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#1167348 - 25.10.15 20:19 Alpenbogen Nizza – Bad-Reichenhall
Moarg
Mitglied
Themenersteller
abwesend abwesend
Beiträge: 50
Dauer:20 Tage
Zeitraum:13.7.2015 bis 1.8.2015
Entfernung:2540 Kilometer
Bereiste Länder:deDeutschland
frFrankreich
itItalien
atÖsterreich
chSchweiz

Alpenbogen Nizza – Bad-Reichenhall

Habe mich diesen Sommer drei Wochen lang in den Alpen vergnügt. Hier ein Bericht dieser doch einigermaßen sportlich ausgerichteten Radreise.

Wie die letzten Jahre auch hatte ich die Tour detailliert vorgeplant. Start- und Endpunkt sowie ein paar für mich wichtige Pässelücken standen früh als Fixpunkte fest. Dann habe ich noch ordentlich weiter Höhenmeter reingepackt (die 50.000 Hm waren ein kleines Ziel von mir...) und die einzelnen Tage so ausgeklügelt, dass ich immer einen Campingplatz erreichen würde. Unterm Strich stand eine auch für meine klettererprobten Verhältnisse sehr ambitionierte Planung (u.a. auch mit etlichen 2000er Pässen).

Ich hatte es bei dem Programm eigentlich gar nicht erwartet, aber am Ende bin ich die Tour fast wie geplant gefahren. Das konnte ich vor allem auch, weil ich mit dem Wetter Glück hatte. Der Juli ist wohl doch der beste Monat für solche Touren. Insgesamt gab es keinen einzigen richtigen Schlechtwettertag zu beklagen, zumeist war absoluter Hochsommer angesagt. Einige wenige Streckenstreichungen habe ich nur wegen meiner Pisten- bzw. Schotterphobie vorgenommen.

Bilanz der Höhenmeterjagd
20 Tage | 2.540 km | ca. 54.000 Hm
127 km/d | ca. 2.700 Hm/d | 20,4 km/h

Strecke
Übersichtskarte
Route bei bikemap (beginnend mit Tag 1, oben rechts im Beschreibungsfenster kann man sich durch die weiteren Tage klicken)

Sonstiges
Anreise per easy-Jet Flug Berlin-Schönefeld – Nizza. Ohne Probleme.
Die Rückreise ab Bad-Reichenhall war sehr bequem, denn ich wurde von meinen Eltern mit dem Auto zurück in die sächsische Heimat chauffiert. Sie hatten mehr oder weniger wegen mir einen 3-Tage Kurzurlaub in Kaprun verbracht und mich auf der Rückfahrt aufgelesen.

Übernachtungen alle im Zelt (1x wild, ansonsten auf Campingplätzen).

Neben diversem Kartenmaterial hatte ich zur Orientierung bzw. eigentlich mehr zum Zeitvertreib / Spielerei auch ein Navi dabei. Abgesehen von wenigen Testrunden zuvor war die Benutzung für mich Neuland und ich bin ganz gut zurechtgekommen. Einiges hat mich zwar genervt (Ablesbarkeit, Aufladerei usw.), aber trotz dieser Schwächen werde ich es auf der nächsten Reise wohl wieder mit dabei haben. Insgesamt war es für mich doch ganz hilfreich, z.B. in Städten oder auch die Einkaufen-POIs.


Bericht

Tag 01 (Mo 13 Jul 15)
Cagnes-sur-Mer – Nizza – Mont Chauve (853 m) – Falicon – Tourrette-Levens – Aspremont – Levens – Saint-Jean la Rivière – La Madone d'Utelle (1.174 m)
96 km | 5:10 h | 18,6 km/h | 2.450 Hm
Ü: Camping wild | 0 €

Zum Auftakt habe ich mir nicht die Mega-Etappe vorgenommen, so dass ich es Nizza relativ gemütlich angehen lasse. Einkauf und Frühstück am Strand in Cagnes, dann Fahrradladensuche zwecks Reifen nachpumpen (nur halb erfolgreich, Läden gefunden, montags alles geschlossen), anschließend noch eine kleine Sightseeing-Runde durch Nizza.

Erst nach 11:00 Uhr geht es dann richtig los. Gleich mit der ersten Bergfahrt der Tour zum Mont Chauve. Ist eine der wenigen Bergstraßen im Hinterland von Nizza die ich noch nicht gefahren bin. Da bin ich natürlich gespannt. Und bald sehr überrascht, denn ich bin noch nicht aus der Stadt raus als sich die Fahrt als unerwartete Herausforderung mit ruppigen Steigungen bis 16 % entpuppt.
Zweifellos die absolute Direttissima Richtung Nizza-Nord. Die findet man wohl nur, wenn man sich wie ich ohne richtige Ahnung einen Track mit der Option Car (Shortest) auf das Navi klickt und den dann auch noch stur nachfährt…

Die eigentliche Stichstraße zum Berg ist dann längst nicht mehr nicht mehr so schwer, bei solcher Hitze wie heute aber auch nicht ganz ohne. Oben viel Funktechnik, ein großes Fort und ein schöner Rundblick. Ist schon ganz nett. Richtig wohl fühle ich mich aber nicht, denn weiter unten habe ich eine geschlossene Schranke nebst irgendeinem verdächtigen Hinweisschild umfahren müssen. Bevor hier tatsächlich jemand auftaucht und mir unangenehme Fragen stellt mache ich mich daher bald wieder auf die Socken.

Der weitere Tag sehr heiß. Besonders gut gefallen mir ein Abstecher in den Ort Falicon und die Fahrt zwischen Aspremont und St. Blaise. Ein genialer, kurviger und leicht abfallender Abschnitt. Die Strecke auch weiterhin herrlich, allerdings mit dünner Infrastruktur. Erst im Schlussanstieg hoch zum Madone d'Utelle (nicht sonderlich schwer) kann ich mir in Utelle endlich etwas Proviant besorgen. Auch hier kein Supermarkt, aber wenigstens das Restaurant Bellevue mit Snackangebot. Sehr gute Wahl! Von den riesigen Sandwiches bin ich echt begeistert.

Wenn es irgend geht, dann steuere ich für die Übernachtung einen Campingplatz an. Heute ist keiner sinnvoll zu erreichen, also ausnahmsweise mal Wildcamping. Ich war mir in der Planung unsicher, aber der Gipfel des Madone d'Utelle erweist sich dafür als denkbar gut geeignet. Toller Platz.


Nizza



Mont Chauve (853 m)






Wildcamping La Madone d'Utelle


Tag 02 (Di 14 Jul 15)
La Madone d'Utelle – La Tour – St.-Sauveur-sur-Tinée – Isola – St.-Étienne-de-Tinée – Col de la Moutière (2.452 m) – Jausiers
115 km | 5:32 h | 20,9 km/h | 2.750 Hm
Ü: Camping le Planet | 9,20 €

Der Morgen auf dem Madone d'Utelle ist einfach herrlich. Ruhig, windstill, einsam. Und schon vor 7:00 Uhr richtig warm...

Das wunderbare erste Teilstück bis zum Bergdorf la Tour kenne ich von einer früheren Tour bereits aus der anderen Richtung. Die einsame Strecke hat irgendwie ein besonderes Flair (u.a. viele Autowracks am Straßenrand) und endet mit einem kurzen, aber recht anspruchsvollen Anstieg in den Ort. Dann eine super Serpentinen-Abfahrt ins Tinée-Tal.

Nun die lange Auffahrt zum Col de la Moutière und von dort weiter hoch bis zur Nordrampe der Bonette-Passstraße. Auf etwa 70 km Fahrstrecke sind immerhin 2.400 m Höhenunterschied zu überwinden. Richtig ernst werden die Steigungen zwar erst im letzten Drittel ab St.-Étienne-de-Tinée, aber auch bis dahin ist der Höhengewinn schon deutlich. Trotzdem läuft es für mich sehr flott dahin, auch weil der Wind günstig weht.

In Isola kann ich mir ein wenig Kultur reinziehen, denn im Zentrum hat sich eine Menschenansammlung zusammengefunden und eine Musikkapelle spielt auf (u.a. die Marseillaise). Dazwischen werden Reden gehalten. Anlass zweifellos der heutige Nationalfeiertag in Frankreich. Schon in der Nacht wurde ich daran erinnert, als ich aus Richtung Utelle mehrere Böllerschüsse vernommen hatte.

Ab St.-Étienne-de-Tinée wird es steiler, der richtige Anstieg zum Col de la Moutière beginnt dann aber erst hinter Saint-Dalmas-le-Selvage. Vor allem der obere Teil ist alles andere als einfach, ganz bösartig sind die Rampen aber auch nicht. Erstaunlich für mich, dass doch sehr viel los ist. Die meisten Leute sind sicherlich Wanderer, einige aber vielleicht auch einfach vor der Hitze hier hinauf geflüchtet.

Die Passhöhe gefällt mir super. Erst der zweite Tag und gleich schon mal ein solches Highlight. Wirklich ein großes Panorama bei genialem Wetter. Nach kurzer Abfahrt geht es dann auf teilweise grober Schotterpiste noch mal ziemlich kernig etwa 250 Hm nach oben zur Bonette-Passstraße. Trotz beachtlicher Höhenlage (2.650 m) herrscht dort immer noch angenehmstes T-Shirt-Wetter. Hat man so nicht alle Tage. So eine unerträglich drückende Hitze wie nach der Abfahrt in Jausiers zum Glück auch nicht.


Passfoto Col de la Moutière (2.452 m)






Abfahrt Bonette-Passstraße nach Jausiers (2.452 m)


Tag 03 (Mi 15 Jul 15)
Jausiers – Barcelonnette – le Sauze-du-Lac (1.040 m) – Savines-le-Lac – Embrun – Guillestre – Abries
123 km | 4:53 h | 25,2 km/h | 1.800 Hm
Ü: Camping Abries | 9,80 €

Schneller Beginn bei erneut hervorragendem Wetter bis Barcelonnette. Kurzer Stopp dort für Zeitungs- und Snackkauf und weiter in sehr flottem Tempo runter bis zum Lac de Serre-Ponçon. Bis hierhin war es sehr easy, nun steht aber doch eine erste Steigung bis le Sauze-du-Lac an. Es geht recht ordentlich nach oben. Nicht einfach, vor allem weil nach kühlen 13 °C am frühen Morgen mittlerweile die Temperaturen längst wieder in Hitzebereiche geklettert sind.

