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#1088095 - 12.12.14 19:52 Die Legende von Pirineosaurus
veloträumer
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Themenersteller
abwesend abwesend
Beiträge: 17.178
Dauer:1 Monat, 6 Tage
Zeitraum:15.6.2014 bis 20.7.2014
Entfernung:2809 Kilometer
Bereiste Länder:frFrankreich
esSpanien

Die Legende von Pirineosaurus
(La Leyenda de Pirineosaurus)

Seine saurische Reise in den
(PRE)PIRINEOS zwischen COSTA BRAVA und CÔTE BASQUE


Cañonitis, Congosteria, Barrancade, Gorgesmania, Cirquessima, Picerie, Cuevania, Cinglesitis and some other a-STONE-ishing things about the Pyrenees

Eine prähistorische Legende mit Reisegeschichten und Bilderträumen von und mit Pirineosaurus Rex, begleitet und unterstützt von seinen Freunden und Ideengebern: Die Möwe von Cerbère, Trasgu und Casco Nuevo.
Nichtamtliche Übersetzung: veloträumer



Alle Fremdautoren-gekennzeichneten Zitate stammen aus eingangs aufgeführten Quellen, soweit nicht weitere Quellen angegeben sind.


Inhaltsverzeichnis

Einführung & Buchtipps (gleich hiernach)

Prolog: 2229 km durch Frankreich an 1 Tag

1. France I/Catalunya I: Costa Brava mit Hinterland

2. Catalunya II: Girona, Garrotxa, Collsacabra/Vall de Sau, Salztal

3. Catalunya III: Noguera-Täler, Sierra de Montsec, NP Aigüestortes

4. Aragón I: Sierra de Ballabriga, Sierra de Guara, Sierra de Loarre

Navarra I/Aragón II: Cinco Villas, Bárdenas Reales, Täler Rio Aragón, Canfranc

6. France II: Béarn, Hautes Pyrénées, PN Pyrénées

7. Navarra IIa/France IIIa: Große Iraty-Runde

8. Navarra IIb/France IIIb: Labourde, Corniche

Nachtrag mit Gedicht


36 saurische Reisetage = 35 Velotage + 1 Döseltag im Urgesteingarten
+ 1 Anreisetag Bahn + Anradeln (Perpignan – Collioure, 33 km/165 Hm)
+ 1 Heimreisetag Bahn + Radtour (Gare d’Austerlitz – Gare de l’Est/Strasbourg – Rastatt, 74 km/160 Hm)

Bilder: ca. 3850 (brutto), ca. 3450 (netto), ca. 1530 (hier)

Total (Velotage): 35 d | 2809 km | 48945 Hm | ca. 84 Pässe
Durchschnitte: 80 km/d | 1398 Hm/d | 6:35 h/d | 12,2 km/h
Hm-Index (Schwierigkeit): 1,74 (1742 Hm/100 km)

Fortbewegungsmittel: vermutlich ein Fahrrad mit Muskelantrieb; Saurierfüße

Pannen & Unfälle: Gab es, aber ausdrücklich der Bescheidenheit verpflichtet

Klimaregion: Typisches Ursuppenwetter aus der Zeit des Sauriersterbens

Teilnehmer der Tour: Pirineosaurus, Casco Nuevo (als blinder Passagier)

Sponsoren & Gönner: KEINE – Bewerbungen sind jederzeit über das Saurier-Büro möglich
Merchandising-Produkte zu Pirineosaurus: Produktion vor 180 Mio. Jahren eingestellt


Wie und Wo finde ich die Bilder?

Die komplette Reiseerzählung umfasst 11 getrennte Forums-Beiträge, die ich in geplant dichter Folge einstellen werde. Auf diesen Eingangsbeitrag mit der o. a. Übersicht und einer Einführung folgt ein Prolog, darauf 8 Regionalkapitel, die jeweils ein enger umgrenztes Reisegebiet umfassen, mit einer Bildergalerie verlinkt sind und aus den somnambulen Überlieferungen der Schriften des Pirineosaurus stammen. Den Abschluss bildet ein kleiner, aber zum Gesamtverständnis wichtiger Nachtrag. Nach den jeweiligen Leseblöcken (integrierte Fotos sind dort die Ausnahme) der 8 Regional-Kapitel findet ihr jeweils ein Einladungsbild mit bereits mehreren integrierten Motiven. Über das Einladungsbild öffnet sich jeweils eine Bildergalerie zum zugehörigen Kapitel. Die Bilder sind dort auf 1400 Pixel auf der längsten Achse skaliert. Pro Galerie gibt es je nach Region ca. 120-235 Bilder. Diesmal habe ich die Bilder wieder auf Google+ hinterlegt. Einführung, Prolog und Nachtrag haben keine externe Bildergalerie. Einige Bilder sind untertitelt, sodass die geografische Abfolge der Motive zugeordnet werden kann.



„Früher, als die Tiere noch sprechen konnten, gab es hier einen sehr alten Mann, der schon seit Jahrhunderten in diesen Bergen lebte. Gott hatte beschlossen, ihn länger leben zu lassen als andere, weil er frei von Sünde war und niemals eine Frau berührt hatte. Statt Jacke und Hose zu tragen, wie in dieser Gegend üblich, kleidete er sich nur in sein Haar, das so lang war, dass es ihn hinten wie ein Umhang bedeckte, und seinen weißen Bart, der ihm vorn bis über die Knie hing…“ (so leitete der Schäfer Gaietà einmal eine Geschichte ein, in: „Solitud“ von Víctor Català)



EINFÜHRUNG

Neben ein paar spezifischen Musik-Links im Text gibt es für jede Bildergalerie je eine Musikempfehlung (via Youtube-Link), die nicht nur zur Stimmung der Region passt, sondern auch die kulturelle Identität von Pirineosaurus abbildet. Die entsprechenden kursiv gedruckten Erläuterungen stammen zwar von mir (veloträumer), aber es ist verbrieft, dass Pirineosaurus auch zu solchen Klängen in seiner Höhle gelauscht hat, u. a. beim Verfassen seiner Schriften. Die Bilder sind fotografische Darstellungen, die ich aus meinen Traumsequenzen rekonstruiert habe. Einige Abbildungen sind den Höhlenmalereien aus Pirineosaurus’ Wohnhöhle nachempfunden, ohne dass sie die originale Qualität wiedergeben können. Paläontologen sind überrascht, dass Pirineosaurus bereits die moderneren Kunststile aus dem 19. und 20. Jahrhundert vorzeichnete. Kunstexperten stehen nun vor der Frage, ob die großen Impressionisten, Fauvisten, Surrealisten, Kubisten und andere mehr alles nur Plagiatmaler waren, die sich heimlich saurischer Urkunst bedienten. Aber wo kein Kläger auch kein Richter. In der Frühgeschichte fehlte es an einem gesunden Bewusstsein für das Urheberrecht, womit sich Parallelen zur digitalen Moderne im Hier und Jetzt ergeben.

Auch die andere künstlerische Seite der saurischen Ära, die Musik, ist bisher weitgehend unerforscht geblieben. Einige Facetten können hier beleuchtet werden, sind aber teils speziell Pirineosaurus geschuldet, der weit über seine eigentlich bestimmte Zeit hinaus gelebt hat oder möglicherweise auch noch lebt. Es ist nachvollziehbar, dass in saurischen Zeiten archaische Hausmusik gespielt wurde. Einen kleinen Eindruck, wie das etwa ausgesehen und sich angehört haben könnte, ist folgendem Link zu entnehmen: Boubacar Traoré & Ali Farka Touré „Duna Ma Yelema“ (5:13 min.).

Neben diesen kunsthistorisch bedeutenden Erkenntnissen konnten die Paläontologen aus diesen Schriften ein noch nie zu Tage getretenes Wissen über die Fortbewegungsarten von Sauriern gewinnen. Zu diesen sensationellen Forschungsergebnissen zählen muskelbetriebene Beinkreisbewegungen, die dem Wesen des Radfahrens weitgehend entsprechen. Die Radspuren von Pirineosaurus hat offenbar auch schon Víctor Català aufgespürt, wie sie versteckt erwähnt, als ihre Romanfiguren Mila und Matias einen Pyrenäenpfad besteigen: [/i]„… und sie bogen in den Pfad ein. Dieser war schmal und glatt, wie wenn ein gewaltiges Rad jahrhundertelang seine Spur ins Gestein gemahlen hätte.“[/i] Mehr noch gibt es eindeutige Hinweise auf eine entwickelte Fahrradkultur in den Sauriergesellschaften, weil entsprechende Gerätschaften beschrieben sind. Damit muss man den Beginn der Werkzeugherstellung deutlich vor die Zeit der Frühmenschen verlegen. Kopfzerbrechen bereitet den Wissenschaftlern allerdings, ob sich das Radfahren ausschließlich auf die Gattung beschränkte, der Pirineosaurus angehörte oder ob es gar ein gesamtsaurisches Fahrradwesen gab. Eine weitere Frage konnten die Wissenschaftler bisher ebenfalls nicht klären, nämlich ob Pirineosaurus das Wissen ums Fahrradfahren in der romantischen Epoche an die ersten uns bekannten Radkonstrukteure weitergegeben hat, ob die Ingenieure damals heimlich Pirineosaurus ausspioniert haben oder ob das Fahrradfahren im 19. Jahrhundert noch einmal neu erfunden wurde. Lauter Rätsel.

Sicherlich lässt sich der Text ohne die Bilder verstehen, die Reise mit den Bildern ohne den Text verfolgen und die Musik ignorieren. Wer jedoch ein wirkliches Bild des Wesens von Pirineosaurus erhalten möchte, kommt nicht dran vorbei, sich Zeit für alles zu nehmen, was hier präsentiert wird. Pirineosaurus fühlt sich frühgeschichtlichen Textlängen verpflichtet und hat noch nie etwas von SMS, Twitter oder Facebook gehört. Pirineosaurus kommt eben aus einer damals noch zeitlosen Zeit. Dennoch haben wir es hier mehr oder weniger mit einem multimedialen Buch zu tun, dass ohne Digitalwelten nicht denkbar wäre. Bevor wir der verworrenen Gedanken- und Bilderwelt von Pirineosaurus folgen können, fühle ich mich verpflichtet, einige wenige übergreifende Infos voranzustellen, weil Pirineosaurus dafür nicht ausreichend Interesse bekundete. Ich muss diese Fakten und Erläuterungen daher auch so darstellen, als wäre ich diese Tour selbst gefahren, was natürlich nicht der Fall war.

Ein Stück unterhalb des Vogelfirstes war die rechte Wand wie von Beilhieben zersplittert, und zwei gezackte Krallen, die alle übrigen bedrohlich überragten, standen daraus hervor wie Klauen eines Dinosauriers.“
(Beobachtung um 1900, Víctor Català)

Warum das fünfte Mal eine Radreise in den Pyrenäen?

Wer eine Region außerhalb der eigenen Heimat richtig kennenlernen will, wird nie oft genug dort hinkommen können. Das gilt zunächst einmal für überall. Die Pyrenäen sind überdies widerspenstig, kaum zu zähmen und doch eben entsprechend dieser ihrer unnachgiebig, freiheitsliebenden Gesinnung – die Menschen der Natur gleich – von magisch anziehender Faszination. Die Pyrenäen zeigen nie alle ihre Gesichter, immer wieder verbergen sie dem Reisenden etwas, sodass man wiederkommen muss. Bewährtes Mittel dieser geheimnisvollen Mystik sind mitunter die Wolkengebilde aus der Biskaya, die gerne mal leibhaftig alles vernebeln, was 100 m über Meereshöhe herausragt. So haben die vergangenen wie auch diese Reise immer wieder Lücken gelassen. Und ja, man entdeckt natürlich neue Möglichkeiten und Wege, anderes möchte man nochmal erleben. Wie wir bei dem Namen ahnen können, hat Pirineosaurus aber ein ausgedehntes Leben, aus dem weitere Reiseschriften später noch entdeckt werden könnten. schmunzel unschuldig

Die Vorgeschichte für einen so kleinen Fleck auf der Landkarte ist also üppig. Während im Jahre 2000 (kein Bericht dazu bis dato im Forum) die Vorpyrenäen im Corbières, das ferne Angesicht des Canigou, das untere Tech-Tal und die Côte Vermeille nur einen Teil-, um nicht zu sagen Randaspekt der Radreise bildeten, waren es 2004 (Tour de France: Pyrenäen - Auvergne - Jura) und 2008 (Vuelta Verde) bereits Ost-West- bzw. West-Ost-Querungen des kompletten Pyrenäengebirgszuges samt etlicher Grenzpasswechsel zwischen Frankreich und Spanien. Beide Querungen waren aber immer noch nur Teilaspekte einer weitergehenden Gesamtreise. Mit Pyrénées Cathares-Catalán im Jahre 2011 kam es zu meiner ersten Spezialtour, die nur durch die Pyrenäen führte und die mich endgültig zum velopides pirineosaurus – von den Bergbewohnern dort auch mit Pirineosaurus Rex betitelt – werden ließ. So jedenfalls die Überlieferung, genau weiß das keiner. Zwangsläufig wird Pirineosaurus (so die bescheidenere Kurzform des Adelstitels) auch bildlich mit den Landschaften zu einer Einheit verschmelzen – ja wird zur hedonistischen Skulptur des a-STONE-ishing-Gepräges der Pyrenäenseele. Die Seele wird Stein, im Fels pocht das Herz. Einige besonders bösartige Forscher behaupten sogar, dass Pirineosaurus nichts anderes war als ein „rolling stone“ (Herumtreiber), wie anhand eines weiteren archaischen Songs aus dem Höhlenklangarchiv zu schließen sein könnte: Muddy Waters „Rolling Stone“ (3:14 min.).

Die Spezialisierung auf die weitgehend eher unbekannteren Wege in den östlichen Pyrenäen sollte hiermit eine Fortsetzung im westlichen Teil erhalten. Das Ziel dieser Tour war es daher zunächst, alle mir noch unbekannten Grenzkammpässe der Pyrenäen gen Westen zu erradeln. Das überforderte aber Pirineosaurus: zu viele kernige Anstiege, schlechte Wegezustände, infernalische Klimaerscheinungen, spontane Vor-Ort-Entdeckungen und alternde Saurierknochen führten zu entsprechenden Abstrichen im äußersten Westen.


Eines der zahlreichen Steinwunder auf Pirineosaurus’ Entdeckungstour: die surreale Erosionswelt Bardenas Reales, Navarra

Was bedeutet „a-STONE-ishing things”?

Nicht nur, aber ein erheblicher Teil der erlebten Wunder der Natur waren aus Stein, wobei das englische Wortspiel etwas nahe liegender ist als das deutsche: „STONE“ (Stein), aber auch astonishing (wundersam/erstaunlich) oder eben besser: „a-STONE-ishing“. Ein bisschen ergibt sich eine Parallele zum letztjährigen „KARSTing“-Wettbewerb – der Stein- und Wasserwelten des Dinarischen Karstgebirges. Dabei wird hier a-STONE-ishing als eine Art Gütesiegel verwendet, das Pirineosaurus in unterschiedlichen Abstufungen für Steinwunder vergibt.

Diesem Wettbewerbsgeist trägt auch der erste Teil des Untertitels Rechnung. Die Schluchten (Canyons, span. Cañones) unterliegen noch weiteren unterschiedlichen Bezeichnungen, etwa wie „Congost“, oder „Barranca“ – ein meist ausgetrocknetes Flussbett, das teils erwandert, teils aber auch nur durch riskante Canyoning-Touren erkundet werden kann. In Frankreich heißen Schluchten meistens „Gorge(s)“. Über die flussgeformten Steinwunder hinaus führte meine Reise zu einigen großen Gebirgskesseln, in Frankreich mit der Bezeichnung „Cirque“, „Pic“ bezeichnet Gipfel, Höhle heißt spanisch „Cueva“, und „Cingles“ steht für Klippen/senkrechte Felsabbruchkanten.

Es ist ein bisschen also wie eine „Olympiade“ der Steinwelten, wie es im Untertitel in neusprachlichen Termini wiederzufinden ist, die eine Superlative, eine extreme Ausrichtung oder ein breites Angebot suggerieren: „Cañonitis, Congosteria, Barrancade, Gorgesmania, Cirquessima, Picerie, Cuevania, Cinglesitis and some other a-STONE-ishing things about the Pyrenees”. Natürlich gab es noch weitere Steinwunder auf der Tour, die weniger genau einem Begriff zugeordnet werden können wie etwa die Gesteinslandschaft Bardenas Reales, selbst Städte und Dörfer sind ja meist auch aus Stein. Kuriose Felsen sind Folge von Erosion, also auch von Wasserkräften, die ihrerseits wieder Kapriziosen herausbilden. Man darf also auch Bilder von sehenswerten Fließgewässern, Kaskaden, Seen und Meeresbuchten erwarten. Das schließt grüne Wald- und Wiesenlandschaften nicht aus, die in den Westpyrenäen weit präsenter sind als exponierte Steinwelten – und im Zweifel stelle ich ja noch meinen grünen Gaul zur Farbabwechslung ins Bild. schmunzel

Regionale Abgrenzung

Mein Reiseverlauf ergibt sich recht gut bereits aus der Auflistung zu Beginn dieser Einführung. Ich nenne in meinem Titel die Tour bewusst „Costa Brava – Côte Basque“, obwohl die Tour eigentlich mit der Côte Vermeille beginnt. Ursprünglich war die Tour aber nicht entlang der gesamten Côte Vermeille geplant, sollte nur ein Einrollen bedeuten, da ich diesen Küstenstrich schon mehrfach besucht hatte. Geografisch ist die Côte Vermeille auch nichts anderes als der französische Teil der nördlichen Costa Brava – jener Teil, der sich um das Cap de Creus als „wilde“, raue, schnell aufsteigende Felsküste präsentiert – die mediterrane Abbruchkante der Pyrenäen sozusagen. Der Übergang zwischen Cerbère und Port Bou ist eher zufällig den Nationalgrenzen geschuldet – nicht einem geologischen oder topografischen Bruch. Da zudem meine Tour zu fast 2/3 durch Spanien führte, ist es also auch nahe liegend, das eine geografische Region Spaniens im Titel zu finden sein sollte. Auch aus diesem Grund verwende ich den spanischen Begriff „Pirineos“ für die Pyrenäen im Titel.

„(Pre)Pirineos“ heißt es, weil ich zu guten Teilen die Pyrenäenausläufer im Süden, aber auch im Nordosten des Baskenlandes beradelt habe. Die Hochpyrenäen bzw. der Pyrenäenkamm hingegen spielte die eher kleinere Rolle – wenn auch eine gewichtige. Ob man von Pyrenäenausläufern oder von Vorpyrenäen spricht (analog zu Voralpen) scheint sprachlich wie geografisch nicht ausreichend klar geregelt zu sein. Die häufig vorzufindende Beschränkung des Pyrenäenbegriffs allein auf den Hauptkamm erscheint mir auch mit Blick auf die analoge Alpen-Terminologie nicht glücklich. Ganz grob verläuft die Abgrenzung (einschließlich der Vorpyrenäen) nach Süden durch die Talebene des Ebros. Niemand würde jedoch deswegen Barcelona als Pyrenäenstadt bezeichnen. Auch die südliche Costa Brava ist geologisch nicht als Pyrenäenausläufer zu identifizieren. Insofern bilden die Küstenebene in Empordà sowie der Fluss El Ter bis zur Stadt Vic eine gewisse Hilfsgrenze für die Vorpyrenäen. Südlich der östlichen Vorpyrenäen tut sich gar nochmal ein Fast-Hochgebirge wie Montseny (1700 m) auf. Das Katalanische Vorküstengebirge (dort von mir tangiert: Montseny) und das Katalanische Küstengebirge (auf dieser Reise beradelt: Massiv Montgrí & Massiv Gavarres) sind zwei Zwischengebirge, die sich zwischen Mittelmeer und den Pyrenäenausläufern aufgeschoben haben, die ich hier mal der Einfachheit wegen ebenfalls als „Vorpyrenäen“ werte.



Von dort kann man die Grenze über Manresa, Lleida, Huesca bis nach Tudela ziehen, wo man auf den Ebro stößt. Geologisch sollen die Bardenas Reales in Navarra, eine zweigeteilte Halbwüstenlandschaft, sogar zu einem Teil (der nördliche) zu den Pyrenäen gehören, der südlichere Teil hingegen nicht mehr – also mehr oder weniger Teil des Ebro-Tales. Eine zufrieden stellende geologisch-geografische Abgrenzung bleibt also schwierig. Und welcher Zusammenhang besteht ggf. doch zu den Pyrenäen?

Während im Osten mehr oder weniger allein das Meer oder vorgelagerte Ebenen die Pyrenäengrenze markiert, ist es im Westen offiziell die Linie Pamplona – Puerto Belate – Bidasoa-Tal – Hendaye (sowie die Biskaya zwischen Hendaye und Biarritz). Auch diese Abgrenzung ist nicht glücklich, handelt es sich doch beim Kantabrischen Gebirge und den Pyrenäen eigentlich um einen einzigen Gebirgszug. Nehme ich einmal die oberflächliche Landschaftsform und Vegetation, erscheint mir die Westgrenze sinnvoller zwischen Pamplona, Tolosa und San Sebastian zu ziehen. Egal aber wie, liegt die Grenze mitten im Baskenland. Ungeachtet dessen war meine Westgrenze der Tour eher willkürlich den zwangsweise nötigen und improvisierten Kürzungen geschuldet und nicht exakt so geplant.

Zur Übersicht und zum Lesen

Karten

Einige Karten sind ältere Serien, die exakt so nicht mehr erhältlich sind bzw. andere Nummern oder Bezeichnungen haben. Einige Karten habe ich nur in der Vorbereitung genutzt und nicht mitgeführt, andere erst während der Reise erworben. Die beiden Karten mit (*) decken fast das gesamt Gebiet ab und enthalten auch die meisten Routen. Pirineosaurus soll diese Karten von saurischen Steinmetzen in seiner Steinhöhle in den Fels geritzt haben lassen, um seine Geografiekenntnisse nachhaltig zu kräftigen. Die wichtigste Ergänzung dazu wäre die Alpina-Karte vom Vall de Sau/Collsacabra. Alle anderen Lücken lassen sich recht problemlos vor Ort schließen.

Verschiedene Kartenwerke sind Gebiets-redundant, enthalten aber verschiedene Informationen. Nicht immer ist die genauere Karte hilfreicher als die gröbere Karte. So ist die Michelin-Straßenkarte für die Runde entlang dem spanischen Irati-Stausee völlig ausreichend, während die Darstellung auf der IGN-Karte die falsche Route als einfache Piste ausweist (die eingetragene Piste ist hingegen ein schwieriger Trail). Andere Teile sind aber auf der IGN-Karte wieder genauer. Offenbar gibt keine der Karten dieser Region den aktuellen Straßen-/Pistenzustand richtig und vollständig wieder. Interessant ist auch, dass auf allen Karten der Höhenverlauf und die Höhe des Col d’Osquich falsch eingetragen sind (IGN wie alle Michelins). Offenbar wird hier dauerhaft falsch abgeschrieben.

