Nun ging es in die Bretagne. Die Küste wechselt hier zwischen Steilküste und eingebetteten Meeresbuchen. Regen, Wind und hügeliges Terrain sind hier die Begleiterscheinungen, auf die man sich einstellen muss. Am Cap Fréhel kam ich aufgrund des starken Windes selbst zu Fuß kaum vorwärts. Man könnte hier auch denken, man befindet sich auf der britischen Insel. Die gemeinsame kulturelle Vergangenheit mit Britannien holt einen hier ein. Schließlich landete ich in Morlaix mit seinem bekannten Viadukt. Dies bedeutete gleichzeitig das Ende der La Vélomaritime.
romantische Küste am Cap Fréhel
entlang der bretonischen Küste
Morlaix - das Ende der La Vélomaritime
Jetzt ging es auf der La Vélodyssée (Eurovelo 1) in Richtung Süden. Zunächst fuhr ich auf einer ehemaligen Bahnstrecke durch den Naturpark Armorique. Anschließend prägte das Kanalsystem von Brest nach Nantes die Route. Ich fuhr entspannt ganze vier Tage entlang von Kanälen mit den zugehörigen Schleusen und Wärterhäuschen sowie ehemaliger Bahnstrecken. In dieser Zeit war ich befreit vom Autoverkehr, größeren Städten und dem Tourismus. Angekommen in Nantes wurde es dann wieder etwas hektischer. In Nantes hatte ich wieder mal keinen freien Zeltplatz bekommen. Ich musste auf einen Platz etwas außerhalb der Stadt ausweichen. So kam ich auf 123 Kilometer Fahrstrecke an diesem Tag. In Nantes besichtigte ich das letzte Loire-Schloss vor dem Ozean und die freundlich und modern anmutende Innenstadt. Bevor ich die Stadt in Richtung Meer verließ konnte ich mir auf der Flussinsel Île de Nantes noch einen Eindruck von den riesig wirkenden mechanischen Figuren im Les Machines de l’île gewinnen, obwohl ich für die Ausstellung selber mir keine Eintrittskarte gekauft hatte. Von dem Dauerkunstparcours Estuaire, welcher entlang der Loire-Mündung mit zahlreichen Kunstobjekten angelegt ist, konnte ich leider nur ein Objekt entdecken. Ich fand auf der Karte und vor Ort kaum Hinweise zur Lage der Objekte und das regnerische Wetter tat sein übriges.
entlang des Kanalsystemes von Brest nach Nantes
Kathedrale Saint-Pierre in Nantes
am Les Machines de l’île
Über die Loire-Mündung stieß ich erstmalig auf die westliche Atlantikküste Frankreichs. Die Küste ist hier größtenteils flach, oftmals von der Marsch im Hinterland geprägt. Man sieht hier auch öfters die hölzernen Fischerhütten, die auf Stelzen stehend, ins Meer hineinragen. Ich kontaktierte Hubert, den ich in den Niederlanden kennengelernt hatte, und besuchte ihn in La Roche-sur-Yon. Dazu ging es wieder etwas ins Landesinnere. Bei Hubert und seiner Frau konnte ich zwei Tage französische Gastfreundschaft genießen. Mit mehrgängigen Menüs wurde ich verwöhnt, Hubert nannte sogar einen kleinen Weinkeller sein Eigen. Nach dem Gastaufenthalt in La Roche-sur-Yon ging es wieder zurück zur Küste. Die nächste Sehenswürdigkeit war die Küstenstadt La Rochelle mit seinem alten Hafen und der historischen Innenstadt. Die Stadt war aber touristisch sehr überlaufen.
Fischerhütte (Les Carrelets)
zu Gast bei Hubert und seiner Frau in La Roche-sur-Yon
La Rochelle
Es ging auf der La Vélodyssée weiter in Richtung Süden. Ich hatte unterwegs etwas über die Gewinnung von Meersalz in dieser Region gelesen und suchte eine Möglichkeit, dies mir anzusehen. Meine Wahl fiel auf das Museum Le Port des Salines auf der Insel Île d'Oléron. Früher war diese Art von Salzgewinnung hier weit verbreitet, heute muss man die Gewinnungsstätten schon suchen. Zur Insel Île d'Oléron existiert eine Brücke, über die ich auch mit dem Rad fahren konnte. Auch konnte ich auf der Insel Eindrücke von der Austernzucht in dortig ansässigen Betrieben sammeln. Bei der Überfahrt über den südlich der Insel gelegenen Mündungstrichter der Seudre konnte man sich an dem Flussufer gut die technischen Anlagen zur Zucht der Auster anschauen.