In der Karte sind unweit von le Sauze-du-Lac direkt neben der Straße die Demoiselles Coiffées als Sehenswürdigkeit eingetragen. Ich bin früher schon mal von Süden aus kommend dran vorbei gefahren und hatte nichts Auffälliges gesehen bzw. nicht drauf geachtet. Heute stelle ich fest, dass es sich um Erdpyramiden handelt. Tatsächlich fallen diese unmittelbar nur ins Auge, wenn man wie ich heute aus Norden kommend drauf zu fährt. Weltbewegend sind sie jetzt nicht, den kurzen Besichtigungspfad nehme ich trotzdem noch mit.

Das einfache Profil und guter Rückenwind lassen ich mich heute in einem mittleren Geschwindigkeitsrausch durch die Gegend fliegen. Nach der Abfahrt zum See nach Savines-le-Lac und einem Teilstück auf der vielbefahrenen N94 (zwei längere Wellen) liegt der Schnitt in Embrun bei immerhin 30 km/h. Für einen Radreisetag sehr vorzeigbar, zumindest für meine Verhältnisse. Etliche Höhenmeter weiter ist es in Guillestre immer noch ein 29er Tagesschnitt. Richtig beängstigend.

Mein schöner Schnitt ist nun nicht mehr zu halten, denn durch die Gombe du Queras geht es weiter bergan. Am Ende sinkt er aber nicht ganz so ab wie „befürchtet“, denn die eigentlich fest eingeplante Stichstraße zum Sommet Bucher (2.210 m) fahre ich nicht durch. Zunächst gehe ich es aber an, schmeiße irgendwo vor Château-Queyras mein Gepäck in die Büsche und fahre los. Nach etwa 3,5 km geht der schlechte Asphalt in eine unschöne Schotterpiste über. Überhaupt nicht mein Fall. Berghoch geht ja noch, aber hier wieder runter zu rutschen verspüre ich keine Lust. Nach zwei weiteren Kehren ist keine Besserung in Sicht. Ich schenke mir den Rest und drehe um.

Nach der Abfahrt geht es dann mit Rückenwind (wie so oft heute) weiter das Guil-Tal hoch bis ins Ziel nach Abries. Der Ort gefällt mit gut. Es ist viel los, anscheinend vor allem bei Wanderern eine beliebte Destination.


Blick auf Château Queyras in der Auffahrt zum Sommet Bucher



Nett herausgeputzt – Abries

Fortsetzung folgt
Stefan
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#1167368 - 25.10.15 21:22 Re: Alpenbogen Nizza – Bad-Reichenhall [Re: Moarg]
veloträumer
Mitglied Übernachtungsnetzwerk
abwesend abwesend
Beiträge: 17.314
Da muss dich aber irgendwas gejagt haben - Wölfe, Bären? - vermutlich ein gedopter Hochleistungsgepard. zwinker Meine Sommerreise hat ja ähnliche Werte - allerdings in 5 Wochen. schmunzel Ich bin gespannt auf den weiteren Verlauf, sind ja jetzt schon erste kleine Neuheiten für mich dabei - Nizza-Hinterland habe ich noch einige schöne Adressen im Wunschkalender.
Liebe Grüße! Ciao! Salut! Saludos! Greetings!
Matthias
Pedalgeist - Panorama für Radreisen, Landeskunde, Wegepoesie, offene Ohren & Begegnungen
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#1167422 - 26.10.15 10:52 Re: Alpenbogen Nizza – Bad-Reichenhall [Re: Moarg]
joeyyy
Mitglied Übernachtungsnetzwerk
abwesend abwesend
Beiträge: 999
Alter Sachse! 20er Schnitt mit Gepäck und dem Streckenprofil... Hut ab!

Ansonsten tolle Strecke, die natürlich auch motiviert. Mal sehen, wie's weitergeht.
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#1167441 - 26.10.15 12:05 Re: Alpenbogen Nizza – Bad-Reichenhall [Re: joeyyy]
Keine Ahnung
Moderator
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Beiträge: 13.154
Eine schöne Tour war das auf jeden Fall. Über die Tagesstrecken darf ich ja gar nichts sagen. Meine TOUR hatte ja auch etwa 2300 km in knapp 17 Tagen zu bieten. Allerdings habe ich einen etwas geringeren Tagesschnitt hingelegt. Bei mir ist es die Kombination aus "Viel-Sehen-Wollen" und "Wenig-Zeit-Haben", die dann zu den langen Tagesetappen führt. Über 20 km/h im Schnitt bei recht bergigem Terrain ist schon eine Leistung.

Ich bin schon gespannt auf die weiteren Teile des Berichts. Die Streckenwahl find ich schon einmal sehr schön. Den Track werde ich mir sicher einmal herunterladen ...
Gruß, Arnulf

"Ein Leben ohne Radfahren ist möglich, aber sinnlos" (frei nach Loriot)
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#1168046 - 28.10.15 20:36 Re: Alpenbogen Nizza – Bad-Reichenhall [Re: Moarg]
Moarg
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Hallo Matthias,

da brauchte es keinen gedopten Hochleistungsgepard lach hinter mir, sondern eigentlich nur die Zutaten leichter Fahrer, leichtes Rad, wenig Gepäck und ein wenig (zu viel...) sportlichen Ehrgeiz.

Klar, war schon ein strammes Programm und gebummelt habe ich selten bis nie. Mir macht es eben Spaß, auch auf so einer Reise mit etwas Druck auf dem Pedal zu fahren. Vor allem wenn‘s berghoch geht. Für drei Wochen hat das auch noch ohne Einbruch funktioniert. Wenn ich wie du fünf Wochen unterwegs wäre, dann könnte ich so eine Tour allerdings auch nicht mehr in dem Stil durchziehen.
Stefan
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#1168052 - 28.10.15 20:46 Re: Alpenbogen Nizza – Bad-Reichenhall [Re: Moarg]
Moarg
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Themenersteller
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Tag 04 (Do 16 Jul 15)
Abries – Ville-Vieille – Col Agnel (2.744 m) – Sampeyre – Venasca – Colletta d'Isasca (812 m) – Brondello – Saluzzo – Paesana
138 km | 6:00 h | 23,0 km/h | 2.150 Hm
Ü: Camping Valle Po | 11,50 €

Eigentlich bin ich gestern nur wegen der Grand Belvedere das Tal bis hier hoch durchgefahren. Am Abend hatte mir der junge Typ vom Tourismusbüro in Abries aber zu verstehen gegeben, dass der Fahrweg dahin eher etwas für Mountainbikes sei. Also wohl nichts für mich. Trotzdem will ich mal schauen, wie weit ich komme.

Das Zelt bleibt am Morgen also erst mal stehen und es geht das Guil-Tal weiter rauf. Bis le Echalp noch Asphalt, dann ein paar Kilometer problemlose Piste. Für Autos ist nun endgültig Schluss und auch ich gebe auf. Der nun steiler ansteigende Fahrweg sieht zwar noch gut aus und ist sicher problemlos machbar. Trotzdem scheue ich mal wieder die Pistenfahrt, einfach keine Lust. Es wären auch noch einige Kilometer bis zur Grand Belvedere zu fahren. Eine kleine „Ausrede“ habe ich, denn eigentlich darf ich gar nicht weiter. Der Weg ist abgeschrankt. Als kleinen Ersatz wandere ich noch ein kurzes Stück bis zur Petit Belvedere und rolle später dann zurück zum Campingplatz.

Bevor es richtig losgeht, kann ich in Abries sogar noch meine Reisekasse etwas auffüllen. Ein älterer Mountainbiker fragt mich nach etwas Kettenöl. Gutes Geschäft, denn der freigiebige Herr drückt mir für ein paar Tropfen glatt einen Fünfeuroschein in die Hand.

Dann zum Col Agnel, höchster Punkt meiner Tour. Leicht ist es nicht da hinauf, vor allem wegen einem heftigen Gegenwind im steilen oberen Teil. Oben ist es zwar noch relativ warm, wegen dem Wind muss ich mir für die Abfahrt trotzdem beide Jacken überziehen. Die werfe ich alsbald wieder von mir, denn die Temperaturen steigen eklatant an. Schon in Sampeyre sind es wieder über 30 °C, und das ist noch längst nicht das Ende dieser langen Gegenwind-Abfahrt.

Mehr Schwierigkeiten als die weiter steigenden Temperaturen bereiten mir die fehlenden Einkaufsmöglichkeiten. Das ganze Vareita-Tal runter gab es nichts oder hatte donnerstags Nachmittag zu. Bis Saluzzo muss ich schließlich durchhalten, dort endlich der rettende Lidl-Markt. Die Stärkung habe ich gebraucht, denn der Rest des Tages das Valle Po hinauf erweist sich mit etlichem Höhengewinn als nicht ganz einfach.


Anstieg Col Agnel



Venasca


Tag 05 (Fr 17 Jul 15)
Paesana – Crissolo – Pian del Re (2.020 m) – Barge – Bibiana – Torre Pèllice – Rifugio Barbara Lowrie (1.753 m)Villanova (1.226 m) – Villar Pèllice
114 km | 6:01 h | 18,9 km/h | 3.350 Hm
Ü: Camping Pino Blu | 10,00 €

Heute ein ganz harter Tag auf den ich mich besonders gefreut hatte. Der Ablauf ungewohnt. Drei schwere bis schwerste Anstiege, alle drei sind Stichstraßen und alle drei will ich ohne Gepäck fahren. Trotzdem ist es keine klassische Runde, denn zwischendrin ziehe ich mit Gepäck weiter vom Valle Po ins Val Pèllice.

Zunächst lasse ich das Zelt stehen und fahre zum Pian del Re. Die 1.400 Hm-Auffahrt hoch zur Quelle des Po ist sehr anspruchsvoll, landschaftlich aber lange Zeit nichts Besonderes. Grandios aber dann der offenere obere Teil und vor allem auch das Ziel selbst. Die Bergkulisse dort ist beeindruckend. Dabei kann ich sie noch nicht mal in der ganzen Pracht bewundern. Leider zu viele Wolken, welche die hohen Berge (u.a. den Mont Viso) verhüllen. Kurz bevor ich wieder aufbreche reißt es dann noch etwas auf (siehe Bild).

