Durch die Gebirge der Sudeten von Bad Schandau nach OlomoucTschechien scheint dieses Jahr als Radreiseziel in Mode zu sein, jedenfalls hier hier Forum: Sehr zu Recht, wie ich finde. Nachdem ich die Grundgedanken meiner eigenen Reise ja schon im
Forum skizziert und viele sehr hilfreiche Tipps erhalten habe, folgen hier nun noch ein paar Eindrücke von meiner einwöchigen Fahrt von Bad Schandau nach Olomouc, die Ende Juli stattgefunden hat. Hier der gefahrene
Track .
Daten: 5 ganze und 2 halbe Tage, 560 km, 1.427 hm (laut gpsies)
Gestartet bin ich mit ca. 15 kg Gepäck, inclusive Zelt und einer Mahlzeit. Beides war eigentlich überflüssig: Gute und billige Unterkünfte und Restaurants gibt es in Tschechien in Hülle und Fülle, es war meist schwieriger, einen Zeltplatz zu finden, als ein Hotel. Trotzdem wollte ich im Zelt schlafen, was mir am Ende aber nur in drei von sechs Nächten gelungen ist. Besonders empfehlen kann ich den – nicht ausgeschilderten – Zeltplatz „Meiers“ in einem großen Privatgarten in Dolni Adrspach (mit einfachen Sanitäranlagen und Blick auf die Felsenstadt, ich war allein dort, wird sonst wohl vor allem von Kletterern genutzt).
Super Glück hatte ich mit dem Wetter: überhaupt kein Regen, ein paar Wolken und meist nicht zu heiß.
Bestätigen kann ich die vielen Berichte über das typische Höhenprofil in Böhmen: Es geht immer bergauf oder bergab (meist Letzteres
), ein längeres Flachstück gab es nur am letzten Tag in der Hanna-Ebene kurz vor Olmütz. Aber die Höhenmeter waren ja ein Grund, warum ich in die Sudeten gefahren bin
. Zur Orientierung habe ich - neben dem geplanten gps-Track auch den Cykloatlas Cesko mitgeschleppt, der zwar fast zwei Kilo wiegt, aber gute Dienste geleistet hat.
Abgesehen von den Bergen fährt es sich sehr angenehm, jedenfalls in Tschechien – darüber wurde hier schon viel geschrieben.
Typische Radroute in Tschechien (Nr. 21), Blick auf den Bourny im Lausitzer Gebirge
Anders in Polen, wohin mich zwei Abstecher führten: Der Verkehr ist dort viel stärker, die Straßen in einem schlechteren Zustand (von Lastern zerfahrene Ränder, wenig rücksichtsvolle Autofahrer), ausgewiesene Radwege gibt es praktisch nicht. Auf den mittelgroßen Straßen geht es schon mal so zu (am Kowary-Pass, die Straße nutzte ich nur wenige hundert Meter):
Am ersten Tag (nur ein halber Tag nach der EC-Anreise nach Bad Schandau) ging es zunächst durchs
Elbsandsteingebirge: Wunderschön und mit leichter Steigung entlang der Kirnitzsch. Die Wege sind teils Schotter, aber immer gut, es gab nur eine kurze Steilrampe (11%) hinauf zum Wirtshaus Na Tokani.
Das
Lausitzer Gebirge mit seinen Vulkankegeln beeindruckt durch weite Blicke und „offene Fernen“, die Radroute Nr. 21 führt elegant hindurch:
Blick von nahe Horni Svetla auf Hochwald (links) und Jested (rechts)
Typisches Dorf (Chribska), mit Jedlova im Hintergrund
Einsamer Bahnübergang in kanada-artigen Wäldern bei Kytlice
Die erste Nacht verbrachte ich in dem etwas armseligen Städtchen Jablonné ve Podjestedem, genauer auf dem heruntergekommenen Zeltplatz, der mit dem Freibad identisch ist. Schön war es trotzdem, mit Weitblick auf großer Wiese, auch wenn dort eine Open-Air-Konzert stattfand, das bis Mitternacht für Beschallung sorgte.
Am zweiten Tag stand zuerst der Jested auf dem Programm, ein südlicher Ausläufer des Lausitzer Gebirges und mit 1012 m sein höchster Berg:
Im futuristischen Restaurant isst man übrigens gut.