Die spanische Alpina-Serie enthält meist neben der Karte auch weitere Infos und Routenempfehlungen – zuweilen kleine Reiseführer für die Regionen (gilt aber nicht für alle Titel!, Routenbeschreibungen teils neben Spanisch auch in Französisch). Ähnliches gilt für die Karte zu Bardenas, die aber für die von mir gefahrene mittelgroße Hauptrunde nicht unbedingt nötig ist (Routenbeschreibung nur in Spanisch). Zusammen mit einer Vorinfo aus dem Web und der Ausschilderung ist diese Hauptrunde grundsätzlich auch ohne Detailkarte fahrbar – ist für diesen Zweck sogar verwirrend. Für die Bardenas Reales hatte ich noch zwei Kartenausdrucke aus dem Web dabei. Davon reichte die primitivste Darstellung völlig, ggf. sogar die grobe Straßenkarte (Hauptwegzeichnung vorhanden). Eine einfache Karte mit allen offiziellen Parkrouten gibt es auch im Infozentrum kostenlos. Für die abseitigen MTB-Routen braucht es aber gutes Orientierungsmaterial – zumal Querfeldeinfahren und einige Pisten nicht erlaubt sind (es gibt Kontrollen). Es empfehlen sich Touren in einer Gruppe ggf. mit Tourguide. Weitere touristische Karten und Stadtpläne (Girona, Huesca) habe ich während der Reise erworben und lokal verwendet, werden hier aber nicht aufgeführt (lokal und kostenlos erhältlich).

  • Aragón, Cataluña/Catalunya 1:400.000 Michelin Regional 574 (*)
  • Katalonien/Costa Brava 1:200.000 Die Generalkarte
  • Midi-Pyrénées 1:200.000 Michelin Regional 326
  • Aquitaine 1:200.000 Michelin Regional 525
  • País Vasco/Euskadi, Navarra, La Rioja 1:250.000 Michelin Espagne Regional 573
  • Aude, Pyrénées-Orientales 1:150.000 Michelin Departments 344
  • Ariège, Haute-Garonne 1:150.000 Michelin Departments 343
  • Hautes-Pyrénées, Pyrénées Atlantiques 1:150.000 Michelin Departments 342 (*)
  • Pyrénées Centrales 1:150.000 Michelin Espagne Zoom 145
  • Pau/Bayonne 1:100.000 IGN 166
  • Alt Empordà 1:50.000 Editorial Alpina
  • Vall de Sau/Collsacabra 1:40.000 Editorial Alpina
  • Parc Nacional d’Aigüestortes i Estany de Sant Maurici 1:25.000 Editorial Alpina
  • Sierra y Cañones de Guara 1:40.000 Editorial Alpina
  • Bardenas 1:35.000 cuadernos pirenaicos, sua edizioak



Träumerzelt von Pirineosaurus im Lichte steingewordener Poesie und des guten Geschmacks: Feldweg in Romanyà de la Selva im Hinterland der Costa Brava, einst Lebensabendort von Mercé Rodoreda, einer herausragenden Vertreterin der neueren katalanischen Literatur (vgl. Kap. 1)

Buch-Tipps

  • Víctor Català: Solitud. Eine Liebesgeschichte aus Katalonien. Piper Taschenbuch, 2009 (Original 1905, dt. copyright SchirmerGraf Verlag, 2007), 380 S. Das Buch ist z. Zt. nur antiquarisch (gebraucht) erhältlich. Caterina Albert i Paradís (aus L’Escala), die sich in ihrer Zeit zu einem männlichen Pseudonym gezwungen sah, steht für den Beginn der modernen katalanischen Literatur und hatte u. a. auf Mercé Rodoreda großen Einfluss. Dieser Roman, Catalàs bedeutendstes Werk, erzählt die Entdeckung der sinnlichen Lust des Bauernmädchens Mila, die in den katalanischen Bergen in der Einsamkeit neben ihrem Mann zu verkümmern drohte. Ihre Sehnsucht wird durch die geheimnisvollen, schönen Legenden geweckt, die ihr ein Schäfer erzählt. Català schafft psychologische ausgereifte Charaktere und beschreibt mit bildhafter Sprache ein Sittengemälde des ländlichen Kataloniens. In der Ästhetik des Landlebens spürt sie auch die düsteren Momente auf und dekonstruiert damit gleichzeitig wieder ihre selbst geschaffene Mystik der Naturromantik. Das Abbild von Lebensrealität, die zwei Seiten des Lebens – süß und bitter, hell und dunkel – ein erklärter wie auch damals provozierender Eklektizismus, war nach ihren eigenen Worten ihr vordringliches Anliegen. Solitud, Vordenkerwerk zur sexuellen Revolution und Entzauberung der bürgerlichen Doppelmoral, galt 40 Jahre lang unter Franco als verboten und feierte 2007 auch in Deutschland eine Wiederentdeckung, als die katalanische Literatur Schwerpunkt der Frankfurter Buchmesse war. Lebendig, träumerisch, malerisch, mitreißend.

  • Rafael Chirbes: Am Ufer. Verlag Antje Kunstmann, Hardcover-Erstaufl., 2013, 430 S. Einer der führenden Autoren der aktuellen spanischen Literatur greift die Immobilienkrise seines Landes auf, um ein sarkastisches Bild um die menschliche Gier zu zeichnen. Dazu entwirft er eine tragische Familiengeschichte eines Schreiners, die zu einem nachdenklichen, aber auch nicht ganz humorlosen Wirtschaftskrimi mutiert. Ein schwieriges Thema für literarische Höhenflüge, umso mehr ist das erzählerisch gelungene Buch zu loben. Manchmal etwas langatmig, braucht Zeit zum Reinlesen.

  • Herbert Genzmer/Franz Marenits (Hg.): Europa erlesen – Barcelona. Wieser Verlag, 1999, schmuckes Hardcover aus der Literaturserie aus und über europäische Regionen, Orte, Länder etc., Direktbestellung beim Verlag, auch über Buchhandel, 270 S. Ein kleiner literarischer Einstieg, stellvertretend für Katalonien die Kulturmetropole Barcelona, auch wenn diese nicht auf meinem Reiseplan stand. Enthält u. a. Texte von Miguel de Cervantes, Salvador Dalí, Hans Magnus Enzensberger, Pere Gimferrer, Joan Maragall, George Orwell, Mercé Rodoreda.

  • Francis Jammes: Der Hasenroman. Edition Tieger/Autorenhaus Verlag, 2009 (Original 1902, dt. Erstausgabe 1916), Hardcover, 96 S. Der französische Naturlyriker Francis Jammes verbindet poesiereiche Naturbeschreibungen mit der göttlichen Glaubensfrage – ein Naturmystiker im Gefolge des Heiligen Franziskus. Hermann Hesse wie Rainer Maria Rilke bewunderten ihn, mit André Gide war er befreundet und er wurde als der Vergil der Pyrenäen bezeichnet. Vornehmlich lebte und arbeitete er in seiner Heimat, den baskischen Pyrenäen. „Das schönste Tierbuch der Welt“, wie die Frankfurter Zeitung mal einst wertete, ist eine kurz(weilig)e Parabel auf die Macht des Glaubens – erzählt aus der Perspektive eines Hasen. Man mag diese Schrift zwischen Prosa und Dichtung als Süßholzgeraspel mit missionarischem Eifer abtun. Die Sprachbilder sind aber von solch sinnlich-poetischer Kraft, dass dem Leser unweigerlich die Düfte der Kräuter in die Nase steigen, der Regen auf das Haar tröpfelt, der Wind über die Haut streicht und die Gemälde der Landschaft sich unverlangt ins Gedächtnis hängen. Oder wie es im Nachwort heißt, „ein ‚Sprachkino’, das vor den Augen des Lesers sichtbar wird.“ Ein Genuss.

  • Michael Schuh: Pyrenäen-Handbuch. Reise Know-How Verlag, 4. Aufl., 2003, Taschenbuch 600 S. Umfassender und kenntnisreicher Reiseführer für die frz. wie auch span. Pyrenäen, der fast alles abdeckt. Einige Teile der span. Vorpyrenäen sowie der Costa Brava sind nicht bzw. unzureichend berücksichtigt. Mittlerweile sicherlich in neuer Auflage erhältlich. Hoher Standard.

  • Kurt Tucholsky: Ein Pyrenäenbuch. Insel Taschenbuch, 1. Aufl., 2007, 250 S. Ein Klassiker der Reiseliteratur des Journalisten, Schriftstellers und Satirikers, der die Pyrenäen 1925 bereiste. Als Berliner Stadtmensch, damals in Paris lebend, scheint ihm die Natur doch fremd zu sein. Sein Fokus richtet sich auf Menschen und Erscheinungen eher am Rande der Pyrenäen. Die damals bereits bekannten und beliebten Naturwunder bewandert er eher widerwillig. Über den Cirque de Gavarnie vermerkt er: „Die Felswände stehen im gigantischen Halbkreis, oben liegt etwas Schnee, und das Ganze ist schön anzusehen. Aber nicht mehr – und warum so ein Geschrei daraus gemacht wird, weiß ich nicht.“ Immerhin gibt er nicht auf, obwohl er als Kletter-Leichtfuß gegen die örtlichen Warnungen naiv verstößt und beim versuchten Ausstieg aus der Kakouetta-Schlucht zwangsläufig scheitert und nicht ganz ohne Selbstironie flucht: „Wut im Leibe! Nie wieder Gebirge! … Die Felsen und die Bäume rede ich gar nicht mehr an, die waren Partei.“ Besonders liegt ihm daran, die Wunder von Lourdes mit journalistischer Akribie, aber auch etwas ermüdend zu entzaubern. Sicherlich sind seine Beobachtungen treffend und detailreich und für Fremde in der Ferne oder Pyrenäen-Neulinge lehrreich und spannend zu lesen. Das Buch überzeugt aber eher in seinen geistreichen Nebenbemerkungen über das Reisen als durch ausdrucksstarke Sprachbilder oder vertiefende Erkenntnisse über kulturelle Eigenheiten in den Pyrenäen. Ein letztlich etwas überschätztes Buch aus Tucholskys Feder, dessen gesamte Werkschau mehr zu bieten hat. Ein bedingtes Lesenswert.


Fortsetzung folgt
Liebe Grüße! Ciao! Salut! Saludos! Greetings!
Matthias
Pedalgeist - Panorama für Radreisen, Landeskunde, Wegepoesie, offene Ohren & Begegnungen

Geändert von veloträumer (12.02.19 17:12)
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#1088100 - 12.12.14 20:17 Re: Die Legende von Pirineosaurus [Re: veloträumer]
Keine Ahnung
Moderator
abwesend abwesend
Beiträge: 12.862
Deine Art, solche Touren anzugehen, bewundere ich. Es überrascht nicht, dass Du so detailliertes Wissen zu den verschiedenen Gebieten hast (wie hatte ich schon geschrieben "Wandelndes bzw. fahrendes Radreiselexikon"). Ich freue mich auf die Fortsetzung!
Gruß, Arnulf

"Ein Leben ohne Radfahren ist möglich, aber sinnlos" (frei nach Loriot)
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#1088152 - 12.12.14 22:05 Re: Die Legende von Pirineosaurus [Re: veloträumer]
veloträumer
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Beiträge: 17.178
PROLOG
Mehr geht nicht: 2229 km Frankreich an einem Tag

Mit dem Radl? verwirrt Sicher, aber ja doch! Mit Rad und Gepäck und zudem noch im Zug! lach Soviel Bahnfahren gibt es selten fürs Geld (109 € inkl. Bike = weniger als 5 Cent pro Kilometer!). Streiktage sind Bahnreisetage. Falk wäre das Herz gehüpft. grins Meine Reise begann exakt – ihr werdet es nicht glauben – am Freitag – jawohl, am Freitag, dem Dreizehnten – in Zahlen: 13.06.2014! lach böse Ein Schelm, wer Abergläubisches dabei denkt. Gleich der gebuchte Intercity (mit Radstellplatz) fiel schon mal aus. S21 – für Fremde: Maulwurfbahnhof Stuttgart – forderte seinen Tribut. Der schlaue veloträumer – im Schwabenländle war er ja noch nicht „versteinert“ – hatte vorgebaut: Wenn was schief geht, gibt es noch einen zweiten Zug, der rechtzeitig die Tore Strasbourgs erreicht. Dabei hatte ich aber eher an Appenweier (dort Umstieg in Regionalzug nötig) und an IC-Verspätung gedacht. Ein kompletter Zugausfall hat schon was Dreizehntiges von besonderer Qualität.

Nun, die regionale Umsteige-Orgie als Ersatz funktionierte doch besser als das Fernzuggedöns mit Reservierung. Glücklich, Stuttgart im Rücken zu haben und Strasbourg vor Augen! Allerdings wollte ich nicht in Strasbourg gleich Urlaub machen. schockiert So aber die überraschende Aussicht, als die Anzeigetafel keinen Nachtzug anzeigte. Nachfragen im überfüllten Service-Büro war dann ernüchternd: Streik-Betrieb, es gehen nur wenige Glückszüge, nach Süden und über Nacht geht heute schon gar nichts mehr. traurig Am nächsten Morgen will man mich in einen TGV packen, Richtung Lyon oder so. Man fährt eher nach Himmelsrichtung und Gefühl, nicht nach Plan. Zur Radmitnahme will sich keiner äußern, denn TGVs mit Radmitnahme gibt es ja nur wenige – selten in der Wunschrichtung. Aber Streik ist Streik – und da zählen die Bürokraten nicht mehr so genau.

Wohin in der Nacht? – Es gibt ein Care-Paket für Arme – eine Pappschachtel mit Konservenspezialitäten wie Gummibärchen aus dem verhassten östlichen Nachbarland, archaische Brötchenkrusten (mindestens dreifach ausgebacken) und eine salzige Streichmasse undefinierbaren Geschmacks (Thunfisch oder Hausschwein – je nach Gefühlslage). Und natürlich ein französisches Edelwasser in Plastikflasche (pfandfrei). Als gäbe es kein Leitungswasser im Elsass. verwirrt Ein Zimmer gibt es in der dem Bahnhof nahe liegenden SNCF-Residenz („Orfea“, eine Art Hotel, aber ist für SNCF-Mitarbeiter oder andere Gäste der SNCF reserviert). Ein neumodischer Stil aus sterilen Bettkammern. Immerhin sauber und ordentlich, mit Dusche, kein Fernseher und ein Telefon ohne Außenanschluss. Der Bahnangestellte soll schlafen und nicht talken etc. Spartakus würde den Ausblick auf die Bahngleise noch loben – die sind nämlich erfrischend karg und freigestellt – es ist ja Streik, Züge sind Mangelware.

Als kleiner, leicht zu übersehener Mann und des Französischen nicht wirklich mächtig, behandelte man mich natürlich etwas nachrangig, sodass ich bis zur Überführung ins Hotel eine psychisch recht schwer auszuhaltende Wartezeit zu überbrücken hatte. Ich glaube, ich habe auch schon mal einen Papierkorb getreten. Dann irgendwann lotste mich ein persönlicher, spracharmer Guide zum Orfea – man könnte sich auf 100 m verirren. Strasbourg, das ist ja auch ein Haufen Kleinstadtkriminalität. Da gibt es Döner-Buden (sonst in Frankreich ein Verbrechen) und EU-Abgeordnete (immer zu einer korrupten Handlung bereit). So einmal einquartiert, wollte ich auch nicht mehr raus aus dem sicheren Zimmer (Fenstersprung erschwert). Ein sommerliches Gourmet-Dinner in Strasbourg? Bezirzte Lampion-geschmückte Fachwerkhäuser an Kanälen mit verliebten Sommerpärchen? Gemütliche Winstubs mit Sauerkraut-Gerüchen und schaumigen Kronen Elsässer Biere? Die Freuden anderer bewundern, wenn man selbst als Trauerkloß in die dunklen Ecken flüchtet? Ohne einen einzigen Bergkilometer? Und gleich schon mindestens einen halben Tag Rückstand, vielleicht auch ein ganzer? – Nein, heute mag ich nicht Strasbourg. Nein, ich will Süden!


Eines der Geschenke des französischen Bahn-Streiks (v.l.n.r.): SNCF-Bettkammer im Orfea

Fürs Frühstück gab es eine Marke für ausgewählte Bahnhofsbistros. Natürlich waren diese vor 6 Uhr noch nicht geöffnet. Dort, wo es schon Kaffee gab, war das Ticket nicht gültig, auch später im Zug nicht. Eine Dame war schlauer: Sie hatte im Hotel gefragt und durfte geduldet das dortige Buffet benutzen – eigentlich auch nicht so vorgesehen. Naja, der Kaffeeduft schien mir derzeit sekundär, die weiche, salzige Luft des Mittelmeeres juckte mir mehr in der Nase. Im Service-Büro hatten sie handgeschriebene Ersatzfahrpläne. Ich bekam zwar Auskunft für die Züge ab Strasbourg, doch wie es in Paris, Lyon oder Avignon weitergehen sollte, wollte keiner wissen können. Die Beratung ergab schließlich: Avignon sei letztlich besser als Lyon, Paris wäre ganz schlecht. Das war natürlich aus dem Märchenbuch. Am besten wäre sogar gewesen, einen Tag in Strasbourg gewartet zu haben. Aber mit dieser Idee hätte man mich ausgelacht.

Ich hätte in Lyon aussteigen müssen. Möglicherweise aber auch Bahnhofswechsel – also gerade für mich mit Radl doch sehr heikel. Also weiter nach Avignon. Übrigens: Ein Radl mit Rennlenker im TGV-Duplex und pro Wendeltreppe zum Oberstock geht wunderbar, kann man am oberen Geländer schön einhängen. Warum nicht im Regelverkehr? verwirrt Avignon ist Süden. Das spürt man gleich. Es war warm, fast heiß – heißer Wüstenwind, fast Sturm. Eigentlich eine Sache für ohne Kleider. FKK-Bahnreisen gibt es aber noch nicht. Eine Marktlücke. Ich wäre dabei.

Der Zug kommt. Die Ansagen etwas verwirrend für mich. Zwei Züge nach Norden haben Verspätung und kommen dann in unmittelbarer Folge. Ich springe in den ersten, glaube den richtigen erwischt zu haben (nach Brüssel, nicht nach Paris). Ich müsste zurück nach Valence, dort umsteigen. Doch der Zug war der Falsche! Es war nicht der Zug nach Brüssel, der dauernd auf der Anzeigetafel aufflackerte. Der Zug nach Paris hält nicht, nirgendwo, nicht in Lyon und schon gar nicht in Valence. Das erfuhr ich schließlich, als Valence am Horizont vorbei flog. Ich bin ja bereits Kenner der Strecke – man erkennt die Haltepunkte an Wassertürmen am Horizont. Sie sehen alle gleich aus – für Kenner haben sie feine Unterschiede. Nächster Halt also: Paris. Nur Paris, Gare de Lyon. – Nervenzusammenbruch, Wutanfall! Noch immer kein Pirineosaurus, immer noch „nur“ veloträumer, droht dieser die Fassung zu verlieren.

Ein Franzose kauert am Boden und fürchtete, dass ich einen cholerischen Anfall bekomme, wie er mir später gestand. René lädt mich ein nach Castellane – wenn ich mal wieder in den provençalischen Alpen unterwegs sein sollte. Ganz nahebei war ich schon mal – zweimal, genau genommen. Renés Frau ist Englisch-Lehrerin. Sie wäre ganz erfreut, wenn er – René – mehr Englisch sprechen müsste. Ihm fällt es sichtlich schwer, aber er bemüht sich sehr. Die Lautstärke im Zwischengang allein ist hinderlich. Die Kehle trocknet schnell aus. Und die Beine schlafen ein – sie wollen eigentlich strampeln. Bahnfahren macht mürbe. Wir unterhalten uns über Streik-Mentalitäten, Politik, Radreiseplanung und einiges mehr. Castellane, das müsste klappen, innerhalb der nächsten paar Jahre – die Gegend gefällt mir immer noch. Da sind auch noch offene Posten für die Bergziege. schmunzel

Ich rannte durch den halben Zug, suchte das kaum erkenntliche Ersatzpersonal (Zivilklamotten, meist mit Trostpflästerle in den Waggons unterwegs – Orangensaft, Edelwässerle, zu wenig nervenberuhigende Schoki). Eine Dame dieser Ersatzmannschaft schaffte einen Handy-Kontakt nach Paris. – Hoffnungsschimmer: Ein TGV fährt noch nach Perpignan, Ankunft ca. Mitternacht. Noch nicht Banyuls – da werde ich eh aufs Radl umsteigen müssen.

Paris. Gare de Lyon. Nachmittag, Trubel, René ist am Ziel. Ca. zwei Stunden Aufenthalt für mich. Nach Perpignan geht auch vom Gare de Lyon. Also nichts mit Radeln durch Paris. Ich fotografiere Bahnhofsarchitektur. Schon Avignon-TGV war beeindruckend. Lichter Bahnhofstempel, sehr luftig mit gestaffelten dünnen Stegen oder Leisten, gestreifte Schattenwürfe, Himmelszelt im Zebra-Look, umgestürzter Schiffrumpf aus Holzplanken im unfertigen Rohzustand. In Paris ähnlich, aber mit den historischen Gebäudestrukturen verbunden – Alt und Neu in Symbiose, durchaus gelungen. Es gibt sogar passend eine Fotoausstellung „Bahnhöfe in Frankreich“. Hatte man bereits mit gelangweilten Streik-Opfern gerechnet? Die neuen Bahnhöfe unterscheiden sich nur in Nuancen. Serienware von Stararchitekten. Oder Corporate Identity?


Streik-Bahnhöfe sind entweder leer oder voll: Straßburger Bahnhofsidyll (l.) und Volksauflauf am Gare de Lyon, Paris (r.)

Das Bahnhofsleben in Streikzeiten erinnert an Bettlerplätze. Überall lagern Leute auf dem Boden. Eine echte Modenschau sind Pariser Bahnhöfe auch nicht mehr. Es gibt viele asiatische Durchschnittsoutfits. Hüte zum Taler-Sammeln fehlen, keine Clochards, aber Hüte auf den Köpfen gibt es schon – Frau trägt hier schon mal Hut oder Kappe, sogar die Asiatinnen – mehr als in Deutschland. Man muss aufpassen – alle starren auf die Anzeigetafeln und laufen blind bis sie stolpern. Die wenigen Züge sind begehrt und nur die elektronischen Tafeln verraten die glückliche Bahnsteigkante. Mit einer gepolsterten Radbarriere rechnet keiner. Militär schreitet mit Maschinenpistolen mitten durch die Massen. Selbst die müssen aufpassen nicht überrannt zu werden. Die Grande Nation steht im Argusauge des internationalen Terrorismus, die großen Bahnhöfe ganz besonders. Nicht nur Panikmache, leider auch Realität – in Madrid hatten sie schon mal die Hölle am Bahnhof. Der Islamismus drückt auf das savoir vivre. Würde hier Panik ausbrechen, wäre es ein gewaltiges Chaos.