Zurück am Campingplatz in Paesana packe ich zusammen und starte etwas nach 12:00 Uhr in das Zwischenstück rüber ins Val Pèllice. Nach gut 30 km ist der einfache Teil des Tages bei enormer Hitze auch schon erledigt. Am Camping von Villar Pèllice kann ich ohne Probleme mein Gerödel in der Reception unterstellen. Die Leute dort hatten es mir von sich aus schon angeboten. Sie waren wohl ohnehin verwundert, was der Typ mit Rad und Gepäck schon vor 14:00 Uhr auf dem Campingplatz will...

Weiter geht es. Und zwar knallhart, denn jetzt tue ich mir mit dem Seitental hoch zum Rifugio Barbara Lowrie eine der schwersten Rampen der Westalpen an. Die ersten Kilometer sind noch einfach und gleichzeitig sehr schön. Ich bin begeistert von der wildromantischen Flusslandschaft der Pellice, besonders von den herrlichen Flussbadeplätzen. Sie zählen auf jeden Fall zu den Schönsten, die ich bis jetzt gesehen habe. Sind heute bei hochsommerlichen Temperaturen natürlich sehr gut besucht. Das sieht doch mal nach Urlaub aus, hier könnte man auch sehr gut einen ganzen Pausentag rumbringen. Zumindest müsste ich die Fahrt wenigstens für ein Weilchen mal unterbrechen, um mich auch mal in den Fluten abzukühlen. Mache ich dann nicht, bin ja nicht zum faulenzen hier. Die letzten 7 km des Anstieges stehen nun an und die sind definitiv Hors Catégorie (Schnitt um 13 %!). Wer sich daran versucht, der sollte über eine gewisse Bergfitness verfügen und schweres Reisegepäck soweit möglich unten lassen. Rückblickend wohl der härteste Anstieg meiner Tour. Aber der Kampf lohnt sich. Es ist traumhaft, auch das Ziel rund ums Rifugio Barbara Lowrie.

Zurück im Haupttal fahre ich wie geplant auch noch bis Villanova (Talschluss) durch. Dies ist auf den letzten Kilometern ebenfalls alles andere als einfach. Am Ende ein sehr anstrengender Tag mit dem ich rundum zufrieden bin. Ein paar Grad weniger hätten es sicher auch getan, ansonsten passte wieder mal alles.


Pian del Re






Das Ende der Tortur – Rifugio Barbara Lowrie





Tag 06 (Sa 18 Jul 15)
Villar Pèllice – San Secondo di Pinerolo – Sestriere (2.035 m)Col de Montgenèvre (1.855 m) – Briancon – Le Mônetier-les-Bains
123 km | 5:43 h | 21,6 km/h | 2.500 Hm
Ü: Camping Municipal les 2 Claciers | 7,20 €

Der Tag beginnt im Sauseschritt. Erst das herrliche Val Pèllice hinunter, dann weiter leicht abfallend bis San Secondo di Pinerolo. Dort werde ich dann aber jäh ausgebremst – der Hinterreifen ist platt (Glasscherbe). Das Loch ist nicht zu übersehen, leicht genervt kann ich den Schlauch gleich flicken.

Nach dem einfachen Auftakt folgt einer der längsten Anstiege der Alpen. Über 50 km zieht sich die Fahrt nach Sestriere bei allerdings nur 3 % Durchschnittssteigung hin. Sportliche Herausforderungen sehen natürlich anders aus. Die Prüfung hatte ich auch eher im Autoverkehr befürchtet. Der hält sich dann aber doch in Grenzen, kein Problem.

Ansonsten wenig Höhepunkte. Einen gibt es aber doch – die gigantische Festungsanlage Forte di Fenestrelle. Im unteren Teil schaue ich mich etwas um, habe damit aber nur einen kleinen Teil des zweitgrößten Mauerwerkbaus der Welt gesehen. Schon gewaltig, wie sich die Anlage über 600 Höhenmeter die gesamte linke Talseite nach oben schraubt.

Weiter bei meist sehr gemütlicher Steigung bis Pragelato. Dort gibt es wieder ein bisschen was zu sehen, u.a. die Olympiaschanzen von 2006. Der letzte Teil bis Sestriere ist dann etwas steiler. Sestriere selbst – naja, Skiort eben. Gut gefällt mir die folgende Abfahrt nach Cesana Torinese. Die wenig später ab Montgenèvre ist eigentlich auch gut. Es rollt aber unmöglich viel Verkehr da runter. Selten so was erlebt. Glaube aber nicht, dass das jeden Samstag so ist. Oben war irgendein Event im Gange.

Briancon erreiche ich bei aufkeimender Gewitterstimmung. Letztlich bleibe ich vom drohenden Unwetter verschont und erreiche nach etwas mühsamem Schlussteil den Campingplatz oberhalb Le Mônetier-les-Bains. Guter Platz, der Betreiber ist ein Deutscher. Im Gespräch stellt sich sogar raus, dass er jemand aus meinem Heimatdorf kennt.


Morgendlicher Blick über den Campingplatz nach Villar Pèllice


Forte di Fenestrelle


Tag 07 (So 19 Jul 15)
Le Mônetier-les-Bains – Col du Galibier (2.642 m) – Valloire – St.-Michel-de-Maurienne – Aussois – Lanslebourg-M.-C. – Col du Mont-Cenis (2.081 m) – Susa – Bussoleno
151 km | 7:05 h | 21,3 km/h | 3.050 Hm
Ü: Camping Tizianella | 14,00 €

Der Morgen zwar noch recht kühl, der klare Himmel lässt dennoch keinen Zweifel an einem weiteren Schönwettertag aufkommen. Gut für mich, denn gleich zu Beginn will ich zum berühmten Col du Galibier. Der ist zwar hoch, von meiner Seite aus gefahren aber nicht schwer. Bis zum Col du Lautaret ohnehin ein einfacher Rollerberg, ist auch der Rest bis zum Gipfel trotz windigen Bedingungen kein sonderliches Problem.

Den Col du Galibier erreiche ich nach 2001 zum zweiten Mal. Heute haben wir Sonntag, und da ist dieser Kultpass natürlich das Ziel von zahllosen anderen Radlern. Die Mehrzahl von denen ist auf Rennrädern auf der schweren Nordseite unterwegs. Im zweiten Teil der Abfahrt ab dem Col de Télégraphe kommen sogar ein paar Profis den Berg heraufgeprescht. Denke zumindest, dass es welche sind, denn sie sind im Astana-Teamoutfit incl. der Specialized-Rennmaschinen unterwegs und deren Tempo spricht auch für sich. Sonntags am trainieren – unschöne Arbeitszeiten.

Dann bei nun eingetrübtem Himmel und gelegentlichen Regentropfen das Arc-Tal hinauf. Hinter Modane nehme ich wie geplant die Alternative zur Hauptroute durchs Tal und fahre über Aussois. Sind ein paar Zusatzhöhenmeter die ganz nett zu fahren sind. In Lanslebourg fühle ich mich doch schon ganz schön müde und die zehn Kilometer hoch zum Col du Mont-Cenis rutschen dann auch nicht so wie sonst. Oben leider kein Postkartenwetter, sehr dunstig. Auffällig die Unmengen an Autos (fast ausschließlich mit italienischen Kennzeichen, vor allem Wohnmobile) welche sich entlang des Lac du Mont Cenis versammelt haben. Ohne Frage ist der See bei den Italienern ein beliebtes Wochenend-Ausflugsziel.

Dann die gigantische Abfahrt nach Susa. Wenn etwas weniger Autos unterwegs wären, könnte man es richtig krachen lassen. Aber auch so macht es Laune. In Susa habe ich keine essbaren Vorräte mehr im Gepäck und freue ich mich deshalb, dass sonntags nach 18:30 Uhr der Lidl-Markt noch geöffnet ist. Also doch wieder meine übliche abendliche Supermarkt-Kaltverpflegung. Ist mir allemal lieber als ein umständlicher Restaurantbesuch.





Col du Galibier






Entlang des Lac du Mont Cenis


Tag 08 (Mo 20 Jul 15)
Bussoleno – Meana di Susa – Colle delle Finestre (2.176 m) – Strada del Assietta – Sestriere – Oulx – Susa – Bussoleno
123 km | 7:12 h | 17,1 km/h | 2.800 Hm
Ü: Camping Tizianella | 14,00 €

Heute die erste von zwei geplanten Tagesrunden ohne Gepäck. Vielleicht liegt es am identischen Start- und Zielpunkt, auf jeden Fall funktioniert heute vom Start weg das Routing mit dem Navi nicht. Bis Susa drücke ich noch auf dem blöden Ding drauf rum. Hilft nichts, für den Rest des Tages fahre ich das Navi also mehr oder weniger nur spazieren.

Den richtigen Weg aus Susa raus Richtung Colle delle Finestre finde ich auch ohne Naviunterstützung problemlos. Dann der Monsteranstieg zum Finestre, gleich vom Start weg in Meana di Susa mit ganz harten Rampen. Nach dem Ort wird es dann etwas erträglicher, bleibt natürlich trotzdem Oberklasse. Immerhin habe ich es hier mit knapp 1.700 Höhenmetern auf gerade einmal 18,2 km zu tun. Es gibt nicht so viele Anstiege, die von der Papierform her schwieriger sind. Für mich läuft es doch erstaunlich locker, auch auf den letzten acht Kilometern im Bereich der gut fahrbaren Schotterpiste.

Dann die Strada del Assietta. Über 30 km Militärstraßenschotter sind eigentlich gar nicht mein Ding, heute will es mir aber doch mal antun. Die ersten drei Kilometer sind gleich mal ziemlich grausam, mir kommen schon Zweifel an dem Unternehmen. Danach ist es doch ganz gut machbar, natürlich ohne richtiges Tempo. Insgesamt ist es schon eine grandiose Sache, erst recht an so einem Schönwettertag wie heute. Etwas genervt von der Piste bin ich eigentlich nur am Schluss in der Abfahrt vom Colle Basset nach Sestriere. Hatte mich hier, warum auch immer, innerlich auf Asphalt eingestellt. Stattdessen ist weiterhin schwierige Schotterpiste angesagt, auf der ich vor mich hin fluchend zu Tal eiern muss.