die Marsch im Hinterland
Museum Le Port des Salines auf der Insel Île d'Oléron
Klärbecken für die Austernzucht
Netzsäcke für die Austernzucht
Austernzucht am Mündungstrichter der Seudre
Mit der Fähre setzte ich dann auf die Halbinsel Medoc über, wo ich im ersten Badeort Soulac-sur-Mer einen Ruhetag einlegte. Die Halbinsel ist geprägt von endlosen Sandstränden und Kiefernwäldern. Aufgrund der Sandstrände gibt es auch jede Menge Urlauber, doch Bettenburgen direkt an der Küste sucht man zum Glück vergebens. Von Lacanau machte ich dann auf einen sehr gut ausgebauten Radweg einen Abstecher nach Bordeaux. Zwischendurch sah man die Auswirkungen der Waldbrände, welche im Vorjahr in dieser Gegend in großem Umfang gewütet hatten. Die meisten verkohlten Baumstämme wurden bereits geborgen und auf der Bodendecke trieb schon wieder flächendeckend frisches Grün. Nachdem ich Bordeaux mit seiner Altstadt besichtigt hatte fuhr ich wieder zurück zur Küste. Die nächste Station war dann das Becken von Arcachon, wo ich in einem wunderschön angelegten Vogelpark bei Le Teich eine Wanderung unternahm. Südlich des Beckens von Arcachon begegnete mir dann die Dune du Pilat, welche man wegen ihrer Höhe schon von Weitem sieht. Ich bestieg die Düne und konnte von oben einen schönen Ausblick genießen. Auch die an der Düne gelegenen Campingplätze wurden durch Waldbrände teilweise zerstört. Der Tag der Dünenbegehung war sehr heiß (der wärmste Tag der gesamten Tour). Glücklicherweise besuchte ich die Düne am Vormittag und am Abend konnte ich mich in einem See am Zeltplatz etwas abkühlen.
Badestrände auf der Halbinsel Medoc
Waldbrandschäden bei Bordeaux
Place de la Bourse mit dem Miroir d'eau in Bordeaux
die mächtige Dune du Pilat
Ist das die Aufforstung der Zukunft?
Die letzte Region auf der Tour war das Baskenland. Das französische Bayonne hat eine sehr schöne Altstadt. Zunehmend trifft man wieder auf Steilküste mit eingebetteten Sandbuchten. Aber auch die Verbauung der Küste mit Hotels nimmt wieder zu. An der französisch-spanischen Grenze verließ ich die Euroveloroute. Von Irun bis San Sebastian nahm ich ausnahmsweise die Hauptstraße (diese hatte aber einen abgetrennten Seitenstreifen). Dies war die kürzeste Verbindung. Ich erreichte das Endziel San Sebastian und machte noch eine obligatorische Stadtbesichtigung. Am Abend fuhr ich dann mit dem Zug zurück nach Irun. In Irun musste ich dann die erste feste Unterkunft auf der gesamten Tour nehmen, da starker Dauerregen einsetzte.
Kathedrale Sainte-Marie in Bayonne
Häuserfront in Bayonne
verbaute Küste südlich von Bayonne
Anlandung von Thunfischfang bei Saint-Jean-de-Luz
San Sebastian
Die Rückfahrt mit dem Zug ab Hendaye dauerte ganze 4 Tage (9 Umstiege). Ich hatte bewusst vorher keine Rückfahrt gebucht. Während meines Aufenthalts in Bordeaux konnte ich nur eine TGV-Verbindung mit Fahrradticket (Paris - Strasbourg) buchen. Ansonsten musste ich auf Regionalzüge ausweichen. Das ordern von ICE-Verbindungen in Deutschland war hingegen kurzfristig möglich.
Fazit: Die Eurovelotour hat bei mir einen positiven Gesamteindruck hinterlassen. Das bessere Kennenlernen von Land und Leuten war auf jeden Fall gegeben. Der Nordseeküstenradweg (E 12) und vor allem die La Vélomaritime (E 4) ließen sich wegen der Witterung und dem hügeligen Verlauf (hier die E 4) schwerer fahren als die La Vélodyssée (E 1). Die Küsten sind oftmals stark verbaut und die Küstenorte sind in der Saison stark überlaufen. Es gibt aber zum Glück auch nicht so stark frequentierte Naturräume. Auf Campingplätzen wurde ich teilweise wegen Überfüllung abgewiesen. Viele Plätze haben auch nur Stellflächen für Wohnmobile. Das machte die Zeltplatzsuche manchmal zu einer Herausforderung. Die drei befahrenen Länder haben generell eine hohe Verkehrsdichte. Obwohl die Eurovelorouten auf Radwegen und wenig befahrenen Straßen angelegt sind, muss man ständig, insbesondere in Ballungsräumen, auf den Verkehr achten. Generell kann man sagen, dass die Niederlande und Belgien wegen des über Knotenpunkte verbundenen flächendeckenden Radwegenetzes ein Paradies für Fahrradfahrer sind. Auch in Frankreich empfand ich, dass das Radwegesystem (einschließlich in Großstädten) gut ausgebaut ist.