Jüngst haben die Schweizer Jazzkapitalisten vom Genfer See im Pariser Gare de Lyon ein Montreux Jazz Café eröffnet. Diese Institution ist jetzt global verbreitet (fast ein bisschen wie Hardrock Cafés). Reisefreundliche Preise allerdings Fehlanzeige – Jazz ist auch eher Etikettenschwindel als Programm. Die teuren Snacks im Bahnhof kann man umgehen, wenn man ein paar Schritte über den Bahnhofsplatz in die ersten Nebenstraßen macht. Die Sandwichs kosten 30-50 % weniger. Schnäppchen, und meist noch köstlicher. Trotzdem läuft da das Geschäft schlecht, gekauft wird im Bahnhof. Ich überlege einen Bistro-Besuch an den Straßenecken mit viel Flaniervolk. Mir lechzt es nach einem kühlen Bier – vielleicht mit Flammkuchen. Ein Elsässer in Paris. Die vollen Tische lassen mich Abstand nehmen. Zum Glück. Denn noch bin ich eher bei dem ersten Drittel der Zuggäste, als der Bahnsteig des TGVs nach Perpignan auf der Anzeigetafel frei geschaltet wird. Doch der Zug ist quasi schon fast voll. Bahnhofssperre durch das Personal: „Nur noch Fahrgäste mit regulären Tickets für diesen Zug!“ Also nicht für Streikgeschädigte wie mich, die sollen noch länger leiden. In Paris wohl teure Hotelnächte verbringen – ein Urlaub am Seine-Ufer mit urbaner Sand-Aufschüttung und Bikini-Puppen aus dem Lagerfeld? lach

Frechheit siegt. Ich breche mit Rad durch die Sperre. Ich rufe, dass ich mich nicht mehr abhalten lasse. Die Service-Frau fleht vergeblich, die Regeln zu beachten. Zum Glück verfolgt mich keiner. Ich bin im Zug – gerettet? – Polizei marschiert auf. Faustkämpfe gehen in die erste Runde. Da wäre ich unterlegen gewesen. Keine richtige Karte und keine richtige Faust, trotzdem im Zug – das nennt man Glück – oder Bauernschläue. Ich habe von Füchsen gelernt. Mindestens 150 Bahnreisende bleiben zurück – in Paris, Süden ade. Ich empfinde kein Mitleid – nur Stolz, es geschafft zu haben. Ich bin Egoist. Vor allem im Bahnstreik.

Die Strecke kenne ich nun auswendig – Bahndämme endlos nach Süden, so interessant wie einen Tag Maisfelder beim Radfahren. Und nochmal werde ich bedroht. Schon weit im Lande, kommt ein gefrusteter Aufseher. „Das Rad muss in die Tür“, herrscht er mich an. Hochkant und riskant – im Vorraum hocken schließlich weitere Bahngäste auf dem Boden. Mein Rad stand sicher quer und wir hatten uns alle arrangiert. Jetzt dieser Restbeamte mit Oberlehrerallüren. Das fehlte noch. Wenn ich das Rad nicht bald in Tür verklemme, dann schmeiße er mich raus – in Valence, so fährt er unwirsch fort. Valence – ein Traum! – da wollte ich heute schon mal hin. lach Okay, ich arrangiere das Rad in der Türe – nun schwebt es bedrohlich über Mutter und Kind. Ich lese schon in meinen müden Augen die Schlagzeile in der Zeitung: „Radler dreht durch – Mutter mit Kind von Fahrrad erschlagen! Alland fordert gebührenpflichtigen Waffenschein für Radler.“ Von der Mutter bekomme ich aus Mitleid und Sympathie ein paar Smarties – bunte Smarties fürs Nervenkostüm. Sie hätte mir auch eine Axt gegeben, um den Aufseher zu erschlagen – so meine ich in ihren schwarzen Augen zu lesen. unsicher Bald funkeln im Süden erste Lichter über die Brackwasserseen, zwischen denen die Eisenbahndämme quasi durchs Meer führen. Der Zug leert sich, zwischen Montpellier und Béziers gehen die meisten von Bord. Perpignan ist tiefer Süden, schon fast ein vergessener Zipfel. Also genau richtig für Pirineosaurus. schmunzel


Feld- und Wiesenbahnhof Avignon TGV: Der Bahnreisende findet in Frankreich häufig moderne luftige Lichttempel vor

Perpignan, ca. Mitternacht. Auf der Anzeigetafel wird ein Nachtzug aus Strasbourg für den Morgen angekündigt. Hätte ich das gewusst! Ein Tag Urlaub in Strasbourg und dann ein Nachtzug nach Banyuls – das wäre immer noch schneller gewesen als einen Tag Zugfahren durch halb Frankreich. Egal, ich bin am Pyrenäenrand. Reisebusse und Taxis stehen am Bahnhof, die Luft leicht und mild, ein Wind vom Meer herweht, den Straßenstaub aufwirbelt, aber auch als Sommerhauch die Wange küsst – das streichelt die geschundene Bahnfahrerseele. Das Rad ist fahrbereit – nach 2229 km TGV durch Frankreich (nachgezählt gemäß SNCF-Seite).

Einen Tag im Zug und doch noch Radfahren! Ich kann es nicht fassen, wie lang ein Tag ist. Der Traum, auf zwei Rädern zu rollen – nach einer gefühlten Ewigkeit. Selbst in der Nacht bin ich gar nicht müde. Die Ausfahrt ist recht autophil, zum Glück ist Perpignan nicht so groß. Fragen hilft nicht viel, die Richtungsempfehlungen widersprechen sich zu 190°. Die Orientalen in ihren Schlafanzugsgewändern mit einem Pulk Kinder kennen sich besser aus als die französische Urbevölkerung, die ihre Hunde ausführen.

Radverbotene Schnellstraßen sind mittlerweile auch nach Süden gebaut. Ein Nebenweg endet im Feld – nicht jedes Radwegschild kennt sein Ziel. Bei Argelès ist das Wirrwarr vorbei – die Küstenstraße ruft. Letzte Verunsicherung durch die Schnellstraßenumfahrung von Collioure. Dann aber habe ich die richtige Spur. Ich rolle den Berg hinauf. Es geht jetzt alles leicht, es ist Urlaub. Noch nicht Banyuls, aber immerhin: Collioure, ich komme! Verschämt stecke ich leise meine Zeltstangen auf dem Camping zusammen. Ich will niemanden wecken. Ein Bad im Meer geht nicht, der Strandzugang ist abgesperrt. Öffnungszeiten nur zu Tage. Die Nacht ist kurz, aber der Schlaf süß im Oleanderduft. Ich spüre dort zu sein, wo ich hingehöre. Der Wind flüstert es mir zu. Er nennt mich bereits Pirineosaurus. Die Metamorphose scheint vollendet, veloträumer bleibt als leere Chitin-Schale zurück. Morgens sind alle Schalenteile von den Ameisen unsichtbar entsorgt. Bon jour, Côte Vermeille! Bon jour, Collioure! ¡Hola, los Pirineos!

Fortsetzung folgt
Liebe Grüße! Ciao! Salut! Saludos! Greetings!
Matthias
Pedalgeist - Panorama für Radreisen, Landeskunde, Wegepoesie, offene Ohren & Begegnungen

Geändert von veloträumer (14.01.18 19:16)
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#1088184 - 13.12.14 07:26 Re: Die Legende von Pirineosaurus [Re: veloträumer]
Uwe Radholz
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Moin Matthias,

ich bin, und das nicht zum ersten mal, beeindruckt. Weihnachten wird gelesen. Freu mich schon.
Ganz rudimentär konnten wir, Mike, Denis und ich, im Sommer ja schon von deinen Kenntnissen dieser Weltgegend profitieren.
Auf diesem Wege nochmal Dank aus Berlin für die persönliche Einweisung, die wir, also in diesem Fall meine beiden süddeutschen Freunde, von Dir bekamen.


Gruß aus Berlin

Uwe
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#1088331 - 13.12.14 21:41 Re: Die Legende von Pirineosaurus [Re: veloträumer]
veloträumer
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Das Tour-Tagebuch, zusammengestellt aus den persönlichen Schriften von Pirineosaurus Rex

KAPITEL 1 – FRANCE I/CATALUNYA I
Sandstrände und Felsbuchten, Festival der Blautöne und Flaniergemäuer, Reisfelder und Ruinen, Dolmenkult und Gourmetverführung: Die Costa Brava und ihr Hinterland

So 15.6. Stuttgart || Anreise Fr/Sa || Collioure – Banyuls-s-Mer – Coll den Gran Bau (?m) – Coll de la Creu (?m) – Cerbère – Coll dels Belitres (170m) – Portbou – Coll del Frare (202m, Tunnel) – Colera – Coll de Sant Antoni (?m) – El Port de la Selva – Coll del Bosc de la Margalla (450m) – Vilajuiga – Castelló d'Empúries – Sant Pere Pescador/Camping Aquarius
93 km | 12,1 km/h | 7:37 h | 1625 Hm
W: stürmisch, Tramontana, teils heiter, später regnerisch, 17-25 °C
Ü: C Aquarius ~ 20 €
AE: Spargelcrèmesuppe, überb. Stockfisch, Kart., Zucchini, Profiterolles, Rw, Cafe 27,20 (+)

Warum komme ich wieder? – Da sind noch Geschichten – etwa diese von der Möwe von Cerbère. – Wer? – Ja, eine Möwe von der Côte Vermeille, mit Heimatort Cerbère, aber die ganze Küste dort überfliegend. Bereits auf einem Analogbild hatte ich sie 2000 fotografiert (es war wohl bei Banyuls). Schon damals rief sie mir zu „Komme wieder, du Radler – du bist unser Freund!“ – und sie meinte mit „wir“ nicht nur die Möwenfamilien an der Küste. Ein wenig verärgert war sie, als ich 2004 gleich in Narbonne in die Pyrenäen abzweigte – sie nicht besuchte. 2008 endlich trafen wir uns wieder, direkt am Stadtstrand von Cerbère. Da wusste sie schon, dass ich eigentlich Pirineosaurus heiße. Sie sah die kleinen Tränen in meinen Augen, die mich zum Abschied erfassten. Und sie flößte mir Trost ob meiner gesundheitlich angeschlagen Lage zu – alsbald verschwand danach meine Erkältung, die sich bei den harten Bedingungen der Tour ergeben hatte und mich an den Rand des Aufgebens gebracht hatte.

Im Jahre 2011 war es die Möwe selbst, die mich nicht begrüßen kam – wegen Gezänk mit anderen Möwen, wie ich in meinem Bericht erwähnte, und was ich der aufmerksamen Vernetzung meiner Fabelwesen zu verdanken habe, i. e. S. Trasgu (ein asturischer Hausgeist, der stets zu meinen Diensten mir Inspirationen ins Ohr flüstert), der auch dafür sorgte, dass die Möwe meinen Bericht gelesen hat. Auch dort erklärte ich: „Nun liebe Möwe von Cerbère, ich werde wieder mal ein paar Jahre brauchen, um das anzugehen – aber ich verspreche dir hier erneut: Ich werde nochmal wiederkommen!“ Und so ward ja heuer geschehen und ich wurde von der Möwe bereits sehnsüchtig erwartet. Sie flog mir am frühen Morgen bereits vor den Toren von Collioure entgegen, ganz betrübt über meine Verspätung durch den französischen Bahnstreik. Ganz stolz war sie auf meine gelungene Metamorphose in Pirineosaurus – so ließ sich besser einander verstehen.


Die Möwe von Cerbère, Alter Ego und langjährige Freundin von Pirineosaurus, 2008 in Cerbère (links), 2014 in Collioure (rechts), Tourbegleiter als Blinder Passagier: Casco Nuevo (Mitte)

Wenn ich hier also eine alte Freundin vorstelle, sollte ich auch meinen neuen Mitfahrer vorstellen, wenngleich er mehr im Geheimen mitwirkte. Erstmals also reiste ich nicht allein, sondern hatte die gesamte Reise einen anregenden Begleiter dabei. Sein Name: Casco Nuevo. Seine inspirierende Wirkung erschließt sich schon aus seiner kopfähnlichen Form. Auch seine Farbgebung zeugt von Sympathie gegenüber Pirineosaurus. Andererseits war Casco Nuevo ein recht stiller, unaufdringlicher Partner, der sich nur ungern den schwierigen Witterungsverhältnissen meiner Tour aussetzen wollte. Er führte daher ein recht gemütliches Leben innerhalb meiner Tasche, beaufsichtigte wirksam Gepäck und schützte mich vor unliebsamen Bekanntschaften wie übermotivierten spanischen Polizisten. Große Freilufteinsätze verzeichnete er zu Anfang der Tour zu den noch gemäßigten Tageszeiten zwischen Perpignan und Banyuls sowie gegen Ende der Tour, wo er freundlicherweise meinen vielschichtigen Souvenirs Platz machte.

Ein besonders guter Kletterer ist Casco Nuevo nicht. Nachdem er sich als schicker, sportlicher Kopfschmuck noch gegenüber einer ersten französischen Rennradgruppe mit freundlichem Gruß profilierte, schrie er gleich an der ersten kräftigeren Steigung ausgangs Banyuls, dass ihm vom Schweiß zu feucht werde. Also gleich in die Tasche mit ihm. (Die Rennradfahrer bevorzugten die weichen Küstenhügel und mieden diese Rampen-Steigung, woraus erkenntlich wird, warum Rennradfahrer meist mit Casco unterwegs sind…). Ein zweiter Versuch bei regnerisch bewölktem Himmel endete schließlich am Anstieg zum Kloster Sant Pere de Rodes kläglich. Casco Nuevo erwies sich den Ansprüchen von Pirineosaurus nicht gewachsen, der es mal wieder an schweißtreibenden Einsätzen auf Himmelsleitern und Teufelsstiegen nicht missen ließ. Auch auf Kurs Sant Pere de Rodes verweigerten sich übrigens die einheimischen Rennradler.

Nach Collioure ein drittes Mal zurückzukehren ist kein Fehler. Das Künstlerörtchen mit der selbstredend malerischen Kulisse ist einfach märchenhaft schön und bleibt auch beim tagestouristischen Ansturm charmant anmutig in seiner Verbindung mit dem Meer. Am frühen Morgen zum Marktaufbau noch fast verlassen, eine einsame Badenixe träumt am Strand in den Tag hinein. Die Verführung ist groß, es ihr gleich zu tun. Nicht umsonst wollte ich den schönen Fleck aus meiner Tour zu Anfang ausschließen, verlangen doch solche Plätze selbst bei der Wiederkehr nach Zeit des Verweilens. Die Kulisse, nicht zuletzt durch Burganlage und katalanisch geprägte Steinhauskultur, verdient ganz klar das erste a-STONE-ishing-Siegel der Tour.

Mit ersten Käse- und Gebäckspezialitäten eröffne ich den kulinarischen Teil der Reise. Zu meiner ersten Herausforderung zählt die Nebenstraße zur Küstenroute, die sich bei Banyuls durch Weinberge und Ödland steil nach oben windet. Die Ausblicke sind gemäß der instabilen Wetterlage bescheiden, der Tramontana auf der Passhöhe schon sehr heftig. Der Wind begleitet mich fast den ganzen Tag, insbesondere auf den Anstiegen, erreicht zum Nachmittag stürmische Werte. Gar muss ich schon mal einen sicheren Stand für mein Fahrrad hinter einer Mülltonne suchen. Immerhin wird es mittags sommerheiß, ein erstes Meerbad kann ich bei El Port de Llanca in einer hoch umschlossenen Felsbucht nehmen.

Zuvor aber stoße ich am Coll dels Belitres auf die tragische jüngere Geschichte Spaniens. 1939 wurde dieser Grenzpass zwischen Portbou und Cerbère zu einem Schauplatz einer riesigen Flüchtlingswelle der spanischen Republikaner, die vor der Ausbreitung des Franco-Regimes flohen. Katalonien und das Baskenland waren Kernregionen des Widerstandes gegen Franco – nicht zuletzt erklärt sich hierdurch auch der dauerhafte Unabhängigkeitswille beider Volksgruppen. Die Flucht wurde für Widerstandskämpfer stark eingeschränkt, länger blieb der Korridor für Frauen, Kinder und Kranke offen. Ein Monolith an selber Stelle erinnert aber an die Eroberung dieses Landstriches durch Franco noch im selben Jahr, der symbolisch einige pompöse Bauwerke für seinen Machtanspruch dort erstellen ließ, zu denen auch der Bahnhof von Portbou zählt.

Pau Casals, Cellist und Komponist aus Katalonien und lange im Exil am Fuße des Canigou-Massivs lebend, eine Ikone der katalanischen Kultur und des Widerstandes gegen den Franco-Faschismus, ein Friedensbotschafter der Weltgemeinschaft, machte ein katalanisches Weihnachtslied zur Hymne für die katalanischen Flüchtlinge, indem er stets seine Konzerte mit einer Instrumentalversion des Liedes beendete. Auf einem eigens auf die Melodie des Vogelgesangs dieses Liedes abgestimmtes Glockenspiel in Molitg-les-Bains ist sein Wunsch eingraviert, dass die Melodie zu einem Lied der Hoffnung und des Friedens werden möge. Die Erfüllung dieses Traums durch das Ende des Franco-Regimes 1975 erlebte Pau Casals nicht mehr, er starb zwei Jahre früher. Pau Casals „El cant dels ocells” (3:45 min.). Den musikalisierten Friedensgedanken werte ich mal mit einem a-STONE-ishing, auch wenn man dieser Botschaft keine Versteinerung, sondern ewiges Leben wünscht.

Die tragische Flüchtlingsgeschichte vor der faschistischen Verfolgung an der Côte Vermeille hatte zwei Richtungen zur annähernd selben Zeit, denn die Nazi-verfolgten Juden mussten letztlich auch aus dem faschistisch besetzen Frankreich fliehen (diese aber über den Hinterlandpass Rumpissa). Der fehlenden Einigkeit der Faschisten und dem Misstrauen ihrer Führer untereinander (Mussolini, Hitler, Franco) war es zu verdanken, dass es unideologische Allianzen – zumindest Fluchtfenster gab. Die Nazi-Verfolgten flüchteten entsprechend über das faschistische Spanien (mehr oder wenig geduldet) in dann sichere Gefilde (meist via Portugal nach Amerika). Außer Geschichten über Möwen brachte mich so auch die große Geschichte zurück an die Côte Vermeille und Costa Brava:

Das Meer weint (Banyuls)

Der Weg durch Reben hinauf
mit Schweiß – ich schnauf’
von Sonne verführt
zu Tränen gerührt
der Sinn im Gedicht
vom Licht, das bricht
ein Gemälde im Dunst
fürwahr ist Kunst
spiegelt die Bucht
doch erinnert an Flucht
das Gedächtnis der Schande
der Mensch geraubt dem Lande
das Meer schluckt schwer
mit Rauschen einher.


… mit diesem Gedicht endet mein Bericht der 2011er-Reise „Pyrénées Cathares Catalán“, dem Blick auf die Côte Vermeille bei Banyuls abgerungen und nachempfunden die Leiden des Walter Benjamin und der (meist jüdischen) Flüchtlinge, geleitet von Lisa Fittko, und in meinem eigenen schweißtriefenden Angesicht der steilen Weinbergstraße zum Tour de Madeloc. Wenngleich meine aktuelle Reise nicht auf (den gleichen) historischen Spuren wandelt, so ist doch hier ein wichtiger Verknüpfungspunkt beider Reisen. Um die Geschichte um Walter Benjamin komplett zu machen, fehlte mir noch die Besichtung des zentralen Mahnmals in Portbou, dem Flucht- und zugleich Todesort des Berliner Philosophen, der wohl mehr an seinem eigenen Zweifeln scheiterte – ein ebenso freier wie sensibler Geist, der sich in die Enge getrieben fühlte und nicht die letzte Chance im Flüchtlingschaos abwartete. Aus verschiedenen Gründen verfehlte ich das Mahnmal des israelischen Künstlers Dani Karavan schon gleich dreimal. Nunmehr sollte ich also den Abschluss dieser vergangenen Thementour finden. Im gleißenden Licht der Mittagssonne, die sich im Meer spiegelt, steige ich die Stiegen durch den rostfarbenen gebürsteten Stahlkorridor hinunter. Mit einer Glassplatte endet er im Fels über dem Meer, doch der Blick ist das blaue Gesicht – das Meer hier rein und schön, die Farbe unwirklich zu den Tränen, die es einst fassen musste. A-STONE-ishing im Gedenken. Vertonung des Todes von Walter Benjamin: Brian Ferneyhough: „Amphibolies II (Noon)“ aus: „Shadowtime“ (4:31 min.).

Nach dem Denkmalbesuch empfinde ich eine Erleichterung, so als hätte ich eine Last abgestreift, die angespannte Erwartung weicht dem leichten Sommergefühl, dass ich folgend vom Mittelmeer erwarte. Es beginnt eine neue Reise – jetzt und hier wohl endgültig – doch sollte die Leichtigkeit nur von kurzer Dauer sein. Schon am späteren Nachmittag sorgte giftiger Küstenregen und ein knallharter Anstieg für das ganz profane Leiden des Radlers im Gefecht mit den Naturcharakteren. Und so verschwindet die große Geschichte mal wieder hinter den vielen kleinen Radgeschichten, die so ein Drahteselritt mit sich bringt.

Der besagte Anstieg führt hinauf – logisch, dass es hier wieder um Himmlisches geht – zu den Gebeinen von Petrus. Zumindest gibt es die Legende, dass Reliquien des Apostels hierhin einst gerettet wurden, da Rom damals von den Germanen bedroht war. Selbst die gesicherte Klosterexistenz reicht aber bereits in die Zeit vor dem Mittelalter. Für den hochwertigen Schatz spricht heute, dass die Tore abweisend verschlossen wirken und das Gelände von einem unfreundlichen Hund verteidigt wird. Offiziell sollen aber auch Besichtungen möglich sein. Da ich nicht nur über alte Knochen sprechen möchte: Der Ausblick auf dieser Route muss wohl grandios sein, wenn – ja, wenn – es mal gute Sicht geben sollte. Weiter unten fällt der Blick auch noch weit hinüber über das gesamte Cap de Creus, die Bucht von Roses lässt sich erahnen. Weiter oben bleibt es bei Nordblicken. Die Fahrt durchs Felsenmeer ist sicherlich a-STONE-ishing!

Unterhalb des Klosters zur westlichen Seite finden sich dann mehre Dolmen, wobei natürliche oder menschliche Steinanordnung schwer zu unterscheiden ist. Auch hier also Legenden um Tote, Geister und Gebeine. Fast wieder irdisch wird es weiter unten in der Ebene, die durch ein ausgefeiltes Bewässerungssystem fruchtbar gemacht ist. Erstaunlich, wie über kilometerlange Strecke die meist auf Pfeilern gesetzten Wasserrinnen ein wirksames Gefälle haben. Wahrscheinlich sind auch Pumpen hier und dort versteckt. So gelingt in dieser Ebene des Empordà auch der Anbau von Reis – eine geschätzte Spezialität der Region.

Solche Fruchtbarkeit verlangt natürlich nach überirdischen Erklärungen. Ein Sardana-Lied, traditioneller Tanz der Region, behauptet gar, dass Gott bei der Entstehung der Welt hier den Frühling verbrachte. So gesehen wären die Petrus-Gebeine in der Nähe nur zu verständlich. Schöner ist jedoch die Legende zu hören, demnach ein Hirte aus den Pyrenäen hinabstieg, um den widrigen Bedingungen der Berge zu entfliehen, sich dabei in eine Sirene verliebte und aus Liebe sie dann gemeinsam das Empordà als fruchtbare Ebene schufen („die lächelnde Ebene“). Joan Maragall zeichnet für die literarische Gestalt der Legende verantwortlich, Enrico Morera sorgte für die pathetische Vertonung mit viel Katalanenblut: Enrico Morera „L’Empordà“ (4:34 min), instrumentale Orchesterfassung.

Kehren wir auf den Sattel von Pirineosaurus zurück. Zunächst helfen einsame Sträßlein durch die Ebene. In Castello d’Empúries verliere ich einen Moment die reguläre Straßenroute aus den Augen. Stattdessen lädt eine ausgeschilderte Radroute ein. Überhoher Schilfbewuchs, naturnahe Kanäle mit laichgeschwängerten Algenschwämmen und Siele durchziehen die Ebene. Doch bald schwindet der Asphalt und die Piste wird teils ungenehm holprig, öde Ackerkrummen rechts und links. Landwirtschaftsverkehr staubt die Saurierhaut ein. Die Piste hält auf. Später vor Sant Pere Pescador dann wieder besser, teils mit Holzbohlen, neues Holzbrücklein, wieder feuchte Biotope.