Der Blick auf den Tagesschnitt fällt in Sestriere etwas deprimierend aus: nur knapp über 12 km/h. Das sah am Finestre sogar noch besser aus. Wenigstens geht es ab jetzt anders vorwärts, Asphalt sowieso und dazu fast nur noch bergab bis ins Ziel. Die Tatsache, dass ich heute den niedrigsten Schnitt der gesamten Tour hinlege ist freilich nicht mehr zu „korrigieren“.

Der Camping Tizianella ist ein Paradebeispiel für einen wenig einladenden Dauercamper-Platz. Die sind ja durchaus typisch für Italien. Auf Sauberkeit wird auch kein übergroßer Wert gelegt. Ich durfte mein Zelt unmittelbar neben einer der Müllecken aufstellen. Positiv ist aber die Pizzeria direkt neben dem Eingang. Klasse Pizzen zum Kampfpreis von gerade einmal 5,00 Euro - gäbe es so ein Angebot jeden Tag vor der Zelttür würde ich mich wohl drei Wochen lang von Pizza ernähren.


Oberer Teil Colle delle Finestre



Colle delle Finestre (2.176 m) - Blick zurück auf die letzten Kehren der Nordrampe






Strada dell' Assietta
Stefan
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#1168276 - 29.10.15 21:16 Re: Alpenbogen Nizza – Bad-Reichenhall [Re: Moarg]
Moarg
Mitglied
Themenersteller
abwesend abwesend
Beiträge: 50
Die nächsten vier Tage führten mich durchs Piemont.

Tag 09 (Di 21 Jul 15)
Bussoleno – Almese – Colle del Lys (1.311 m) – Viù – Lanzo Torinese – Levone – Pratiglione – Cuorgne – Ceresole Reale
143 km | 6:54 h | 20,7 km/h | 2.850 Hm
Ü: Camping Villa | 13,00 €

Die ersten 20 km bis Almese fliegen talabwärts im Eilverfahren dahin. Dann zum Colle del Lys, ein ziemlich anspruchsvoller Anstieg über immerhin knapp 1.000 Höhenmeter. Die Passhöhe ist ganz cool. Alles da, unter anderem auch eine ganze Batterie von Trinkwasserhähnen. Ich nehme mir etwas Zeit und wasche den Staub der Assietta-Kammstraße vom Fahrrad runter. Bin ansonsten nicht der große Radputzer, aber das sah wirklich unschön aus.

Für die Abfahrt gilt ein Tempolimit von 30 km/h. Zu Recht, denn der Straßenbelag ist in einem äußerst miserablen Zustand. Gut gefällt mir, obwohl ohne rechte Höhepunkte, die anschließende Fahrt entlang der Viù hinunter nach Lanzo Torinese. Ist eine schöne Talfahrt, rollt herrlich dahin.

In Lanzo dann geschmeidige 35 °C. Dazu setzt die sengende Mittagssonne meinen Armen zu, die ich mir gestern bei dem stundenlangen Rumgegurke in Höhenlagen über 2.000 m auf der Strade del Assietta schon leicht verbrannt hatte. Um die zu schützen, bleibt mir nichts anders übrig, als die lange Jacke anzuziehen. Bei den Temperaturen ist das kein angenehmes Fahren. Zudem ist das Profil bis Cuorgne sehr hüglig und kein Spaziergang. Besonders die Steilrampe nach Pratiglione, die ich wieder mal dem Navi bzw. meinem Car (Shortest) Track verdanke, hat es in sich. Ich muss ganz schön kämpfen da hinauf. Wäre mir als Kartenfahrer erspart geblieben, da hätte ich dieses winzige Sträßchen garantiert ignoriert.

Ab Cuorgne dann noch der lange Schlussanstieg über etwa 30 km und 1.200 Höhenmeter das Orco-Tal hinauf nach Ceresole Reale. Günstiger Wind und die Aussicht auf erträglichere Temperaturen treiben mich in scharfem Tempo nach oben. Und tatsächlich, in Ceresole Reale sind es angenehme 22 °C. Gegenüber gestern Abend fast schon kühl. Da waren es um 21 Uhr noch 30 °C!




Tag 10 (Mi 22 Jul 15)
Ceresole Reale – Colle del Nivolet (2.615 m) – Cuorgne – Castelnuovo Nigra – Lessolo – Quincinetto
119 km | 5:18 h | 22,5 km/h | 1.900 Hm
Ü: Camping Mombarone | 9,00 €

Gestern bin ich natürlich mit dem Hintergedanken Colle del Nivolet das Stichtal des Orco bis hier hinauf gefahren. Früh also erst mal ohne Gepäck der “kleine” Abstecher über etwa 1.000 Höhenmeter da hinauf. Das Wetter macht mir leider keine Freude, dabei sah es am Morgen noch ganz verheißungsvoll aus. Doch je höher ich die beeindruckende Straße nach oben klettere, desto mehr ziehen graue Regenwolken auf. Schade, das Panorama hätte richtiges Topwetter verdient. Aber wenigstens komme ich trocken bis nach oben.

Die Abfahrt ist dann im oberen Teil ziemlich verregnet bei lausigen 13 °C. Kurzzeitig befasse ich mich mit dem Gedanken, auf dem Campingplatz zur Aufwärmung noch mal unter die heiße Dusche zu springen. Verwerfe ich dann wieder bei über 20 °C und trockenen Bedingungen in Ceresole Reale.

Warm bleibt es, trocken nicht. Kaum habe ich zusammengepackt und den Campingplatz verlassen schüttet es richtig runter. Ich nehme deshalb ausgangs Ceresole Reale wie gestern auch den langen Tunnel. Eigentlich wollte ich heute mal die Möglichkeit einer Umfahrung erkunden, ziehe bei dem Regen natürlich für ein paar Kilometer die überdachte Tunnelvariante vor. Im weiteren Verlauf der Talabfahrt ein kurioser Wechsel von trockenen Abschnitten und Starkregen. Stört mich bei der Wärme aber nicht so sehr.

Die lange Abfahrt endet am Kreisverkehr vor Cuorgne, danach wird es wieder hügelig. Ist eine ganz passable Strecke, bei der mir das Wetter allerdings Sorgen macht. Zur Rechten in der Poebene sieht es gut aus. Zur Linken über den Bergen aber schwarzer Himmel. In Castelnuovo Nigra frischt dazu der Wind beängstigend auf, schon fliegen diverse Aufsteller umher. Ich suche mir einen schützenden Unterstand, um das drohende Unwetter auszusitzen. Prompt beruhigt sich die Lage wieder, so dass ich die einzige kritische Wettersituation der ganzen Reise unbeschadet überstehe.

Später führen mich die letzten Kilometer des Tages bei nun wieder schönstem Wetter und scharfem Gegenwind das auslaufende Aosta-Tal hinauf. Ein herrlicher Sommerabend dann auf dem sehr guten Camping Mombarone.


Anstieg Colle del Nivolet - Staumauer Lago Serrù



Leider regnerisch eingetrübt - das Nivolet-Panorama mit dem Lago Agnel und dem Lago Serrù



Nasse Abfahrt vom Colle del Nivolet - hier die Steilstufe unterhalb der Seen


Tag 11 (Do 23 Jul 15)
Quincinetto – Andrate – Croce Serra (853 m) – Donato – Biella –Oropa – Galleria di Rosazza (1.488 m)Valico di Bielmonte (1.514 m) – Coggiola – Alpe di Noveis (1.144 m) – Borgosesia – Varallo – Vallmaggia
132 km | 7:02 h | 18,8 km/h | 3.250 Hm
Ü: Camping Valsesia | 10,00 €

Talabwärts ein paar windige Kilometer, dann steht auch schon der erste Anstieg dieses sehr harten Tages an. Bis Andrate geht es in einem unrhythmischen Wechsel von sehr steilen Kurzrampen und flacheren Passagen aufwärts. Insgesamt nicht einfach, schöne Ausblicke zurück ins Tal gibt es auch. Die folgende Abfahrt ist ganz nach meinem Geschmack. Es ist einfach herrlich, auf der bis Muzzano sanft abfallenden Straße entspannt dahinzugleiten.

Ab Biella zieht es dann wieder ordentlich berghoch bis zur Santuario di Oropa. Anfangs harmlos entwickelt sich die Angelegenheit zunehmend zu einem ganz schön harten Knochen. Zumindest in der von mir gefahrenen Kurzvariante über Favaro. Die bedeutende Wallfahrtsstätte erreiche ich bei Nieselregen. Bei dem Wetter unterbreche ich natürlich gerne mal die Fahrt und sehe mich ein wenig in dem riesigen Komplex um. Die Gebäude sind imposant, ansonsten aber auch viel Touristenklimbim rund um den mir unverständlichen Madonnenkult.

Freundlicherweise hört der Regen dann bald auf, also weiter zur Galleria di Rosazza. Das bedeutet noch ein paar sehr schöne Bergauf-Kilometer. Die Straße ist nun sehr schmal, die Steigung aber nicht mehr so schwer wie zuvor bis Oropa. Oben dann ein stockfinsterer Scheiteltunnel. So was mag ich eigentlich gar nicht. Der hier ist allerdings nur 367 m lang, von da her kein wirkliches Problem. Gleich nach dem Tunnelportal befindet sich kleines Aussichtsrestaurant. Die Außentische stehen direkt auf der Straße, lustig anzusehen. Trotz Mittagszeit ist aber nichts los.

Die Abfahrt ins Cervo-Tal ist ein besonderes Stück, weil sehr schmal und mit einigen äußerst engen Spitzkehren. Dazu auch noch ziemlich steil. Wäre nicht der hervorragende Asphalt, hätte man hier eine echte Herausforderung vor sich. Ist aber auch so schon nicht einfach zu fahren.

Anschließend zur Abwechslung mal ein angenehm einfacher Anstieg zum Valico di Bielmonte. Die Panoramastraße gefällt mir sehr gut. Die Abfahrt nach Coggiola dann weniger, weil dunkel und mit sehr miesem Asphalt. Eigentlich könnte ich mich mit den bis jetzt gemachten Höhenmetern zufrieden geben, doch einen Anstieg geben die Bergstraßen-Datenbanken mit der Alpe Noveis noch her. Da kann ich selbstverständlich nicht dran vorbei rollen, also hoch. Lohnt sich eigentlich nicht wirklich, es sei denn man steht auf steile Abfahrten mit schlechtem Straßenbelag.

Nach dem nur noch leicht ansteigenden Schlusspart das Valsesia hinauf endet der Tag auf dem Camping von Vallmaggia. Kein schlechter Platz, untypisch für italienische Campings gibt es da sogar mal eine richtige Zeltwiese.