Zum Abschluss möchte ich euch noch die Charakteristik eines/einer Radreisenden nicht vorenthalten. Ihr könnt euch davon noch mehr in dem Buch Buch – Modern cyclists – von Jakob Hinrichs (
https://www.favoritenpresse.de/prod...scheinungsformen-einer-innigen-beziehung) anschauen.
Hinweis: Für die Abbildung der zwei Buchseiten wurde ausdrücklich die Genehmigung des Autors eingeholt.
Modern Cyclists: Erscheinungsformen einer innigen BeziehungFremdes Bild in Link gewandelt. Die Einwilligung vom Autor können wir nicht überprüfen. Deshalb bleibt es bei unserer, zugegebenermaßen recht restriktiven Regelung, dass wir keinerlei fremden Bilder zulassen. Fremde Texte und Bilder werden entfernt (Forum)Organisation und TechnikEine vorherige Grobplanung ist unabdingbar. Man sollte sich die Ziele und Sehenswürdigkeiten schon vorher raussuchen und zusammenstellen. Unterwegs fehlt einem die Zeit und man hat schlechtere Möglichkeiten. Bei der Streckenplanung ist eine Reserve einzuplanen. Laut Routenplanung sollten es ca. 3800 km werden. Am Ende standen ca. 4650 km auf dem Tacho, obwohl ich mich im Wesentlichen an die Routenplanung gehalten hatte. Es fallen aber jeden Tag zusätzliche Kilometer an. Man muss doch immer wieder von der Route abweichen (Einkaufen, Sehenswürdigkeiten, Zeltplätze), da kommt am Ende einiges zusammen. Auch hatte ich mich immer mal wieder verfahren, da falsch ausgeschildert war oder einfach ein Schild übersehen wurde. Diesbezüglich ist ein Navigationssystem fast unabdingbar. Ich hatte Locus map (kostenlos) auf mein Handy installiert. Zusätzlich hatte ich neben den Eurovelo-Tracks auch Offline-Karten und die Campingplätze von archies aufgespielt. Dies erwies sich als sehr hilfreich.
Durch die Mitnahme von Zelt und Kocher konnte der Kostenrahmen auch in Grenzen gehalten werden. Da selbst bei der Übernachtungssuche auf Campingplätzen teilweise Engpässe wegen Überfüllung auftraten, wäre die Suche nach festen Unterkünften wahrscheinlich nicht einfacher geworden. Mit der operativen Tagesplanung bin ich am Ende ganz gut zurechtgekommen, aber dies muss letztendlich jeder für sich selber entscheiden. Für die Tour fielen am Ende Gesamtkosten von ca. 3.000 Euro (ca. 330 €/Woche) an.
Ich fuhr mit einem 15 Jahre alten Tourenrad (durchschnittliche Ausstattung, Marke Diamant). Wenn man mit der Technik aus den achtziger Jahren aufgewachsen ist, empfindet man ein heutiges durchschnittlich ausgestattetes Rad schon als luxuriös. Erstmalig sah ich unterwegs auch Reiseradler mit E-Bikes.
Das Jahr vor der Tour hatte ich an den Seitenflanken meines vorderen Mantels zwei sehr kleine Löcher in den Seitenflanken (Schwalbe Mondial). Die Seitenflanken sind bei diesem Modell von der Materialstärke her relativ dünn. Da das Profil noch gut war, hatte ich die Löcher mit Tip Top Flicken (extra für das Reparieren von Mänteln gedacht) repariert. Leider hielt der Mantel nur gute 1000 km. Ich musste mir unterwegs einen Ersatzmantel kaufen und aufziehen. Des Weiteren musste ich einmal noch den Schlauch flicken. Da zum Ende der Tour die Sattelstütze anfing zu quietschen, ließ ich mir in einer kleinen Werkstatt etwas Fett und entsprechendes Werkzeug geben und schmierte die Führung in der Sattelstütze. Ansonsten hatte ich mehrmals das Rad von grobem Schmutz befreit. Insbesondere wurde der Antrieb gereinigt und geschmiert.
Für den Kocher brauchte ich Gaskartuschen mit Schraubgewinde. Diese habe ich in Frankreich fast ausschließlich nur in großen Decathlon-Filialen vorgefunden. Des Weiteren musste ich zweimal vor bellenden Hunden flüchten (jeweils immer an einem abgelegenen Bauerngehöft). Letztendlich weiß man ja nie, wie so ein unbekannter Hund reagiert.
Liebe Grüße von Heiko