Ich befinde mich auf Pirinexus, einem Radweg aus der Saurierzeit, der einst zu Ehren von Pirineosaurus gebaut wurde, als ihm noch saurische Radhelden zu Füßen lagen. Pirineosaurus wird wehmütig, dass er nochmal Pirinexus beradeln darf. Der prähistorische Saurierradweg wurde mit 1,65 Mio. Talern binnen drei Jahren aus den Kassen der EU wieder Instand gesetzt. Er verbindet Frankreich mit Spanien (Roussillon – Costa Brava – Alt-Empordà – Girona – Garrotxa – Ripolles – Roussillon) und ist eine der längsten geschlossen Radrouten (366 km) über Land in der Region und wohl in ganz Spanien. Pirinexus kann man als Rundkurs fahren und führt auch über den Pyrenäen-Hauptkamm mit dem Col d’Ares. Dabei werden verschiedene Vias Verdes einbezogen und mindestens in Teilen gibt es eine spezifische Infrastruktur für Radler (Bed-&-Bike-Betriebe, Werkstätten, Picknickplätze, Brunnen). Es versteht sich von selbst, dass einige originale Anteile mit unwirscher Feldwegpiste aus den Zeiten von Pirineosaurus erhalten wurden. Das förderte Pirineosaurus’ rüttelige Kindheitserinnerungen, wenngleich er nicht alles gut findet, was aus seiner Zeit stammt. Für alle, die mal auf saurischen Spuren wandeln wollen: Pirinexus.

Der Tag endet in einem Fischerdorf, wie er eben nur dort enden kann: Mit einer Portion Regen und frischem Fisch im Fischrestaurant. Nicht nur der gebackene Stockfisch überzeugte mit einer feinen Note in Sauce und Beilagen, sondern auch der Gastwirt entpuppte sich als kosmopolitischer Geist, der bereit war, ein paar Anmerkungen zur spanischen Wirtschaftskrise und zur anstehenden Unabhängigkeitsbefragung der Katalanen zu machen. Als vielgereister Gastronom wusste er um Unterschiede in der Essenskultur – ein zweifellos für mich ergiebiges Thema. Die spanische Wirtschaftskrise war auch bei ihm angekommen, wenngleich in einem Touristenort an beliebten Stränden das Geschäft noch nicht ganz versiegt ist. Insbesondere bleiben die Einheimischen unter der Woche aus, man trifft sich mehr zuhause um zu sparen. Am Wochenende (nicht Sonntag) ist aber der Andrang weiterhin hoch, ganz ließe sich der Spanier das Brot – will sagen: den Fisch – nicht vom Teller nehmen.

Mo 16.6. Sant Pere Pescador/Camping Aquarius – via Strandpiste – L'Escala – Bellcaire d'Empordà – Torroella de Montgrí – (Pals) – Platja de Pals/Illa Roja – Pals – Peratallada – Vulpellac – Palafrugell – Mont-ras
79 km | 15,9 km/h | 4:56 h | 475 Hm
W: meist sonnig, 27 °C, nachts mild
Ü: C Relax Nat Mont-ras
AE (C): Crevetten-Cocktail, Hähnchenschnitzel, Pf, gegr. Tomaten, Eis, Rw 16 € (–)
B (Torroella): Museum für indian. Kultur 0 €

Zurück am Meer, nun großer Sandstrand. Weite Blicke, noch oder wieder dunkle Wolken, aber trotzdem das Sommergefühl der Brise, die Schaumkronen brechen aus dem blassen Blau heraus im diesigen Licht, kraftvoll in der Masse im Meer, überschlagen und ertränken sich selbst. Um den nackten Fuß auf Sand bleibt nur noch ein zartes Prickeln aus feinen Bläschen zurück. So endet das Wasser zahm und kehrt doch zurück in den wilden Pool mit seinen dunklen Tiefen, dem unsichtbaren Schlund, aus dem immer wieder neue Muscheln hervorgespült werden, in denen vielleicht Sirenen wohnen. Hier aber sind keine Sirenen, nur vereinzelte Frühstrandläufer von den Campings oder mal ein Frühbader – wie ich es mir nicht nehmen lasse. Strand ist aus Sand ist aus zerriebenen Stein und hier in jedem Fall ergo a-STONE-ishing.

Eine weite Strecke lässt sich auf fester Piste gleich in Strandnähe passieren, der Weg verläuft z. B. hier direkt zwischen Camping und Strand, woanders auch schon mal hinter einem Camping-Gelände. Ganz durchgehend geht das mit Radl nicht bis L’Escala. Ein Straßenabschnitt liegt dazwischen, dann unmittelbar in der Bucht von L’Escala fährt man auf einem luxuriösen Strandpromenadenradweg samt Veloverleih an der Strecke. Die imposanten Ausgrabungen von Empúries liegen zwar auch an dieser Strecke, doch ist das Gelände eingezäunt und nur per Eintritt zu gesitteten Touristenzeiten nach Hotelfrühstück zu besichtigen – also ab ca. 10 Uhr. Für mich eine zu lange Wartezeit, obwohl ja thematisch für meine Tour auch a-STONE-ishing. Pirineosaurus kann es verschmerzen, man muss nicht alle Römer kennen lernen. Unweit per Extratour an der eigentlichen Zufahrtstraße zu L’Escala gibt es übrigens weitere, unauffälligere Ausgrabungen im freien Feld.

L’Escala, alter Fischerort, lässt auf der Strandpromenade versteinerte Figuren in Trompeten blasen. Sie stehen für die Habaneras, Lieder, die weit gesegelte Seemannsleute aus Kuba mitbrachten, und heute noch als regionale folkloristische Kultur gepflegt werden, wenngleich sich die Musik weniger erneuert und weiterentwickelt hat als die Rhythmen auf der karibischen Zuckerinsel selbst. Pirineosaurus lässt noch mal eine traditionelle Habanera in seinem Ohr erklingen, wobei hier die kräftigen Bläserbegleitungen fehlen, für die es größere Ensembles braucht und die nicht zu jeder Seemannsstunde sich zusammenfinden konnten: Gavina „L’Escala“ (3:47 min.).

Weil mir der Campingwart am Morgen von dem Experiment abgeraten hatte, eine küstennahe Piste nach L’Estartit zu fahren, wähle ich die weitgehend flache und fast schnurgerade Route durch die lächelnde Ebene, wieder teils mit Reisfeldern, nach Torroella de Montgrí. Die küstennahe Piste soll weder landschaftlich reizvoll, zudem von übler Qualität sein. Ein Zugang zur blauen Grotte Foradada würde es auch nicht geben – das sei nur eine Sache für eine touristische Bootstour. Statt Grotte finde ich also an der Straßenroute auf einem kleinen Hügel das reizvolle Örtchen Bellcaire d’Empordà mit einem Kirchenschloss. Auf der Suche nach einer Nebenroute weist mir ein holländischer Rennradler den Weg. Die gemeinsame Fahrt von Bellcaire direkt via Ulla nach Torroella (ein wenig hügelig, auch nicht schnurgerade wie die Hauptstraße) bringt mich aber an mein Leistungslimit und hinterlässt eine feuchte Schweißspur auf der nunmehr sonnengetränkten Hinterlandstrecke.

In Torroella habe ich dann Lebewohl gesagt, nicht nur um das Tempo wieder zu drosseln, sondern auch weil Torroella sehenswerte Gassen bereit hält. Sicherlich ist es selbst mit geschobenem Rad nur schwer, die Touristenströme zu durchwaten, am Markt ist es für mich dann schon fast gefährlich von breitbäuchigen Spezialitätenkostern erdrückt zu werden. Ein Paar aus London, selbst wohl eher unsportlich orientiert und durchaus nicht ganz ohne Ähnlichkeiten zur Leibesfülle Churchills, gleichwohl kosmopolitisch wie kulturell aufgeschlossen, spricht mir euphorische Lobesbekundungen zu ob meiner großen Pyrenäenpläne mit Gepäckrad. Sie erweisen sich als Insider der Pyrenäenwelt, können die meisten meiner anvisierten Regionen zuordnen und sind entsprechend begeistert von meiner pirineosaurischen Entdeckerfreude.

Erwähnenswert sind in Torroella zwei Museen, von denen das von mir vordringlich begehrte private Fotografiemuseum leider erst ab 17 Uhr die Tore öffnet. Dem unscheinbaren Gebäude liegt direkt gegenüber ein architektonisch sehenswerter Innehof mit Spanien-typischem Patio samt Brunnen und pastellfarbenen Gewölbebemalungen. Das Haus beherbergt ein Museum für indianische Kultur, besser gesagt für indianische Motive in der spanischen Kultur. Die Bildnisse sind nicht nur Gemälde sondern auch kunstvolle Darstellungen auf Alltagsgegenständen oder insbesondere auf Kacheln, also zur Zeit der Kolonialisierung ein in besseren Häusern üblicher Wandschmuck. Was original indianisch oder nur indianisch geprägt spanisch ist, bleibt für mich zuweilen unergründlich, da es keine fremdsprachigen Erläuterungen gibt.

Nach soviel Trubel ist es Pirineosaurus nach Meer. Ich wollte speziell zum Illa Roja (der Name wird mehrfach an der Costa Brava verwendet), unmittelbar bei der Platja de Pals (weiter Sandstrand) nach Süden anschließend eine kleine Bucht mit einem markanten Felsen. Pirineosaurus sucht ja a-STONE-ishing things, also so was wie Illa Roja. Das Rad muss man allerdings zuvor abstellen, geht unter einem Baum, danach stapft man nämlich ein Stück durch Sand. Ein deutsches Paar fragte ich hier nach einem fahrbaren Übergang nach Begur. Sie erwiesen sich trotz zwei Wochen Urlaub vor Ort als eher unkundig. Denn entgegen ihrer Auskunft gibt es tatsächlich eine Überfahrmöglichkeit durch Villengebiete oberhalb der Felsbucht, wenn auch etwas weiter dahinter. Das konnte ich mir aber erst am nächsten Tag zusammenreimen, da diese Straße nicht ausgeschildert ist (Vermeidung von Durchgangsverkehr). Auch führt unmittelbar vom Felsstrand eine Treppe nach oben zum Villengebiet, wo man wiederum dann eine Straße nach Begur finden müsste bzw. eine Treppe zum Strand von Begur. Diese Treppe mit Rad tragend zu bewältigen wäre allerdings eine ziemliche Schinderei und wegen der Sandbarriere kaum möglich.

Sowohl Pals als auch Peratallada sind pittoreske Perlen der Costa-Brava-Region, gehören zu den sehenswertesten mittelalterlichen Orten mit einer Reihe von kleinen Geschäften und Ateliers mit Kunst, Kunsthandwerk, auch Kitsch und regionalen Spezialitäten wie etwa Reis und Schokolade. Prädikat: 2 x a-STONE-ishing! Da möchte ich die Schokolade aus Pals besonders hervorheben – eine Eigenproduktion mit besonderer Note, blockiger als feine Schokoladen sonst sind, aber intensiv im Aroma (Minze, Orange etc.) und sehr kakaohaltig, nicht süß, aber auch nicht penetrant im Kakaopulver erstickt, wie es mittlerweile im Kakaoprozentewettbewerb schon mal häufiger vorkommt.

Gewiss muss man mit größerem Besucheransturm rechnen, zur späten Nachmittagszeit fand ich beide Orte aber angenehm besucht vor, Peratallada wirkte schon fast ausgestorben bis auf wenige Gäste in ein paar Restaurants. Peratallada liegt auch schon weiter im Hinterland, nicht mehr an der Strandzubringerroute, die an Pals vorbeiführt. Auch ist Peratallada kleiner, weniger Gemäuer zu besichtigen, aber dafür charmanter, fast schon gefährlich idyllisch, weil in Krisenzeiten nahe am Vergessenwerden, zumindest abends.

Die Verbindung La Bisbal d’Empordà – Palafrugell ist dann schon wieder eine betriebige Verkehrsachse, die auch landschaftlich keine Attraktionen vorzuweisen hat, während auf den Nebenrouten zuvor immerhin da mal ein Reisfeld, dort mal ein hübscher Landblick zu erhaschen war. Das FKK-Camp Relax-Nat Mont-ras ist zwar auf verschiedenen Nebenwegen zu erreichen, dann aber ab Palafrugell nicht ausgeschildert. Wohl gibt es nur auf der Hauptstraße nach Palamós einen Wegweiser. Der Nase nach oder mit Fragen am Wegesrand gelangt man aber auch hin. Überraschend liegt es am Hang recht beschaulich, recht abseits südlich von Palafrugell und zudem unweit von der Piste Le Tren Petit, einer Via Verde von Palafrugell nach Palamós.

Di 17.6. Mont-ras – Palafrugell – Begur – Cap de Forn – Cala Sa Tuna – Begur – Fornells de Mar – Aiguablanca – Tamariu – Llafranc – Calella de Palafrugell – Palafrugell – via Radpiste – Palamós – Sant Antoni – (Calonge) – Romanyà de la Selva
77 km | 11,1 km/h | 6:55 h | 1540 Hm
W: heiter, bewölkt, später Regen, abends sehr kühl 26-16 °C
Ü: C wild 0 €
AE (Can Roquet): Tintenfisch mit Artischocke, Nieren, Pf, Rw, div. kulinarische Mousse & Crème, Gorgonzola-Eis/Rotweinbirne, Cafe 48,20 € (+)

Gleich bei Ankunft wollte des Abends zuvor mich ein älterer Engländer, selbst Rennradler, zu einem Kaffee einladen. Daraus wird jedoch nichts, da nach dem Essen im ansässigen Restaurant er bereits samt Frau entschlummert und ich am nächsten Morgen wieder auf Achse war und ursprünglich mal angedachten Ruhetag hier entfallen ließ. Ich bin zwar den angedachten Ruhetag-Rundkurs über Palafrugell – Begur – Calella de Palafrugell – Palafrugell gefahren und abschließend wieder am Camp vorbei, habe mich aber fürs Weiterfahren entschieden.

Dieser angesprochene Rundkurs um das Cap de Begur herum (es gibt für jeden Zipfel eine eigene Cap-Bezeichnung) umfasst einen sehr steilfelsigen Küstenteil der Costa Brava – wahrlich also a-STONE-ishing. Es geht die engsten Windungen sowie heftigsten und gehäuft folgenden Rampen rauf und runter. Ja sogar sind viele Buchten nur per Stichstraße erreichbar und man muss abwägen, was man alles erradeln möchte. Nicht durchgehend gibt es Meerblick, es ist nicht DIE Traumstrecke der Costa Brava, manchmal schon fast etwas durchschnittlich. Will man mehrere der einzelnen Buchten erleben, empfiehlt sich ein mehrtägiger Aufenthalt mit kleineren Tagesstrecken. Die Buchten sind wie Fliegenfallen – vor dem Runterfahren gut überlegen! Egal welche Richtung, braucht es reichlich Körner für das Zurück. Wie mir ein belgischer Rentner, mit festem Quartier dort in einem der höher gelegenen Siedlungsflecken acht Monate des Jahres verbringend, erklärte, seien in jüngerer Zeit um Begur viele Radler unterwegs, will sagen, viele, die auch dort wohnen. Früher, so meinte er, habe es dort gar keine Radler gegeben. Deswegen entstehe auch immer mehr Radinfrastruktur. Siehe da, die aus dem Norden geflüchteten Schönwetterrentner im Süden werden sportlicher und die Frührentner jünger, weil das Geld schneller verdient ist. Golfplätze (= Invalidensport) reichen nicht mehr. Radfahrer, die neue Bonzengeneration!

Die Stimmungen der Buchten waren für mich schon deswegen an dem Tag sehr verschieden, weil das Wetter sehr wechselhaft war, meist stark bewölkt, trübe, nieselig, auch Schüttregen später, dazwischen aber auch sommerlich sonnig aufgeheitert. Es ergab sich für mich eine Sonnenbadepause in der Cala Tamariu, mit einem kleinen Stranddorf, sehr dezent und ruhig noch. Die Kugel Eis kostet 3,50 Taler und ist kleiner als zu saurischen Zeiten üblich. Das ist der stattliche Aufpreis für sonst kostenloses Meeresblau. Die schillerndsten Smaragdfarben sah ich in der Cala Fornells, die Sandbucht dort ist zwar traumhaft, es gibt aber nahezu keine gut erreichbaren Nebennischen und umliegend einige unerfreuliche Hotel-/Apartmentpaläste. Ein dezenter Ort mit offenbar auch einer preiswerten Übernachtungsmöglichkeit gruppiert sich an der Cala Sa Tuna. Nicht für Reiche und Schickeria. Unmittelbar der Strand ist klein und von Felsen begrenzt, man kann jedoch auf nicht sichtbare Nebenbuchten noch recht einfach über die Felsen hinweg ausweichen.

Direkt in der Bucht von Begur ist auch wenig Platz, wenngleich goldfarbener Sand, garantiert gepflegt. Ein Teil dient einer Auslegefläche für Bootsrenovierungen. Das sieht zwar fotografisch schön aus, die frischen Farben stanken aber ziemlich unangenehm. Aber es wird auch nicht jeden Tag auf Fischerkähne gemalt. Wie schon oben erwähnt, kann man aber auf dem Treppenwege schnell zur Illa Roja gelangen, der Fels ist hier unmittelbar greifbar. Sehenswert ist der Ort Begur weit oberhalb der Strandbucht, mit nicht nur alten, sondern auch lebensfreudig bunten Fassaden. Vor allem die Aussicht am südlichen Ortseingang mit weiter Sicht nach Norden über die auf das alten Begur mit der darüber thronenden Burg ist einen kleinen Traumblick wert.

Die belebtesten und größten Strandorte liegen ganz im Süden auf der Runde. Llafranc mit eher klassischem Strandtourismus dank des größeren Sandstrandes und Calella de Palafrugell mit eher beengtem Ortsstrand, dafür schmucken weißen Häusergassen, gehen ineinander über und bilden eine vollwertige Strandstadt, während man die anderen bebauten Buchten eher als Strandweiler bezeichnen könnte. Weitere Expeditionen etwa zur Cala Estreta südlich von Calella de Palafrugell waren mir nicht vergönnt, weil ich mich der zunehmend schlechten Witterung beugen und gesichert feste Wege suchen musste. Die Straße führt also zurück nach Palafrugell (eine eher zweckmäßige, untouristische Binnenstadt ohne für mich erkennbare Attraktionen) und gleich vor dem Ortseingang mit Jazzclub mitten im Felde auf die o. a. Via Verde nach Palamós. Abwechslungsreich durchaus, mal ein Steinbrücklein, ein Bachlauf, verschiedenes Geäst, auch Maisfelder – streng dunkelgrün fast wie Stahlstäbe wirken sie unter den tief hängenden Wolken.

Palamós ist ein größerer Fischerhafen mit Tradition, eindrucksvoll an der Fischmarkthalle zu erleben. Von der noch dekorativen Felsseite im Norden eröffnet sich bald der Blick auf das Siedlungsband vor den Sandstränden, die sich jenseits der Hafenanlagen in einem weiten Bogen nach Süden ziehen bis die nächste Felsgrenze folgt. An der Fischmarkthalle regnet es Hunde und Katzen – Gelegenheit das Händlertreiben zu verfolgen. Das versteckte Wunder des Meeres beschreibt Mercé Rodoreda so: [/i]“Da lagen Aale, Rochen, Hechte und Seeskorpione mit ihrem riesigen Kopf, mit dem sie wie gemalt aussahen, und mit ihrem Stachel hinten am Rücken, wie Dornen einer Blume… Und all das kam aus diesen Wellen, die mich innerlich so leer machten, wenn ich mich vor sie hinsetzte, all diese hervorstehenden Augen und all diese stacheligen Schwänze.“[/i] (im Original aus „Auf der Plaça del Diamant“)

Die Fische sind hier nicht nur fangfrisch, sondern auch die exakte Herkunft ist ausgewiesen. Den Auffälligsten, eine Art Drachenfisch, hat es am Cap Roig erwischt – trotz seiner gefährlichen feuerroten Farbe und den martialischen Stacheln. Der dickste Fisch würde zwei große Radtaschen ganz füllen. Solche Exemplare sind nur für Gastronomen interessant. Es gibt Streit um den Preis. Wieder und wieder wiegt der Gastronom den Fisch, verlangt eine andere Waage. Stimmt das Gewicht? Hat er Blei gefressen? Da fällt der Kilopreis wortwörtlich schwer ins Gewicht. Das Tier war ihm aber zu sehr ans Herz gewachsen. Am Ende nimmt er den Prachtkerl und zahlt mürrisch. Wie viele Fischteller wird dieser Fisch ergeben? 20, 30, 40? Arbeitsessen für ein Orchester? Ich leiste mir hier nur ein Glas mit streichfähiger Fischfarce direkt von der Frau vor der Halle – das ist eher das kleine Geschäft für die touristische Laufkundschaft, die im Regen ausbleibt. Die Profis sind drinnen in der Halle bei den großen Fischen. Alles fast wie im Börsengeschäft.

Im leicht abflauenden Regen radle ich weiter, unwissend, wo ich eigentlich am Abend landen soll. Das Zeitfenster ist mal wieder kräftig geflutet worden. Ein bisschen wird mein Mut belohnt, der Regen legt sich langsam. Die Straße nach Romanyà zweigt noch vor Calonge ab. Und schon ist man in der Einsamkeit. Keine drei Kilometer entfernt ein Souvenirladen an den anderen, Massentourismus pur. Hier ländliche Idylle, gerollte Heuballen, gespreizte Schirmkiefern, letzte Weiden und Häuser, dann gar Wald und gelauschte Stille. Die Steigung hinauf ist weich, später etwas steiler. Die Baumstämme oben werden flechtiger – grün-silberne Mystik. Zur Linken auf einmal überdimensionierte Köpfe auf Steinsockeln. Der eine könnte ein europäischer Lehrer sein, die anderen sind indianisch – mit Federschmuck im Haar, also nordamerikanisch. Ein privater Sammler oder ein neuer Museumsgarten? Ich finde keine Hinweise.

Stattdessen steht auf der Straße die passende Anfeuerung: „Bravo, Mathias, allez!“ Ich bin etwas verwundert, zumal die Kreideschrift wie frisch aufgetragen wirkt. War da jemand heimlich kurz vor mir zu Gange? Steckt dahinter Die Möwe von Cerbère? Kann Sie sogar mit Kreide schreiben? Hat sie vielleicht die Waldschrate und Wurzelgnome angerufen, selbiges zu tun? Das könnte den kleinen Schreibfehler erklären – eine Übertragungsstörung in den übersinnlichen Netzwerken. Pirineosaurus spürt geheimnisvolle freundschaftliche Schwingungen. Als hätte er Flügel, treibt es ihn den Berg hoch.

Dann ein Parkplatz, eine Erklärtafel, rotbraun der Waldboden von verdorrtem Laub und abgestorbenen Kiefernnadeln, sodann Steine. Eine kommunikativ gestaltete Versammlungsanordnung von Megalithen, vorchristliche Grabkammern, als wäre es ein Timeout bei Basketballern. Auch Zähne und Knochen will man gefunden haben, 4000 Jahre alt. Man könnte sogar meinen, das Granit-Arrangement erinnere an ein übergroßes Gebiss. Ein Gebiss der Zeitgeschichte sozusagen und bissfest bis in die Ewigkeit. Die Gegend hier ist voll mit Megalithen, die Dolmen de la Cova d’en Daina sind aber das eindrucksvollste Ensemble. Eindeutig a-STONE-ishing. „Im Zweifel auch ein guter Platz fürs Wildcampen“, denke ich schon mal etwas voraus. Der Schlafende ist ja quasi der lebende Verbündete des Toten.

