Hier der Bericht von meiner Urlaubsreise 2010. Eigentlich handelt es sich um zwei verschiedene Radtouren in einem Zug: erst allein 10 Tage durch Alpen und Schwarzwald, dann mit meinem Vater 14 Tage durch Frankreich bis zum Atlantik.
Die Wurzeln dieser Tour liegen gut sechs Jahre zurück. Als ich damals in langen Winternächten erstmals anfing, Radreiseberichte zu lesen, faszinierten mich die klangvollen Namen wie Albula, Bernina, Stilfser Joch... und ich habe mir damals kaum zugetraut, selbst einmal diese Pässe zu bezwingen. Obwohl diese Zweifel bald schwanden, war ich trotzdem nie in die Engadiner Bergwelt vorgedrungen. Und so erfüllte mir diese Reise einige lang gehegten Ambitionen. Die Tour an der Loire lag auf der Hand, nachdem ich letztes Jahr nach Frankreich umgezogen war.
Die Bilder, in etwas anderer Auswahl, gibt es auch
hier.
VorbereitungAngereist bin ich mit dem DB-Nachtzug von Paris nach München. Einfacher gesagt als getan: Die SNCF verkauft dafür keine Fahrradkarten, behauptet gar, es gäbe keine Stellplätze; Onlinekauf ist unmöglich, und DB France verlangt mit Aufpreis 25 Euro. Nein danke. Glücklicherweise war ich zwei Wochen vor Abreise nochmal in Deutschland und konnte die Karte am Schalter erwerben. Der übliche Mist halt
Eigentlich sollte die Tour in Landeck losgehen. Wegen Problemen mit der Mittenwaldbahn verfiel ich auf die Idee, einen "Prolog" einzulegen und von Bayern nach Tirol mit dem Rad überzusetzen.
Aufbruch am Freitag, 30. Juli um 19 Uhr direkt von der Arbeit. Ganz langsam und entspannt durch den Pariser Stadtverkehr, nur nicht völlig verschwitzt am Zug ankommen. Das gelingt auch, nur ist es im Zug so bullig heiß, dass die Mühe umsonst war.
Sa 31. Juli: Prolog (Tegernsee - Jenbach; sonnig)
Der Nachtzug kommt pünktlich in München an, kurz nach 9 Aufbruch in Tegernsee. Ich schwöre, ich bin noch keine 20 Sekunden auf der Straße, als der erste hupt - die spinnen, die Germanen.
Als Eingewöhnung in die Bergwelt gebe ich mir die Wallbergstraße. Leider gibt der Wald nur ein, zwei Mal die Aussicht auf den Tegernsee frei. Nach dem Parkplatz geht die Steigung noch auf einem sandigen, zähen Waldweg ein Stück weiter, über Waldwege wieder bergab nach Kreuth.
Auf altbekannten Wegen zum Achenpass und nach Achenkirch, dort links nach Steinberg am Rofan. Ein anfangs noch asphaltiertes Sträßlein führt weiter Richtung Pinegg. Bergauf lasse ich einen Traktor vorbei und bereue das bald, denn bergab bremst er mich lange aus. Irgendwann hört der Asphalt auf, trotz Gefälle lässt mich die geschotterte kurvige Strecke nur langsam vorwärtskommen. Dennoch legt es mich einmal, das geht ja gut los
Später treffe ich zwei Wanderinnen auf der Suche nach der Kaiserklamm. Sie sind mächtig enttäuscht zu hören, dass sie rund 150 Hm in die falsche Richtung gestiegen sind.
In Pinegg falle ich diesmal nicht auf den Wegweiser rein, der einen über Brandenberg nach Kramsach schickt. In Brixlegg noch ein Umweg über den Kerschbaumersattel, wo sich eine schöne Aussicht über das untere Zillertal bietet.
Dann aber hurtig bergab und schnell weiter, denn es bleiben nur 35 Minuten, um in Jenbach den nächsten Zug zu erwischen. Das gelingt auch, und so treffe ich gegen halb sieben in Landeck ein. Zum Abendessen ein Wiener Schnitzel - wenn man schon mal wieder im deutschen Sprachraum is(s)t
So 1. August: Engadin (Landeck - La Punt; sonnig)
Heute geht es richtig los - von hier bis zum Atlantik nur noch per Muskelkraft. Die Strecke bis Martina kenne ich von einer vorherigen Tour, hole aber die Besichtigung der alten Zollstation Finstermünz nach (unterhalb der Straße am Inn gelegen, Einstieg in den Wanderweg bei Vinadi).