Sehr empfehlenswerter Platz - Camping Mombarone



Santuario di Oropa








Tag 12 (Fr 24 Jul 15)
Vallmaggia – Varallo – Passo della Colma (942 m) – Omegna – Armeno – Mottarone (1.439 m) – Stresa – Verbania – Laveno – Maccagno – Alpe di Neggia (1.395 m) – Vira – Gudo
154 km | 7:41 h | 20,1 km/h | 3.200 Hm
Ü: Camping Isola | 33,00 CHF (= €)

Zweiter sehr höhenmeterintensiver Tages in Folge. Nach kleiner Runde durch Varallo steht die Überfahrt des Passo della Colma rüber zum Ortasee am Anfang der Kletterei. Kurz vorm Pass leiste ich mir einen peinlichen Aussetzer. Beim Versuch nach einer Pause wieder aufs Rad zu steigen und mich in die Pedale einzuklicken kippe ich um und lande unsanft auf der Straße. Es ist zwar relativ steil da, leicht erschwerte Bedingungen gewissermaßen. Trotzdem –nach mittlerweile ein paar Jahren Übung sollte ich die Klickpedal-Nutzung eigentlich beherrschen. Zum Glück hat‘s keiner gesehen.

Während der eher unspektakulären Abfahrt nach Omegna ist hoch über dem gegenüberliegenden Ufer des Lago d’Orta bereits mein nächstes Ziel zu erkennen. Und es sieht respekteinflößend aus, denn der Gipfel des Mottarone liegt mehr als 1.100 Höhenmeter über dem Seeniveau. Am Ende geht das Ganze dann doch lockerer als befürchtet. Richtig schwer sind eigentlich nur die ersten, sehr steilen Kilometer nach Armeno. Oben gefällt’s mir sehr gut, den vielen anderen Ausflüglern sicher auch. Wetter passt, fast keine Bäume, dazu schöne Ausblicke auf Lago d’Orta und Lago Maggiore. Und viele Sendeanlagen, vor allem auf dem eigentlichen Gipfel des Mottarone (1.491 m) für den ich noch ein paar Meter hinauf laufen muss.

Die lange Abfahrt hinunter zum Lago Maggiore nach Stresa ist ganz gut ausgebaut und kein Problem. Eigentlich müsste ich nun mit etwas mehr Muße das besondere Ambiente des Lago Maggiore genießen, doch ich donnere im unvernünftigen Expresstempo weiter am See entlang nach Verbania. Ich gebe derartig Gas, weil ich dort mit der Fähre hinüber ans Ostufer nach Laveno will, ich aber nichts über die Fahrzeiten weiß. Will mich nicht ärgern, wenn ich wegen Bummelei die Fähre um wenige Augenblicke verpasse und dann ewig warten muss. Meine Sorge war unbegründet, denn die Fähre verkehrt im 20 min-Takt. Preis ist fünf Euro, finde ich in Ordnung. Ich warte gerade mal fünf Minuten und erwische die Fähre um 14:15 Uhr. Auch das ist bereits relativ spät, denn noch habe einiges vor.

Ab Laveno fahre ich weiter am See entlang nach Norden. Es ist nicht ganz flach, viele Galerien. Einige verlockende Badestellen muss ich wegen leichten Zeitdrucks ausschlagen. Habe mir halt in den Kopf gesetzt, heute noch über die Alpe Neggia zu fahren. Und ein 1.200 Hm-Aufstieg erfordert eben gewisse Zeit. Ab Maccagno geht es los. Sehr schwer ist es von dieser Seite nicht, aber es streckt sich. Die letzten vier Kilometer ab der Schweizer Grenze ziehen dann allerdings richtig steil hinauf.

Die Abfahrt von der Alpe Neggia nach Vira stürzt durchweg sehr rasant zu Tal. Unten sind noch ein paar flache Kilometer bis zum Camping Isola zu fahren. Dummerweise habe ich mir damit einen 4-Sterne Camping ausgesucht und darf sage und schreibe 33 Euro für die Nacht hinblättern. Fällt mir schon schwer, mich mit solchen Schweizer Hochpreisen zu arrangieren. Später leiste ich mir auf dem Camping noch eine Pizza. Selbstredend auch nicht zum Schnäppchenpreis. Als sparsamer Mensch ist es mir glaube ich noch nie gelungen, an einem Radreisetag über 65 Euro auszugeben. Heute habe ich es geschafft.


Blick auf den Lago Maggiore kurz vorm Mottarone



Mottarone



Laveno


Stefan
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#1168366 - 30.10.15 12:14 Re: Alpenbogen Nizza – Bad-Reichenhall [Re: Moarg]
veloträumer
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Stefan, jetzt hast du aber Federn gelassen. Erst vom eigenen Gaul abgeworfen und dann noch von den Schweizern das schottische Budgetkonzept geschröpft. Das ist ja schon fast eine Tragödie bei so bürstender Pedalpower. grins Herzliches Beileid! - Einige Punkte im Piemont sind vorgemerkt, Po-Quelle und Umgebung klingt z.B. recht reizvoll, hatte ich noch nie im Blick. Beim Nivolet-Pass hatte ich mir ja immer Hoffnungen gemacht, dass da mal eine vernüftige Piste in Richtung Aoste-Tal gelegt wird, aber das bleibt doch nur noch gewagtes Wunschkonzert für meine Urururenkel. unsicher
Liebe Grüße! Ciao! Salut! Saludos! Greetings!
Matthias
Pedalgeist - Panorama für Radreisen, Landeskunde, Wegepoesie, offene Ohren & Begegnungen
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#1168402 - 30.10.15 18:08 Re: Alpenbogen Nizza – Bad-Reichenhall [Re: Moarg]
kettenraucher
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Wow! Tollkühne Tour und atemberaubendes Tempo. Mir ist noch ganz schwindlig von den vielen Serpentinen und dem ganzen Auf und Ab. Von mir ein großes Dankeschön und Kompliment für Deinen großartigen und humorvollen Bericht mitsamt all den Eindrücken und Anregungen. Einfach klasse! Dieser ganze Radreisekram über Touren in den Westalpen und Südostfrankreich ist hier im Forum … irgendwie nur von Extra-Könnern besetzt. bravo
Zitat:
Beim Versuch nach einer Pause wieder aufs Rad zu steigen und mich in die Pedale einzuklicken kippe ich um und lande unsanft auf der Straße. … Zum Glück hat‘s keiner gesehen.
Ich hab´s weder gesehen noch gelesen und verrate Dir selbstverständlich auch nicht, dass mir das auch schon passiert ist und weiterhin passieren wird. Immerhin hast Du mal ´ne Pause gemacht. Das beruhigt mich irgendwie. lach Keep on rolling!
Allen gute Fahrt und schöne Reise.

Geändert von kettenraucher (30.10.15 18:13)
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#1168638 - 01.11.15 11:43 Re: Alpenbogen Nizza – Bad-Reichenhall [Re: veloträumer]
Moarg
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Tragödie lach
So schlimm war beides nicht. Der Umfaller war schon ein merkwürdiger Stunt, bei dem ich ganz schön auf die Straße gekracht bin. Passiert ist fast nichts, nur eine kleine Abschürfung und etwas Schmerz im linken Ellenbogen.
Und die Preise. Naja, ich bin nicht geizig. Über 20 Euro für eine Zeltplatznacht ärgern mich dann aber schon, erst recht 33 Euro...


Pian del Re mit der Po-Quelle war schon genial. Wenn man sich etwas mehr Zeit als ich lässt, könnte man da oben sicher auch eine schöne Wanderung anschließen. Ebenso ein absolute Empfehlung ist das Val Pèllice. Das Rad vom Nivolet aus Richtung Aosta-Tal zu tragen (oder gar umgekehrt) wäre auch für mich keine Option. So wie es gefahren bin mit der Zwischenstation Ceresole Reale war es für mich eigentlich optimal.

@Kettenraucher
Danke für die lobenden Worte. Es beruhigt nun wiederum mich, dass scheinbar auch andere beim Aufsteigen ihre Schwierigkeiten haben. zwinker
Stefan
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#1168640 - 01.11.15 11:57 Re: Alpenbogen Nizza – Bad-Reichenhall [Re: Moarg]
Moarg
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Weiter mit dem vorletzten Teil.

Tag 13 (Sa 25 Jul 15)
Gudo – Passo Monte Ceneri (544 m) – Lugano – Menaggio – Gravedona – Chiavenna – Splügenpass (2.113 m) – Splügen
146 km | 7:15 h | 20,2 km/h | 2.850 Hm
Ü: Camping Auf dem Sand | 20,00 CHF (= €)

Nach regnerischer Nacht ist das Wetter am Morgen doch wieder sehr passabel. Recht spät starte ich dann in den nächsten langen Tag und rolle zunächst auf dem verwinkelten Schweizer Radwegenetz Richtung Monte Ceneri. Der Anstieg dann auf der normalen Straße. Er ist zum Teil recht steil, insgesamt aber keine große Schwierigkeit. Für die Weiterfahrt runter nach Lugano nutze ich weiter die Veloroute 3 (Nord-Süd-Route). Fährt sich sehr gut.

Ab Lugano folgt dann untypisch für meine Reise tatsächlich mal eine längere flachere Passage entlang der beiden Seen Lago Lugano und Lago di Como. Ist schon eine malerische Fahrt, gefällt mir super. Gerade am Lago Lugano ist zwar sehr viel Wochenendverkehr unterwegs, stört mich aber nicht weiter. Auch die Fahrt am Westufer des Comer Sees ist herrlich. Die vielen Tunnels kann ich fast alle umfahren.

Ganz ohne richtigen Pass lasse ich es natürlich auch heute nicht auslaufen. Nach knapp 110 einfachen Kilometern und bereits recht spät (nach 15:00 Uhr) beginnt ab Chiavenna dann der klettertechnische Ernst des Tages. Nach 2002 will ich noch mal zum Splügenpass. Heute über die Südrampe, die mit 30 km Länge und schlappen 1.800 Hm ja nun nicht gerade zu den einfachen Pässen zählt. Ich komme gut hoch. Als richtig schwer empfinde ich bei dort ganz hartem Gegenwind eigentlich nur die allerletzten Kilometer ab Montespluga. Hier auch ein regelrechter Temperatursturz, am Pass sind es dann nur noch 11 °C. Gefühlt ist es durch den Wind noch viel kühler.