Nach einer kleinen Zwischenabfahrt gelange ich zur nächsten Anhöhe – das Dorf Romanyà de la Selva. Es ist kaum zu erkennen, dass hier Menschen leben sollen. Die Residenzen verteilen sich irgendwo gut versteckt hinter der mittelalterlichen Kirche, die zusammen mit etwas weiterem altem Steingemäuer ein anmutig sanftes Abbild des rötlich absorbierten Abendlichtes liefert. Selten wirkt ein so entlegenes Dörfchen so einladend, ja strahlt gar eine poetische Heimeligkeit aus. Klar doch, denn die katalanische Schriftstellerin Mercé Rodoreda ließ sich hier einst nieder. Sie lebte eine Zeit im Exil, weil ihre Sprache für die Franco-Faschisten zu gefährlich war und die Franco-Faschisten zu gefährlich für sie. Dann musste sie folgerichtig im besetzten Frankreich auch noch vor den Nazis fliehen, denn Faschisten, egal welcher Prägung, fürchten das wahrhaftige Wort. Es ist wohl so, das besondere Orte einen eigenen Atem haben, der nicht nur passende Menschen anlockt, sondern auch die Aura dieser Menschen im Gepräge weiter trägt. Die Geschichte wächst dem Geiste nach, die Mauern tragen ihn fortan in sich umschlungen. Romanyà ist jedenfalls Stein gewordene Poesie. A-STONE-ishing!

Wie kann es sein, dass ich in Romanyà den Tag beende, kein Camping, kein Hotel, keine Herberge – doch immerhin: ein Restaurant (offiziell soll es ein zweites geben, das aber geschlossen hatte). Das Restaurant heißt „Can Roquet“, eigentlich mit Außenbereich, doch der Kühle und Feuchte des Abends gezollt, an diesem Tag nur in den Innenräumen betrieben. Das Restaurant ist im Guide Michelin geführt, zwar kein Sternerestaurant, aber doch ein Gourmetrestaurant. Die Preise sind natürlich hoch für kleine Talerbeutel, doch mir gerade noch genehm. Ich beschließe teures Essen, ein Platz fürs Zelt wird sich schon finden. Das Ambiente ist schon etwas edel-bieder, das Publikum aber eher locker unkonventionell. Mir scheint es ein Übermaß an Personal zu geben. Das bräuchte man natürlich, wenn draußen auch noch Leute sitzen würden. Die Karte gibt es nicht nur in Englisch, sondern alle Gerichte werden auch persönlich vom Service erklärt.

Die Tintenfische mit Artischocken haben schon eine besondere, feine Note, die Nieren mit schlichten Pommes frites hätten schon noch etwas mehr Mühe rundum haben dürfen. Da kann man z. B. die Kartoffelkreation etwas einfallsreicher gestalten – das haben schon Nichtgourmetrestaurants deutlich besser hinbekommen. Das Dessert mit Gorgonzola-Eis und Rotweinbirne sicherlich der Menühöhepunkt, insgesamt aber nicht ganz das versprochene Niveau. Etwas weniger Klischee à la Haute cuisine wäre auch angebracht, denn schließlich will ein Saurier auch satt werden. Die besten Kreationen waren kleine Extras, die ungefragt zu Anfang und zu Ende serviert wurden. Kleine Schälchen mit verschiedenen Arten von salzigen und süßen Mus mit durchdacht abgestimmten Geschmacksaromen.

Frech wie nur ein Pirineosaurus sein kann, habe ich den belgischen Restaurantchef anschließend gefragt, ob ich denn die Gartenbereiche zum Zeltaufstellen nutzen dürfe, derweil ich ja am frühen Morgen weitgehend ungesehen das Gelände verlassen würde. Derartige Ansinnen habe ich schon mehrere hinter mir, die alle erfolgreich verliefen, da man mich zuvor als guten Kunden gerne gesehen hatte. Je exklusiver die Gaststube, desto freundlicher sogar. Doch der ehrgeizig wirkende Belgier wies diese Bitte ab, erklärte, dass sein Gelände auch nur klein und gleich beim Nachbarn ende. Mir hätte es allemal gereicht. Nun ja, unweit fand ich Platz auf einem Höhenfeldweg unweit eines Denkmals, dessen Bedeutung ich nicht erkunden konnte. Die Dolmen waren mir doch zu weit weg und hier gab es ja auch einen Toten als Schutzheiligen. Jedenfalls ist das Monument nicht zu Weihen von Mercé Rodoreda, die aber just dieses Jahr ein Ehrenmal in Romanyà erhielt.

Mi 18.6. Romanyà de la Selva – Llagostera – Alt de Sant Grau (476m) – Sant Grau – Salionc – Tossa de Mar – Cala Llevadó – 3 – Tossa de Mar
47 km | 12,7 km/h | 3:38 h | 840 Hm
W: sonnig, nachmittags bewölkt, Regen, Gewitter im Land, 26-21°C
Ü: C Cala Llevadó 18,60 € (regulär 25 €)
AE (C): gegr. Gemüse, Seeteufel, Kart., Eisbecher, Cafe, Rw 25,20 €

Der Tag sollte nun auch wieder Ruhetag sein, der einzig verbliebene am Meer. Ich war natürlich noch weit weg, erreiche Tossa de Mar erst zur späten Mittagszeit. Während ich morgens auf dem Rad mit Schweißperlen großzügig um mich schmeiße, wird das Strandvergnügen alsbald am Nachmittag deutlich eingetrübt, ein feiner Regen und unangenehm kühle Luft lassen mal wieder die Galerie fehlgeplanter Ruhetage erweitern, obwohl es ja nur ein halber war. Zuvor aber besichtige ich das noch intensiv sonnenbeschienene Llagostera. Auch auf einem Hügel gelegen, ist ein Teil der ehemaligen Burganlage auf der obersten Plaza noch zu finden. Typisch für den Ort sind einige modellhafte Häuser der Modernisme.

Einsam fährt sich über Sant Grau zur Küste. Nach Schafweiden und bewaldeten Stücken entfaltet sich auf der Meerseite unterhalb von Sant Grau ein beeindruckendes Kurvenlabyrinth mit grandiosen Meerblicken. Natürlich fliegt man dabei auch an viel Stein vorbei – schlicht a-STONE-ishing. Bei der Wallfahrtskirche Sant Grau wollte ich eigentlich eine Piste durch das Küstengebirge fahren, um direkt bei Tossa de Mar ans Meer zu stoßen. Die Piste macht mir aber keinen vertrauenswürdigen Eindruck, zumindest würde ich dort länger brauchen als die längere, weil eckige Variante auf Asphalt, durch die ich ein Teilstück der Küstenstraße zweimal fahren werde.

Die Straße trifft bei einer Ansiedlung ans Meer, die sich kaum als Ort bezeichnen lässt. Das gilt eigentlich für die gesamte Küstenstraße zwischen Sant Feliu de Guixols und Tossa de Mar. Nicht einmal die recht große Verbauung Canyet würde ich als Ortschaft bezeichnen. Es gibt hingegen vereinzelte touristische Komplexe, eine Bucht beherbergt einen Camping. Wo wenig Menschen, da auch wenig Autos. Gewiss ist dieser Paradestraße der Costa Brava auch ein Touristenziel, doch gibt es nahezu keinerlei Transitverkehr, selbst der Lieferverkehr ist gering, eher mal ein paar Klein-LKWs zu Baustellen. Ich bin hier mittags gefahren, anderen Tags zwischen Morgen und Mittag, wenngleich in der zweiten Junihälfte man sagen muss, dass es offiziell noch keine Hochsaison ist. Ich kann auch nicht erkennen, dass hier die Küste verbaut ist, auch wenn nicht jeder Felsen naturbelassen geblieben ist. Diese Küstenstraße ist also ein Radeltraum, nicht zuletzt sind auch viele einheimischen Rennradler dort unterwegs. Ich erlebe ein Festival der Blautöne, bis ins Smaragdene hinein, ein Glitzern und Blinken, eine Träumerei aus Licht und Farben, eine große Sinfonie für die Iris. Das alles im eher leichten Auf und Ab und mit viel Fels ums Meer rum – wiederum absolut a-STONE-ishing! Pirineosaurus juchzt.

Ich verlege die Besichtigung Tossa de Mar auf den nächsten Tag und fahre gleich durch zum Camping Cala Llevadó, um schon beschriebenen bescheidenen Strandnachmittag zu erleben. Der Camping verfügt über mehrere Strandbuchten unter einem steil gestaffelten Platz mit dichtem Pinienbewuchs. Zuweilen hat man von einigen Plätzen traumhafte Meerblicke. Allerdings liegt er drei Kilometer entfernt über einem Hügel hinweg zu Tossa de Mar, was einen lockeren Abstecher zum Nachtleben dort erschwert. Der Schrankenwart des Campings (es gibt eine ganze Rezeptionsadministratur) erahnt meine saurische Abstammung, aus der es bekanntlich nie möglich war, es in die gehobenen Verdienstetagen zu schaffen wie etwa die Säugetiere. Ich erhalte über 6 Taler Rabatt wie es für Mitglieder eines bekannten Motorenclubs, dessen gelbe Mitarbeiter aus göttlichen Wolkenpalästen heraus ihre Arbeit verrichten sollen, sonst üblich ist. Pirineosaurus empfindet tiefe Dankbarkeit, dass seine saurische Fortbewegungsart doch noch Gönner und Freunde hat.

Während ich mal wieder einem verpassten Strandflirt nachtrauere, derweil die Sirene mit einem Augenzwinkern auch vor dem schlechten Wetter flüchtete, beginnen im Camping-Restaurant die Spanier an zu singen „Viva España!“ – Was ist los? – Es geht offenbar ein Pirineosaurus unbekanntes Ballspiel, das den Menschenkindern sehr am Herzen liegen muss. Die Spanier besingen den Untergang ihrer eigenen Mannschaft, die von einer Tulpentruppe soeben aus einem bedeutenden Turnier geworfen wurde. Ist es jetzt Galgenhumor über die Niederlage oder gar Häme von Katalanen über niedergeknechtete Spanier? Man feiert die Feste immer, egal was passiert. Also auch die Untergänge. Nicht aus Stein und doch irgendwie a-STONE-ishing.

Do 19.6. Cala Llevadó – Tossa de Mar – Sant Feliu de Guixols – Platja d'Aro – Sant Antoni – Calonge – Coll de Ganga (205m) – (La Bisbal d'Empordà) – Cruilles – Monells – Puig Alt (484m)/Els Angels – Girona
97 km | 13,2 km/h | 7:22 h | 1475 Hm
W: sonnig, später bewölkt, Luft eher kühl, max. 26 °C, in Girona mild
Ü: H Alberg Cerverí 20 € m. Fr.
AE (El Museo del Vidi): gefüllte Kroketten, Lamm, Pf, Gemüse, Rw, warmer Schoko-Ku., Cafe 26,75 € (+)

Noch einmal geht es an der Costa Brava entlang, diesmal selbiges Stück vom Vortag zurück und weiter über Sant Feliu, Platja d’Aro erneut zum Abzweig nach Calonge in Sant Antoni. Zuvor durchstreife ich noch Tossa de Mar, die meisten Läden, Kneipen und Restaurants noch im Morgenschlaf. Eindrucksvoll zieht sich die mittelalterliche Festungsmauer um die Stadt bzw. den Küstenhügel hinauf. Sieben Türme geben der Stadt ein malerisches Bild, das zwangsläufig Künstler verschiedenster Couleur anlockte. Marc Chagall hat vom „blauen Paradies“ gesprochen. Dazu erklimme man die Küstenfels oder schaue einfach das Gesamtpanorama von Norden an.

Zurück nach Norden über die Küstenstraße – jubilierend, siehe Vortag. In Sant Feliu ist natürlich mit der idyllischen Costa Brava vorbei. Selbst schon ein städtisches Zentrum, beginnt nunmehr auch ein touristischer Streifen mit großem Andrang. Die Ortsgrenzen kann man kaum nachvollziehen. Deswegen ist aber noch nicht jeder Strandabschnitt überfüllt. Nischen und Lücken finden sich überall. Überraschend wenige Leute fand ich an der Platja d’Aro im Norden beim Wahrzeichen, dem Fels Cavall Bernat, der wie ein Hinkelstein mitten im güldenen Sand steht. Ein Objekt aus Pirineosaurus’ Sammlung von a-STONE-ishing things.

Der Abschied vom Meer fiel sicherlich schwer, doch Pirineosaurus sieht sich jetzt neuen Aufgaben gegenüber, weitere Felswunder warten. Zunächst steht ein landschaftlich eher unspektakulärer Übergang nach Girona an. Am Beginn steht Calonge, den Ort, den ich zwei Tage zuvor vorbei ziehen ließ. Neben der Burganlage mit einem großen Platz davor gibt es einige interessante Cafés. Ein kleiner Bummel lohnt. Doch leidet auch dieser Ort schon an auffällig wenigen Besuchern, alles tummelt sich am zugehörigen Strandteilort Sant Antoni. Der Coll de la Ganga ist leichter Pass, liebliche Landschaft u. a. mit Weinbergen begleitet das Auge.

Ich lasse die Keramikstadt La Bisbal d’Empordà aus, besichtige nur die kleinen Orte Cruilles (Turm, Kloster) und Monells. Nach Monells schaffen es weniger Touristen als nach Peratallada, ich kann auch keine Geschäfte ausfindig machen. Doch die Gassen mit Torbögen, die verwunschenen Blumenkübel, die Plätze mit einsam verlorenen Katzen oder ein stiller Brunnen in einer Häusernische strahlen unvergleichlichen Charme aus. Im Ort herrscht geheimnisvolle Stille, jeder Winkel atmet Schönheit aus der Ruhe. Sofern ein Mensch auftaucht, scheint er sich angemessener Unauffälligkeit verpflichtet. Schon fast wieder steingewordene Poesie. Hier werden Geschichten bestimmt nicht einfach erzählt, sondern mit einer sanften Melodie geflüstert. A-STONE-ishing.

Bis Madremanya hat der Radler einfaches Spiel, hübsch unauffällig bis auf ein Türmchen, dessen blau-weiße Dachzeichnung bayerisch anmutet. Bei Madremanya verunsichern mehrere Abzweige, man nehme nicht gleich den ersten. Das Ziel heißt kurz „Els Angels“, das verstehen alle, andere Kartenbezeichnungen kennt das einheimische Volk weniger. Die Höhe erfordert schon einen kräftigeren Pedaltritt, nicht zuletzt gerne von einheimischen Radfahrern zum Training genutzt. Oben beim Engel ist der Pass; nur wenig weiter hoch findet sich die Kirche nebst Aussichtsplattform. Pyrenäenblick mit Abendsonne. Ein Mountainbiker aus Girona bestätigt mir nochmal den Übernachtungstipp Alberg Cerveri, den ich von Pau habe, einem Saurierfreund aus der Nähe von Girona, der aber zur selben Zeit in nordischen Wäldern zum Bärenjagen unterwegs war. Der MTB-Fahrer berichtet noch über die vielfältigen MTB-Routen im Hinterland der Costa Brava, von der Popularität des Radfahrens und klagt über die Touristen, die Girona trotz Flughafen weitgehend vernachlässigen. Er meint, Girona wäre nur eine Kleinstadt.

Die Abfahrtsseite ist felsiger, Kiefern, keine Felder. Die Straße windet sich recht kompliziert, Girona ist erst spät zu sehen, kurze Einfahrt. Wohl habe ich den Rat missachtet, am Ufer der Ter entlang zu radeln und lande in der falschen Ecke am Bahnhof auf der Neustadtseite. Dort hilft mir ein Taxifahrer, von dem ich dann einen Stadtplan erhalte – so gesehen war der Umweg dann doch sinnvoll. Die Herberge ist unauffällig mitten in einer der alten Häuserfassaden zu finden. Ich bekomme ein Zimmer für mich allein, die Herberge ist kaum besucht, die Einrichtung sehr angenehm, besser als die Durchschnittsjugendherberge in Deutschland oder Frankreich. Nur wenige Schritte sind es zu Altstadtkneipen und Restaurants, die Auswahl allein fällt schwer. Studentischer Flair, viel Atmosphäre, eine Stadt mit hoher Lebensqualität, in der das Rad auch zum Alltag gehört.

Der blinde Pianist Tete Montoliu aus Barcelona ist vielleicht bis heute die bedeutendste Jazzfigur Kataloniens (1997 verstorben). Seine Virtuosität und sein Einfühlungsvermögen machten ihn zu einem brillanten Ensemble-Partner zahlreicher internationaler Jazzgrößen vom Bebop bis zur freien improvisierten Moderne eines Anthony Braxton. Auch die katalanische Volksmusik griff er in seinen Werken auf. Ideal also, ihn in das internationale Flair der Costa Brava und als identitätsstiftenden wie pulsierenden Geist der kosmopolitischen Urbanität der Region einzuflechten. Am ehesten kann man ihn als eine Stilikone des Hardbops à la Oscar Peterson bezeichnen, welches folgendes Beispiel untermauert: Tete Montoliu Trio „Blues for Perla” (8:55 min.)

Bildergalerie zu Kapitel 1 (213 Fotos):



Verantwortlich gezeichnet
Pirineosaurus Rex

Fortsetzung folgt

Geändert von veloträumer (12.02.19 12:40)
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#1088387 - 14.12.14 09:38 Re: Die Legende von Pirineosaurus [Re: veloträumer]
Bafomed
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Hallo Matthias,

schön, dass Du wieder einen Reisebericht über das Radfahrparadies Pyrenäen veröffentlichst - unverwechselbare Schreibe mit einer Fülle von kulturhistorischen und geographischen Hintergrundinformationen - das ist sehr unterhaltsame Radfahrprosa. Ich werde über die Feiertage mal regelmäßig hier reinschauen. Sicherlich werden sich zwischen Costa Brava und Biskaya unsere beiden Routen (ich war ja 2010 in umgekehrter Richtung unterwegs) ein paar mal schneiden.
Die Fotos sind übrigens auch super - ich fotografiere zwar auch gerne auf Reisen, aber so viel schaffe ich einfach nicht... peinlich

Gruß,
Martin

Geändert von Bafomed (14.12.14 09:46)
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#1088438 - 14.12.14 12:55 Re: Die Legende von Pirineosaurus [Re: Uwe Radholz]
veloträumer
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In Antwort auf: Uwe Radholz
Ganz rudimentär konnten wir, Mike, Denis und ich, im Sommer ja schon von deinen Kenntnissen dieser Weltgegend profitieren.

Ich finde es ja wieder schön, dass man vielleicht zu kurze Reisemomente, die ja auch oft zwangsläufig den allzu kleinen Urlaubszeiten geschuldet sind, wenigstens einen nachhaltigen Nachhall verursachen - also sich weiterhin den bereisten Regioen zugezogen fühlt und mehr über die Kultur und Natur wissen will. Nich selten ist es ja so, dass ich immer weniger über das bereiste Land weiß, je öfter ich mich daher bewege, weil jedes Fass, dass man berührt, wiederum ein Fass ohne Boden ist, dass daselbst in neue, unbekannte Gewölbekeller führt, in denen Schätze lagern.
Liebe Grüße! Ciao! Salut! Saludos! Greetings!
Matthias
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#1088445 - 14.12.14 13:07 Re: Die Legende von Pirineosaurus [Re: Bafomed]
veloträumer
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In Antwort auf: Bafomed
unterhaltsame Radfahrprosa

Ein gute Bezeichnung, auf die ich selbst noch nicht gekommen. In gewisser Weise wird sich der Fiktions- und Literaturcharakter mit zunehmender Lektüre erhöhen, was natürlich einer dramaturgischen Idee folgt, in der sich hoffentlich bis zum Ende dem Leser mehrere Sinnebenen eröffnen.

Zu den Bilder: Es sind ja schier unerschöpflich viele Traumbilder gewesen, für die ich Zeit hat, sie nachzuzeichnen. Das hätte ich auch nicht alles fotografieren können... zwinker

@all: Ich danke schon mal für die vorgelegten Blumenkränze. Ich werde versuchen, auf Umwegen Pirineosaurus eine Nachricht zukommen zu lassen, was allerdings selbst für Die Möwe von Cerbère ein recht schwieriges Unterfangen sein dürfte. Der trüben Witterung zufolge versuche ich sogleich eine weitere Folge hier einzustellen.
Liebe Grüße! Ciao! Salut! Saludos! Greetings!
Matthias
Pedalgeist - Panorama für Radreisen, Landeskunde, Wegepoesie, offene Ohren & Begegnungen
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#1088447 - 14.12.14 13:10 Re: Die Legende von Pirineosaurus [Re: veloträumer]
veloträumer
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KAPITEL 2 – CATALUNYA II
Spiegelbilder und Brückenflair, entlegene Täler und Wälder, Felsabbrüche und Wasserfallschönheiten, Würste und Kalisalz: Von Girona über der Vulkanregion Garrotxa durch Collsacabra/Vall de Sau und mit einem Hauch Montseny ins Salztal

Fr 20.6. Girona – Sant Martí de Llémena – Les Planes d'Hostoles – Sant Feliu de Pallerols – Coll de Bas (?m) – Bas – Coll d'Uria (700m) – Coll de Condreu (1020m) – Rupit (Camping)
73 km | 13,8 km/h | 5:11 h | 1295 Hm
W: sonnig, bis ca. 30 °C, abends sehr frisch
Ü: C Rupit 10,50 €
AE (C): Steak, Pf, Salat, Erdbeeren, RoséW, Cafe 15,45 €
B (Girona): Banys Àrabs 2 €

Morgens traf ich abends schon begrüßten Liegeradler am Frühstückstisch wieder, ein Franzose und Rentner, der sich auf Welttour bewegte und ein typischer Geschichtenerzähler war. Das lebenswerte Girona bestätigt sich auch zu Tage. Die augenfälligste Sehenswürdigkeit sind die bunten Häuserfassaden, die sich malerisch im Wasser spiegeln, welches man über architektonisch gelungenen Fußgängerbrücken überschreiten kann. Immer wieder ergeben sich neue Blickwinkel der Szenerie, Schatten- und Farbspiele, Spaliere und Perspektiven – eine inspirierende Spielwiese für Fotografen.

Kommt man in die Gassen des jüdischen Viertels, sind es Treppengassen, Steinbögen, kleine Brunnenplätze, begrünt mit überhängenden Pflanzen in Steinkübeln – fast alles in Beige- und Grautönen gehalten – ein städtisches Wohnzimmer mit dezentem Charme – die Reduktion der Auffälligkeit, ein starker Kontrast zu den Uferfassaden. Bunt ist es aber in den Läden, z. B. wird feine Keramik angeboten, filigrane Figuren und auch bunte Schmetterlinge in leuchtenden Kolibrifarben, wie sie Pirineosaurus liebt und sammelt.

Im Geschäft füllen schon Touristengruppen das knappe Platzangebot – so ganz vergessen, wie der Radler aus Girona meinte, ist die Stadt dann doch nicht. Zumindest morgens verliert sich das aber alles noch. Ich besuche einen Badetempel im arabischen Stil aus dem 12. Jahrhundert – schon fast aus der Zeit von Pirineosaurus. Stille Räume, keine orientalischen Mosaik-Schnörkel, die man aus Andalusien von den Mauren kennt, sondern fast asketische Schlichtheit. Soweit der Mensch hier Baden und Schwitzen ging, stand die Schönheit seines Körpers im Mittelpunkt, seine Reinlichkeit wie seine Sinnlichkeit. Auch ein Ort meditativer Verlorenheit. Eine kleine, aber feine Sehenswürdigkeit, von den Massen etwas umgangen. Selbstverständlich aus Stein – ein leises a-STONE-ishing.