Auf dem Inn-Radweg begegnen mir mehrere gefährlich dreinblickende Mutanten. Schnell weg, bevor der eine seine Kettensäge entrostet hat.
In Scuol wurde Wanderern und Radfahrern eine Brücke über die Innschlucht gebaut - wohl eigens, um den schönen Blick auf die Kirche einzufangen.
Hinter Scuol schwingt sich der Inn-Radweg zu den Bergdörfern hinauf, was zwei längere Steigungen mit sich bringt. Der Schweiß ist gut investiert, es gibt Dorfidylle und Landschaft satt. Kurz vor Susch bemerke ich einen Platten, ein Steinchen hat sich im Mantel festgesetzt. Es soll die einzige Panne des Urlaubs bleiben.
Um die Zeit für die Reparatur aufzuholen, bleibe ich danach längere Zeit auf der Hauptstraße. In Zuoz ist ein großes Fest, erst später komme ich darauf, dass heute Schweizer Nationalfeiertag ist. Gegen 19 Uhr Ankunft in La Punt, zum Abendessen gibt's ein zünftiges Berner Rösti.
Mo 2. August: Bergell (La Punt - Morbegno; oben regnerisch, unten sonnig)
Am nächsten Vormittag war eigentlich der Aussichtspunkt Muottas Muragl geplant. Aber der Himmel will es anders, es ist trübe und die Berge sind wolkenumhangen.
Ich versuche, in St. Moritz einen neuen Ersatzschlauch zu organisieren. Im ersten Laden geht nichts: "Ach, ein City-Bike haben Sie. Nein, wir haben nur Schläuche für die normalen Mountainbikes." Im zweiten Laden findet die Verkäuferin ein paar "City-Bike"-Schläuche im Keller. Im dritten Laden gibt es sogar Flickzeug. Gut, dass St. Moritz mit so vielen Läden gesegnet ist.
Noch in St. Moritz fängt es an zu stippern und steigert sich, in Sils ist eine Mittagspause angesagt. Bei der Weiterfahrt interpretiere ich wohl einen Wegweiser falsch und fahre eine längere Steigung hinauf. Der Dickkopf in mir will die Steigung nicht umsonst gefahren sein, daher folge ich einem Wanderwegweiser nach Isola. Die Straße wird zu einem Weg, der zu einem Pfad, wallende Nebel. Immerhin findet nicht mal mehr der Regen den Weg in diese Einsamkeit. Plötzlich ist da ein Pferd zwischen den Felsen, wie kommt denn das da hin?
Dann ist die Fahrstrecke endgültig vorbei, auf einem engen, gewundenen, felsigen Pfad geht es steil den Berg hinab. Das kann ja nur ein kurzes Stück sein, sage ich mir und fange an, mein Fahrrad über die Steine und um die Kurven zu wuchten. Ca. 30 schweißtreibende Minuten später sehe ich Isola vor mir, wie eine verheißungsvolle Rückkehr in die Zivilisation. Von den frisch montierten Bremsgummis ist nur noch die Hälfte übrig.
Vorsichtig fahre ich die nassen Kurven der Malojastraße bergab. Und tausend Meter weiter unten herrscht auf einmal schönes Wetter, in Promontogno scheint die Sonne, und am Comer See bei Colico taucht sie das Bild in ein geheimnisvoll scheinendes blau-grünes Licht.
Mit hereinbrechendem Abend fahre ich auf einer netten Radroute zwischen Feldern ein Stück weit ins Veltlin herein, Morbegno ist das Ziel. Dort muss ich tiefer in den Geldbeutel greifen als geplant, eine günstige Unterkunft ist nicht zu finden. Gerade noch rechtzeitig entscheide ich mich für ein Zimmer, den kaum bin ich drin, kommt draußen eine Husche runter.
Di 3. August: Veltlin (Morbegno - Bormio; sonnig)
Vom Regen ist am nächsten Morgen nichts mehr zu sehen, blau präsentiert sich der Himmel und grün das Tal, bis hinauf in die Berghänge. Grün scheint die Farbe des Veltlins zu sein. Am südlichen Talrand gibt es eine ruhige Straße, später eine Radroute. Einem italienischen Radler rutscht mir statt "Buon giorno" ein "Bonjour" heraus - macht nichts, er freut sich, sein Französisch an mir auszuprobieren.
