Vom 09.09. bis 16.09.2024 bin ich mit meiner Frau durch den Südosten Bulgariens gefahren. Ausgangspunkt war Nova Zagora, Endpunkt Burgas. Ziel war, den Nationalpark Strandscha kennen zu lernen und das südöstlichste Dorf Bulgariens, Rezovo zu erreichen.
Hier ist der Link zur Route:
https://www.alltrails.com/de/explore/map/2024-09-09-10-13-20-13b9194?u=m&sh=ikrk55Wir sind mit der Bahn nach Nova Zagora gefahren. Zugfahrten in BG sind ein eigenes Kapitel und das Mitnehmen der Räder in der bulgarischen Bahn ist zwar billig (1 Lew pro Rad) aber eine spezielle Angelegenheit. Ob man das Rad mitnehmen darf, entscheidet die Dame am Fahrkartenschalter. Fährt man nicht gerade mit einer der neueren Züge, gibt es keine speziellen Radabteile. Die Vorschrift lautet dann, das Rad in den letzten Wagon am Ende des Zuges zu stellen, damit man den Durchgang nicht blockiert. Das hat natürlich mehrere Nachteile. Erstens gibt es Züge, die z.B. über Plovdiv fahren. Plovdiv hat einen Kopfbahnhof, da wird der Zug also gedreht (auf der Rückfahrt von Burgas verlangte der Schaffner tatsächlich, dass wir unsere Räder in Plovdiv umladen. Zum Glück wurde das Personal dort gewechselt und den anderen Schaffner hat das nicht interessiert). Zweitens sind zwei Räder im Einstiegsbereich schon ganz schön sperrig. Wenn weitere dazu kommen, passt niemand mehr durch. Ich habe die Lenker quergestellt um etwas mehr Platz zu haben. Außerdem sollte man einen Riemen dabei haben um die Räder zu sichern. In Nova Zagora hat der Zug nur einen kurzen Halt. Der Schaffner hat uns mit Verweis auf eine viertelstündige Verspätung des Zuges zur Eile gemahnt. Wir waren aber nach weniger als einer Minute draußen.
Nova Zagora ist im Gegensatz zu Stara Zagora ein kleines Provinznest. Wir haben uns aber gegen Stara Zagora entschieden, weil man aus dieser Stadt nur über längere Strecken auf stark befahrenen Fernverkehrsstraßen rauskommt. Nova Zagora ist da wesentlich ruhiger.
Übernachtet haben wir im Hotel „Rio“, gebucht über Booking. Wir waren die einzigen Gäste und der Besitzer kam extra um uns einzulassen. Das Zimmer war okay, nur dass die AC nicht funktionierte, war ärgerlich. Am nächsten Morgen haben wir vor einer Bäckerei mit Baniza, Ayran und Kaffee gemütlich gefrühstückt.
1. Etappe: Nova Zagora – General Toschevo
Da gibt es nicht viel zu berichten. Man muss nur ein kleines Stück auf der Fernverkehrsstraße 55 fahren. Dann wird es zunehmend ruhiger und die Dörfer werden immer verlassener. Man fährt aber die ganze Zeit auf asphaltierten Straßen.
Das Hotel ist ein bisschen außerhalb der Siedlung auf einem Hügel. Die Übernachtung hatten wir auch über Booking gebucht. Es stellte sich aber heraus, dass das dazugehörende Restaurant an diesem Tag Ruhetag hatte und im Hotel niemand wohnte. Zum Glück haben wir noch eine Angestellte erwischt, die gerade gehen wollte. Die hat den Chef angerufen und der kam dann extra wegen uns und hat für uns gekocht (dort gab es sonst auch weit und breit nichts zu essen).
2. Etappe: General Toschevo – Lalkovo
Die Strecke führt uns noch einmal durch eine Stadt (Elchovo), wo wir vernünftig zu Mittag essen und einen Ersatzschlauch für das Leihrad meiner Frau kaufen (am Ende der Fußgängerzone gibt es einen kleinen versteckten Fahrradladen). Danach wird es langsam duster, man denkt, man hat das Ende der Welt erreicht. Nur gelegentlich sieht man einen Jeep der Grenzpolizei (wir sind schon ziemlich nahe an der Türkei).
Lalkovo ist ein kleiner Weiler ohne Geschäfte oder Gastronomie. Die Unterkunft haben wir bei Google Map gefunden und dann telefonisch vereinbart. Das war aber gar nicht so einfach, denn die Einheimischen sind bei ausländischen Telefonnummern vorsichtig und gehen oft gar nicht ran. Zum Glück ist meine Frau Bulgarin und konnte die Dame überzeugen, dass wir keine Schleußer sind, die ihr Geld damit verdienen, Flüchtlinge in die EU zu bringen. Das ist dort ein latentes Problem.