Leise und meditativ sind auch die Klänge vom Hang, einem blechernem Klangschaleninstrument, welches der Tongebung karibischer Steelpans ähnelt, aber weicher nur mit der Hand geschlagen, berührt, angetupft wird. Das UFO-ähnliche Aussehen steigert noch die meditative Wirkung ins Außerirdische. Der Spieler direkt gegenüber dem Badeingang ist Peruaner, lebt mit seiner brasilianischen Frau in Girona und klagt über die Schwierigkeiten für Ausländer, qualifizierte Arbeiten zu finden (Frau in Teilzeit in der Krankenpflege). Durch die Krise drängt es die Außenseiter und Ausländer als erstes an den Rand der Gesellschaft. Er schlägt sich eher mit Gelegenheitsjobs durch und versucht mit Muschelschmuck und der Musik etwas Geld einzuspielen, eine CD bietet er auch an. Seine Stücke haben oft verschiedene südamerikanische Wurzeln, die Rhythmik erfährt dadurch eine ungewohnte melodiöse Lieblichkeit. Ich erzähle ihm vom Schweizer Reto Weber, der diesem Instrument im Jazzkontext zum Durchbruch verholfen hat, daselbst das Instrument eine Berner Erfindung ist (Hang = Berndeutsch für Hand). Er kennt weder Reto Weber noch offenbar die Herkunft des recht jungen Instruments. Ich spendiere einen Betrag etwa in Höhe des Eintrittsgeldes für den Badetempel. Er schenkt mir eine Muschel, die ich ab sofort als Glücksbringer in einem Taschenschlitz über Casco Nuevo platziere. So hat nun auch Pirineosaurus eine Muschel, obwohl er nie einen Pilgerweg im Zeichen des Jakobus abgebüßt hat. Klangbeispiel für das Hang: Chico Freeman & Reto Weber: Live at Schule Erlen

Die Ausfahrt Girona ist eigentlich noch leichter als die Einfahrt – es hat nahezu gar keine industriellen oder sonstwie unangenehmen Speckgürtel. Schon bald empfangen mich die viel versprechenden Symbole für das Vall de Llémena: Pilze und Wildsauen. Also wieder ein einsames Gebiet, das mystische Plätze verspricht. Das Tal ist schon fast flach, bietet ein paar Rastplätze, Spitzbogenbrücklein, schattige Badestellen nebst vermoosten großen Steinblöcken, auch eine freie, aber verlassene Campingwiese mit verwahrlosten Leitungen, offenbar nur noch als Tagesrastplatz aufrecht gehalten. Dort jenseits von Esteve de Llémena steigt die Straße erst an, einsam durch niederwüchsigen Wald. Für den Durst ein schöner Rastplatz mit ergiebigen Brunnen auf der Westseite.

In Les Planes trifft man auf die Via Verde, die von Girona nach Olot führt, auch Teil von Pirinexus. Dieses Tal ist belebter, ich finde sogar einen Laden für regionale ökologische Produkte von hoher Qualität. Eigentlich fährt man Straße – zumindest habe ich keinen Radweg gesehen, nur in Richtung Passhöhe kann man auf die alte Passstraße abzweigen, um sich den Tunnel zu ersparen. Auch hier keine prominente Steigung, noch weniger als zuvor. In Bas erreiche ich dann einen Tangentialpunkt zu meiner Pyrenäentour 2011 – nur wenige Meter nördlich liegt der Abzweig zum Coll de Bracons. Nach Westen streben bereits charakteristische Felsgrate des Collsacabra gen Himmel.

Über den Coll de Condreu findet man die Eingangstür zu diesem Tourteil, der sicherlich unter Pyrenäenradlern sträflich vernachlässigt wird. Das Gebiet Collsacabra/Vall de Sau, was sich um zwei Stauseen des El Ter gruppiert, ist ein ausgezeichnetes Radelrevier, hat mehr touristische Infrastruktur als man zunächst erwarten würde, ist aber trotzdem auch noch einsam zu nennen. Man trifft viele einheimische Radler – Rennradler auf den Asphaltstraßen, MTBer auf den Pisten. Ausländische Radtouristen scheinen aber selten zu sein. Den Pass erreiche ich bei tiefer Dämmerung, bekomme aber auf dem Camping vor den Toren Rupits (der Ort liegt deutlich tiefer) noch eine Mahlzeit, derweil eigentlich die Küche geschlossen hat. Die Camping-Betreiberin und ihre alte Mutter betreuen mich wohlwollend auch zur späten Stunde. Zur Not hätte ich nur auf den Platz gehen müssen, da laufen Hauskaninchen zwischen den Wohnwagen – die hätte auch eine ordentliche Grillspeise ergeben – so denkt jedenfalls Pirineosaurus. Zu seinen frühgeschichtlichen Zeiten war man nicht so zimperlich mit Ziertierchen wie heutzutage.

Sa 21.6. Rupit (Camping) – Coll de Bac (1000m) – Cantonigròs – (exc. Wanderung: Salt de la Foradada, ca. 1 h) – l'Esquirol – Tavertet – l'Avenc – Rajols – C153 – Rupit – (exc. Salt de Sallent) – Coll de Pendis (?m) – Presa de Sau – Vilanova de Sau – Pont de Malafogassa
76 km | 12,3 km/h | 5:41 h | 1210 Hm
W: sonnig, ~28 °C
Ü: C El Pont 0 € (reg. 15 €)
AE (La Cucina de Celia): Miesmuscheln, Calamari, Gambas, Ente, Zitronen-Crème, Rw, Cafe 29,15 € (+)
B (Cantonigròs): La Foradada 0 €

Klarer Sonnentag für grandiose Eindrücke. Schon am Camping sieht man die typischen Felsorgelgrate, die oben abgeplattet begrünt sind. Sie prägen die nördliche Fahrt um den Coll de Bac im Blick nach Norden. Schon jetzt a-STONE-ishing. Feldblumenromantik mit Landidylle sorgt für zusätzliche Highlights in der Morgenstimmung. Nun aber macht Pirineosaurus im Übermut des Glücksgefühls einen folgenreichen Fehler – soweit man eine halbtägige Schrecksekunde mit einem eintägigen Schmerz am Schienbein als folgenreich bezeichnen mag. Entgegen seiner steinernen Erscheinung ist da Pirineosaurus sehr sensibel.

Laut Karte sollte es eine Pistenabkürzung von Cantonigrós nach l’Esquirol geben. Diese Piste besteht aus Steinplatten, die von kleinen Quellwässern geschwemmt werden und so kaum sichtbar durch hauchfeine Moosschichten zu gefährlichen Rutschen gerieren. Kaum war Pirineosaurus den Weg eingefahren, erblickte er freudig drei Mountainbiker, die grüßend entgegen strampelten. „Wie gut, dass es da mit dem Radl lang geht”, dachte Pirineosaurus noch befriedigt, im Zweifel, ob das der richtige Weg sei. Schon machte es bei Hans-guck-in-Luft-Pirineosaurus platsch! Da lag das Sauriergewicht am Boden, blutete entsetzlich, wo Schienbeinschoner hingehören würden und jammerte über die Bremse mit Schalthebel, die mal wieder nach innen gebogen wurde. Es ist immer dieselbe, egal wie viele Stürze Pirineosaurus aufs Parkett legt! Der vordere Flaschenhalter brach entzwei. Gar gebrochen ist das Plastik, als wäre es ein zierlicher Tonkrug. Die drei spanischen Radler waren bemüht Hilfe anzubieten. Aber wie Pirineosaurus so ist, wirkten die Selbstheilungskräfte schnell und er konnte schon wieder stehen und sogar sich selbst bepflastern. (Übrigens zeigte bei diesem Vorfall Casco Nuevo keinerlei Regung, da er, wie mir vertraulich gestand, keinerlei schützende Wirkung bei dem Vorfall hätte entfalten können.) Gut, das der Ort einen kühlen Brunnen für geschwellte Saurierbeine bereit hielt. Die Radler raten mir von der Wegpassage ab – das würde noch schlimmer, ein Trail für geübte Offroader.

Trotz des tiefen Schmerzes und des noch weit größeren Schreckens über diese Unvorsicht konnte sich Pirineosaurus glücklich schätzen. Auf diesem Weg wäre er nie zum Wasserfall La Foradada gelangt, den man per Wanderung weiter vorne ab Ortseingang bei einem Parkplatz erreichen kann. Das a-STONE-ishing-Juwel ist gleich doppelt erfreulich für Pirineosaurus’ Wundersammlung. Schon der Wasserfall selbst würde eine Prädikatswertung verdienen, doch wird das ganze auch noch in einem Ensemble aus Felswänden begleitet, deren eine Wand von einem riesigen Loch durchbrochen ist. Hier schneiden die Kanten des Felsloches den Lichtkegel der Sonne in einen gleißenden Strahlenfächer, dessen Licht vom Wasserfallsee wie zu Goldstaub verzaubert auf einem Feenbad in die gerade noch geprügelte Seele von Pirineosaurus hinüberleuchtet. Ein doppeltes a-STONE-ishing dafür!

Pirineosaurus ließ es sich natürlich nicht nehmen, die ganze Expedition im Paradieskleid vorzunehmen, welches aus nackter Saurierhaut besteht. Immerzu ein Zeichen für festliche Momente in einsamen Gegenden. (Der erste zaghafte Besucherandrang begann etwa mit meinem Aufstieg, also nicht ganz einsam, wie man denken könnte).

Auf der Straße erreiche ich l’Esquirol weitgehend in der Abwärtsbewegung – auch ein kleines Basiszentrum für Exkursionen einschließlich eines Mountainbikezentrums. Die Straße nach Tavertet vermehrt nun die Kollektion der a-STONE-ishing things um ein Mehrfaches. Große graue Steinkugel wie Leberknödel thronen augenzwinkernd an den Hängen über der Straße. Bei der Südkehre öffnet sich das weite Panorama auf den Pantà de Sau durch riesige Tafelberge – zur einen Seite in eisenreichen Rottönen, zur anderen im klassischen Grau. Bei der nächsten großen Kehre ergießt sich ein dünner Wasserfallstrahl über eine riesige wulstige Steinbogenlippe auf darunter liegende platte Flächen, die das ohnehin spärliche aufspritzende Nass nochmals in kleinere Portionen aus glitzerndem Sprühnebel zerstäuben. Die Gumpen sind erstaunlich gut gefüllt – sie werden aus unterirdischen Wasseradern gespeist, die Fels und Kies durchdringen. Pirineosaurus kann hier ein saurisches Bad nehmen, wo die Libellen tanzen. Da hüpft sein Herz gleich mit – auch wenn er noch nie als Tänzer hervorragen konnte. Nicht zuletzt hat er deswegen einen schweren Stand bei Saurierdamen, was aber für diese Reiserzählung von äußerst unerheblicher Bedeutung ist.

Tavertet schließlich markiert das Ende der offiziellen Straße, die nicht ganz anspruchslos war. Das Ende ist hier absolut a-STONE-ishing: Hunderte Meter brechen die senkrechten Klippen der Tafelberge des Collsacabra herab, während oben kühn das kleine, charmante Dorf wacht. Riesig ist der Kessel, den der Fluss Ter samt Nebentälern gebildet hat und entsprechend – weit in der Fern im Talgrund schemenhaft zu sehen – Platz für einen zweiten Stausee liefert – den Pantà de Susqueda. Die Abbruchkanten an den leichten geneigten bewaldeten oder auch beweideten Tafelbergtischen ergeben gestaffelte Reihungen, in denen sie vor- und wieder zurückrücken.

Vom stillen, hübschen Tavertet geht es trotz Weltenende noch weiter. Ein kleiner Fahrweg erlaubt Autofahren mit reduzierter Geschwindigkeit. Ein Warnschild verweist auf Vorsicht auf Tiere und Radfahrer walten zu lassen. Na, das ist für Pirineosaurus ein und dasselbe! Es besteht hier Anschluss zu einer luxuriösen Bed-&-Breakfast-Herberge, die mit Wellnessangeboten die ländliche Bergluft (es gibt Kühe) vergessen machen soll. Zwar würde Pirineosaurus auch eine Klangschalenmassage vertragen können, doch fehlen ihm für solche Sperenzien Zeit und Taler. Ohnehin ist der Schmeichelei auch ohne Massage hier genug – die Ausblicke, die Vielfalt der Blumen – ein Staunen, ganz gratis.

Im Norden taucht der Fahrweg in einen Wald ab und mündet ziemlich verloren irgendwo auf die morgens gefahrene C153 – irgendwo zwischen Coll de Bac und Rupit. Rupit ist vielleicht die Bergdorfperle der gesamten Region Collsacabra/Vall de Sau. Ein Ort, dem Zeitlosigkeit, das Nichtstun gut zu Gesichte steht. Urige Steinhäuser mit einer gehoben a-STONE-ishing-Wertung, überwacht von einer Burg, alles dicht im Fels und um den Fluss mit breitstufigen Kaskaden gruppiert, lädt zum Flanieren wie zum Rasten in einer der zahlreichen Cafes und Restaurants ein. Zahlreich ist natürlich unter Vorbehalt, will sagen, zahlreich für einen so kleinen Ort. Pirineosaurus erkennt auch in den Schaufenstern, dass hier Hexen wirken. Er verschiebt aber die verhexten Forschungen auf das Ende der Tour, um nicht den Fortgang zu gefährden. Man weiß bei Hexen nie, wie sie sich so verhalten – selbst für Pirineosaurus mit seinen guten Beziehungen zur Unterwelt ist das eine heikle Sache.

Es folgen Ginsterpassagen, Klippengalerien zur anderen Seite. Auch diese Straße ist eher so eine Art Geheimstraße, auf vielen Karten ist sie nur als Wanderweg eingezeichnet. Sie ist aber durchgehend asphaltiert und gar ganz ordentlich, wenn auch schmal. Es gibt ein paar Hochpunkte, der höchste ist jedoch nicht der Pass. Stärkere Steigungen erwarten einen aber nicht bis zur Talsohle an der Staumauer. Ein Höhepunkt ist der Salt de Sallent, irgendwo über eine Piste anzusteuern, die aber irgendwann für mich unfahrbar wurde und ich weiter zu Fuß ging. Von einem Aussichtspunkt kann man den Wasserfall gut im Blick einfangen (weiter ist ein Weg nach unten begehbar). Der Wasserfall glänzt nicht durch Wassermassen, sondern durch die filigrane Gestalt seines Strahls. Nicht weniger aufregend entfaltet sich auf der weiteren Strecke aus den nicht immer freien Blicken nebst Wald eine grandiose Parade der abfallenden Felswände – in Pastell-Rostrot gehalten. Den Schluss machen Kuhweiden und der Blick auf den Staudamm aus.

Den Sau-See erahnt man in seiner Größe erst von der Staumauer aus. Von hier kann man noch eine kleine Spitze im See erkennen, ein belassener Kirchturm eines einst gefluteten Dorfes. Im Gegensatz zum Reschensee (Grenzpass A/I auf der Via Claudia in den Alpen) hält sich aber das Posing des Kirchturms über dem Wasserspiegel in Grenzen. Es könnte auch eine schlichte Boje sein. Trotz beschränkten Wassersports ist hier die touristische Infrastruktur kärglich. Zur abgefahrenen Seite gibt es ein Hotel/Restaurant, deren Küche aber geschlossen war. Eher ist es auch nur für Hotelgäste gedacht. Zur anderen, vorliegenden Aufwärtsstrecke (nur unten etwas steiler) kommt man einer Bar vorbei, in der es maximal ein Sandwich für kleine Sauriermägen gibt. Zwischen Rupit und Vilanova kann man also nicht mit richtiger Verpflegung rechnen.

Dafür bietet das Restaurant in Vilanova noch eine komplette Menüfolge. Wäre ich gleich zum weiter entfernten Camping durchgefahren, hätte ich aber auch wohl noch Speis und Trank enthalten. Mitten im Wald bei einer romanischen Brücke gelegen, herrscht gar riesiger Trubel. Man feiert das Junifest – in Spanien nicht selten eine mehrtägige Angelegenheit. Der Camping ist so brechend voll, dass selbst kleine Saurier nur mit gutem Willen noch einen Platz finden. Der Campingwart möchte zunächst 15 Taler (Regulärpreis), meint aber dann, wenn ich gleich zahle, weil ich wieder früh abreise, die Nacht ihm nur noch 10 wert sei, zumal er keine Ruhe garantieren könne. Da er kein Wechselgeld für meinen Zwanziger hat, ist er des Geschäftes überdrüssig und gibt den Platz kostenlos frei. Pirineosaurus ist verwundert wie beglückt und staunt über die riesigen Sanitärräume für einen so entlegenen Waldcamping.

So 22.6. Pont de Malafogassa – Coll de Faja (1000m) – Collsabena (983m) – G542 – Cosota de Matamala – Sant Hilari Sacalm – Arbucies – Coll de Ravell (820m) – Espinelves – Coll del Buc (725m) – Coll de Romegats (725m) – San Julià de Vilatorta – Folgueroles – Tavernoles – Fussimanya
82 km | 11,2 km/h | 7:16 h | 1885 Hm
W: meist bewölkt, schwül, ~24 °C
Ü: C wild 0 €
AE (Fussimanya): gegr. Gemüse, Toastbrot mit Tom., Lamm, Kart., Crème Catalán/Ananas, Rw, Cafe 31,80 € (++)

Die Südwestseite ist wie eigentlich der gesamte Susqueda-See rundum deutlicher bewaldet als die Umgebung des Sau-Sees, wenig Fels. Ich verzichtete darauf, die ufernahe Piste auf der Südseite des Susqueda-Sees zu beradeln, nicht zuletzt aufgrund der Landschaftseindrücke der Morgenroute. Beim Aufstieg über die Piste auf roter Erde (bis zu Malafogassa ist asphaltiert, ab dort ordentliche Piste) robben sich fünf Mountainbikerinnen und -biker heran. So komme ich mit den jungen Spaniern ins Gespräch. „What about Catalán independance?“ frage ich. Zwar sind sie keinen überzeugten Befürworter der katalanischen Unabhängigkeit, wollen aber mit dem Gedanken sympathisieren. Sie meinen, die 80 % Befürworter, die mir der Gastronom in Sant Pere de Pescador prophezeite, wäre vielleicht auf dem Lande erreichbar – nicht in den großen Städten, nicht in Barcelona. Barcelona würde nicht mal 50 % Befürworter schaffen. [/i](Anm. veloträumer: Bei der Probeabstimmung im November 2014 erreichten die Pro-Anhänger tatsächlich 80 % Zustimmung, allerdings bei einer mageren Wahlbeteiligung von ca. 35 %, und einer Wahl, bei der es um nichts ging und die Unabhängigkeitsgegner sich ohnehin verweigerten. Das Signal ist doch schwächer als die Trommeln klappern.)[/i]

Ich frage, warum überhaupt eine solch große Bewegung für die Unabhängigkeit sich engagiere, es sei doch im zusammenrückenden Europa ein Anachronismus und nach den Balkankriegen der jüngeren Geschichte wie auch den eigenen spanischen Terrorerfahrungen etwa mit den Basken. Eine romantische Verklärung des erneuerten Nationalismus. Auch sei ja die moderne spanische Geschichte nicht gerade das schlechteste Beispiel für Demokratisierung. Katalanen würden unterdrückt, so schallte der einhellige Kanon zurück. Die Zentrale in Madrid wolle zuviel Geld abzweigen. Mein Einwand, dass es doch irgendwie an Bayern erinnere, wo es auch zaghafte separatistische Tendenzen gäbe, wehrte der gut informierte Wortführer der Gruppe deutlich ab – Bayern sei was ganz anderes. (Logisch Bayern ist einzigartig – das weiß auch Pirineosaurus – einzigartig bizarr!) Aber irgendwie geht es letztlich doch nur um die Verteilung der Pfründe, den Egoismus von Begünstigten. Ob es den Armen helfen würde? Sind nicht die, die es bräuchten, am Ende immer der Verlierer – egal wie es kommt? Pirineosaurus schüttelt den Kopf. Saurier kannten überhaupt keine Nationalstaaten.

Nachdem die Spanier abgezweigt waren, blieb ich allein unter einer düsteren Wolkendecke. Die unscheinbare Passhöhe Collsabena bietet ein trostloses Bild mit einem verfallenen Hotel, wenngleich noch zwei Familien nebenan wohnen. Weiter durch Wald, tauchen seltsame Hochstände an den Bäumen auf. Es sind Chalets der besonderen Art, Baumhäuser, die man über Hängestege erreichen kann. Die Baumhäuser sind nach Vögeln benannt wie etwa „Blaumeise“, deren Charakter unter dem Baumhaus auf den Tafeln jeweils beschrieben ist. Das hat natürlich seine historische Bedeutung, denn wie Pirineosaurus weiß, wohnten darin früher Flugsaurier. Die sechseckigen „Hochhäuser“ sind weit verteilt, die wenigsten von der Piste aus zu sehen.

Hilari-Sacalm ist ein Ort der Quellen und Brunnen, aus denen auch Mineralwässer gewonnen werden. Pirineosaurus leidet nunmehr an großer Müdigkeit, da die Schwüle ohne Sonne die Muskeln erschlaffen lässt. Zum Glück ging es erstmal abwärts an Ginster vorbei, Burgenblicke über Waldhügel hinweg nach Süden. Arbucies liegt am Rande des Naturparks Montseny, ein hier überraschend hohes Gebirgsmassiv – höher als Collsacabra/Vall de Sau. Es hat aber keine markanten Felsabbrüche sondern eher spitze Kuppenberge. Die bis zu 1700 m hohen Berge liegen doch weitgehend in den Wolken. Da trifft es sich gut, dass ich die umfassende Beradlung von Montseny schon im Geiste gestrichen hatte. Selbst aber diese Route am Rande vermittelt ein guten Eindruck von Montseny: Viel tiefer, meist unzugänglicher Mischwald, verwunschene Bergbachromantik, versteckte Blütenperlen und auch mal eine hübschen Mühle oder alte Steinbogenbrücke.

Ab oder schon vor dem Coll de Ravell mit Transitrestaurant und Tankstelle verläuft die Landstraße ziemlich entleert oft in Sichtweite der Autobahn (oder Schnellstraße). Es folgt ein eher leichteres Auf und Ab über drei Pässe, mal mit Waldpassagen, mal etwas offener. Der Coll de Romegats ist dann schon wieder im Bild der typischen Morphologie des Vall de Sau – mit intensiv rotem Fels, wie Lavafelder dicht und wulstig an den Straßenrand gedrückt und schon eindeutig a-STONE-ishing.

Da hört Pirineosaurus schwer zu ortende Schreie – was könnte es sein? Saurierkinder klingen anders. Eine Betonbrüstung schützt vor dem Abhang hinunter zur Autobahn. Pirineosaurus beugt sich über die Brüstung und sieht grell aufgerissene Augen, martialische Tigerreißzähne und ein maulwurfgroße Katze – Katzenbaby. Jemand hat das Tier offensichtlich ausgesetzt. Es ist völlig undenkbar, dass sich das Kätzchen dorthin bewegt haben kann. Es schreit hilflos, erbittet von Pirineosaurus Beistand – ein Glas Milch wohl. Doch Pirineosaurus ist im Umgang mit Katzen nicht sehr geübt, um nicht zusagen, dass er diese Wesen ausdrücklich hasst, da sie gutgläubige Augen machen, aber die Saurierhäute ganz unschön verkratzen können. „Keine Einmischung in innere Angelegenheiten“, sagt sich Pirineosaurus und überlässt das Tier so wie er es vorgefunden hat.

