Dauer:7 Tage
Zeitraum:12.9.2020 bis 18.9.2020
Entfernung:700 Kilometer
Bereiste Länder:deDeutschland
itItalien
atÖsterreich
chSchweiz

 Herbsttour im Coronajahr-Bodensee-Alpen

Baden-Thurgau-Vorarlberg-Tirol-Südtirol und retour

6,5 Tage  ca 700 km, 7800 hm



Mitte September haben wir noch einmal eine Woche Urlaub.
Wir überlegen kurz, ob wir die verhinderte Erzgebirgstour nachholen oder ob wir doch lieber in unserer näheren Umgebung starten wollen.
Weil das Wetter dann ganz brauchbar ist und wir gerne in diesem Jahr einmal ein paar richtige Berge sehen wollen und nicht nur die Erhebungen der Mittelgebirge, entscheiden wir uns für eine kleine Tour in die näheren Alpen.
Und weil wir mit der Schwarzwaldbahn gut und problemlos hinkommen, starten wir am Bodensee, in Konstanz. Falls das Wetter mitspielt, wollen wir kurz ins Südtirol schlenkern und wenn nicht, dann wählen wir eine kürzere Route durch Tirol und Vorarlberg, wir halten das flexibel.
Und weil das Wetter in den ersten zwei Tagen auf jeden Fall stabil bleiben soll, nehmen wir die Silvretta-Hochalpenstraße mit ins Programm.


 Konstanz – Romanshorn – Rohrschach  -Feldkirch – Bludenz – Bürs – Tschaguns - St.Gallenkirch - Bieler Höhe – Galtür – Ischgl – Landeck



Am Morgen steigen wir in Konstanz aus unserer erstaunlich gut gefüllten Regionalbahn, wir haben gemeinsam mit zwei Vorschulkindern auf der Fahrt alles über die Tiere des Waldes gelernt und müssen nach Ankunft erst einmal kurz warten bis die Geschäfte aufmachen. Ich habe nämlich meinen Helm daheim vergessen und hätte zumindest für die Abfahrten gerne einen dabei.
Leicht verzögert, geht es also mit neuem Kopfputz los und auf bekannter Route am Bodensee auf Schweizer Seite entlang.
In einer lauschigen Bucht erfolgt dann die Frühstückspause.



Weiter geht es an See und durch Apfelplantagen bis zum Hinterrhein, wo wir auf die österreichische Seite wechseln.



Ab Feldkirch folgen wir dann einem gut ausgebauten Radweg entlang der Ill und weiter in Richtung Bludenz.





 Bei Bürs belegen wir einen Camping auf einem Bauernhof, der an diesem Samstagabend  unglaublich voll ist. Unser Zelt passt gerade noch so eben zwischen ein Wohnmobil aus Salzburg und die Schaukel vom Kinderspielplatz.



Tags drauf folgen wir dann weiterhin dem Radweg, bis wir an die Mautstelle geraten, die den Einlass zur Silvretta-Straße markiert. Hier ist am späten Vormittag schon ordentlich Betrieb und als wir uns endlich auf der Straße befindet, taucht uns zunächst einmal eine Motoradgruppe in einen Teppich aus Lärm und Staub.



Danach haben wir kurz unsere Ruhe und können die Auffahrt angemessen genießen. Der Verkehr kommt nur noch Stoßweise mit Pausen, was das Ganze halbwegs erträglich macht.
Für einen Vormittag ist der Betrieb jedoch recht ordentlich, auch wenn es sich um einen sonnigen Sonntag handelt, offenbar ist ein nicht unbeträchtlicher Teil der regionsnahen Bevölkerung hier unterwegs.



Am besten gefallen mir diejenigen die etwa fünfmal die gleiche Strecke hoch und runter fahren, weil: zahlt isch! Allen Vorurteilen zum Trotz, kommen die aber nicht aus Württemberg.



In den Ruheminuten macht das Hochfahren jedoch richtig Spaß und prächtig ist die Umgebung sowieso. Am Stausee machen wir eine kurze Pause.