Liberec war dann die einzige Stadt, die ich auf der ganzen Tour berührte, am Sonntag war der Verkehr nicht der Rede wert, die Stadt zumindest auf den ersten Blick auch nicht.
Am Nachmittag ging es ins
Isergebirge, das mir besonders gut gefallen hat: Eine bewaldete Hochebene zwischen Gipfeln, darin Hochmoore und einzelne Klippen. Alles bestens erschlossen durch autofreie Wege, die wohl in den 30er Jahren vom Militär angelegt wurden, aber gut in Schuss gehalten werden. Die Tschechen fahren dort viel mit Mountainbikes herum. Wenn man erstmal oben ist (der hier empfohlene Weg über Bedrichov hat sich bewährt), halten sich die Steigungen und die Steilheit in Grenzen:
Im Hintergrund schon das Riesengebirge
Nur der geplante Abstecher (zu Fuß) auf den Gipfel der (oder des?) Jizera fiel der vorgerückten Stunde zum Opfer:
Im traumhaft abgeschiedenen Weiler Jizerka kam ich leider nicht wie geplant unter: Es war nur ein Hotel geöffnet (Vorsaison), das aber mit Gruppen voll war.
In anderen Pensionen war zwar jemand da, man hatte aber keine Lust, mich für eine Nacht (Sonntag-Montag) aufzunehmen. So musste ich bis Korenov abfahren und reichlich spät in einem eher schäbigen Hotel einkehren.
Direkt anschließend das
Riesengebirge, das wirklich eine Nummer größer ist. Die Auffahrt vom Tal der Jizerka über Horni Misecki auf die Hochebene bei der Vrbatova Bouda (1.400 m) sind immerhin fast 800 Höhenmeter, plus vorher 380 m extra von Rokytnice zum kleinen Rezek-Pass.
Aber es lohnt sich, oben ist man in eine nordisch anmutende Landschaft versetzt:
Sokolnik und Schneegrubenbaude
Snezka (Schneekoppe)
Hier immerhin hatte ich Zeit für einen gut halbstündigen Fußmarsch zum Riesengebirgskamm von der Labska Bouda (scheußliches Betonmonster) zu den Schneegruben.
Riesengebirgskamm nach Westen
... und Osten (Schneegrube)
Dabei überquerte ich auch den jungen Elbstrom:
Die Abfahrt über Horni Misecky nach Spindleruv Mlyn führt oben eher flach, teils leicht bergauf, über gröberen, im unteren Teil umso steiler über feineren Schotter: Ein harter Bremsentest, hoch hätte ich das mit meinem Gepäck wohl nicht geschafft (im Durchschnitt 10% Steigung, aber auch Abschnitte mit 15-20%).
Horni Misecki, unten das Tal von Spindleruv Mlyn
Übernachtung im kleinen Hotel „Diana“, am oberen Ortsausgang kurz vor der Mautstraße) in einem typischen Holzhaus, klein, sauber, große Portionen).
Die Auffahrt zum Spindlerpass ist angenehm, die Abfahrt nach Polen kein Spaß: Sehr steil, mit bröseligem Asphalt und einer Kraterlandschaft aus Schlaglöchern. Hier kann man schon mal die Kontrolle über das bepackte Rad verlieren, rauf geht das mit dem Reiserad für Normalsterbliche sicher nicht.
Hier geht's direttissima runter nach Schlesien
Die polnische Seite des Riesengebirges ist dichter besiedelt, wirkt aber ärmlicher. In den eigentlich ganz hübschen Städtchen ist nicht viel los (anders nur Kowary, wo ich beim Bäcker Mittag machte). Hier der Markt von Lubawka
... und dessen Rückseite:
In Chelmsko Slaskie ist noch viel zu tun, aber man nimmt sich die Zeit:
Die Sträßchen zwischen Kowary-Pass und Lubawka waren übrigens gut zu fahren. Für das kulturelle Highlight der Tour, die Abtei Krzeszow (Grüssau), blieb leider nur wenig Zeit.
Das übelste Wegstück der Tour folgte dann zwischen der Grenze bei Chelmsko und Adrspach: Grober Schotter für etliche Kilometer, genau das was man Abends noch braucht. Dafür dann der Zeltplatz umso besser (s.o.), mit Blick in die Felsenstadt:
Meiers Meadow
Felsenstadt
Die nächste Etappe durch
Heuscheuer- und Adlergebirge war kilometermäßig die längste der Tour (102 km), mit einem einstündigen Wander-Abstecher in den Nationalpark Szczeliniec Wielki, der sich lohnt, trotz zahlloser Schulklassen, die den offiziellen Rundweg zwischen bizarren Sandsteintürmen und tiefen, engen Klüften entlanggescheucht werden.