Zur Westseite ändert sich die Landschaft deutlicher, eine Ebene mit Feldern, Besiedlung und gar einer gepflegten Allee verweist auf nahe Urbanität. Nicht mehr weit bis Vic. Doch Pirineosaurus möchte noch mehr Vall de Sau. Und das hat sich auch gelohnt. Beginnen wir dazu mit der etwas heiklen Sache, sich auf ein Restaurant zu verlassen, das mal wieder einsam am Ende der Welt liegt – eine tiefe Sackgasse mit aufreibenden Auf und Abs. Polizeiautos – gleich mehrere – überholen Pirineosaurus. Ich spüre in meiner Tasche, wie Casco Nuevo nervös zu strampeln anfängt. „Du bleibst, wo du bischt!“ rufe ich ihm zu. Wie Pirineosaurus vermutet hatte, interessiert sich die Polizei nicht für Casco Nuevo.

Ich treffe allerdings noch mehr Polizei. Und zwar im Restaurant Fussimanya. Fussimanya ist auch eine Empfehlung von Pau gewesen, der weiß was Pirineosaurus zu schätzen weiß: Große Portionen, dass es Pirineosaurus nur so im Gaumen juckte und sabberte. Dazu noch von solch superber Qualität, dass er Fussimanya eine Kategorie höher als das Gourmetrestaurant in Romanyà einordnet. Kein Wunder, dass hier die gesamte Polizeistaffel der Region zu Tische sitzt, inklusive Schichtwechsel. Fast hätte Pirineosaurus’ Speichelschaum in die Suppe der Polizisten gespritzt – nicht weil er Polizisten hasst, sondern weil es so gut mundete. Es versteht sich von selbst, dass bei großzügigen Gastgebern ich auch die freundliche Billigung erhielt, an der unterhalb des Restaurants liegenden Kinderschaukel mein saurisches Nachtquartier aufzuschlagen.

Mo 23.6. Fussimanya – Coll de Terrades (530m) – Parador de Sau – Can Matou – Vilanova de Sau – Collsesvinyes (750m) – Folgueroles – Vic – Santa Eulàlia de Riuprimer – Coll de Fontfreda (877m) – Santa Maria dOló – Avinyo – Collet de Vilaseca (425m) – Balsareny – Súria – Cardona
116 km | 13,9 km/h | 8:18 h | 1735 Hm
W: heiter, bewölkt, schwül, leicht 25 °C, abends mild
Ü: C wild 0 €
AE: Calamares, Salat, Pf, Kalbschnitzel, Crème Catalán, Cafe 20,15 €

„Ein Morgen wie dieser!” so mochte ich singen, beim Anblick von geheimnisvoll aufsteigenden Nebelwolken, von Spinnwebereien zwischen taunassen Gräsern, kristallperlenden Tropfenprismen, vom langsamen Aufleuchten blauer, rosafarbener und gelber Blütenkelche. Oder schrieb Víctor Català passend: „Der erste Schimmer des Tages senkte sich herab, unmerklich wie feinster Puder, …“ Die Sonne erscheint hinter Wolken wie ein Vollmond. Zunächst reichen die goldenen Strahlen nur für halbe Hügel zu beleuchten. So erreichte ich alsbald das luxuriöse Parador unweit des Terrades-Passes. Was immer die Übernachtung in diesem Ambiente mit Swimming Pool kosten mag, die größte Attraktion des Platzes – der Ausblick – ist gratis. Die mächtigen Felsen bilden ein Tor zum Seeblick, noch zu guten Teilen von Wolken verhüllt. Selbst der Swimming Pool ist Teil der Landschaft, wie ein tiefblaues Miniaturmeer liegt er in der Blickachse.

Am Parador vorbei kann man zu einem exponierten Kloster gelangen, von wo aus den westlichsten Panoramablick über den Stausee gibt. Das Kloster hat recht unorthodoxe Öffnungszeiten – montags ist schon mal generell geschlossen. Ab dem Coll de Terrades führt eine schmale, schlechte Straße hinunter und folgt dem Seeufer, wenngleich meist in gebührender Höhe oberhalb und dabei mit giftigen Steigungen versehen, die so plötzlich auftauchen, dass man nicht einmal den Schalthebel umlegen kann. Es gibt auch nahezu keine Strandplätze, sogar kaum Ausblicke auf die Felsen über dem glatten Wasserspiegel des Sees. Trotzdem ist die Vegetation stellenweise recht urig. Mit der Abkehr vom See in Richtung Vilanova und darüber hinaus windet sich Pirineosaurus zunehmend durch den roten Fels bis ein kleiner Tunnel durch eine hohe Felswand das Ende dieses a-STONE-ishing-Erlebnisses einläutet.

Vic ist eine aufgeräumte, elegante Studentenstadt von gehobener Bedeutung. Die Uni ist denn auch ein riesiger Avantgardeklotz, der an einen überdimensionalen Saurierkopf erinnern könnte. Die neueren Einkaufsviertel verteilen sich jenseits einer kreisartig verlaufenden Verkehrsachse, von der man überall recht schnell zu der zentralen Plaza und der Altstadt gelangt. Die Architektur der Stadt ist durchdekliniert vom römischen Tempel bis zur Avantgarde. Wie in Girona vermittelt sich ein Bild von hoher Lebensqualität – logisch, dass auch hier das Fahrrad im Stadtbild auftaucht. So finde ich gleich noch an der Ringstraße ein Radgeschäft, in dem ich sogar einen farblich passenden Flaschenhalter erhalte, der auch noch eine sehr gute Plastikqualität hat. Damit ist nun Pirineosaurus’ leidliches Malheur von Cantonigrós endgültig ausgemerzt.

Aus der Wurststadt Vic hinaus führt ein unauffällige, aber durchaus liebliche Route, die nach bei der Passhöhe Fonfredda wiederum eine Parallele zur Autobahn oder Schnellstraße bildet. Deswegen auch wieder sehr wenig Verkehr, wenngleich landschaftlich eher bescheiden. Manchmal liegt es auch nur daran, dass die alten verwaisten Straßen zu breit sind. Spanien hat zuviel Asphalt. Recht hübsch liegt Santa Maria d’Olò in einer weit gefassten Hügelnische. Avinyo spendiert einen schlossartigen Türmchenbau. Danach lieblich leichte Bergüberfahrt bei Espenlaub im Tal zur einen Seite, bei weiten Hügelflächen zur anderen Seite. Über Balsareny thront eine ziemlich quaderförmige Burg, zu Tal liegen zahlreiche Gärten und nach Süden führt eine Route zu römischen Viadukten. Der Übergang nach Súria ist eher unauffällig.

Súria liegt im Salztal, eine Region, in der gewichtige Kalisalzvorkommen lagern. Súria ist auch gleich der Hauptort des Bergbaus, die gleichförmigen, geklinkerten Reihen von Knappenbehausungen stechen gleich ins Auge wie auch weiße Erdwälle. Ein Bergbaudenkmal ragt ein Mast eines ehemaligen Förderliftes empor. In der Ferne zeichnet unwirklich das weißsteinige Montserrat-Massiv den Horizont – eigentlich auch ein a-STONE-ishing thing nach Pirineosaurus’ Geschmack, aber doch ein erklecklicher Umweg über Manresa wäre nötig.

Das Salztal gibt sich nach Súria wieder recht still, wenngleich die Straße stärker befahren ist und zunächst Alternativen fehlen. Ausweichstrecke gut drei Kilometer vor Cardona. Die Stadt auf einem mächtigen Hügel mit alter und neuer Burg kündigt sich früh an, will aber erstmal erklettert werden. Essbares gibt es nur noch im Herzen der Altstadt, also hinunter durch die Talsohle und dann den stattlichen Berg hinauf. Immer noch oder schon wieder ist Junifest und es knallt an allen Ecken auf der Plaza. Der Clou ist, dass die Knallkörper lausbubenhaft möglichst überraschend einem Opfer an die Füße geworfen werden. Der Sport ist etwas für Hasardeure, für saurische Trommelfelle eine merkliche Belastung. Ich sprach mit Gästen am Nachbartisch, wie oft denn freie Knallerei in Spanien erlaubt sei. „Nun ja, schon öfters”, meinten sie. Als ich erwähnte, dass ich Böllerei nur zum Jahreswechsel kenne (Saurier trampeln dazu auf die zur Jahreswechselzeit reifen roten Knallbohnen, die wesentlich lauter als hinlänglich bekannten weißen Knallerbsen dröhnen), irritierte sie das doch fremdländisch als würde ich von frühgeschichtlichen Völkern erzählen.

Frederic Mompou ist ein katalanischer Komponist und Pianist (aus Barcelona) des 20. Jahrhunderts gewesen, der sich einem Neoimpressionismus verschrieben hatte. Der starke Einfluss aus Debussys Musik dürfte auch über die französische Mutter zu erklären sein (deswegen auch der frz. Name). Vorwiegend dem Klavier zugeneigt, steht er für klangfarbenreiche Musik, die einer raffinierten Harmonik entspringt. Mompous Musik hat Zeit – ein Musterbeispiel für musikalische Reduktion und Entschleunigung. Also ein weiteres Alter Ego von Pirineosaurus: Frederic Mompou „El Pont“ (6:11 min.).

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#1088549 - 14.12.14 18:43 Re: Die Legende von Pirineosaurus [Re: veloträumer]
Keine Ahnung
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Hallo Königspyrenäensaurier grins ,

ganz schön viel Arbeit machst Du Dir hier mit Deinem Reisebericht. Toll! Die Musikstücke habe ich mir während des Lesens angehört - eine ganz neue Variante, Reiseberichte hier im Forum zu lesen.

Hast Du Deine Tour eigentlich auch als "Track"? Du weißt ja, ich bin GPS-Fan. Bei meinem Orientierungssinn ist es ein Wunder, wie ich früher ohne Navi zurechtgekommen bin zwinker . Deinen Ausführungen nach hast Du Dich ja im Wesentlichen auf Papierkarten verlassen.
Gruß, Arnulf

"Ein Leben ohne Radfahren ist möglich, aber sinnlos" (frei nach Loriot)
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#1088563 - 14.12.14 19:17 Re: Die Legende von Pirineosaurus [Re: Keine Ahnung]
veloträumer
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In Antwort auf: Keine Ahnung
Hast Du Deine Tour eigentlich auch als "Track"? Du weißt ja, ich bin GPS-Fan. Bei meinem Orientierungssinn ist es ein Wunder, wie ich früher ohne Navi zurechtgekommen bin zwinker . Deinen Ausführungen nach hast Du Dich ja im Wesentlichen auf Papierkarten verlassen.

Was erwartest du von Pirineosaurus, dass er mit Navi gefahren ist??? verwirrt lach Ich konnte in den Traumsequenzen keinerlei Ähnlichkeit zu solcherlei Geräten erkennen, wie sie hier verbreitet sind. Wie du später lesen wirst, ist Pirineosaurus teils sogar nach Nase (Geruch) und höheren Schicksalslenkungen gefahren.

Meine Landkarten-Angaben sind ja üppig, die Alpina-Karten sind wandertauglich. Tatsächlich habe ich natürlich auch einige Weg auf Google-Maps vor der Reise nachgeprüft - z. B. Streetview auf der Querstraße mitten durch das Vall de Sau, um Asphalt zu prüfen, oder den Abzweig Bardenas Reales, dmit ich den nicht verfehle. Andere Hinweise kamen aber auch von Pau, der nebenbei erwähnt wird. Ist ein Spanier aus Salt/Girona, den mir Axurit aus dem Forum vermittelt hat (Pau ist bei Warmshowers). Der hat ziemlich präzise Kenntnisse - auch von Routen wesentlich weiter westlich in Navarra. (Ich hatte noch einen aus Manresa, der aber eher MTB-Tipps für Hardore-Trails hatte.) Auch hier aus dem Forum gab es noch zwei PNs mit genaueren Routentipps im Osten.

Zur Orientierung, wenn keine Landkarten zuhause: Im Browser Google-Maps oder ähnliches auf einer separaten Registerkarte aufklappen, dann ab und zu rüberschauen, wo das ist. Grundsätzlich fehlen aber bei Digitalkarten viele geografische Begriffe wie etwa Flüsse, Täler, Gebirgsketten etc. Die sind vielleicht für die Planung als solches nicht wichtig, zur Verständigung mit der Bevölkerung aber schon. Auch sind geografische Begriffe ja immer auch Kulturbegriffe, ebenso bezeichnen die ja oft die Natursehenswürdigkeiten usw. usw.

Vielen Dank, dass die auch die Musikeinbindung gefällt und du das auch nutzt. Ist bei dieser Erzählung natürlich noch mehr mit dem Inhalt verflochten als bei älteren Reiseberichten.
Liebe Grüße! Ciao! Salut! Saludos! Greetings!
Matthias
Pedalgeist - Panorama für Radreisen, Landeskunde, Wegepoesie, offene Ohren & Begegnungen
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#1088566 - 14.12.14 19:21 Re: Die Legende von Pirineosaurus [Re: veloträumer]
veloträumer
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KAPITEL 3 – CATALUNYA III
Schluchtenparade und Stauseenromantik, Wanderschuh und Gipfelpanorama, Bergseen und Alpenrosen: Von Cardona entlang der Noguera-Täler und durch die Sierra de Montsec in die Hochpyrenäen mit dem NP Aigüestortes

Di 24.6. Cardona – Solsona – Collada de Clarà (880m) – Sant Tirs – Madrona – C14 – Ponts – Artesa de Segre – Cubells
83 km | 13,6 km/h | 6:15 h | 1150 Hm
W: leicht sonnig, dann bewölkt, später starker Landregen, Wolken sehr tief, 22-16 °C
Ü: H Roma 33 € o.Fr.
AE (H): Crevettencocktail, Hähnchen, Pf, Crème Catalán, Rw, Cafe 15,30 €

Man mag es ja nicht glauben, aber auch eine Stadt auf einem Hügel bietet noch Nischen zum Zelten. Sogar Traumplätze. Einen kleinen Mangel hatte der Platz direkt am Brunnen. Der Burgberg spuckt im Laufe der Nacht immer mehr Wasser aus dem Brunnen, die der Sickerboden nicht mehr aufnehmen konnte und bald die gesamte Kiesfläche unter Wasser stand. Morgens wachte ich neben einer kleinen Seelache auf – um Haaresbreite entging Pirineosaurus dem Tod durch Ertrinken. Es wäre ein untypischer Tod für einen Saurier gewesen – alle Lehrbücher der Saurierwissenschaften hätten umgeschrieben werden müssen.

Ungeachtet dessen wieder ein Morgen zum Singen. Verfallene Brücken liegen im Tal, Kornblumen umgeben das Gold der Felder mit blauen Bändern. Mit Solsona verbindet sich die kunsthandwerkliche Tradition von Riesenköpfen wie sie vielfach vom Karneval bekannt sind und auch dem Karneval von Solsona seine überregionale Bedeutung geben. Die folklore Tradition der Riesenköpfe geht auf das 17. Jahrhundert zurück, entwickelte sich aber erst im 20. Jahrhundert zu seiner heutigen Formen- und Motivvielfalt. Über 40 Jahre lang prägte Manel Casserras i Boix den Stil der Riesenköpfe, dessen Stil auch heute fortgeführt wird. Eine Stadt der Narren also, deren Fest als äußerst bunt gilt und für bissige Satire steht. Anscheinend hat man auch hier prähistorische Kenntnis von Pirineosaurus, der in einem Schaufenster als Abbild einer seiner vielen Gestalten zu finden ist. Pirineosaurus bekommt heimelige Gefühle und genehmigt sich ein gaumenfreudiges Patisserie-Frühstück. Großartig! A-STONE-ishing!

Die schwüle Luft dieser Tage ist zunehmend schwer geworden und nunmehr verdichten sich Wolken zu tiefdunklen Wasserbeuteln, nachdem ich von der einsamen Querverbindung durch das Madrona-Tal auf die C14 stoße, eine besser frequentierte Transitstrecke nicht zuletzt nach Andorra im Norden und Lleida oder Barcelona im Süden. Der Rialb-Stausee ist nur kurz zu sehen, verschwindet dann hinter einer Hügelkette. (Anm. veloträumer: Insider aus dem Forum haben mir berichtet, dass Pirineosaurus eine saurischere Route entlang des Seeufers nach Süden hätte fahren können. Warum er das nicht tat, ist nicht überliefert. Vermutlich spielen die folgenden dramatischen Klimaerscheinungen eine Rolle.)

In Ponts öffnen dann die Schleusen des Himmels ihre Tore und schließen sich nicht mehr – weder dieses Tags noch des Nachts. Es geht nur noch darum, die Saurierhaut vor dem Aufweichen zu schützen – ein zerflossener Pirineosaurus wäre auch kein Edeltod. So warte ich den großen Schüttregen ab, versuche aber den gemäßigten Landregen zum Fortkommen zu nutzen. Durch den Fluss Segre gibt es zwar überall bescheidenen Tourismus zwecks Rafting und anderem Wassersport, doch sind das nur ausgewählte Flecken und oft am Fluss, der nicht unmittelbar an der Transitachse liegt.

Im Regen wird Pirineosaurus zum gewalttätigen Massenmörder. Es knackt alle paar Sekunden unter seinen Pneus. Es bedeutet das Aus für Tausende von Schnecken mit eher kleinen Spiralhäusern, farblich zu erkennen, als wären es Hagelkörner oder Kieszugaben im Asphalt. Bei dem Hundewetter ist jedoch keine Polizei unterwegs und Pirineosaurus kommt ungestraft davon. In Saurierzeiten hieß es immer noch „Schneckentod ist Ehrenmord” – schon allein, weil die schleimigen Viecher dafür sorgten, dass zahlreiche Plattfußsaurier auf ihnen kläglich ausrutschten. Pirineosaurus ist aber schon von der Überempfindlichkeit des neuzeitlichen Weicheimoralismus infiziert und versucht sogar mit waghalsigen Lenkmanövern die Schneckenhäuser zu Umfahren. Allein dieser Slalom war nicht von Erfolg gekrönt, das Knacken des Todes siegte über die Moral. Erschöpft von der immer tiefer durchhängenden Saurierhaut, ließ sich Pirineosaurus schließlich unter dem festen Dach eines Hostals nieder.

Mi 25.6. Cubells – Camaras – Alt de Fontllonga (671m) – Pas de Terradets – Cellers – Guàrdia de Noguera – Coll de Fabregada (942m) – Alsamora – Punta de Mont-rebei – Puente de Montanaña
83 km | 11,7 km/h | 7:04 h | 1450 Hm
W: Nebel, tiefe Wolken, danach heiter bis sonnig, morgens kühl, später bis 28 °C, abends kühl
Ü: C wild 0 €
ME (Cellers/H/R Terradets): Westernkartoffeln, Calamares, Zitronenlimonade 9,80 €
AE: Hähnchenschnitzel, Pf, Spiegelei mit kl. Steaks, Rw, Crème Caramel, Cafe 14,60 €

Noch morgens nieselte es und selbst die kleinen Hügel im Ort lagen in tiefen Wolken, die Sichtweite erreicht nicht mal 100 Meter. Pirineosaurus musste aber wieder raus, er ist kein Stubensaurier. Langsam hob sich die Feuchte vom Boden und immer mehr kamen wieder Heuballen zum Vorschein – weite Flächen von Ackergold in einer ganz eigenen Stimmung der Nebelwolken. Versprach doch das heimelig wirkende Hügeldorf Camerasa vor der sich großartig auftuenden Pallaresa-Schlucht ein Frühstück oder zumindest eine Bäckerei, so gab es dort nahezu nichts. Die Backstube konnte erst zu Mittag Brot versprechen. Immerhin findet hier Pirineosaurus ihm vertraute Medienformen: Morgens erklingt Musik aus Lautsprechern, die am Kirchturm und andere Stellen im Ort installiert sind. Danach erhebt sich eine Stimme und trägt wichtige Mitteilungen vor, die sich allerdings der Kenntnis von Pirineosaurus entziehen.

Der ausgehungerte Pirineosaurus, der eigentlich von Ponts über den Coll de Corniols zur Staumauer des Pantà de Terradets gelangen wollte, wurde nun vom geleiteten Schicksal mit grandiosen Momenten der a-STONE-ishing-Sammlung belohnt. Ich hätte mich schlagen können, wenn ich die geplante Route gefahren wäre und nicht diese Schluchtenparade. Die Fahrt hat zudem von Süd nach Nord noch eine Dramaturgie, ein Crescendo der sensationellen Felsgestaltungen, von den weiß-gräulichen Stiften und Säulen noch im unteren Teil, über den gigantischen Canyon mit roten Felsorgelwänden nach der ersten Staumauer, wo die doppelten Orgelpfeifenreihe über dem Seespiegel die Jubeltöne gen Himmel empor treibt – wer möchte da noch zum Grand Canyon nach Amerika! – bis zu der Kletterklause unterhalb der Terradets-Staumauer bei der Font de les Bagasses mit einem rot-violetten Steinfigurenkabinett, der himmelstrebenden rotbraunen Klippentürmen, der malerischen Steinbogenbrücke, zur Tagesfeier Ton-in-Ton eingefärbt in das Ockergold der gewaltigen Sedimentschwemmmasse des Flusses, die die Unwetter aus den Bergen mitgerissen haben, und der filigranen, avantgardistischen, chromblitzenden Brunnenkonstruktion für das köstliche Quellwasser. Pirineosaurus kann nur juchzen und jauchzen, ein kaum endender Trommelwirbel der a-STONE-ishing things. Saurierland, superb, grandissimo!

Am Terradets-Stausee gibt es teils neben der Straße einen Radweg, auf dem man mal durch Schilf und mal über ein Holzbohlenbrücklein fährt. An Rastplätzen gibt es Fahrradständer. Alles recht hübsch, aber wo kein Platz mehr ist, ist dann auch Ende – vielleicht auch eine Fehlinvestition. Ich hege Zweifel, dass da viele Räder unterwegs sind. Einzige Verpflegungsmöglichkeit am See besteht in Cellers, direkt an der Straße, wo ein moderner Hotelkomplex mit Restaurant, Bar-Bistro und Swimming-Pool (letzterer auch per Eintritt für Nicht-Hotelgäste) die sonst dürftige Versorgungslage der Region entschärft. Es ist die einzige gesicherte Einkehrmöglichkeit zwischen Balaguer und Tremp – eine Strecke von immerhin mindestens 55 km. (Einen Camping mit kleinem Laden und Restaurant fand ich auch noch am Abzweig nach Ager, dort war aber weder Büro noch Laden besetzt und Gäste hatte es quasi keine. Ähnliches vermute ich für die Campings an der Noguera Pallaresa südlich von Camerasa.)

Die Hitze des Mittags war erschlagend. Der unübliche warme Mittagstisch sollte neue Flügel verleihen, stattdessen nahm die Müdigkeit noch zu. Auch eine kurze Rast am See (praktisch kein Zugang zum Wasser, nicht als Badesee gedacht) bringt Pirineosaurus nicht wieder auf Normalniveau. Umso schwerer kämpfe ich mich zu dem kleinen Bergdorf Guàrdia de Noguera hoch, das unweit über dem See liegt. Ich bin mangels Kartendaten verunsichert und möchte von einem Einheimischen bestätigt bekommen, dass die Strecke am Castell de Mur vorbei nach Figols asphaltiert ist. Ich springe lebensmüde vor ein Auto, da hier nicht gerade das pralle Volkstreiben herrscht. Der Einheimische erweist sich als kompetent. Zwar ist die Strecke asphaltiert, sagt er, meint aber, dass das vielleicht zu steil wäre. Nun ja, ein Pirineosaurus in besserer Verfassung hätte gemurmelt „der kennt mich wohl nicht”. Aber diesmal nehme ich seine Empfehlung an, die ebenfalls in der Karte nicht durchgehend ausgewiesene Route über Alsamora, Mont-rebei und schließlich nach Puente de Montanaña. Mont-rebei soll ganz toll sein, sagt er. Auch hier erweist sich die schicksalsgelenkte Änderung der Route als Gewinn für den saurischen Geschmack.