An der Bieler Höhe angekommen, werden wir von einer Gruppe E-Biker umringt, die uns verwundert fragen, wieso wir hier mit so altmodischen Rädern hochfahren würden. Und dann noch mit Gepäck! Und ohne Motor! Das muss sich doch heutzutage keiner mehr antun. Weil in diesem Moment mein Ständer am Rad, das ich vermutlich mit ungünstiger Seitenbelastung abgestellt habe, bricht, enthebt mich dieses Ungemach einer Antwort.
Dier Abfahrt ist dann erheblich ruhiger, man hat fast den Eindruck die Straße sei plötzlich ausgestorben.



Auch wenn die Strecke nicht mehr ganz so atemberaubend erscheint, ist sie dennoch ganz hübsch.





In Galtür lassen wir uns dann zu einem Mittagsmahl nieder, umkurven mit dem Radweg weiträumig das betongewordene Skifahrerpartyglück Ischgl und begeben uns kurz darauf auf die Straße, weil der Radweg auf der Abfahrt entschieden zu viele Gegenanstiege bereithält um halbwegs vom Fleck zu kommen.



In Landeck sind wir bereits am Nachmittag, weil aber der Campingplatz dort über eine ausgesprochen gemütliche Zeltwiese verfügt, verbringen wir dort einen lustigen Abend in Gesellschaft zwei unterhaltsamer Motoradfahrer aus Schwaben. Später trudeln noch ein E5 Wanderer, ein Radreisender aus den Niederlanden und ein Motoradfahrer aus dem Elsass ein.

 Landeck – Sautens  -Oetz – Sölden – Obergurgl – Timmelsjoch – Moos im Passeiertal – Walten - Jaufenpass – Stertzing – Brenner – Matrei – Mutters – Natters – Zirl – Ötztal Bf – Landeck



Das Wetter soll noch mindestens zwei Tage freundlich bleiben, wir entscheiden uns dafür uns als Übergang nach Südtirol eine Befahrung des Timmelsjochs zu gönnen.
Dazu geht es erst einmal ein Stück am Inn entlang und später dann am Talrand um mit einer kleinen Abkürzung ins Ötztal zu gelangen.



Der dortige Radweg ist zwar ganz hübsch und anfangs auch gut ausgebaut, jedoch furchtbar umwegig und später auch von sehr zweifelhaftem Belag.



 Man macht hier ein vielfaches von Kilometern und Höhenmetern wie die Straße, auf der aber ein derartiger Verkehr herrscht, dass wir bis Sölden auf dem Radweg verbleiben. Dort sind wir dann erst nach Mittag.



Weil dieser Ort in etwa so anheimelnd ist wie der Stuttgarter Flughafen, verlassen wir ihn nach einer Kaffeepause schnell und fahren weiter bis Obergurgl.



Hier überlegen wir kurz, ob wir noch das Timmelsjoch in Angriff nehmen, entscheiden uns aber wegen des stark anhaltenden Verkehr und weil wir nicht genau wissen, wie lange wir hoch brauchen werden und ob wir dann nicht Probleme mit einer Übernachtungsmöglichkeit bekommen, dazu hier zu verbleiben.
Weil wir weit uns breit die einzigen sind, die mit einem unmotorisierten Fahrrad, das kein Rennrad ist, unterwegs sind, werden wir misstrauisch beäugt und auch mehrfach auf diesen Mangel angesprochen, was ich langsam ein wenig entnervend finde. Hinter vorgehaltene Hand tituliert uns eine Frau sogar als „die verrückten da“. Aha.
Da gehen wir lieber noch eine Runde spazieren und entdecken dabei abgestürzte Flugtiere.



Weil ich am Tag zuvor kurz bei abgesetzter Brille das Deo mit dem Desinfektionsmittel verwechselt habe, beschert mir ein schöner Ausschlag eine relativ schlaflose Nacht. Nach zwei Espressi bin ich aber startbereit und wir begeben uns auf die Straße zum Timmelsjoch, die wir am frühen Morgen ganz für uns alleine haben.







Weil wir ja schon relativ weit oben sind, ist die Auffahrt nicht besonders langwierig. Eine hinter uns einreffende Montainbikegruppe (ebenfalls motorlos, es ist also möglich zwinker !), macht freundlicherweise ein Passbild von uns.



