Nachdem ich mich jetzt seit einem guten halben Jahr mit GPS-Navigation befasse, möchte ich mal ein paar Erfahrungen schildern. Damit möchte ich auch meinem „Anfänger-Faden“ einen vorläufigen Abschluss geben und so eine Art Bilanz ziehen. Ich hänge mich also an den alten Faden ran, um den Bogen in meine „Vor-GPS-Zeit“ zu spannen.
Ich wende mich insbesondere an die Anfänger, egal ob mit ersten Erfahrungen oder noch vor dem Kauf eines GPS-Navigationsgerätes. Vielleicht dienen meine Hinweise auch zur Klärung mancher Missverständnisse, die hier in letzter Zeit doch öfter mal aufgetaucht sind.
Alle, die nichts mit GPS zu tun haben wollen, es grundsätzlich ablehnen oder schon immer wussten, dass GPS-Navigation nichts bringt, lesen bitte hier nicht weiter und lassen sich bitte in anderen Fäden aus.
Besonderer Höhepunkt meiner GPS-Ära war die soeben beendete erste „GPS-Navigations-gestützte“ Radreise durch Polen, Russland, Litauen, Lettland, Estland und ein bisschen Finnland.
Die Planung der Reise begann noch vor dem Kauf eines Gerätes. Anhand verschiedener Literaturangaben (u.a. Masuren per Rad) bastelte ich mir eine Strecke auf gpsies.de zusammen. Das hatte den Nachteil, dass irgendeine Automatik den Track immer wieder zusammen strich, so dass starke Vergröberungen entstanden.
Nachdem ich den Oregon 400 und den City Navigator Europe 2009 gekauft hatte, übertrug ich den Track auf Mapsource (MS) und bearbeitete ihn erneut. Zur Verfeinerung holte ich mir noch ein paar aufgezeichnete Tracks aus gpsies.de. Im Ergebnis entstand ein Track mit 4437 Punkten für eine Strecke von 1.921 km von unserer Haustür in Berlin bis zum Fährhafen in Tallinn.
Wahrscheinlich reichen ein paar Trackpunkte weniger auch, denn man muss bei einfachen Strecken nicht jeden Straßenschlenker mit dem Track nachempfinden. Aber die Planung macht ja auch Spaß und steigert die Vorfreude auf die Reise.
Für den Transfer zwischen den Fährhäfen in Helsinki (vom Westhafen nach Vuosaari) habe ich eine Strecke in gpsies.de mit dem Kartenmodus „OSM-Fahrrad“ gebaut. Diese führte nach kleiner Stadtrundfahrt vor allem am Wasser entlang, durch schöne Villengegenden und Parks und nur ganz kurz auf Radwegen parallel zu Schnellstraßen.
Hier nun ein paar Anmerkungen, Erfahrungen, Hinweise:
1. Fahren nach Track: Solange wir uns auf der Hauptstrecke befunden haben, habe ich den Track aktiviert. Damit wird (je nach individueller Einstellung) immer die verbleibende Strecke angezeigt. Das hat den „Nachteil“, dass man ständig sieht, wie der Urlaub abnimmt.
Man kann die Anzeige aber auch ausblenden.
2. Maßstab: In Bewegung habe ich im Wesentlichen nur die Zoomtasten bedient. Durch den Berührungsbildschirm ging das ganz einfach. Notwendig war das vor allem bei komplizierten Kreuzungen und Verzweigungen sowie vor Zwischenzielen und innerhalb von Städten. Mit der Zeit entwickelt man ein Gefühl für den veränderlichen Maßstab und stellt sich darauf ein. Gegenüber Karten hat man den Vorteil, dass man bei komplizierten Situationen soweit reinzoomen kann, dass keine Zweifel mehr bleiben. Ansonsten habe ich während der Fahrt hin und wieder mal eine Einstellung verändert. Mit der Zeit geht das fast blind, da sich die wichtigsten Bedienungen immer wiederholen.
