Hier ein kurzer Bericht über die letzten paar Tage Radfahren zu einer ungünstigen Jahreszeit. Die Vorgeschichte zur der Reise ist hier zu lesen:
Berlin -> Zeitz (über Leipzig) am 18./19.11.10 (Reisepartner)Die Strecke
Berlin - Leipzig aus dem Radwiki habe ich als Planvorlage genommen. Fotos habe ich aufgrund des schlechten Wetters kaum gemacht. Entweder war es zu nass und die Kamera wasserdicht verpackt, oder es war zu kalt um ständig anzuhalten und die Handschuhe auszuzuiehen.
Zum Finden der Strecke hat sich der Tipp von Peter sehr gut bewährt: Autoatlas kopieren und mit Textmarker die Strecke einzeichnen.
1. Tag (18.11.10): Ludwigsfelde - Bad Düben 137 km auf meinem Tacho Das Wetter sieht ziemlich trübe aus, eigentlich ist Dauerregen angesagt, aber im Moment fällt noch nichts vom Himmel. Wetterradar schaut auch noch gut aus. Ich starte ca. 9 Uhr von Ludwigsfelde aus. Der Regionalzug hat mich dort hin gebracht, ich hatte echt keine Lust, mich mit dem vollgepackten Crosser durch die Stadt zu quälen.
Die kleinen Landstraßen fahren sich ziemlich gut. Im großen und ganzen lässt sich die Strecke aus dem Radwiki auch sehr gut finden. Ein kleiner Verfahrer ist dabei, der Abzweig in Blankensee ist schwer zu finden. Aber das ist auch kein großer Umweg. Gelegentlich ist mal ein kurzer Abschnitt leichtes Kopfsteinpflaster dabei. Nur in dem Örtchen Seyda kurz vor der Elbe ist das Kopfsteinfplaster derart heftig, dass ich auf den Bürgersteig ausweiche. Das ist wahrscheinlich noch von vor dem Krieg. Und wirklich abwechslungsreicher und interessanter wird die Strecke erst ab der Landesgrenze zu Sachsen-Anhalt. Zwischen Ludwigsfelde und Jüterbog ist kaum was los, triste Dörfchen und Agrarlandschaft.
In kurzen Abschnitten regnet es immer mal. Aber auch ansonsten ist es so feucht, dass Brille, Lenker, Jacke etc. eigentlich nie trocken werden. Zum Glück sind es ca. 8°C, weit entfernt vom Gefrierpunkt. In Elster (Elbe) halte ich an und esse was. Die Gaststätten sind auf Radler eingerichtet, dort entlang geht der Elbe-Radweg. Viele bieten auch Übernachtungen an. Beim Essen läuft Radio, es wird angesagt, dass der Pegel der Schwarzen Elster stündlich steigt und einige Fähren schon geschlossen wurden. Ich rufe noch mal bei der Fähre in Pretsch an, die fährt. Von Elster nach Pretsch fängt es richtig an zu regnen. Die Schwarze Elster ist ordentlich voll, aber die Brücke hat es noch nciht weggeschwemmt. Der Fährmann über die Elbe ist gut drauf und meint, das mit dem Wetter sei nur draußen so schlimm, drinnen gehe es einigermaßen.
Von Pretsch bis Bad Düben regnet es sich ein.
Die Nebenstraße über Korgau finde ich nicht, habe auch keine Lust zum Suchen, es wird bald dunkel. In Bad Schmiedeberg treffe ich zufällig den Radweg Berlin-Leipzig und beschließe, mal einen Versuch zu starten und dem Weg zu folgen. Wer hat sich den bloß ausgedacht? In einem Dorf führt der Weg auf dem Bürgersteig einmal komplett um den Dorfplatz herum, man muss gefühlte dreißig Bordkanten überwinden nur um am Schluss auf der Straße zu landen, die einfach quer über den Platz gegangen wäre. Einfach sinnlose Zeitverschwendung! Ich vertraue lieber auf meine Landkarte und folge Radweg nicht über verschlammte Waldwege.
Mit Einbruch der Dunkelheit (na ja, richtig hell war es den ganzen Tag nicht) erreiche ich die Pension in Bad Düben. Und nach dem Aufhängen meiner Sachen merke ich, wie nass die eigentlich sind. Unten läuft nämlich nach ein paar Minuten Wasser raus. Offenbar saugt sich das Windtex-Material ziemlich voll.
Entschädigt für die Regenfahrt wurde ich abends in der nahegelegenen Gaststätte mit einem riesigen Teller Wildbraten mit Rotkohl und Klößen samt einem Krostitzer Schwarzbier (keine Schreibfehler, es ist wirklich Krostitzer und kein Köstritzer).