In Sondrio Pause und Verpflegung, dann weiter auf der Strada Panoramica dei Castelli. Keine Ahnung, warum die so heißt, denn Burgen gibt es nicht viele, dafür einige nette Kirchen und Aussicht vom Nordhang auf das Tal. Die Anregung dazu fand ich übrigens
hier im Forum.
Um halb drei bin ich erstmals in Tirano und fahre die ersten Kilometer des Berninapasses hinauf bis Brusio. Kaum dort, kommt wie auf Bestellung die Rhätische Bahn und fährt malerisch durchs Kreisviadukt. Einen vernünftigen Aussichtspunkt findet man aber nicht so ohne Weiteres. Zurück nach Tirano und weiter entlang der Adda, der Weg nach Bormio zieht sich noch.
Ab Sondalo lässt der Verkehr auf der Straße merklich nach, ganz allein kurbele ich eine längere Talstufe hoch, wo sich die Adda in ein gewaltiges Betonkorsett zwängt. An deren Ende erklärt sich der mangelnde Verkehr, denn die Provinzialstraße im Talgrund ist voll gesperrt. Zwei Männer im Jeep zeigen mir einen Radweg am Straßenrand. Fluchend nehme ich eine 18-prozentige Steigung in Angriff und lande auf einer winzigen Straße, deren Serpentinen den Berg hochführen, und deren Zweck und Ziel mir verborgen sind. Zu meiner vollständigen Verunsicherung führt diese kleine Straße in einen riesigen, voll ausgebauten und sehr langen Tunnel. Erst Monate später finde ich nach einiger Recherche die Erklärung für diese Seltsamkeiten: Vor mehr als 20 Jahren wurde jener Talabschnitt durch einen
katastrophalen Bergsturz verwüstet. Die kleine Straße mit dem riesigen Tunnel diente als Übergangslösung, um den Verkehr an der Schuttmasse vorbeizulotsen.
Endlich in Bormio angekommen, finde ich in der Albergo Adda eine Unterkunft für nur 20 Euro (plus 4 fürs Frühstück). Und das in der Hochsaison. Da muss doch ein Haken sein? Nein, das Zimmer ist einfach, aber tiptop in Ordnung. Ich miete mich für zwei Nächte ein, denn morgen ist das Stilfser Joch dran.
Mi 4. August: Stilfserjoch, Kaiserwetter
Schon 6 Uhr morgens hört man eine endlose Blechkarawane durch den Ort rollen. Das kann ja heiter werden. Auch als ich aufbreche, ist auf der Hauptstraße noch der Bär los. Aber am Beginn des Anstiegs zum Stilfser Joch ist es schlagartig ruhig - woher und wohin fahren all die Leute?
Ich habe jedenfalls erstmal Ruhe. Bis auf einen älteren Rennradfahrer, der von hinten herankommt und mich bittet, weiter voran zu fahren. Zwei Kehren weiter stehen Bekannte von ihm an der Straße, da sprintet er schnell an mir vorbei und ruft denen irgendetwas von den ragazzi zu, die er da stehen lässt
Da die Straße nie steil ist, kann ich gemütlich hochkurbeln. Genau zu Mittag erreiche ich die Passhöhe, den höchsten Punkt, an dem ich jemals gewesen bin. Plötzlich ist es wie auf einem Rummelplatz, während es bei der Auffahrt ziemlich ruhig war. Alles sieht genauso aus, wie man es von den Fotos kennt
Über den Umbrailpass geht es bergab. Dies wird für mich zum landschaftlich schönsten Teil der gesamten Reise. So oft halte ich an und mache Fotos, dass die Abfahrt über eine Stunde dauert. Im Tal werden die Wandmalereien in der Klosterkirche St. Johann bewundert.
Kurz vor vier bin ich in Prad, um die Rückreise anzutreten. Um diese Zeit fährt kaum noch jemand hoch, es gibt fast nur Gegenverkehr. Großartiges Ortlerpanorama in Trafoi. Kurz vor der Franzenshöhe lege ich eine Pause ein, es herrscht fast völlige Ruhe. Später sehe ich zum ersten Mal Murmeltiere. Gegen halb acht erreiche ich zum zweiten Mal an diesem Tag die Passhöhe und stelle fest, dass ich seit der Galerie vor Trafoi mit Scheinwerferlicht unterwegs bin
Also, gegen den Laufwiderstand eines SON kann man wirklich nichts sagen.
