Daher geht es mir wie Dir. Ich kann die Vorteile des Bikepacking für den "normalen Radreisenden" nicht nachvollziehen, wobei weder Teilnahmen an irgendwelchen sportlichen Events oder Extremtouren in unwegsamem Gelände für mich zu den "normalen Radreisen" zählen.
Du sprichst in deinem Beitrag noch eine Komponente an, die ich noch deutlicher raustellen würde, weil es für mich ein sehr pragmatische ist: Ich habe sowohl für Reisen als auch für Tagestouren nur
ein Rad, das eben auf Radreisen spezialisiert ist. Ein Rad, ein Sorge, eine Pflege, eine Reparaturstelle, unterschiedlichste Anforderungen. Ein Rad auf Vordermann zu halten ist letztlich einfacher als einen Fahrradpark. Auf das Rad bin ich am besten eingestellt, inklusive der Muskulatur (Druckpunkte auf den Pedalen, Körperhaltung, Schwerpunkte des Rades usw.). Ein Rad steht also auch für Effizienz. Merkt man auch, wenn man neue Radschuhe kauft, braucht oft ein paar Tage der Gewöhnung.
Das gilt auch für da Equipment wie Schlafsack usw. Es macht für mich keinen Sinn, für jede Art von Radreise darüber nachzudenken welchen von vieln Schlafsäcken ich mitschleppen soll, ob ich ein paar Gramm spare, weil vielleicht ein Detail nicht mitgenommen werden muss, weil man vielleicht ein Probetube Zahnpasta nehmen könnte statt einer normalen usw. Der beste Schlafsack für Wintereinbruch in den Alpen ist genauso gut nutzbar in tropischen Nächten - dann eben locker als Decke gepackt, im Zweifel auch mal nur mit Seideninlet. Für mich ist wichtig, das ich darum weiß, entsprechende Ausrüstung dabei zu haben, wenn die äußeren Bedingungen sich unerwartet wenden. Das ist bei meinen Zielgebieten selbst auf Kurzreisen eigentlich die Regel. Meine Erfahrungen sind diesbezüglich auch schon sehr umfangreich. Hatte ich Winterhandschuhe für die Pyrenäen als überflüssig erklärt, musste ich sodann welche auf der Reise kaufen. Die verlorene Regenjacke musste ich binnen Stunden ersetzen, Fortsetzung der Reise sonst undenkbar.
Bei Kurzreisen mit nur 2 Hinterradtaschen lasse ich natürlich schon mal Details wie Winterhandschuhe weg, auch nach Korsika würde ich im Sommer keine mitnehmen. Auf einer Wochenendtour in die Vogesen brauchte ich unerwartet 3-4 Paar Socken (weil durchnässt), kaufte welche dazu. Auf der Alb sanken jüngst die Temperaturen trotz des bekannt heißen Hochsommers nachts auf unerwartete ca. 7 °C, sodass ich eigentlich schon für die ersten 1-2 Morgenstunden ein langes Beinkleid gebraucht hätte. Ging irgendwie, für Dauerzustand einer längeren Reise aber nicht zu empfehlen. Das sind aber eher unerhebliche Gramm- und Volumengrößen.
Zum Pragmatismus gehört auch, dass ich nicht ständig umpacken und umdenken muss. Es gibt fixierte Dinge wie Reparaturausstattung, Pumpe, 2 Ersatzschläuche, Erste-Hilfe-Set, eigentlich auch Regenjacke, jenseits vom Hochsommer Langüberziehhose usw., die immer an Bord sind, auch wenn bei einer Tagestour in meiner Umgebung 2 Ersatzschläuche übertrieben sind oder mal erkennbar ist, das es wohl nicht regnen würde. Der Nachteil ständiger Anpassung ist, dass man dann im Falle des Falles die nötigen Sachen nicht an Bord hat. Bei einer Forumstour mit über 10 Leuten fiel ich mal auf, weil ich als einziger Verbandsmaterial dabei hatte. Das sagt auch etwas aus.