Man fragt sich allerdings, ob es in Polen wirklich nur gegrillten Käse, Waffeln und Lody zu essen gibt: Etwas Anderes wurde jedenfalls in den zahllosen Buden am Eingang nicht feilgeboten.
Im langen, weiten und praktisch unbesiedelten Tal der Divoka Orlice (Wilde Adler) zwischen Adler- und
Habelschwerdter Gebirge hielt ich mich auf der polnischen Seite und war ich auf der Straße und auch sonst praktisch alleine, im schönsten Abendlicht und bei fast 30 km leichten Gefälles (ein paar Gegenanstiege gab es natürlich).
Bei Mostovice
Zum Abschluss dann das das
Altvater-Gebirge (Jeseniki Hora), mit dem die Sudetenkette an der Mährischen Pforte endet. Unterwegs ein Abstecher (zu Fuß) zum „Muttergottesberg“ von Kraliki, mit eindrucksvoller Eichenallee und toller Aussicht.
Glatzer Schneeberg (Kralicky Sneznik) mit March-Ursprung in der Mitte, von Süden.
Der – von mir mit gemischten Gefühlen erwartete – Aufstieg von Kouty nad Desnou (scheußlicher Skiort, immerhin mit Gastronomie) zur Svyzarna am Praded (700 hm auf 10 km, Weg Nr. 6157) ging trotz Hitze an diesem Tag besser als erwartet: Entgegen den Landkarten war die untere Hälfte bis zur Einmündung des vom Cervenohorske Sedlo kommenden Weges Nr. 6075 (von links) frisch geteert, danach (rechts) passabler, wenn auch steiler Schotter:
Nur das allerletzte Stück (ohne Steigung) zur Hütte wurde gerade völlig idiotisch und aufwändig mit groben Felsen gepflastert, die weder zum Fahren noch zum Laufen taugen (Schieben).
Am Ziel: Svyzarna, rechts oben Praded-Gipfel
Die Svyzarna-Hütte ist eher schmuddelig, ich war aber fast alleine und trotzdem ganz froh, ein Zimmer zu haben, denn in der Nacht kam ein heftiges Gewitter herunter.
Bei der frühmorgendlichen Auffahrt zum Praded mit herrlichster Aussicht war ich wieder alleine, hier war mit 1.491 m nicht nur der geographische Höhepunkt der Tour erreicht.
Nach Westen (Schneeberg, Adlergebirge, links das Speicherbecken Dlouhe Strane)
Es folgte eine endlose, schnatterkalte Abfahrt, einiges Auf und Ab und dann noch die platte Agrarsteppe der Hanna-Ebene, bis ich am frühen Nachmittag das Ziel Olomouc erreichte.
Der kahle rücken des Praded von Süden
... und von ganz Unten.
Dort hatte ich Riesenglück mit der Unterkunft: Eigentlich war die Stadt wegen des an diesem Wochenende stattfindenden Halbmarathons ausgebucht, auch die von mir angefahrene Pension „Bellis“ (Dank an Toxxi für den Tip, Pension ist aber stark untertrieben, es ist schon ein eher schickes Hotel!). Ich war schon wieder rausgegangen und begann, mit dem Handy nach Alternativen zu suchen, als die Rezeptionistin herauseilte und mir zurief, ich solle warten: Es wurde gerade telefonisch eine Buchung abgesagt, so dass ich doch noch unterkam. Olomouc ist übrigens eine sehr schöne Stadt und lohnt sich als Reiseziel.
Die Rückreise innerhalb von Tschechien ist problemlos, auf der Magistrale Ostrava-Olomouc-Praha verkehren für wenig Geld viele Schnellzüge von drei verschiedenen Anbietern, die sich an Service - und das heißt auch: Fahrradstellplätzen - zu überbieten suchen. Von Prag aus muss man dann einen Platz im EC (zweistündlich) ergattern und ist in gut vier Stunden wieder in Berlin.
Fazit: Eine kurze, für mich anstrengende Tour durch herrliche Mittelgebirgslandschaften. Eine fast perfekte Gegend für Radreisen „in der Nähe“.