3. Routing mit gespeicherten Wegpunkten (WP): Da Hotels meist nicht unmittelbar an der Strecke liegen, beginnt am Etappenziel die Suche. Für diesen Fall habe ich vor der Reise einzelne Unterkünfte als WP gespeichert. Im Etappenort angekommen, wird der WP eingegeben und mit automatischem Routing navigiert. Das klappt bestens, hilft über Verständigungsprobleme hinweg und erspart Einheimischen die Offenlegung eigener Ortsunkenntnis.
4. Routing mit neuen WP: Für kurzfristig organisierte Übernachtungen (also vorher nicht gespeichert) habe ich die Adresse auf der Karte im Display gesucht, durch Antippen einen WP gesetzt und ebenfalls automatisch geroutet. Manche Hotels waren auch als WP auf der digitalen Karte enthalten, so dass die Orientierung erleichtert wurde.
5. Unterwegs Route erstellen: In mehreren Fällen sind wir wegen der Unterkunftssuche vom geplanten Track abgewichen, d.h. Orte fern der Strecke aufgesucht. Um am nächsten Tag nicht auf dem selben Weg zur Planstrecke zurück zu müssen und wieder in vernünftiger Entfernung einsetzen zu können, habe ich eine neue Route geplant. Damit die Route nicht auf kurzem Wege über stark befahrene Nationalstraßen geht, habe ich mehrere Zwischen-WP gesetzt. Das geht eigentlich ganz einfach, wenn man's weiß: Hauptmenü: Routenplaner – Route erstellen – Ersten Punkt wählen - „Use Map“ - jetzt auf dem Display den WP setzen – Verwenden – Nächst. Pkt. wählen ... usw. Anschließend: im Hauptmenü: Zieleingabe – Routen – angezeigte Route auswählen – Los
Liest sich kompliziert, bin aber intuitiv drauf gekommen, und zwar abends im Restaurant bei der Planung des Folgetages, gewissermaßen zwischen Barszcz und staropolska Golonka. So eine Sonderroute hatte ca. 8 bis 10 WP. („Use map“ kommt tatsächlich im deutschen Menü vor).
6. „Blind“ fahren: Für das Kaliningrader Gebiet hatte ich keine digitale Karte, denn der CN spart diesen Teil Europas aus. Für die grobe Orientierung hatte ich noch eine 300.000er Karte von BalticCycle. Die hat zwar einige Fehler, insbesondere bei den alten deutschen Ortsbezeichnungen, reichte aber zur Orientierung in der Landschaft aus. Für Kaliningrad selbst hatte ich keinen Stadtplan. In gpsies.de wurde deshalb der Weg durch das Gebiet geplant und per MS in den restlichen Track eingebaut. Der Track ging also auch durch die Stadt zum vorgebuchten Hotel und weiter Richtung Kuhrische Nehrung. Mit diesem Track klappte das Navigieren (zu meiner Überraschung) auch ohne Karte. Je nach Häufigkeit der Richtungsänderungen muss gezoomt werden. Jetzt kommt einem auch das vorher erworbene „Maßstabsgefühl“ zugute. Fazit: Mit „himmlischer Unterstützung“ kann man auch „blind“ fahren!
7. Luftlinien-Navigation: Für die baltischen Länder hatte ich den Track nach der Wegbeschreibung von „Baltikum per Rad“ geplant. Die Beschreibung war mitunter sehr schwammig. Einzelne Wege waren in MS nicht auffindbar und bei gpsies.de nicht zu identifzieren. Habe deshalb die Strecke z.T. quer durch unbekanntes Gebiet gelegt, gewissermaßen 2 sichere Punkte durch Luftlinie verbunden. Vor Ort ergaben sich mitunter diverse Varianten. Da die ungefähre Richtung aber klar war, konnten wir die wahrscheinlich beste Strecke recht gut finden.