Kühl ist es hier oben, nichts wie weiter. Bibbernd geht es in die Abfahrt. Zwischendurch erzeugt der Sonnenuntergang geradezu überirdische Lichteffekte. Bei der Ankunft in Bormio bin ich regelrecht high von all den Eindrücken, brauche erstmal eine Stunde, um runterzukommen
Hier unten ist es wieder wohlig warm, beim Abendbummel genehmige ich mir ein Eis.
Do 5. August: Regen (Bormio - Lago di Cancano; unendliche Nässe)
Wie sich ein Tag vom nächsten unterscheiden kann. Schon beim Wachwerden prasselt draußen der Regen, alles ist grau in Grau. Ich trödele beim Frühstück so lange ich kann, umsonst. "Das wird schon noch", denke ich und fahre schließlos los - eine eitle Hoffnung.
Im Regen die gleichmäßigen Serpentinen zu den Seen von Cancano hinauf. Über mir thronen die Torri di Fraële und erwecken im düsteren Ambiente Gedanken an Tolkien - Die zwei Türme. Kein Orc fällt mich an, als ich mich vorbeischleiche, aber das Wetter hier oben könnte von Mordor sein: saukalt, nass und ein eisiger Wind.
Das Rifigio Monte Scala kommt gerade recht, ich ziehe mich um, wärme mich bei Suppe und gutem Essen wieder auf. Das Fernsehen berichtet übers Wetter: in Mailand schwere Überschwemmungen, die gesamte Region steht unter Dauerregen.
Andere Forumsteilnehmer im Alpenraum erleben den Tag so ähnlich.
Genug gesehen, ich quartiere mich für heute im Rifugio ein. Tief unten in der Packtasche vergraben liegt noch Arbeit, die ich nicht mehr vor dem Urlaub geschafft habe, und hier oben in der Bergwelt gibt es nichts mehr, was mich von ihr ablenkt.
Fr 6. August: Pässe (Lago di Cancano - Filisur; durchwachsen)
Am nächsten Morgen ist es grau, aber trocken. Auf den Bergen rundum liegt Schnee wie Puderzucker, wie mit einem Lineal auf einer bestimmten Höhe abgeschnitten. Aufbruch zum Passo Alpisella. Lange Zeit bin ich allein, nur Murmeltiere huschen hier und da entlang, und versprengte Rindviecher suchen sich ihr Gras. Plötzlich zischen von vorn und von hinten mehrere Mountainbiker vorbei und sprengen jede Illusion von Einsamkeit, selbst um 10 Uhr morgens auf 2200 m Höhe.
Endgültig zurück in der Zivilisation ist man in Livigno, viel Verkehr, aber gesittet. Ich hätte Lust, mich in einem Café aufzuwärmen, finde aber kein ansprechendes. Abseits der Straße führt ein netter Radweg durchs Tal. Der Anstieg zur Forcola ist unspektakulär, schnurgerade am Hang, man sieht das Ziel von Anfang an. Zahlreiche Rennradler sind hier unterwegs, teils mit Begleitfahrzeugen.
Landschaftlich besser gefällt mir die Südseite der Forcola. Am Bernina herrscht ein unangenehmer Wind, lange halte ich mich nicht auf. Die Abfahrt kommt mir schwerer als die Auffahrt vor, bei Gegenwind und geringer Neigung. Auch bei der zweiten Begegnung ist Muottas Muragl wolkenverhangen, in Pontresina fängt es gar zu nieseln an. Ich suche mir ein trockenes Plätzchen im Wald, lege eine längere Essenspause ein und mosere vor mich hin, dass das Wetter nicht der positiven Vorhersage folgen will. Das Mosern scheint zu helfen, denn am Fuß des Albulapasses strahlt die Sonne. Nur wenig Verkehr ist unterwegs, trotzdem meint ein Volltrottel, mich um Haaresbreite überholen zu müssen, Kennzeichen GM. Die spinnen, die - ach das hatten wir schon.
Im flachen Teil kurz vor der Passhöhe wird der Himmel vor mir weiß, Wolken quellen über den Pass. Auf einmal ist es nasskalt, Schneereste am Pass, Nebel mit Sichtweite 50 Meter. Die Herberge am Pass hat zu, sonst würde ich hier den Tag beenden. So heißt es frierend und vorsichtig bergab zu fahren, während noch immer Scharen von Rennradlern von Norden den Pass erklimmen.
