Tages- die Sonne steht noch immer im Zenit- verschwimmen die Konturen.
Nein wirklich nicht von mir gemalt...
Ein echtes und kaum bearbeitetes Foto.
Allerdings bei 48- facher Vergrößerung.
Die Reifen der vielen LKW`s sind von schlechtester Qualität. Überall liegen Reifen oder Teile von diesen am Straßenrand.
Besonders schlechten Zustand weisen die Fahrzeuge aus Paraguay auf, die diesen Pass besonders stark frequentieren.
Auch hier gibt es noch einige große Salare (Salzseen).
Ein nettes kleines Hotel mit gutem Restaurant am Straßenrand kurz vor Susques und der Einmündung der berühmten Ruta 40 in unsere 52.
Es ist zwar erst 15:00 Uhr.
Wir haben aber bereits deutlich mehr als die erwartete Strecke zurückgelegt.
Schön, ein halber Ruhetag.
Der Ort Susques ist dagegen eher enttäuschend.
Zumindest gibt es ein paar Läden, eine Bäckerei und- ganz wichtig- einen Geldautomaten.
Die Gebühren, die in Argentinien und Chile für die Nutzung von Geldautomaten erhoben werden, sind leider beträchtlich. Zwischen 5- 10%.
Wir haben aber keine Wahl. Ohne Geld geht es auch nicht.
Es ist schon etwas eigenartig.
Wir hatten ja gar nicht geplant bereits hier, im äußersten Norden, nach Argentinien zu fahren. Wir haben daher keinerlei Vorstellungen was uns hier noch so erwartet. Wir lassen uns einfach davon überraschen, was uns noch erwartet.
Und bis nach Salta kommen dann tatsächlich auch noch ein paar Überraschungen und absolute Highlights.
Davon später mehr...
Uwe
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