An der Temperatur ändert sich bis Splügen nichts. Dazu kommt noch einsetzender Nieselregen, so dass ich in Splügen ziemlich durchgefroren bin. Da passt es gut, dass der Campingplatz einer aus dem oberen Regal ist. Beheizte Sanitär- und Aufenthaltsräume sind nach dem Finale doch sehr angenehm.


Lago Lugano - hier am östlichen Ende in Porlezza


Nordauffahrt Splügenpass


Tag 14 (So 26 Jul 15)
Splügen – Thusis – Alvaschein – Tiefencastel – Savognin – Julierpass (2.284 m) – St. Moritz – Samedan
93 km | 4:31 h | 20,6 km/h | 2.000 Hm
Ü: Camping Punt Muragl | 24,20 CHF (= €)

Der Morgen unangenehm kühl mit nur 8°C. Da passt es, das heute nur eine relativ kurze „Erholungsetappe“ ansteht und ich den Tag etwas gemächlicher angehen lassen kann. Sonderlich warm ist es aber auch um halb zehn noch nicht als ich aufbreche.

Einige kurze Gegensteigungen sind dabei, ansonsten geht es bis Thusis erst mal abwärts. Rofflaschlucht und Viamala hätte ich mir auf dem Weg durchaus mal angesehen. Für beides ist aber Eintritt fällig. Ich fahre dran vorbei, bin eh schon genervt von den Schweizer Preisen. Die Viamala ist ja ohnehin auch von der Straße aus hinreichend einzusehen.

Nach Pause in Thusis weiter Richtung Tiefencastel. Mal steigt es hart an, mal ist es flach. Insgesamt nicht sonderlich aufregend. Da ich mich auf der Schweizer Veloroute 6 (Graubünden-Route) bewege, nehme ich auch den schönen Schlenker über Alvaschein mit. Tiefencastel ist nur ein kleines Nest, hatte irgendwie eine andere Vorstellung.

Nun zum Julierpass. Die beträchtliche Anzahl an Höhenmetern wird in mehreren Stufen überwunden. Steil zu Beginn, dann ein längerer Flachteil, dann nochmal steil bis zum Marmorera-Stausee. Unmittelbar vorm See habe ich arg zu kämpfen mit einem haarsträubenden Gegenwind. Noch sind es gut vierzehn Kilometer bis zum Pass. Wenn das mit dem Wind so weiter geht, würde ich da keinen Spaß haben. Zum Glück ist es nicht so, denn im Schlusspart ab Bivio kann ich mich dann über Rückenwindunterstützung freuen. Kurios.

Die Bedingungen am Julierpass (windig, kühl) laden nicht zum langen Verweilen ein, so dass ich nach kurzem Aufenthalt runter ins Oberengadin rolle. In St. Moritz kann ich sonntags abends im Tankstellenshop noch das Nötigste einkaufen, dann sind es nur noch wenige Kilometer bis zum teuren Campingplatz.


Splügen



Kurz vorm Julierpass


Tag 15 (Mo 27 Jul 15)
Samedan – Pontresina – Passo del Bernina (2.328 m)Forcola di Livigno (2.315 m) – Livigno – Passo d'Eira (2.208 m)Passo di Foscagno (2.291 m) – Bormio – Passo di Gavia (2.621 m) – Ponte di Legno – Temù
123 km | 6:07 h | 20,1 km/h | 2.850 Hm
Ü: Camping Presanella | 13,00 €

Fünf 2000er Pässe an einem Tag kann man bei genehmer Streckenlänge wohl nur in dieser Gegend hier fahren. Die Variante heute über Bernina-Pass, Livigno und Gavia-Pass wollte ich 2011 in der anderen Richtung schon mal fahren. Habe ich damals bei Schlechtwetter ausfallen lassen müssen. Heute hingegen passt es super. Am Morgen zwar noch kühl, dafür aber blauer Himmel.

Die Anfahrt aus dem Oberengadin zum Bernina-Pass ist relativ einfach. Ich kenne sie bereits von meiner Tour 2002. Schon eine geniale Fahrt mit den Gletscherblicken zum Morteratsch und dem Hochgebirgspanorama im offenen oberen Teil. Mit dem Livigno-Abschnitt folgt dann wieder Neuland. Zunächst recht schwer, denn die Auffahrt zum Passo Forcola ist steil. Dann sause ich auf der hervorragend ausgebauten und fast kurvenlosen Straße runter nach Livigno. Gefällt mir super, auch der Ort. In der zollfreien Zone mangelt es natürlich nicht an Einkaufsmöglichkeiten, so dass ich den fälligen Vorratseinkauf auch erledigen kann.

Die anschließende Passfolge Eira - Foscagno ist nicht die große Herausforderung, aber auch sehr schön. Dann die lange Abfahrt nach Bormio. Oben läuft es herrlich dahin, im unteren Flachteil dann ein bösartiger Gegenwind. Zwischendurch laufen Straßenarbeiten und die Asphaltdecke ist auf einem längeren Teilstück aufgefräst. Mit Rennrad wäre es sicher noch schlimmer, aber auch mit meinen 35er Reifen ist das in diesem Bereich ein fürchterliches Abfahren.

Meine Suche nach Lebensmittel-Einkaufsmöglichkeiten im Zentrum von Bormio bleibt erfolglos und so muss ich fast ohne Vorräte weiter zum Gavia-Pass. Kein gutes Gefühl, in Santa Caterina finde ich dann aber wenigstens ein Bistro. Vom Anspruch her ist der Gavia natürlich eine andere Nummer als die im Vergleich dazu relativ harmlosen Anstiege zuvor. Vor allem oben sind harte Rampen dabei, einfach sieht anders aus. Interessant finde ich die kleine Radsport-Ausstellung im Pass-Rifugio. Hauptsächlich wird mit Fotos an die Giro d’Italia Gastspiele am Giavia erinnert.

Die Abfahrt nach Ponte die Legno ist kühl (13 °C am Pass) und wegen einem übervorsichtigen Autofahrer eine langwierige Angelegenheit. Der ist sichtlich überfordert mit der engen Straße. Wie immer fehlt mir die Aggressivität, mich an solchen Fahrkünstlern vorbei zu quetschen. Da bleibt eben nur ständiges und einigermaßen nervendes Anhalten.


Morteratsch



Lago Bianco am Passo del Bernina



Livigno





Tag 16 (Di 28 Jul 15)
Temù – Edolo – Megno – Monte Padrio (1.873 m) – Stazzonna – Tirano – Mazzo di Valtelina – Passo del Mortirolo (1.852 m) – Monno – Temù
105 km | 5:15 h | 19,9 km/h | 2.900 Hm
Ü: Camping Presanella | 13,00 €

Heute wird’s mit einem harten (Monte Padrio) und einem ganz harten Brocken (Mortirolo) noch mal besonders sportlich. Fahre ich passenderweise als Runde ohne Gepäck. Das Wetter stimmt erneut, angenehme Temperaturen, wenig Wolken.

Die Abfahrt nach Edolo ist schnell erledigt und nach einer längeren Pause dort geht es weiter Richtung Aprica. Nun bis Aprica durchzufahren wäre die einfache Variante. Heute habe ich anderes im Sinn und biege nach einigen Kilometern rechts ab hinein in den Hammeranstieg zum Monte Padrio. Was auf den nächsten knapp 8 km nun ansteht ist von der harten Sorte mit üblen Steilstufen bei einer Durchschnittssteigung von über 10 %. Auf so einer Straße tobt natürlich nicht der große Verkehr, ganz allein bin ich aber nicht unterwegs. An der steilsten Rampe (Schild 25 % - wohl doch etwas übertrieben) kommen drei junge Rennradler mit einem irren Tempo den Berg herunter geschossen. Mir wird schon beim Zusehen himmelangst, denn der Belag ist nicht der allerbeste. Ist mir schleierhaft, ich würde mich wohl nicht halb so schnell da runter bremsen. Hinten dran aber ein Begleitfahrzeug, die Jungs wissen also was sie tun. Für mich schon beeindruckend zu sehen, auf welchem Niveau echte Könner abfahren.

Der Scheitelpunkt der Straße läuft dann unterhalb des Monte Padrio (2.115 m) flach aus. Die Abfahrt ist zunächst auch sehr gemütlich. Das ändert sich in der von mir gefahrenen Variante über den Passo di Santa Cristina. Ab hier stürzt die Straße sehr steil zu Tal. Wegen dem schlechten Belag wieder mal schwierig zu meistern.

Unten Einkauf, dann mit Rückenwind weiter über Tirano bis Mazzo di Valtelina. Nun wird es hinsichtlich Steigung noch ein gutes Stück verrückter als vorhin am Monte Padrio. Der Kultanstieg zum Mortirolo ist schon ein absoluter Hammer. Ohne Gepäck komme ich aber doch ganz flüssig hoch. Zumindest so gut, dass ich kurz vorm Ziel einen Rennradler abhängen kann. Der junge Engländer kommt nicht umhin, mich am Pass zu fragen wie schwer denn mein Rad sei zwinker. Er ist locker drauf, muss jetzt noch zurück zu seinem Hotel nach Bormio.

Für mich bleibt noch die Abfahrt nach Monno, dann mit Rückenwind zurück zum hervorragenden Camping Presanella. Bereits vor 17:00 Uhr bin ich da. Ist auch mal sehr angenehm.


Monte Padrio - eine teilweise sehr steile Angelegenheit



Scheitelpunkt Monte Padrio – Blick Richtung Aprica



Hier beginnt der Spaß…


Fortsetzung folgt...
Stefan
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#1168823 - 02.11.15 18:11 Re: Alpenbogen Nizza – Bad-Reichenhall [Re: Moarg]
StefanS
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Hallo Namensvetter,

Klasse Bericht! Aber sag mal, Deine Uhr am Tacho geht falsch, oder? Solche Geschwindigkeiten mit Zeltgepäck sind ja jenseits von Gut und Böse.