Technisch ist mein Rad für anspruchvolle Pisten ebenso geeignet wie flotte Straßen. Was noch schwieriger im Gelände wäre wie Trails oder sehr lose Schotterpisten kann und möchte ich nicht bewältigen, zumal ich dafür auch grundsätzlich andere Reifenausstatung etc. bräuchte (Hybridreifen reichen dann nicht mehr), aber auch eine andere Fahrtechnik, die ich nicht beherrsche. Rad und Ausstattung sollen stets flexibel transportabel sein, gerade bei unterschiedlichsten Zügen und Bahnsteigen ist das schnelle Auf- und Abmontieren von Taschen eine Notwendigkeit. Ich brauche gesicherten Regenschutz meines Materials - die Auswahl dieser Taschen ist nicht beliebig. Wer mal Ärger mit undichten Taschen, weiß das zu schätzen. Auch für eine gezielte Aufteilung verschiedener Dinge auf unterschiedliche Taschen gibt es eine Reihe von Gründen, die ggf. für rennähnliche Touren keine so große Rolle spielen, auf Reisen im tieferen Sinne aber schon.
Mir ist bekannt, dass die Bikepacking-Rennrad-Variante Gewichtsvorteile bringt, mir ist aber auch um die Stabilität des Reiserads in verschiedenem Gelände wichtig - und eben mit nur einem "Kompromissrad". Da ich auch vom Rennrad herkomme, bevor ich Reiserad gefahren bin, kann ich die Typen auch ganz beurteilen und weiß um den Umstieg, der weit weniger problematisch war als ich mir zuvor eingebildet hatte. Meine erste Radreise (3 Wochen) machte ich ohne jede Vorerfahrung mit Rad und Taschen - alles war neu. Es war wie ein Déjà-vu, dass der Umstieg so leicht fiel. Eher trauere ich der Zeit nach, dass ich nicht früher damit angefangen hatte.
Manche Steigungen kann ich nur mit vollem Gepäck (Lowrider) bewältigen, weil eine einseitige rückwärtige Belastung zum gefährlichen Abheben des Vorderrads führt. So musste ich mal auf einer Kurzreise mit nur Hinterradtaschen am Hirschbichl-Pass absteigen, weil die steilsten Passagen zu gefährlich wurden (nicht, weil ich sie nicht geschafft hätte). Auf klitschiger Straße wäre ich dieses Jahr auch keinen Col de Napale mit solcher Hinterlast hochgekommen, von einem trockenen Monte Zoncolan vor 3 Jahren ganz zu schweigen.
Ein größere Auswahl von Klamotten, insbesondere Radhosen, erhöht den Fahrkomfort, weil man durchgesessene Polster oder durch Schweiß ungünstig reibende Flächen vermeiden kann. Schließlich sinkt mit fehlender Pufferkapazität die Flexibilität, reisetypische Dinge vorübergehend oder dauerhaft mitzunehmen - lokale, sperrige Spezialitäten, Souvenirs u.ä. Es ist also sicherlich auch eine Genuss- und Luxusfrage, ob man sich einem Spargepäckdiktat unterwerfen möchte oder nicht. Die einen sagen, es macht flexibel, ich sage, es macht inflexibel.
Leicht heißt also letztendlich nicht, dass sich alle Strecken besser bewältigen lassen, es braucht eine entsprechende Geländegängigkeit mit einer Vielzahl von Faktoren und eine Reihe weicher Faktoren, die das Reisen angenehmer machen. Das fällt natürlich bei längeren Reise mehr ins Gewicht als bei short trips odr im Rennfokus. Vielleicht liegt aus daran, dass ich mir sage, den Schweiß kann ich eh nicht vermeiden, und ob 3 Tropfen mehr fließen oder nicht, ist irgendwie egal. Daraus zu schließen, Gewicht sei ganz egal, wäre wiederum Quatsch - meine Grundausstattung halte ich für weitgehend gewichtsoptimiert, natürlich "ceteris paribus" für unterschiedlichste Radreisebedingungen.