Die Unterkunft ist ein ausgebauter Bauernhof. Zwar sind die Toiletten und Duschen Gemeinschaftseinrichtungen, da wir aber die einzigen Gäste waren, war das egal. Man hat sich rührend um uns gekümmert und sowohl Abendessen als auch Frühstück waren reichlich und gut. Bei einem kleinen Abendspaziergang kamen nicht nur die allgegenwärtigen Hunde sondern auch ein paar Einheimische aus einem Hof, weil wir deutsch sprachen und sie uns deshalb für Flüchtlinge hielten.
Wovon leben die Leute sonst? Frontex-Offiziere und Bauarbeiter, die einen neuen Grenzzaun bauen, sind häufig Gäste dort. Außerdem führt der „Strandscha Wanderweg“ durch Lalkovo.
3. Etappe: Lalkova – Fakia
Eigentlich wollten wir zwischen Voden und Gorska-Polyana einen Feldweg benutzen. Da es aber über Nacht geregnet hatte und die Karte zwei Furten zeigte, haben wir uns entschlossen, über Bolyarovo zu fahren. Das bedeutete, ein Stück auf der Fernverkehrsstraße 79. Der Verkehr war aber gering.
Außerdem hatten wir das Sonnenschutzspray in Sofia vergessen und in Bolyarovo war die letzte Apotheke für die nächsten 200 km. Dass die geschlossen hatte, wussten wir ja nicht. Wir konnten aber Lebensmittel einkaufen.
Fakia ist zwar ein relativ belebtes Dorf. Eine vernünftige Gaststätte gibt’s da aber auch nicht. Wir haben uns in der Unterkunft in der Küche Essen gemacht. Das „Gasthouse Fakia“ ist zwar bei Booking gelistet, buchen kann man es aber nicht. Wir haben uns telefonisch angemeldet. Und, wir haben von der Besitzerin Sonnenschutzcreme bekommen.
4. Etappe: Fakia – Zvetsdez
Wieder mussten wir ein paar Kilometer die 79 fahren. Am Abzweig zur Straße 908 gibt es ein Restaurant. Dort haben wir gegessen, und das war gut so, denn entlang der gesamten restlichen Strecke gab es keinen Laden und kein Restaurant – nichts. Obwohl die Straße eine dreistellige Nummer hat, ist es streckenweise nur ein besserer Feldweg. Zum Glück durchgehend asphaltiert, wenn auch in einem miserablen Zustand. Ein armer LKW- Fahrer ist, wohl in der Hoffnung auf eine mautfreie Abkürzung mit seinem 40- Tonner dort reingefahren. Keine Ahnung, wie er da wieder raus gekommen ist.
Zunächst geht es runter ins Tal des Flusses Fakiska. Beim Aufstieg lernt man dann das große Elend der Strandscha kennen: tausende kleine Fliegen, die versuchen, einen in die Augen, Ohren, Mund und Nase zu kriechen. Man müsste eigentlich einen Imkerhut aufsetzen. So sind wir praktisch mit vollständig von den Fliegen bedeckten Gesichtern gefahren. Dieses Problem gibt es übrigens in der gesamten Gegend, nur in den (wenigen) Ortschaften lässt es nach und erst an der Küste wurde es besser. Eigentlich ist die Gegend sehr schön: dichte Wälder, unberührte Natur. Aber die Fliegen machen das Radfahren zur Qual.
In Zvetsdez gibt es zwei Läden und eine Art Kneipe. Die Unterkunft, eine riesige Villa im griechischen Stil mit Swimmingpool bildet einen krassen Kontrast zu den ärmlichen, halb verfallenen Häusern des Ortes. Wir waren wieder die einzigen Gäste und haben den Besitzer nur telefonisch kontaktiert. Abendessen und Frühstück haben wir uns in der Küche gemacht.
5. Etappe: Zvetsdez - Kosti
Eigentlich wollte ich die kleine Straße zur „Света Петка“ fahren und dann auf Feldwegen nach Zabernovo aber Gattin war dagegen. Und da die E87 nur wenig befahren war, haben wir uns entschlossen, auf dieser bis zur 907 nach Norden zu fahren. Das war ein Fehler! Denn als wir in die 907 einbogen, stand da ein großes Schild, dass die Straße auf einer Länge von 26 km gebaut wird. Und in der Tat war die Fahrbahndecke über die gesamte Länge aufgerissen.
Auch hier wieder kein Laden und keine Gaststätte. Selbst der auf Google Maps eingezeichnete Laden in Kondolovo war geschlossen. Nur ein Kaffeeautomat bot seinen Service an. Wenigstens war dann auf der 99 keine Baustelle mehr.