8. Kartenausrichtung: Das Menü Einstellungen – Karte bietet die Möglichkeiten, die Karte in Nordrichtung oder in Fahrtrichtung darzustellen. Ich gehöre zwar nicht zu den Leuten, die die Karte „auf den Kopf stellen“, wenn sie nach Süden fahren, beim Navigieren mit dem Rad nutze ich aber die Möglichkeit „in Fahrtrichtung“. Damit sieht man immer eine größere Strecke auf dem Display. Außerdem kann man bei komplizierten Verzweigungen besser abschätzen, wo es lang geht. Die Nordausrichtung nutze ich vor allem bei der Planung oder beim Stadtrundgang, da sich die Karte im Display bei ausbleibender Ortsveränderung ständig bewegt.
9. Auf Abwegen: Manchmal ist auch „Luftlinienrouting“ ganz sinnvoll. Beispiel: Man läuft ziellos und ohne auf den Weg zu achten durch eine unbekannte Stadt und möchte anschließend zum Hotel zurück. Mit der Luftlinie weiß man immer, ob man sich in Zielrichtung bewegt oder sich weiter entfernt. Zur Not kann man auch den aufgezeichneten Track zurück laufen (Hänsel-und-Gretel-Modus) oder sich den Weg im Fußgänger-Routing anzeigen lassen.
Nebenbei: eine digitale Karte wie der City Navigator ersetzt eine Vielzahl von Stadtplänen. Das Ganze funktioniert wahrscheinlich auch im Wald, also z.B. nach dem Pilzesuchen: Wo steht bloß mein Auto?
10. Berührungsbildschirm: Hier ist schon sehr viel zur eingeschränkten Lesbarkeit schwadroniert worden. Nach ein paar Tausend Kilometern Navigation mit dem Oregon stelle ich fest: Es gab nur sehr wenige Situationen, in denen ich mal die Darstellung auf dem Display nicht korrekt erkannt habe. In einem solchen Fall hilft meist reinzoomen. Ich habe keine Orientierungsschwierigkeiten gehabt, die auf eine schlechte Lesbarkeit zurückzuführen wären. Manchmal habe ich das Display mit kleinem Schwenk sogar meiner nebenher fahrenden Frau zeigen können, wenn sich bspw. eine interessante landschaftliche Situation ankündigte.
Die Bedienung mit Fingerberührung klappt auch fast immer, selbst während der Fahrt. Wenn man mal irrtümlich die Nachbarschaltfläche getroffen hat, korrigiert man mit einer weiteren Berührung. Die größeren Probleme bereitete mir das persönliche Erfordernis einer Lesebrille. Das trifft allerdings auch auf die Navigation mit Papierkarten auf der Lenkertasche zu.
11. Sonstige Daten: Für diejenigen, die sich für geografische und astronomische Daten interessieren, hält der Oregon z.B. die Sonnen- und Mondzeiten bereit. Da wir gerade zu Mittsommer unterwegs waren, gab es ein paar interessante Feststellungen.
12. Auswertung: Nicht zu vergessen ist die Trackaufzeichnung. Für mich gehörte zu Reisen aller Art auch immer eine gewisse Dokumentation bzw. Auswertung. Mit der Aufzeichnung der Strecke ist davon schon ein wichtiger Teil erledigt. Selbst, wenn man für bestimmte Strecken keine Navigationshilfen benötigt (den Donauradweg oder vielleicht auch den Pacific Coast Highway kann man sicher auch ohne Karte fahren), erledigt das Navigationsgerät zumindest die Dokumentation.
13. Stromversorgung: Meinen Oregon betreibe ich mit 2 Akkus zu je 2.700 mAh. Wenn man konsequent das Gerät bei Nichtgebrauch (Mittagspause, usw.) ausschalten würde, kommt man mit einem Satz pro Tag zurecht. Ganz sicher kommt man mit 2 Sätzen, also 4 Akkus klar, wenn man jeweils über Nacht aufladen kann.