Dann geht es auf italienischer Seite auf sehr hübscher Strecke bergab.





Weil hier mehrere Baustellen betrieben werden und die Ampeln dabei vorzugsweise in feuchten Tunneln stehen, so dass mir beim Warten eiskalte Wasserschwaden ins Genick tropfen, frieren mir irgendwann die Hände ein, die ohnehin meine Problemzone sind. Deshalb muss Micha in Moos im Passeiertal unten sehr lange auf mich warten.





 Wir gönnen uns dort ein Frühstück, während ein älterer Herr bei seinem Frühschoppen in schönstem Südtiroler Dialekt auf mich einredet.



Danach geht es auf den Jaufenpass, was, die Temperaturen haben mittlerweile Temperaturen um die 30°C erreicht, ein recht schweißtreibendes Vergnügen ist.



Während wir auf ein Apfelschorle einkehren, erfahren wir, dass die Straße ab dem Pass eigentlich gesperrt ist, allerdings mutmaßt die Wirtin, dass man mit dem Fahrrad schon durchkäme.



Tatsächlich entdecke ich später ein Schild, das ganz klein und auf Italienisch auf die Sperrung bis 18 Uhr wegen Straßenbauarbeiten hinweist. Weil das aber so gut wie keinem auffällt, fahren immer noch ausreichend Fahrzeuge dort hoch.



Hübsch ist die Strecke schon und Preiselbeeren hat es auch.




Oben angekommen, genehmigen wir uns einen wunderbaren Apfelstrudel, der auch drei Leute satt gemacht hätte und setzen uns zu einem netten Frankfurter Rennradlerpärchen, das wunderschöne Titanräder fahrt und verplaudern uns ein Weilchen.



Später umkurven wir die zahlreichen Fahrzeuge, die darauf warten, dass die Straße freigegeben wird. Und nachdem wir einem Bauarbeiter versprochen haben auf die frischen Asphaltstellen aufzupassen, haben wir eine atemberaubende Abfahrt für uns ganz alleine.






Kurz vor Sterzing lassen wir uns auf einem angenehmen Campingplatz nieder und beehren das angeschlossene Restaurant.
Am folgenden Morgen geht es dann zum Brenner.



Um den zunächst schwer umwegigen Radweg abzukürzen, navigieren wir uns über Wanderwege, was aber wegen kleinen Treppenstufen mit einer kleinen Schiebeeinlage verbunden ist.



Bald sind wir dann auf dem Radweg der recht angenehm auf den viel befahrenen Pass führt.





Nach einer kurzen Frühstückspause am Brenner, rauschen wir auf österreichischer Seite die Bundesstraße abwärts.
In Mutters entscheiden wir bei einer Portion Schlutzkrapfen, dass wir hier auf der Halbhöhe an Innsbruck vorbei fahren wollen und erst bei Zirl ins Inntal herunter fahren. Außerdem beschließen wir statt des anvisierten Fernpasses lieber den Arlbergpass unter die Räder zu nehmen, weil ab dem Abend Gewitter erwartet werden. In Richtung Westen soll es jedoch noch mindestens einen Tag stabil bleiben. Auch ist die Rückfahrt mit der Schwarzwaldbahn ab Konstanz erheblich komfortabel er als eine ausgedehnte Umsteigeorgie ab irgendwo in Bayern im Nahverkehr. Und trockener wird es sowieso.



Ab Zirl, bleiben wir zunächst auf kleinen Straßen am Talrand, die auch bei Rennradlern sehr beliebt sind und wechseln erst später auf den Inntalradweg.



Abends sind wir wieder in Landeck, wo wir die Zeltwiese für uns ganz alleine haben. Abends gewittert es kräftig in den Bergen, was für interessante Lichteffekte am Himmel sorgt.



 Landeck – St. Anton am Arlberg – Arlbergpass – Klösterle – Dalaas – Bludenz – Feldkirch – Sankt Margrethen – Gaißau – Rorschach - Konstanz



Bei der Auffahrt zum Arlbergpass, den ich in dieser Richtung noch nie gefahren bin, hängen bereits tiefe Wolken über den Bergen, Richtung Norden scheint es auch bereits zu gewittern und die Temperatur ist rapide gefallen. Wir wärmen uns bei einer kleinen Kaffeepause auf.