Wie Du geschrieben hast, war ja Mont Chauve eine der letzten Bergstraßen bei Nizza, die Du noch nicht gefahren warst - bei mir war es umgekehrt eine der ersten. Gerade in den vergangenen Tagen konnte ich eine Ferienwoche nutzen, um die Gegend nochmals zu erkunden - schon eine tolle Ecke, wenn man erstmal aus dem dichtbesiedelten Raum an der Küste raus ist. Für Utelle war diesmal leider keine Zeit. Mit dem Sommet Bûcher ging es mir 2013 ähnlich wie Dir - geplant, aber letztlich nicht umgesetzt, teils aus Zeitgründen, teils wegen Gewittergefahr. Sah die Straße wirklich so übel aus?

Bin jedenfalls gespannt auf die Fortsetzung.

Viele Grüße,
Stefan
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#1169223 - 04.11.15 19:08 Re: Alpenbogen Nizza – Bad-Reichenhall [Re: StefanS]
Moarg
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Hallo Stefan,
mein Computer liefert schon korrekte Werte. zwinker
Klar - eine solche Tour kann natürlich nicht gleich jeder mit Gepäck in dem Tempo abreißen. Aber jenseits von Gut und Böse? Letztendlich musste ich so etwa 90 kg (ich 65 kg + 25 kg Fahrrad incl. sämtliches Gepäck) die Berge hochtreten. Da geht das schon, ohne dass man Wattzahlen drücken müsste die weit über Otto-Normalradler hinausgehen.

Die Piste zum Sommet Bucher ist so schlimm nicht. Aber eben doch ziemlich steil mit viel losen Schotter. Soweit ich hochgefahren bin, waren die Kehren aber jeweils noch asphaltiert. Die sind für mich immer besonders heikel bei solchen Schotterabfahrten. Trotzdem, da runter hätte ich keine Freude gehabt.
Stefan
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#1169281 - 04.11.15 21:12 Re: Alpenbogen Nizza – Bad-Reichenhall [Re: Moarg]
StefanS
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In Antwort auf: Moarg
Klar - eine solche Tour kann natürlich nicht gleich jeder mit Gepäck in dem Tempo abreißen. Aber jenseits von Gut und Böse?

Da war natürlich ein wenig rhetorischee Übertreibung dabei zwinker Dennoch - ich komm zwar jeden Berg hoch, bin aber nicht sehr sportlich, und manche Deiner Durchschnitte hätte ich selbst in der Ebene Mühe zu erreichen. Respekt jedenfalls, und Glückwunsch zu der schönen Tour!

Viele Grüße,
Stefan
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#1169306 - 04.11.15 22:22 Re: Alpenbogen Nizza – Bad-Reichenhall [Re: Moarg]
Moarg
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Hier noch die letzten vier Tage. Trentino, Südtirol und zum Abschluss über die Großglockner-Hochalpenstraße...

Tag 17 (Mi 29 Jul 15)
Temù – Passo del Tonale (1.833 m) – Fucine – Brez – Brezer Joch (1.397 m)Clozner Joch (1.695 m) – St. Pankraz – Lana – Völlan
121 km | 6:00 h | 20,1 km/h | 2.750 Hm
Ü: Camping Völlan | 15,00 €

Für die ersten Kilometer zwischen Temù und Ponte di Legno probiere ich mal den vorhandenen Radweg aus. Der ist gut zu fahren. Dann geht es unter bedecktem Himmel auf der Straße weiter hoch zum Tonale. Den Pass kenne ich schon, Skigebiet, viel Infrastruktur. In einem der zahlreichen Läden decke ich mich noch mit Vorräten ein, dann die schöne und sehr zügig zu fahrende Abfahrt bis Fucine. Danach geht es über viele Kilometer beständig leicht abfallend weiter das Tal hinab. Eigentlich sehr einfach, doch wie häufig in solchen Tälern bremst mich ein fieser Gegenwind aus. Die Fahrt deswegen doch etwas frustrierend.

Ab dem Ende des Tales fahre ich weiter auf mir schon bekannten Trentino-Pfaden Richtung Gampenpass mit Ausblicken auf den Stausee Lago di Santa Giustina und auf die weitläufigen Apfelplantagen. Dann das sehr harte Finale des Tages. Zuerst ist das Brezer Joch an der Reihe, von mir in der etwas leichteren Variante über Castelfondo gefahren. Leicht ist dem Fall allerdings das falsche Wort, die letzten drei Kilometer liegen bei knapp 12 %.

Nach längerer Abfahrt vom Brezer Joch steht noch der Übergang ins Ultental über das Hofmahdjoch an. Auch dies eine schwere, durchweg sehr steile Nummer. Oben raus beginnt es zu regnen, nicht gerade die angenehmste Passfahrt. Auf der anderen Seite des ersten langen Scheiteltunnels dann zum Glück aber trockene Straße. Das bleibt auch das ganze Ultental runter so.

Kaum das ich in Lana einrolle regnet es dann richtig stark. Ich flüchte erst mal unter einen Buswartestand und kann erst nach längerer Pause weiter. Das ich nun nochmal etwa 300 Hm bis ins Ziel nach Völlan klettern muss weiß ich. Auf dieses Dessert, welches ich vom Navi serviert bekomme, war ich aber nicht vorbereitet. Wieder mal ist es die direkte Variante, und die hat die Bezeichnung Rampe wahrlich verdient. Unglaublich, ich habe Mühe da überhaupt hochzukommen. Etwas „Positives“ hat diese Steigungsprozentorgie. Sie sorgt zusammen mit den auch nicht gerade einfachen letzten beiden Anstiegen dafür, dass im Ziel eine erstaunliche Tagesdurchschnittssteigung von 10 % auf dem Computer steht. Das ist seit Nutzung von Radcomputern mit Höhenfunktionen neuer Bestwert in meiner Radhistorie.


Unspektakuläre Passhöhe nach harter Rampe



Sehr ungemütlich am Clozner Joch



Regen in Lana


Tag 18 (Do 30 Jul 15)
Völlan – Andrian – Bozen – Blumau – Völs – Seis – Panider Sattel (1.437 m) – Lajen – Würzjoch (1.987 m) – San Vigilio di Marebbe
137 km | 7:24 h | 18,5 km/h | 3.550 Hm
Ü: Camping Al Plan | 15,00 €

Der höhenmeterintensivste Tag meiner Reise beginnt einfach mit einer zwei Kilometer langen Abfahrt runter zur Gampen-Passstraße. Diese Hauptroute nach Völlan steigt mit normalen Prozenten an und wäre gestern Abend die bessere Option gewesen. Die teuflische Rampe über den Völlaner Weg war mit Reisegepäck doch schon sehr heftig.

Ein paar erste Bergauf-Kilometer nun, dann folgt ein mir bereits von meiner Tour 2011 bekannter Abschnitt über Prissian und einer sehr steilen Abfahrt nach Nals. Anschließend gehe ich sogar mal unter die Radweg-Wanderer. Bis Bozen ist es der Etschtal-Radweg, anschließend bis Blumau der Eisacktal-Radweg. Fährt sich schon ganz gut. In diesem Abschnitt bewährt sich auch mal das Navi, gerade durch Bozen hätte ich mich wohl kaum ohne durchfitzen können.

Ab Blumau wird es dann endlich wieder bergig, der Anstieg bis Völs ist aber nicht übermäßig schwer und fährt sich sehr gut. Schöne Strecke, etwas viel Verkehr. Nach ein paar weiteren Kilometern bei nur noch minimaler Steigung erreiche ich Seis. Vor allem der Abzweig zur Seiser Alm ist mir sehr vertraut, denn seit nunmehr etlichen Jahren verbringe ich meine Skiurlaubswoche da oben. Die Seiser Alm ist irgendwann vielleicht auch mal ein Fahrrad-Ziel für mich, heute fahre ich aber über Kastelruth und den Panider Sattel weiter rüber ins Grödner-Tal. Herrliches Wetter in dieser Phase.

Vor der Anfahrt zum Würzjoch werden etliche der zuvor mühsam über Lajen erkämpften Höhenmeter per steiler Abfahrt nach Gufidaun wieder verschossen. Irgendwoher muss die beachtliche Aufstiegsbilanz des Tages ja kommen. Das Würzjoch fährt sich über die Variante Villnößtal sehr unrhythmisch. Vor allem die steilen Passagen ab St. Peter sind nicht ohne. Oben raus zieht sich die Wolkendecke immer mehr zu und verhüllt so leider zum Teil die markanten Dolomitengipfel südlich der Straße.

Die Abfahrt nehme ich über die Kurzvariante Strada Miri. Keine gute Wahl, weil äußerst steil bei fragwürdigem Straßenbelag. Über San Martino oder besser noch direkt nach Zwischenwasser/Longega wäre wohl schlauer gewesen. Im Schlussspurt dann aufkommende Regen-/ Gewitterneigung, doch ich schaffe es noch trocken bis zum Camping. Später dann anhaltender Regen.


Prissian



Schlern von Völs aus gesehen



Anstieg Würzjoch kurz nach St. Peter


Tag 19 (Fr 31 Jul 15)
San Vigilio di Marebbe – Furkel Sattel (1.757 m) – Olang – Antholz – Staller Sattel (2.052 m) – Huben – Lienz – Iselsberg Pass (1.209 m) – Döllach
129 km | 6:12 h | 20,8 km/h | 2.400 Hm
Ü: Camping Zirknitzer | 9,20 €

Früh ist es überhaupt nicht angenehm. Nasskalte 10 °C und tiefhängende Wolken nach Regenschauern in der Nacht. Ich argwöhne schon, dass es mich nach fast drei Wochen Sommerwetter nun doch noch mit einem richtigen Schlechtwettertag erwischt hat. Egal, erst mal los mit einer kurzen Abfahrt vom Camping nach San Vigilio. Und schon da friere ich, obwohl ich fast alle Klamotten angezogen habe.

Für die nächsten Kilometer ist Frieren erst mal kein Thema mehr. Es geht nun bergan zum Furkelpass, und das ziemlich heftig. Hatte ich so nicht auf der Rechnung. Hat auf jeden Fall nichts zu tun mit einem einfachen Aufgalopp, auf den ich mich innerlich eingestellt habe. Nach dem Pass reißt die dicke Wolkendecke zusehends auf. Ich atme auf, denn wider Erwarten scheint es sich nun doch noch in Richtung Schönwettertag zu entwickeln. Die Abfahrt dann bereits bei Sonnenschein, trotzdem aber sehr kühl. In Olang setze ich mich erst mal in die Sonne und versuche mich aufzuwärmen. So richtig gelingt mir das nicht. Dabei laufen die Leute bereits wieder in kurzen Klamotten durch den Ort.