Nach Kosti führt eine asphaltierte Stichstraße. Offensichtlich ist dieser Ort auch ein bisschen touristisch erschlossen, denn es gibt ein Restaurant und ein Geschäft sowie mehrere Unterkünfte. Außerdem standen auf dem Dorfplatz mehrere Kleinbusse, vermutlich für Wanderer. Wir waren in einem uralten Haus untergebracht, das leider auch so roch. Die Gastgeberin, eine Dame, fast so alt, wie das Haus hat sich aber rührend um uns bemüht und uns zum Frühstück selbstgemachte Baniza serviert.
6. Etappe: Kosti – Resovo
War die Straße bis dahin, abgesehen von der Baustelle, noch akzeptabel, so ist der Weg von Kosti zur Küste fast nur Schiebestrecke. Obwohl der Weg auf OpenStreetmap als Radtour eingetragen ist (Iron curtain tour), kann man ihn mit keinem Rad befahren. Geröll, Schlamm und ausgespülte Rinnen machen ihn unbefahrbar. Ich kann nur meine Gattin bewundern, dass sie diese Strapazen durchgestanden hat. In Brodilovo kann man rasten und hat die Möglichkeit auf einer festen Straße nach Norden zu fahren. Wir wollten aber nach Südosten.
Irgendwann hatten wir jedenfalls die Küstenstraße erreicht. Wir sind zunächst nach Achtopol gefahren, weil Googl uns angezeigt hat, dass es nur dort einen Geldautomaten gäbe. In Sinemorets gibt es aber auch welche. Jedenfalls haben wir dort erstmal was gegessen und sind dann runter nach Resovo gefahren.
Resovo ist ein kleiner Ort in der südöstlichsten Ecke von Bulgarien. Früher war das als Grenzgebiet gesperrt. Inzwischen haben sich aber zwei Hotels und mehrere Pensionen, sowie auch einige Restaurants etabliert. Direkt am Ort mündet der Grenzfluss zur Türkei ins Schwarze Meer und so stehen sich neben dem Ort zwei überdimensionierte Nationalflaggen von Bulgarien und der Türkei gegenüber. Wer hat den längsten?
Wir waren wieder die einzigen Gäste im Family-Hotel und bekamen ein Zimmer im 4. Stock mit herrlicher Aussicht auf das Meer und die Türkei. Direkt neben dem Hotel gibt es einen kleinen Laden, wo wir alle Notwendige kaufen konnten.
7. Etappe: Resovo – Kiten
Je weiter wir die Küstenstraße nach Norden hinauf fuhren, desto stärker wurde der Verkehr. Und dass, obwohl wir schon mit Absicht außerhalb der Saison waren. In Kiten, einer reinen Touristensiedlung, hat man das auch gemerkt. Viele Hotels und Restaurants hatten bereits geschlossen und abends war es auf den Straßen recht leer. Unsere Unterkunft war ein Restaurant, das auch Zimmer vermietet hat. Dort konnten wir gut zu Abend essen und auch frühstücken.
8. Etappe: Kiten – Burgas
In Primorsko haben wir dann die Küstenstraße verlassen und sind die 992 in Richtung Burgas gefahren. Da war es recht ruhig. Allerdings war die Straße hinter Wesselie plötzlich wieder gesperrt. Zum Glück waren sie aber zunächst nur mit vorbereitenden Arbeiten beschäftigt und hatten die Fahrbahn noch nicht aufgerissen, so dass wir wohlbehalten wieder bis zur Küstenstraße im Norden kamen.
Hier ist die 99 aber eine autobahn-ähnliche sehr stark befahrene Fernverkehrsstraße. Man muss mit dem Rad auf einem, teilweise miserablen Weg, neben der Hauptstraße herfahren. Erst auf halber Strecke gibt es einen echten Radweg bis nach Burgas. Diesen Radweg will man wohl auch verlängern. Jedenfalls sind bereits Bauarbeiten im Gange. Ein kurzes Stück auf der 99 muss man aber trotzdem fahren, weil der Weg noch nicht fertig ist.
Zu Burgas gibt es wenig zu sagen. Auch außerhalb der Saison eine lebhafte Stadt mit vielen Sehenswürdigkeiten, Hotels und Restaurants. Auch hat man die Fußgängerzone sehr stark ausgeweitet, so dass man fast in der gesamten Innenstadt spazieren kann. Sehr schön ist der ausgedehnte Park am Meer.
Schließlich sind wir von Burgas wieder mit der Bahn nach Sofia zurück gefahren.
Gruß, Uwe