14. Speicherkarte: Die Anordnung der Speicherkarte erfolgt unter den Akkus, d.h. bei einem Wechsel wird es etwas fummelig. Hier wäre eine elegantere Lösung wünschenswert. Sicher hat man der Spritzdichtigkeit den Vorzug gegeben, was natürlich sehr sinnvoll ist.
Für mich ist die Möglichkeit, mit dem Windows-Explorer auf die Karte zugreifen zu können, sehr wichtig. Das hängt damit zusammen, dass bei manchen PC der USB-Anschluss gesperrt ist, ein Kartenlesegerät aber freigeschaltet ist.
Mein Fazit:GPS-Navigation ist eine perfekte Ergänzung für Radreisen! Wer ein bisschen Aufwand in die Planung steckt, kann unterwegs sehr entspannt fahren. Wichtigste Funktion: Man weiß immer, wo man ist. Das klingt banal, macht aber den Hauptunterschied zur Papierkarten-Navigation aus. Selbst bei Differenzen zwischen Plan und Realität weiß man immer die ungefähre Richtung. So hat man mehr Zeit für das, was für mich Radreisen ausmacht: Entspanntes Gleiten durch die Landschaft, Aufmerksamkeit für alles am Wegesrand.
Selbst, wenn man nicht die gesamte Reise voraus plant, sondern spontan bleiben möchte, kann man GPS-Navigation nutzen. Mit der Routenplanung am Gerät kann man zumindest den nächsten Tag planen. Außerdem kann man es zur Hotelsuche und zur Feststellung des eigenen Standorts nutzen.
Die Bedienung der Grundelemente ist einfach und intuitiv erlernbar, auch wenn sich manches kompliziert lesen mag. Die Zusammenarbeit zwischen GPS-Gerät und Computer ist je nach Vorwissen und PC-Begabung des Nutzers etwas schwieriger. Ich hatte ein paar Probleme bei der Karteninstallation. Aber dazu gibt’s ja tolle Hilfe in diesem Forum.
Die Erwartungen, die ich an die GPS-Navigation hatte (siehe 1. Beitrag), haben sich vollständig erfüllt. Im Gebrauch kamen weitere Anwendungsmöglichkeiten hinzu. So'n Gerät passt ganz gut in die Hosen-, Jacken- oder Handtasche. Man kann es also auch beim Stadtspaziergang nutzen. Selbst auf der Fähre und in der Bahn liefert es Informationen. Bin mal auf den ersten Flug mit Navi gespannt.
Die auch in diesem Forum immer mal wieder angedeutete Meinung, dass GPS-Navigation für diejenigen gedacht ist, die sich nicht mit Karten zurechtfinden, ist Unfug. Ich behaupte, dass Leute, die sich nicht mit Karten orientieren können, das auch nicht mit einem GPS-Navigationsgerät können. Dazu gehört ein gewisser Orientierungssinn und Gefühl für den Kartenmaßstab.
Mein dringender Rat an Leute, die sich mit GPS-Navigation befassen und ein Gerät kaufen wollen: Überlegt Euch genau, was Ihr von dem Gerät erwartet und wie Ihr es nutzen wollt. Dann vergleicht die Angebote. Das erspart eine Menge Enttäuschungen!
Für alle, die es gerne lesen wollen: Ja, Radreisen geht auch ohne GPS-Navigation! Auch ohne GPS sind Schiffe gefahren und Flugzeuge geflogen. Ebenso geht’s beim Radfahren ohne.
Wem es aber Spaß macht, für den ist es eine tolle Bereicherung! Wer ins Thema einsteigen möchte, der findet hier im Forum großartige Unterstützung. Wer Fragen hat, melde sich bitte.
Zum Schluss nochmals herzlichen Dank an Wolfgang, dem "Oregano"-Spezialisten, an Horst, der meinen Computer vor dem registry-Tod gerettet hat und viele Fragen beantwortete und Markus für seine grenzenlose Geduld!
Gruß Dietmar