Auf Betriebstemperatur bin ich erst wieder im Anstieg zum Staller Sattel im ersten steileren Abschnitt zwischen Antholz und dem Antholzer See. Das Wetter ist jetzt traumhaft, die Landschaft sowieso. Nach kurzer Stippvisite am Biathlonstadion lege ich eine längere Pause am See ein. Herrlich. Ebenso sehr schön dann auch der letzte Abschnitt ab dem See hoch zum Pass. Oben wartet eine ganze Kolonne von Motorrädern auf ihr 15 min-Durchfahrtfenster Richtung Antholzer See ab 14:00 Uhr. Einige der Biker spenden mir sogar Applaus. Trägt auch mit zur tollen Atmosphäre auf dem Staller Sattel bei. Auf jeden Fall eines der Highlights der Reise.

Eigentlich hatte ich mich drauf gefreut, ab dem Passo Stalle mühelos bis Lienz dahinzufliegen. Es geht ja über diese 55 km fast nur bergab. Von dahinfliegen kann dann ganz und gar nicht die Rede sein, denn fast auf der ganzen Strecke muss ich mich mit einem harten Gegenwind auseinandersetzen. Etwas besser wird es erst, als ich für die letzten Kilometer bis Lienz auf den sehr gut zu fahrenden Isertal-Radweg wechsele. Ist doch deutlich windgeschützter als die offene und sehr breite Straße.

Ab Lienz ist dann noch mal etwas Arbeit über den Iselsbergpass angesagt. Danach geht es recht einfach bis ins Ziel in Döllach. An der Rezeption des Campingplatzes erlebe ich dann einen kleinen Schreckmoment, denn ich kann meinen Ausweis einfach nicht finden. Gestern in St. Vigilio hatte ich ihn ebenfalls vorzeigen müssen, da war er noch da. Kann ihn eigentlich nur dort liegengelassen haben. Ein Anruf da bestätigt meine Vermutung. Ein paar Tage nach meiner Rückkehr hatte ich meinen Ausweis dann in der Post zurück.


Abfahrt vom Furkelpass nach Olang



Staller Sattel (2.052 m)





Tag 20 (Sa 01 Aug 15)
Döllach – Heiligenblut – Franz Josefs Höhe (2.370 m)Hochtor (2.504 m) – Fusch – Zell am See – Saalfelden – Lofer – Bad Reichenhall
153 km | 7:17 h | 21,0 km/h | 2.650 Hm
Ü: Camping Staufeneck | 10,70 €

Am letzten Reisetag meine Premiere auf der Großglockner-Hochalpenstraße. Die Wetterlage am Morgen leider höchst durchschnittlich mit tiefhängender Wolkendecke. Relativ kühl ist es auch, und so fahre ich erst mal etwas lustlos nach Heiligenblut. Direkt am Beginn der Hochalpenstraße kaufe ich im Supermarkt noch etwas Proviant ein. Eine Mitarbeiterin des Marktes lässt gegenüber ein paar Touristen die Bemerkung los: „Oben soll‘s brutal schee sei“. So richtig fehlt mir der Glaube, doch etwas Enthusiasmus ist zurück.

Etwas nach 9:00 Uhr fahre ich los und sehe bis kurz vorm Kasereck nicht wirklich viel. Ziemliche Trübnis. Ich bin schon kurz davor, den Abstecher zur Franz Josefs Höhe zu streichen. Dann doch leichte Besserung und so siegt der Ehrgeiz. Gute Entscheidung, denn die Wolken heben sich immer mehr und an der Franz Josefs Höhe dann doch bereits sehr brauchbare Sicht. Von brutal schön, wie von der guten Frau angekündigt, habe ich trotzdem eine andere Vorstellung. Da sollte sich dann auch mal die Sonne zeigen. Das ist nicht der Fall. Hat sich auch den ganzen Tag nicht mehr geändert.

An der Franz Josefs Höhe bestaune ich natürlich nicht alleine das Panorama mit Großglockner und Pasterze. Ist schon ordentlich Wochenend-Trubel, dabei war bis hier hoch eigentlich überraschend wenig Verkehr unterwegs. Radfahrer gar keine, die Ersten begegnen mir erst in der kühlen Abfahrt von der Franz Josefs Höhe zurück zur Glocknerstraße. Anderes Bild in der anschließenden schweren Auffahrt zum Hochtor. Hier ist jetzt doch richtig was los auf der Straße. Unter anderem ist neben mir natürlich auch eine stattliche Anzahl an Rennradlern am Kämpfen mir der heftigen Steigung. Oben 9.8 °C. Geht noch, da hatte ich heute Morgen Schlimmeres befürchtet.

Nach kurzer Abfahrt und happiger Gegensteigung zum Fuscher Törl ist die Motivation auf weitere schwere Höhenmeter eigentlich kaum noch vorhanden. Unverrichteter Dinge will ich dann aber doch nicht in die Abfahrt gehen, und so nehme ich wie geplant auch noch die gepflasterte Stichstraße zur Edelweißspitze mit. Der höchste Punkt der Straße ist gleichzeitig auch die letzte echte Schwierigkeit der Reise. Ist schon ein gutes Gefühl, da oben zu stehen.

Nach 14:00 Uhr wird es doch langsam Zeit, dass ich mich von den Panoramablicken der Edelweißspitze verabschiede. Noch sind 105 km bis ins Ziel zu fahren, und wie eigentlich immer wollte ich vor 19:00 Uhr schon da sein. Am Ende schaffe ich es, muss aber ganz schön reinhauen. Der Wind weht wieder mal ungünstig, vor allem auf dem Teilstück zwischen Saalfelden und Lofer. Davor in Zell am See ein nerviger Stop-and-go-Verkehr, unfassbar was an Autos durch den Ort rollt. Die immer mal wieder vorhandenen Radwege ignoriere ich in meiner selbstauferlegten Zeitnot. Dann endlich nach langer Etappe der Campingplatz. Nach drei Wochen so intensiver Bergarbeit sind die Beine schwer und die Knie schmerzen auch ein wenig. Bin froh, das Ende erreicht zu haben.





Franz Josefs Höhe









Blick von der Edelweißspitze zum Fuscher Törl
Stefan
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#1169358 - 05.11.15 09:09 Re: Alpenbogen Nizza – Bad-Reichenhall [Re: Moarg]
talybont
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Beiträge: 758
Oh ja, die Norditalienrunde muss ich mir auch mal antun - unbedingt!!! Toll.
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#1169360 - 05.11.15 09:10 Re: Alpenbogen Nizza – Bad-Reichenhall [Re: Moarg]
Keine Ahnung
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Beiträge: 13.154
Tolle Leistung, aber auch schöne Tour! Als ich letztes Jahr die Großglockner-Hochalpenstraße in der ersten Juni-Hälfte überwand, waren oben nur 2°C. Trotz einiger Graupel-Schauer hatte ich aber Glück und eine gute Sicht. Auf jeden Fall ist das ein guter Abschluss einer Tour - bei mir waren danach noch einige Kilometer zu bewältigen zwinker .

Eine Frage hätte ich. Welches Navi hast Du denn verwendet?
Gruß, Arnulf

"Ein Leben ohne Radfahren ist möglich, aber sinnlos" (frei nach Loriot)

Geändert von Keine Ahnung (05.11.15 09:11)
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#1169383 - 05.11.15 11:58 Re: Alpenbogen Nizza – Bad-Reichenhall [Re: Moarg]
veloträumer
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Beiträge: 17.314
bravo Danke für die Toureindrücke nochmal. Fortsetzung folgt - mein erster voller Tag meiner diesjährigen Tour war dein letzter - zumindest bis Fusch (Abwandlung via Apriach statt über Heilgenblut) und in umgekehrter Richtung. Beim Camping Zirknitzer kennt man mich auch. schmunzel Der Ruderkahn stand allerdings noch nicht an der Pasterze - das ist wohl der Sintlfut geschuldet, die ich mal wieder ausgelöst haben muss, um in ihr selbst fast zu ertrinken. schockiert Als Ausgleich bekam ich eine "rollende" Ferrari-Ausstellung zu sehen. böse
Liebe Grüße! Ciao! Salut! Saludos! Greetings!
Matthias
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#1169842 - 07.11.15 16:00 Re: Alpenbogen Nizza – Bad-Reichenhall [Re: Keine Ahnung]
Moarg
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Beiträge: 50
Hallo Arnulf,

solche Temperaturen wie bei dir hätten mich in leichte Probleme gebracht. Hatte mal wieder auf den Sommer vertraut und nicht mal eine lange Fahrradhose geschweige denn richtige Handschuhe dabei...

Ich bin mit einem TEASI pro Fahrradnavi gefahren. Das Gerät ist soweit schon in Ordnung, vollkommen überzeugt hat es mich als Navi-Neuling aber nicht. Vor allem die Ablesbarkeit könnte echt besser sein. Um Strom zusparen, habe ich es aber auch nur mit den Standardeinstellungen mit runter geregelter Helligkeit genutzt. Außerdem finde ich den Touchscreen etwas träge und es hängt sich auch manchmal auf. Dann muss es neu gestartet werden.
Stefan
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Off-topic #1169920 - 07.11.15 19:39 Re: Alpenbogen Nizza – Bad-Reichenhall [Re: Moarg]
Keine Ahnung
Moderator
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Beiträge: 13.154
Anfang Juni habe ich bisher schon so oft Schnee gesehen, wenn ich in den Bergen (z. B. Norwegen, Meeralpen usw.) unterwegs war, dass ich mich nicht traue, ohne einigermaßen warme Kleidung unterwegs zu sein.

Generell würde ich bei einem Navi auf die gute Ablesbarkeit achten. Das ist meiner Meinung nach ein Nachteil auch bei den Smartphone-Lösungen. Mit voll aufgedrehter Hintergrundbeleuchtung geht es dann auch nicht immer. Ich verzichte auch gerne auf den Touchscreen, der ansonsten sicherlich Vorteile bei der Bedienung hat, der aber gerade bei nicht ganz so guten Straßenverhältnissen fast schwer bis gar nicht bedienbar ist und der auch bei Nässe - und die kann es bei einer realen Radreise schon einmal geben zwinker - eher Nachteile aufweißt. Tasten sind mir da lieber - aber vielleicht bin ich auch nur altmodisch grins .
Gruß, Arnulf

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