Ab Preda wird es besser. Die Kunstbauten der Rhätischen Bahn zieren den weiteren Weg bergab. Kurz vor Filisur kehre ich ins Gasthaus Bellaluna ein. Man offeriert mir für viel Geld ein Bett im leeren Viererzimmer. Aber im Unterkunfts-Verzeichnis war nur von halb so viel Fränkli die Rede? Ja, das wäre das Sechsbettzimmer (ebenso leer). Immerhin, das Essen ist prima.
Sa 7. August: Rhein (Filisur - Alt St. Johann; sonnig)
Beim Frühstück bin ich der einzige Gast, und die Bedienung ist sauer, dass sie meinetwegen antanzen muss. Das Wetter ist wieder schön. Dank Fahrplanstudium bin ich zum rechten Zeitpunkt am rechten Aussichtspunkt, als ein Zug über das Landwasserviadukt fährt
Auf einer Nebenstraße über die Brienzer Sonnenterasse, dann weiter Richtung Lenzerheide bei geringer Steigung und gemäßigtem Verkehr. Die Passhöhe verliert sich irgendwo im Ort. Die Abfahrt ist umso spektakulärer, rauschend und kurvig geht es über tausend Meter bergab nach Chur.
In der Altstadt umringen mich drei Mädels. Ob ich von hier sei? Nein, na gut, ich dürfe auch Hochdeutsch sprechen. Vielen Dank. Sie machten einen Film für eine Hochzeit. Ob ich eine bestimmte Gewürztube in die Kamera halten und dazu sagen könne: "Auch ich nehme immer mein Aromat mit in den Urlaub"? Was man nicht alles tut, wenn man so nett gebeten wird. Das Gewürz darf ich behalten, aber ich koche ja nicht.
Das große Alpenabenteuer ist fast zu Ende, flach geht es im Rheintal nach Norden. Bei Maienfeld schaue ich im Heididorf vorbei. Besucher aus aller Herren Länder bestaunen das Heidihaus, Kinder reiten auf der Plastikkuh. In Balzers kreuze ich erstmals seit einer Woche zuvor bekanntes Terrain. Der Radweg auf der Liechtensteiner Rheinseite ist angenehmer, am linken Ufer lärmt die Autobahn.
Nächste Station ist Werdenberg, verwachsen mit Buchs. Am unauffälligen Zugang zum Städtli würde man glatt vorbeifahren, wenn man nicht darum wüsste. Und schade wär's, die dortige Versammlung von bemalten Holzhäusern samt Schloss ist wirklich entzückend. Schon halb sechs, aber den Wildhauspass gebe ich mir noch. Ein ruhiger Wirtschaftsweg schraubt sich den Grabserberg hoch mit schönen Ausblicken auf die Rheinebene. Unterkunft in Alt St. Johann, nettes Zimmer samt Teddybär
So 8. August: Thur (Alt St. Johann - Stühlingen; wechselhaft)
Der Himmel zeigt sich wolkenverhangen, aber der erste Schauer ist so nett zu warten, bis ich abfahrbereit bin. Eine Viertelstunde Zeit, das Tagebuch zu vervollständigen. Ich folge der Route 95 des Velo-Netzes, die das Toggenburg hinabführt, oft auf netten Wirtschaftswegen an Bauernhöfen vorbei. Die Berge links und rechts werden nach und nach kleiner, Alpen ade.
Das Wetter schwankt hin und her; in Lichtensteig wird es zu warm für die Jacke, 20 Minuten später prasselt ein ergiebiger Schauer. Wieder Zeit für's Tagebuch, diesmal gemütlich im Schutz einer Tanne. In Wil Besichtigung der Altstadt. Ein letzter Schauer in Frauenfeld, danach bleibt es sonnig. Durch idyllisches Hügelland bis nach Diessenhofen am Rhein
Nach über einer Woche bin ich wieder auf deutschem Boden, der erste große Abschnitt der Reise ist vorbei. In den zwei Tagen, die mir bis zum Treffpunkt in Basel bleiben, werde ich ein paar Kenntnislücken im Südschwarzwald füllen. Schaffhausen kenne ich noch vom letzten Mal und halte mich nicht auf. Die Veloroute 77 führt sinnigerweise geradewegs durch eine Bahnstation: Nach einem dutzend Alpenpässen muss ich ausgerechnet an der weltberühmten Bahnhofstreppe von Neuhausen eine Tragepassage einlegen.