2. Tag (19.11.10): Bad Düben - Zeitz 108 km auf meinem Tacho Hey, es ist trocken draußen! Die Dame in der Pension wünscht mir nach dem Frühstück viel Glück. Ich sehe aber genau, wie sie innerlich den Kopf über so viel Unverstand schüttelt. Egal. Ich lasse mich nicht abhalten. Kurz hinter Bad Düben überquert man die Mulde. Ich spiele kurz mit dem Gedanken, den Mulderadweg zu befahren, nehme aber schnell wieder Abstand davon. Direkt nach der Muldebrücke gibt es drei Radwegweiser in drei Richtungen ohne Angaben, wohin die führen. Nach einigem Grübeln und Draufgucken fällt mir doch tatsächlich auf einem der Schildchen eine völlig ausgebleichter, ca. 5 x 9 cm großer Aufkleber „Radweg Berlin – Leipzig“ auf. Der Entschluss, weiter meinen Nebenstraßen zu folgen, ist schnell gefasst. Ein paar km geht es entlang der B107, aber die ist klein und kaum befahren.
Zwischen Bad Düben und Leipzig ist die ganze Zeit Gegenwind, ich habe das Gefühl, permanent bergauf zu fahren. Irgendwann stelle ich fest, dass ich unbewusst doch wieder dem Radweg folge, der genau auf diesen Nebenstraßen verläuft. Bis kurz vor Leipzig ist auch alles schick. Nette Landschaft und nette Dörfchen wechseln sich ab.
In den Außengefilden von Leipzig muss ich den Radweg offenbar wieder verloren haben. Jedenfalls fahre ich wieder aus Leipzig raus und stehe plötzlich an
dieser Kreuzung . In drei der vier Richtungen steht ein Orteingangsschild von Leipzig (die spinnen ja!), der Radweg geht natürlich in die vierte Richtung. Ich stand kurz vor dem ersten Tobsuchtsanfall. Bis eben alles noch super, und plötzlich mitten in der Pampa und keinerlei Beschilderung mehr. Ich folge meinem Instinkt und fahre nach Süden und stehe plötzlich in einem unübersichtlichen und nicht beschilderten Messegelände. Als ich die B2 erreiche, tut sich auf wundersame Weise eine beschilderte Radstrecke zum Hauptbahnhof auf. Als ich näher nach Leipzig reinkomme, finde ich mich plötzlich auch wieder zurecht. In der Stadt wird erst mal ein Bäcker aufgesucht und ordentlich was verputzt.
Tja, und nun fing das Dilemma an. Wer ist eigentlich auf die blöde Idee gekommen, durch Leipzig zu fahren? Aus der Stadt herauszufinden ist noch schwieriger als hinein. Ich war ja so naiv zu glauben, dass ich einfach nur zur Weißen Elster fahren müsse um den Elsterradweg zu finden. Pustekuchen! Die Elster zu finden ist zwar einfach, von einem befahrbaren, geschweige denn ausgeschilderten Radweg ist weit und breit nichts zu sehen. Ich kurve geschlagene 90 min im Süden von Leipzig herum (die letzten 30 davon laut fluchend) und werde immer wieder auf vierspurige Straßen mit Streckenverboten für Radfahrer geleitet.
Irgendwann finde ich dann bei Knautkleeberg doch noch den Elsterradweg. Lange kann ich mich nicht dran freuen. Nach ca. 5 km folgte eine rot-weiße Sperre mit einem handgeschriebenen Schild „Radweg gesperrt – Umleitung über soundso“. Natürlich ohne Umleitungsschilder. Ich folge also wieder meiner Nebenstraßenroute nach Pegau, ohne Problem und ohne Suchen. Der Wind hat sogar nachgelassen.
In Pegau finde ich den Elsterradweg wieder. Bevor ist versuche, den wieder zu nehmen, fällt mir Konrad Adenauer ein, der mit dem Slogan „Keine Experimente“ Wahl um Wahl gewonnen hat. So langsam glaube ich auch, den Sinn dahinter zu verstehen. Also fahre ich weiter nach Groitsch und von dort die kleine Landstraße nach Zeitz. Die Strecke ist sogar noch mal richtig nett. In Zeit komme ich ein paar Tage bei der Familie unter.
Ich habe 2 Tage lang ziemlich großen Hunger. Das Fahren in der Kälte mit Gepäck braucht offenbar mehr Kalorien, als ich zugeführt hatte.
3. Tag (23.11.10): Zeitz - Halle 75 km auf meinem Tacho Heute ist es wieder trübe und nieselt anfangs noch gelegentlich. Eigentlich gibt’s über die Strecke nicht so viel zu berichten. Von Zeitz bis Bad Dürrenberg läuft alles prima, bis auf eine Regenschauer und ordentlichen Gegenwind, der den Schnitt senkt. In Bad Dürrenberg schaue ich mir kurz das größte Gradierwerk Europas an. Beeindruckend, aber bei der Kälte will ich nicht viel rumstehen.
