Am Verdursten!
Nach der Schlamschlacht – wegen zu tief sitzender Schutzbleche – in Georgien, die mich Zeit, Kraft und vor allem Nerven kostete, setze ich meine Reise fort und überquere die Grenze nach Armenien.
Da es auch hier fröhlich weiter nieselt … Regen kennt ja keine Grenzen … halte ich Ausschau nach einem überdachten Zeltplatz.
Ich passiere ein paar Häuser, eine Tankstelle. Hier kaufe ich Trinkwasser und fülle meine 2 x 1.5 Liter Flaschen auf. Weiter geht’s … noch ein paar Häuser … und dann eine verlassene Bruchbude mit einer kleinen Terrasse hinten raus zum Fluss: Trocken, überdacht und einigermassen sauber für hiesige Verhältnisse. Ausserdem sichtgeschützt von der Strasse. Froh schlage ich mein Zelt auf und krieche in den Schlafsack. Vorher nutze ich noch die ersten 1.5 Liter zum Waschen, Zähneputzen und Durst stillen.
Gegen Mitternacht wache ich schweissgebadet auf, glühe im Fieber und fühle mich todkrank. Der Mund staubtrocken. Ich hole meine 2. Wasserflasche, trinke und schlafe sofort wieder ein. Stündlich wache ich mit trockenem Mund auf, trinke und schlafe ein. Am liebsten hätte ich jedes Mal die ganze Flasche geleert … ich hatte wahnsinnigen Durst … aber ich zwang mich immer nur einen Schluck zu nehmen. 1.5 Liter sind für eine halbe Nacht verdammt wenig! Und ich war mitten im nirgendwo!
Ich musste ja noch am nächsten Tag irgendwo hin fahren um Wasser zu holen. Gemäss Karte war weiter vorne erstmal lange Zeit nix. Also zurück. Im schlimmsten Fall zurück zur Tankstelle, gut 20 km! Und dafür brauchte ich auch noch Wasser!
Um 4 Uhr morgens war 1 Liter weg und noch 0.5 Liter Wasser übrig. Der Durst wurde immer schlimmer. Das Fieber auch. Mir war schwindelig, und ich überlegte ernsthaft meinen Urin zu trinken, so durstig war ich. Auch an das Flusswasser dachte ich kurz, und daran, dass in Armenien der Fluss direkt als Toilette benutzt wird.
Ich quälte mich also auf, baute das Zelt ab und packte zusammen. Alle paar Minuten musste ich innehalten weil mir schwindelig wurde und sich alles drehte. Na das Fahrradfahren kann ja heiter werden :-) Gedanklich machte ich mich schon auf Stürze gefasst.
Obwohl es kalt und windig war, fuhr ich in Unterhosen und Shirt. Hatte einfach nicht die Kraft zum Anziehen und hoffte, die Kälte würde das Fieber senken.
Ich fuhr also los. Die kalte Luft tat gut, machte mich ein wenig klarer im Kopf, und ich kam erstaunlicherweise zügig voran. Die letzten Schluck Wasser gingen drauf. Nach einigen KM ein paar Häuser und in einigen Zimmern brannte Licht.
Wasser! Gerettet. Morgens um 5 Uhr stelle ich mein Rad zwischen den Häusern ab und fiel fast hin. Man war mir schwindelig und zittrig in den Beinen. Ich torkelte wie besoffen um die Häuser und rief halblaut: Hallo! Hallo! Water please! Water!
Keine Reaktion. Nach einigen Minuten ging ich irgendwo in eine offen Haustür, dort in den 1. Stock und klopfte an den 3 Wohnungstüren. Dann gaben meine Beine auf und ich sackte kraftlos zusammen.
Am Boden liegend hörte ich Geräusche in der 2. Wohnung. Die Tür öffnete sich, und ein Mann erschien. Ich hielt ihm meine leere Flasche Wasser hin: Water please.
Die ersten 1.5 Liter trank ich auf dem Boden auf ex. Die zweiten nahm ich mit. Ich entschuldigte mich für die nächtliche Störung und torkelte zum Rad zurück.
Dann schob ich mein Rad zu dem kleinen Laden, am Anfang der Häuser und wollte warten bis dieser aufmacht, damit ich mehr Trinkwasser kaufen kann.
Ich legte mich neben den Laden in den Dreck und schlief völlig fertig sofort ein. Halbstündlich wachte ich auf vor Kälte und Durst.
Irgendwann hörte ich Stimmen. Um mich herum standen ein paar Armenier und lachten und boten mir Zigaretten an.
Na Super! Ich bin todkrank, mir ist speiübel und statt mir zu helfen, bieten sie mir Zigaretten an. Warum nicht auch noch gleich Wodka?
Ich versuchte nach einem Arzt zu fragen. Malte ein rotes Kreuz in den Sand. Suchte auf dem Handy das Wort „Arzt“ auf Armenisch! Googles Antwort: Doctor! Auf Englisch. Super! Hat natürlich keiner Verstanden. Sie lachten, winkten mir zu und gingen weg.
Ich schlief wieder ein. Beim nächsten Aufwachen öffnete gerade der Laden und ich kaufte 8 x 1.5 Liter Flaschen Wasser und fuhr vollbeladen zurück zu meiner Terrasse, baute mein Zelt auf und versank im Tiefschlaf.
2,5 Tage wütete das Fieber in mir. 2.5 Tage nix gegessen. Nur getrunken, getrunken, getrunken. 2.5 Tage im Dauer-Dämmer-Schlaf mit Kopfschmerzen und Schwindel.
Dann war der Spuk vorbei. So plötzlich wie er gekommen war. Noch einen Tag Erholung drangehängt und dann hatte ich wieder Lust zu radeln.
Sachen gibt´s … Unglaublich das Fieber einen soo in die Knie zwingen kann!
Mein Tipp für mich (und viell. euch): Bei nächster Gelegenheit mit Internet: wichtige Worte in Landessprache aufschreiben oder Fotografieren!
z.B. Arzt, Apotheke, Krankenhaus, Krankenwagen, Bank, Geldautomat, etc.