Oben am Pass ereilt Micha dann ein Plattfuss, den wir mit nicht unbeachtlicher Zuschauerschaft rund um die Andenkenstände beheben. Vielleicht hätte ich mit einem Klingelbeutel herumgehen sollen, ein reifenflickender Fahrradfahrer scheint eine großartige Attraktion abzugeben.



Schnell ist das Malheur jedoch beseitigt und wir rollen abwärts. Der Fahrgenuss wird ein wenig durch die Tatsache getrübt, dass Straßenbauarbeiten im Gang sind, weshalb auf dem Radweg, der auf der alten Straße entlanggeführt wird, der Gegenverkehr geleitet wird und wir mit dem Verkehr unserer Richtung den Tunnel nehmen dürfen. Das ist nur eingeschränkt erfreulich. Sicherlich wäre es sinnvoll gewesen vorher die Sonnenbrille abzunehmen.





Wir widerstehen der Versuchung eines Abstechers ins Walsertal, hier sind nämlich auch Straßenarbeiten im Gang, auch ist die Wetterentwicklung in dieser Richtung zweifelhaftund lassen uns in Klösterle auf ein Mittagsmahl nieder.



Dann geht es weiter in Richtung Bludenz, wobei wir eine leicht veränderte Routenführung zum Hinweg nehmen.
Dabei windet es sehr stark, was ein kommendes Mistwetter ankündigt. In den Bergen läßt es sich bereits beobachten, wie es zuzieht.







Nachittags gelangen wir nach Feldkirch, wo wir uns auf dem sehr angenehmen Campingplatz außerhalb der Stadt niederlassen.



Der nächste Morgen hüllt sich in Dunst, was eine bereits herbstliche Stimmung erzeugt.





Wir fahren zurück zum Bodensee, der im Nebel liegt und sind kurz vor Mittag in Konstanz, wo wir mit Hilfe der Schwarzwaldbahn wieder heim gelangen.
Leider endet unsere Fahrt wegen eines Polizeieinsatzes im Zug in Baden-Baden, wobei die Insassen des Radabteils vermutlich versehentlich für eine Stunde eingesperrt werden, während der restliche Zug bereits geräumt wurde.  Nachdem wir uns mit vereinten Kräften bemerkbar gemacht haben, dürfen auch wir den Zug verlassen. Hurra! Wir hätten besser in Konstanz noch eine Stunde Kaffee trinken können, aber schlauer ist man hinterher zumeist.



Fazit: Eine nette, angenehme Tour, bei der immerhin ein paar schöne Berge zu sehen waren. Das Wetter war prächtig und entschädigte für die verregneten Touren des Frühsommers.
Die Verkehrsdichte war stellenweise außergewöhnlich hoch, man merkte recht deutlich, dass in diesem Jahr viele auf größere Reisen verzichtet haben und sich im Umkreis der Heimat tummelten.  Insbesondere Wohnmobile waren noch zahlreicher als sonst zu sehen und gerieten überall dort zur Plage, wo sie enge Serpentinen und freie Durchfahrten blockierten. Im nächsten Jahr haben die Neubesitzer ihre Gefährte dann eventuell besser im Griff. Vielleicht. Die schiere Masse kann dennoch ein Problem werden, wie man auch hier im Schwarzwald oftmals festellen kann.
Insgesamt ist es trotzdem eine gute Idee vor allem beliebte Passrouten in den frühen Morgenstunden anzugehen. Das erhöht den Fahrgenuss enorm und die Stimmung ist auch sehr oft richtig schön.
Dass das Fahren eines Reiserads ohne Motorunterstützung mittlerweile als so eine Art altmodische Spinnerei wahrgenommen wird, hat mich in hohem Maße befremdet. Aber ich bin ja auch nicht mehr ausgesprochen jung und hipp und muß das auch nicht sein. Ich freue mich jedenfalls, dass ich nach wie vor mit eigener Muskelkraft vom Fleck komme und das mit Freude und Genuß. Falls das irgendwann einmal nicht mehr der Fall sein sollte, schauen wir weiter.