Weiter geht es durch den Klettgau, Neunkirch hat ein nettes Städtli, auch der Ortskern von Hallau ist hübsch. Bei der Abfahrt zur Wutach ist es so schön, dass ich vor Freude anfange zu singen. Schon acht Uhr ist es, als ich in Stühlingen ankomme, eine harte Steigung führt mich zur Pension Gysi, aber die Mühe lohnt sich. Während ich mit der Wirtin rede, schwebt ein Heißluftballon über dem Ort und scheint nicht mehr aus dem Tal rauszukommen. Gebannt schauen wir zu, aber dann kriegt er doch die Kurve.
Mo 9. August: Schwarzwald (Stühlingen - Wieden; sonnig, etwas kühl)
Mich weckt ein Hahnenschrei, aber ich bleibe liegen, bis mein Handywecker summt. Um dann festzustellen, dass sich das Mistding um eine Stunde verstellt hat!
Nichts wie raus aus den Federn. Erst kurz nach 10 komme ich aus Stühlingen weg.
"Alb" hat die Wirtin die Landschaft zwischen Wutach und Steina genannt, und so ein wenig sieht sie auch danach aus. Wie Schwarzwald fühlt es sich in den Schluchten von Steina und Schlücht an. Dann biege ich auf die Werksstraße im Schwarzatal ein, die für den allgemeinen Kraftverkehr gesperrt ist. Ruhig und einsam ist es, aber auch ohne Abwechslung, die ganze Zeit umschlossen vom dichten Wald.
Ein Abstecher führt mich nach Schluchsee. Pause auf dem Kirchplatz, den ein Wal ziert. Im Schluchsee werden doch nicht...? Die Forststraße über Muchenland führt mich nach Bernau. Ich lege eine Offroad-Passage ein, das Präger Eck bietet ein schönes Panorama mit Feldberg und Belchen. Bei Herrenschwand ein lustiges Verkehrsschild: Gefährliche Kurven, "Forstfahrzeuge frei". Häh?
Kurz vor sechs Ankunft in Schönau. Spontan beschließe ich, einen Schlenker zum Wiedener Eck einzulegen. Dort in der Nähe habe ich vor fünf Jahren auf
meiner Schwarzwald-Tour übernachtet. Das war eine meiner ersten Touren mit dem Rad und die erste richtige Bergtour damals. So schließt sich ein Kreis. Leicht kurbelt es sich nach Wieden hinauf, bestimmt nie mehr als fünf Prozent, und im Haus Alpenblick kriege ich dasselbe Zimmer wie beim letzten Mal. Zum Abendessen gibt es Käsespätzle, mjam
Di 10. August: Wiese (Wieden - Basel; sonnig)
Morgens kurbele ich gemütlich die restlichen paar Meter zum Wiedener Eck. Dort oben sind es genau 1000 km seit Landeck. Nochmal soviel und noch ein wenig mehr sollen es bis zum Atlantik werden, aber so hoch wie hier komme ich nicht wieder hinauf.
Auf der Abfahrt ein lustiger Ortsname: Holzinshaus. Zurück in Schönau probiere ich die Straße nach Schönenberg aus, zu meiner Überraschung ist die kleine Straße übers Sägeneck nach Wildböllen voll asphaltiert. Ein echter Geheimtipp, aber sausteil ist es, das kurze Stück ist anstrengender als alle Alpenpässe zuvor.
Am Haupass oberhalb von Neuenweg lege ich eine zweite Frühstückspause ein, die Krawallradler sind mittlerweile aus den Federn gekrochen und nerven. Dann geht es in die Abfahrt, das Kleine Wiesental hinunter. Ab Steinen ein netter Weg entlang der Wiese, rege frequentiert. Mittagspause in Lörrach, ich habe viel Zeit und lege noch einen Abstecher zum Wasserschloss Inzlingen ein.
Zwei Stunden vor der Zeit treffe ich am Badischen Bahnhof Basel ein, wo mein Vater um halb fünf ankommt. In der Zwischenzeit krame ich nochmal die Arbeit hervor und schreibe einen Bericht, den ich später vom Internet-Rechner des Hotels abschicke. Jetzt steht dem Rest des Urlaubs nichts mehr im Wege. Abends noch ein gemeinsamer Stadtbummel durch die Basler Altstadt.