In einem Bäckerladen (tatsächlich steht da „Bäcker“ und nicht „Back Shop“, die Ossis leben echt hinter dem Mond) futtere ich was, schwatze mit der Bedienung und erkundige mich nach dem Saaleradweg. DieFrau am Tresen meint, dass das gerade das beste Wetter sei, den zu befahren. Bei schönem Wetter sei die Strecke von Sonntagsradlern und verpeilten Spaziergängern derart überfüllt, dass man das Radfahren eigentlich vergessen könne. Offenbar gibt es noch mehr Verückte.
Der Radweg ist auch der am besten beschilderte, den ich bis jetzt gesehen habe. Die Schilder sind relativ groß, nicht in Tarnfarben angestrichen, und es steht auch immer drauf, was der nächste Ort ist. Sehr löblich! Allerdings verliere ich den Radweg in Merseburg sofort wieder. Das macht aber nichts, Merseburg und Halle kenne ich so gut, dass ich da auch ohne Karte zurechtkomme. In Halle bleibe ich auch noch 2 Tage bei der Familie.
4. Tag (25.11.10) Halle - Jüterbog 130 km auf meinem TachoWow, heute ist es mal so richtig trocken, und es sind sogar Löcher in den Wolken. Allerdings sind es nur knapp 0°C, Nacht sind alle Pfützen zugefroren. Ich habe schon Bedenken wegen meiner Fußbekleidung, ob die für diese Temperaturen überhaupt noch geeignet ist. Ja, ist sie, mit Einschränkungen.
Nach den ersten 15 km kommt auch tatsächlich die Sonne raus und scheint bis Wittenberg. Und zusätzlich ist noch leichter Rückenwind. Das ist der beste Tag bisher. Die kleinen Straßen fahren sich wieder sehr angenehm. Bloß meine Trinkflasche ist recht schnell ungenießbar kalt. Aber die Sonne, die auf den zugefrorenen Felden glitzert, entschädigt doch für einiges.
Aber was wäre eine Radreisetag ohne Erlebnisse mit einem Radweg?
Diesmal handelt es sich um den Europradweg R1, den ich in
diesem Waldstück treffe. Tja, und hier stelle ich wieder eine neues Hindernis fest. Es ist ja gut und schön, dass der Radweg mit einem nach links und rechts weisenden Doppelpfeil bezeichnet ist. Bloß.... wenn da nicht dransteht, in welcher Richtung es wohin geht, nützt der Doppelpfeil gar nichts. An sich bin ich ja nicht blöd, aber der Radweg macht in dieser Gegen derart viele Schlängellinien, dass das Abbiegen nach Osten jedoch den Radweg in Richtung Westen nimmt. Das stelle ich erst im nächsten Dorf fest, ich erinnere mich an Asterix und muss lachen:
Asterix: Wir gehen nach Osten, zu den Westgoten.
Obelix: Die Westgoten wohnen im Osten?
Asterix: Nein, die Westgoten wohnen im Westen und die Ostgoten wohnen im Osten. Aber von uns aus gesehen wohnen die Westgoten auch im Osten. Verstehst Du?
Obelix: Nein.
In dem Moment konnte ich es dem armen Obelix sehr gut nachfühlen.
Aber der Umweg war nur marginal. Trotzdem frage ich mich manchmal, ob je einer derjenigen, die solche Radwege planen, mal eine Radreise unternommen hat.
Die Kirchen von Wittenberg sind schon in einiger Entfernung zu sehen, die Elbebrücke auch. Wittenberg ist echt ein schönes Städtchen. Es wird auch höchste Zeit, sich aufzuwärmen. Zumindest die Füße gehen so langsam in den festen Aggregatzustand über, der Rest geht eigentlich. Auch hier wundert sich die Bäckersfrau wieder, wie viel Kuchen so ein einzelner Radfahrer in kurzer Zeit verdrücken kann.
Raus aus Wittenberg ist auch wieder das kleine Problem, dass es nur Wegweiser mit der Aufschrift „alle Richtungen da lang“ gibt, die auf eine mehrspurige für Radfahrer gesperrte Straße führen. Allerdings ist Wittenberg nun deutlich kleiner als Leipzig, die Sucherei hält sich hier in Grenzen. Die Strecke über Zahna nach Jüterbog fährt sich nett. Als ich mal nach dem Weg frage fällt mir auf, dass an der Landesgrenze zwischen Sachsen-Anhalt und Brandenburg der Dialekt ziemlich schlagartig wechselt. Erstaunlich, das hätte ich nicht gedacht!
In Jüterbog gibt’s im Goldenen Anker noch ein Bier, und dann geht’s ab in den Zug nach Berlin. Das stellte sich im Nachhinein als sehr gut Entscheidung heraus. Am nächsten Tag war es nämlich noch kälter und ziemlich glatt auf den Straßen.