Nur anfangs ist die Steigung stärker, danach sind die Auf und Abs gemäßigter, sodass ich mich etwas erholen kann. Kleine Dörfer liegen am Hang, rote Erde entfaltet abstrakte Muster aus der Vogelperspektive. Schäferidylle, alsbald die Wiesen lieblicher, in der Ferne ein markanter Gipfel. Alsamora weckt wiederum die Lebensgeister von Pirineosaurus, im milden Licht der Abendsonne ein scheinbar ganz verlassenes Dorf. Ein Postkartenmotiv für die saurische a-STONE-ishing-Sammlung.

Für Mont-rebei braucht es eigentlich mindestens einen Halbtag zu einer Bewanderung der Schlucht, die atemberaubende Überkopf-Felsen, steile Schluchtabgründe und waghalsige Hängebrücken aufweisen soll. Besonders abgedrehte Todesmutige riskieren sogar eine MTB-Fahrt über den schmalen Pfad. Doch selbst ohne diese Schluchterfahrung lohnt der Weg über den nördlichen Rand von Mont-rebei. Die Straße bohrt sich in riesige Felskurven hinein, leuchtend grüne Laubbänder bereichern die felsigen Ansichten darunter. Nach Westen schweift der Blick über den Seeausschnitt zu einer Burg, nicht die einzige auf den Hügel hier. Vom Aussichtspunkt blickt man über die Seefläche, die von buschigen Schwammtupfern überzogen ist – geflutete Bäume. Die Schluchtverengung im Süden ist eine ganze Ecke weit weg. Die Abendsonne schmeichelt mit sanften Lichttönen. Die geschwemmte Einlauffläche zum See hat ihren eigenen Liebreiz durch die grünen Pockenmuster auf blaugrünem Wasserspiegel, goldgelb der Schimmer am Horizont. Ein hochkarätiges a-STONE-ishing-Erlebnis!

Leider gibt es hier wiederum keinerlei Einkehrmöglichkeiten. Durch die schlechten Einkaufsmöglichkeiten des Tages habe ich auch keine größeren Vorräte mehr, um ggf. Am Parkplatz des Sees ein saurisches Nachtlager aufzuschlagen, was eine offenbar germanische Blechkistengruppe gemacht hat. Puente de Montanaña ist nun auch nicht gerade ein Ort großartiger Gasthöfe, aber immerhin leistet ein Bistro-Restaurant direkt an der Transitstraße zwischen Frankreich, Vielha-Tunnel und Lleida die Minimalleistung für ein Abendessen. Saurisches Nachtquartier an für Menschen nicht erlaubtem Ort – mehr gibts nicht.

Do 26.6. Puente de Montanaña – Sopeira – Pont de Suert – Barruera – Boí – Taüll (1480m)
61 km | 11,4 km/h | 5:18 h | 1235 Hm
W: teils sonnig, nachmittags Regen, Gewitter, sehr kühl 18-13 °C
Ü: C Taüll 10,60 €
AE: Kroketten, Entrecôte, Bratkart., Gemüse, Ananas, RoseW, Cafe 18,75 € (–)

Pirineosaurus wird langsam unruhig. Ich spüre das Kribbeln, das die großen Berge ankündigt. Berge mit Schneegipfeln, das Donnern der Bergflüsse, der Geruch von Hochgebirgskiefern. Es wäre aber eine Strafe für Pirineosaurus, die folgende Anfahrtspassage zum Vall de Boí auszublenden. Schon die gemäßigten Morgenstimmungen über Kornfeldern vermögen Pirineosaurus in helle Aufregung zu versetzen. Sopeira schließlich ist wieder ein Ort mit Prädikat a-STONE-ishing. Der Ort zieht sich verschlafen den Hang hinauf bis zur kaum sichtbaren Straße, höher streben die Felsen in den Himmel, die dem Ort erst spätes Morgenlicht gewähren. Die kleine Kirche beim Schwimmbad liefert die Anmut vor der aufgestemmten Felsmacht. Ein Ort für entschleunigte Stimmungen – ganz zaghafter Pensionstourismus nebenbei.

Das zweite a-STONE-ishing-Erlebnis liefert die Straße nur wenig oberhalb, über brückiges Straßengeflecht, durch Tunnels mit Felszapfen darüber hindurch, und um einen gigantischen Bergzylinder herum. Die Staumauer in diesem Felsensemble wirkt kühn, so man die Wassermassen oberhalb ahnt. Gleich Nummer Drei der Steinwunder ist etwas verwässert, nämlich der Pantà d’Escale. Im Norden ragen amorphe Felsmuster aus See hervor, im Seeblau wie ein Hauch Costa Brava. Blumen sind reichlich – auch mitten im Blickfeld von Pirineosaurus. An der Nordseite steil hinauf betreibt ein Geier Brutpflege, über dem See gleitet ein anderer – vielleicht ein Schmutzgeier mit seinen hellweißen Flanken.

Pont de Sort ist dann wieder ein Schnittpunkt mit der 2011er-Tour. Obwohl der Ort einen mittelalterlichen Kern mit Arkaden hat, würde er kaum auffallen. Doch macht ihn ein Ei berühmt. Die neue Kirche, am Platz der alten gebaut, besteht aus drei Teilen. Neben dem separaten Glockenturm aus einer grauen Steinsäule und der wulstigen Kathedrale, die ein Zelt sein könnte, steht ein im gleichen Minzpastell gehaltenes Ei, das durch die vielen Kreuzschlitze längst ausgelaufen sein sollte. Pirineosaurus ist entsetzt. Es könnte ein junger Pirineosaurus darin gewesen sein! Das hier Pirineosaurus an seine frühkindliche Phase im Ei erinnert wird, ringt ihm immerhin ein a-STONE-ishing ab, auch wenn er den christlichen Missbrauch nicht billigen möchte.

Dieser Protest von Pirineosaurus löste in den Himmelsgestaden entschiedene Gegenreaktionen aus. Die Wolken quollen zu dunklen Trauersäcken auf und entluden gewaltige Wassermengen, die allerdings Pirineosaurus am nächsten Tag mehr berauschende Gefühle zu Gehör bringen werden. Der Protestregen kostete so zwei akademische Stunden in einem Café/Restaurant im Vall de Boí, wo er sich in Zeitschriften über Pirinexus, den pirineosaurischen Radweg, kundig machen konnte – also Theorie zur bereits zurückliegenden Praxis.

Das Vall de Boí wurde zum UN-Welterbe erhoben ob seiner romanischen Kirchen, über die jedes Dörflein verfügt. Sie stecken wie dezente kleine Bleistifte zwischen den Häusern der Bergdörfer – alles in unverputztem, felsangepasstem Granitgrau oder in Sandsteinfarben gehalten. Von unten wirkt da jedes Bauwerk wie eine Miniatur, eine Spielzeuglandschaft, wie man sie auch häufiger in der Schweiz empfindet, wenn sie vor mächtigen Bergkulissen den Betrachter zur Demut verpflichten. Ja, diese Steinhausdörfer mit ihren Kirchlein werten die kahlen Berghänge nochmal auf, zumal die schneeberieselte Gipfelkulisse nicht immer zur Verfügung steht. Zu häufig verschleiern die Wolken das denkbare Postkartenpanorama.

In Taüll sind zwei romanische Kirchlein zu finden, darunter die berühmteste aller: Sant Climent. Klar, auch ein Postkartenklischee. Sogar der Himmel ist zum Abend blau geworden. Es sind nur wenige Schritte zum Camping einerseits und in den steil ansteigenden Ort andererseits. Fürs Kopfsteinpflaster empfiehlt denn auch ein Rundgang ohne Rad. Von den vielen malerischen Winkeln in den Dörfern Boí und Taüll ist Pirineosaurus ganz angetan und vergibt ein gehobenes a-STONE-ishing – die Kirchlein eingeschlossen, trotz seines Ärgers über das missbräuchlich genutzte Ei durch die Himmelswächter zuvor.

Fr 27.6. Taüll – Boí – Aigüestortes (Parkplatz Zubringerbus, ca. 1800m) – (exc. Wanderung Aigüestortes: Estany Llong – Estany Redó & retour, ca. 7 h) – Barruera – Les Bordes – Camping Baleira – Hotel Montsana – Camping Baleira
54 km | 14,2 km/h | 3:49 h | 885 Hm
W: meist bedeckt, sehr windig, sehr kühl, unter 18 °C
Ü: C Baleira 10,40 €
AE (H/R Montsana): Oliven, Schnecken in Kräutersauce, Ente mit Rosinen, Pilzen & Kart., Crème Caramel, Cafe 32,30 € (+)
B: NP Aigüestortes 0 €

Die Nacht war merklich kalt und das gilt auch für den Morgen, der selbst Saurierfinger frieren lässt. Auch taucht man erst mal tief ab in ein steiles Tal Richtung Norden (Caldes de Boí), das spät von Sonne gefüllt wird. Etwas mehr Licht dringt schon wenig später ins Tal Sant Nicolau, welches per Abzweig recht streng nach Osten führt. Gleichan nimmt auch die Steigung zu. Privatautos müssen bei der Schranke mit Info-Häuschen parken (Palanca de la Molina). Die Zubringerpendelbusse aus Taüll oder Barruega dürfen weiter, Velos auch. Die Auffahrt auf der sehr engen Straße ist ein Gedicht – Blumen- und Morgentauimpressionen in allen schillernden Varianten. Pirineosaurus kommt kaum voran – zuviel der irisierenden Licht- und Farbmomente.

Von der ersten Steilphase kann man sich beim Estany de Llebreta etwas erholen. Gleich an geht es aber wieder heftig zur Sache. Dabei hört Pirineosaurus ein Grollen und Donnern, als würden die für das Sauriersterben verantwortlichen Vulkanausbrüche näher rücken. In mehreren gewaltigen Schwallen ergießt sich die Cascada de Sant Esprit. Dank der vielen Himmelsschüttungen der Tage waren die Rohre besonders voll. Stäubende Gischt, in der sich blaue Lippenblütler laben. A-STONE-ishing! Zwischen den Felsen schäumen saurische Whirlpools, die aber Pirineosaurus hinwegreißen würden. Kein Badeplatz, wie übrigens das Baden in allen Seen des Nationalparks offiziell verboten ist.

Von dem Wasserfall blickt Pirineosaurus auf das tiefe Azurblau des ersten Sees zurück, eingebettet in die hellen Grüntöne der Bergweiden und die dunkelgrüner Schleifen der Tannen. Fortan windet sich die Straße alsbald Berghänge hinauf, der Fluss bleibt im Tal zurück, sein Wasser nimmt einen anderen Bogen als die Straße. Schließlich erreiche ich die Hütte, wo sich die Wanderer aus den Taxibussen sammeln, ebenso wie hier der Radler das Velo parken muss. Dazu steht auch ein Radständer bereit, wo tatsächlich schon ein MTB drin klemmt. Das Mädel kommt mir später entgegen, sie war ohne jedes Gepäck unterwegs. Pirineosaurus muss sich gut überlegen, wie er sich auf den Fußweg umstellt, denn das ist für seine Saurierfüße ebenso unpraktisch wie das Gedöns, dass er sich auf den Rücken binden soll, damit er nicht verhungert, verdurstet und – sich nicht erkältet. Denn bei dem kalten Wind ist die sonnengierende Saurierhaut von unangenehmen Rötungen gefährdet. Jeder Sonnenstrahl allerdings bringt wieder schnell einen Temperaturschub. Also braucht es Kleidung für alle Fälle.

Anfangs stolpert Pirineosaurus noch unbeholfen über Stock und Stein, obwohl der Weg fast eben ist. Bald aber delektiere ich mich an den archaischen Baumskulpturen, die aus saurischen Zeiten stammen. Zwischen dem kurzen grünen Gras plätschert der Bergfluss sanft, weil wenig Gefälle, entwickelt helle Blau- und Grüntöne, ein Schillern wie die Federn eines Eisvogels. Die Ufer umsäumen Alpenrosen in pastellenem Leuchtrotrosa. Das sind längst nicht alle Farben, die hier aufleuchten – nein, die kann selbst Pirineosaurus nicht alle aufzählen. Brücklein und Bohlenwege schaffen sogar für Behinderte die Möglichkeit, die saurischen Gebirgswelten zu erfahren. Die Brunnen sind nicht zahlreich, einer liegt noch an der Straße, recht weit oben, einer ganz unten, zudem einer am Fußweg, eher unteres Drittel – gemessen am Weg zur bewirteten Berghütte. Aus den Bächen und Wasserfällen lässt sich natürlich auch trinken.

Nach Kuhweiden und gefluteten Wiesen sind die steileren Passagen auf das letzte Viertel oder Fünftel beschränkt. Das Refugi, kurz vor dem Estany Llong gelegen, ermöglicht Übernachtungen in einfachem Hüttenambiente. Streng wird auf Sauberkeit geachtet, in den Schlafräumen dürfen keine Schuhe verwendet werden (es gibt Hauspantoffeln) und auch der Rucksack muss draußen bleiben. Es ist kaum wärmer als draußen, aber immerhin ohne Wind. Softgetränke haben Nachtclubpreise und auch das Brot mit Schinken oder Käse ist unter seinem Talerwert. Für Nachthüttengäste gibt es auch eine Art Menü, das scheint noch preislich okay, dürfte aber gemäß der Qualität des Sandwichs zu urteilen nicht für die Gourmetzunge von Pirineosaurus geeignet sein.

Die Hütte hatte ich erst bei der Rückkehr besucht. Ich wanderte nicht nur zum Hauptziel der meisten Fußgänger, dem Estany Llong, sondern entschied noch einen weiteren See anzuhängen. Als Pirineosaurus den Estany Llong in der alpinen Felskulisse mit dem Auge erfasste, die Gipfel mit noch erklecklichen Schneeresten, den Silberglanz des Seespiegels und das Alpenrosenleuchten davor, durchstach ihn ein Gefühl großer Glückseligkeit, ein innerer Jubel drückte gegen den Gedankendeckel, als wolle eine Sprungfeder die überbordenden Gefühle herausschnellen lassen, in der Seele tanzten die Elfen und seine Iris überzog ein dünnes, kaum sichtbares Rinnsal kleiner Tränen, die nichts anderem als der schlichten Freude geschuldet sein sollten. Superior, bellissima, A-STONE-ishing!

Wenn schon die Witterung das Festkleid purer Saurierhaut verhindert, so wollte Pirineosaurus wenigstes das weiche Gras der kleinen Hochebene am nackten Fuß spüren. Es ist wie das Schweben der Seele, die hier das Saurierherz überall erfasst. Am Estany Llong entzweigen sich die Wege. Die Hauptroute führt über den Portarro d’Espot auf die Ostseite von Aigüestortes mit dem Estany Sant Maurici, Espot und der Bonaigua-Passstraße. Ich wähle nach Norden den Weg zum Estany Redó, ein kleiner Rundsee, nicht weniger paradiesisch ein Silberstück wie der Estany Llong. Dorthin ist der Weg schon einsam, nur noch harte Mehrtageswanderer laufen dort. Der Pfad führt steil durch einen Niedernadelwald, der zur westlichen Seite auf großer Fläche von einem Gardinenwasserfall durchflossen wird. Am Redó-See versucht Pirineosaurus ein saurisches Bad, muss sich aber schütteln ob der eiszeitlichen Temperaturwerte des Wassers. So bleibt es bei einem erneuten Ausruf: A-STONE-ishing!

War schon in den Bergtourismus-Hotspots von Boí, Taüll und Barruera eine äußerst bescheidene Gästezahl zu beobachten, setzt sich der Eindruck der Folgen der wirtschaftlichen Krise wenig weiter im Ribagorçana-Tal fort: Gegenüber dem Camping hat ein neu eingerichtetes Restaurant geschlossen. Wenig weiter, ebenfalls an dieser Transitachse, hat man mangels Gäste unspanisch schon längst vor Sonnenuntergang die Küche geschlossen. Es ergibt sich ein unbequemes Hin und Her zwischen Camping und der einzigen Nahrungsquelle zur entgegengesetzen Richtung. Pirineosaurus kann sich allerdings auf eine gelungenes Festmahl freuen, das dem Tag und den kulinarischen Entsagungen der letzten Tage mehr als angemessen ist. Besonders freut ihn, mal wieder seine schon benannte, saurisch veranlagte Rache an Schnecken auszuüben, indem er sie mit würziger Kräutersauce aufspießt und genüsslich dem Gaumenschlund zuführt. Echt saurisch!

Die zahlreichen Höhepunkte, die Pirineosaurus in diesem Kapitel ein laut pochendes Saurierherz schenkten, verlangen nach einem passenden Musikstück quasi „on the rock“. Der französische Bass-Virtuose Renaud Garcia-Fons, ein ebenso kosmopolitischer Weltengänger wie auch mit den väterlichen Heimatwurzeln verbunden (ein katalanischer Maler), lotet immer wieder neue klangmalerische Möglichkeiten des geradezu saurischen Instrumentes aus. Mit seinem Marcevol-Konzert 2011 in einem Kloster in den Pyrenäen gegenüber dem mystischen Canigou setzte er Maßstäbe für den Solo-Bass – ziemlich exakt einen Monat später, nachdem ich an dem Berg des Klosters vorbeigeradelt bin. Ein wahrlich pirineosaurisches Alter Ego: Renaud Garcia-Fons „Rock Wandering” (2:14 min., aus dem Marcevol-Konzert).

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Geändert von veloträumer (12.02.19 12:44)
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#1088568 - 14.12.14 19:27 Re: Die Legende von Pirineosaurus [Re: veloträumer]
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In Antwort auf: veloträumer

Was erwartest du von Pirineosaurus, dass er mit Navi gefahren ist??? verwirrt lach Ich konnte in den Traumsequenzen keinerlei Ähnlichkeit zu solcherlei Geräten erkennen, wie sie hier verbreitet sind. Wie du später lesen wirst, ist Pirineosaurus teils sogar nach Nase (Geruch) und höheren Schicksalslenkungen gefahren.


Ich habe es schon befürchtet, dass vor der Kreide-Tertiär-Zeit Garmin noch keine Geräte an den Mann resp. Saurier gebracht hat. Nun ja, dann werde ich mir bei Gelegenheit die einzelnen Orte einmal zusammenstückeln zwinker .
Gruß, Arnulf

"Ein Leben ohne Radfahren ist möglich, aber sinnlos" (frei nach Loriot)
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#1088778 - 15.12.14 17:53 Re: Die Legende von Pirineosaurus [Re: veloträumer]
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KAPITEL 4 – ARAGÓN I (Nordost)
Canyons und Kletterwände, Felsskulpturen und Ginsterteppiche, Nacktwanderung und Gewitterinferno: Von der Sierra de Ballabriga über Ainsa in die Sierra de Guara und Sierra de Loarre

Sa 28.6. Camping Baleira – Bonansa – Puerto de Bonansa (1320m) – Obarra – Villacarli – Egea – Campo – Collado de Foradada (1020m) – Ainsa
81 km | 13,7 km/h | 5:44 h | 1290 Hm
W: sonnig, ~30 °C, abends gewittrig, aber mild
Ü: C Ainsa 11 €
AE (Bodegas del Sobrarbe): Auberginen mit Fischfarce, Ossumbuca, Erbsen-Ei-Plätzchen, Käseeis mit Feigen karamelisiert, Rw, Cafe 21,50 € (++)

Jeder Tag ist neu und heute sollte die Sonne das Licht wiederbringen. Den Bonansa-Pass (keine Cowboy-Ranch) erreicht Pirineosaurus durch Felsen hindurch, mit einem leuchtenden Atem von Blumen und über das verschlafene Bonansa nur wenig unterhalb des Passes. Als der Dorfbrunnen kein Wasser spenden will, erscheint ein Einheimischer auf dem Balkon und beschenkt mich mit dem kühlen Nass aus seiner Privatleitung. Auf der unscheinbaren Hochebene des Passes kann man einen lichten Kiefernwald durchwandern, bei dem – wie überraschend oft in Spanien, aber auch Frankreich zu finden – ein aufwändiges und gut durchdachtes Informationssystem für Behinderte existiert (insbesondere Blindenschrift). Eine Freundlichkeit, die allerdings Pirineosaurus vermeiden möchte jemals nutzen zu müssen.

War die Auffahrt noch ein Stimmungserlebnis der leisen Art, so ist die Abfahrt in und im Isabena-Tal ein lauter Schrei von überbordenden a-STONE-ishing-Delikatessen, wie sie Pirineosaurus nur so mit Wonne verschlingt. Steinfiguren, die zu Pirineosaurus’ Zeiten noch agile Lebewesen waren, grüßen den alten saurischen Freund. Ein Flug durch heiße Luft, erfrischend dazwischen engste Schluchtenspalte, die gerade noch den Bergfluss durchlassen und die Straße selbst den Weg durch die Felsen bohren muss. Aus dem fast schwarzen Randgestein, das auf die Straße heraus zu bröckeln droht und aus dem reinstes Kristallwasser quillt, hängen hochzeitskleidweiße Blütenzapfen heraus – ganz die Wurzel ohne Erde in den Fels getrieben. Wenn es nicht Tag wäre, würden diese Schneebananen als Leselampen das Tal erleuchten, wenngleich schon ihr Honigduft ausreichen würde, einem saurischen Radler den Weg ganz ohne Beleuchtungsgesimsel zu weisen. A-STONE-ishing, aber gewaltig, ja!

Ganz dem freien Himmelszelt widmet sich die nunmehr westwärts umgelenkte Strecke, von der Isabena fortgewendet. Erbarmungslos brennt die Sonne über kahlem Land, eine dem Mond abgeschaute Stein- und Erdwüste in Aschgrau, seltsam auf- und angeschüttet, und in das sich nur verzagt grüne Büsche trauen. Selbst für saurisches Gehäut und Hirngebälk wird die Hitzentwicklung kritisch, doch kühlt allein der planetarische Blick über urgesteinliche Landschaftsarchitektur, die noch weit vor der Zeit von Pirineosaurus zu liegen scheint. Das ist tatsächlich a-STONE-ishing!

Klar doch, dass nach dem kleinen Versorgungszentrum Campo Pirineosaurus unbedingt ein kühles Bad braucht, was sogleich unter einer alten Steinbogenbrücke ihm bereit steht. Der Fluss ist aber reißend und gleich so kalt, dass erneut Pirineosaurus zweifelt, ob Saurier eher in der Eiszeit endgültig ausgestorben sind als an einer Klimaerwärmung, wie es heutzutage ja beliebt ist zu behaupten. Ohnehin war es mitnichten so, dass die Kimaerwärmung als solches den Tod der Saurier brachte, sondern die indirekten Folgen. So führte die Klimaerwärmung dazu, dass die Saurier mehr ausgelassene Feste unter freiem Himmel feierten und sich viele Saurier an den alkoholisierten Früchten berauschten, sodass sie sich bei bedrohlichen Gefahren (wie etwa Steinschlag von Vulkanen) nicht mehr rechtzeitig in ihre Höhlen retten konnten. Saurierhöhlen waren schon immer angenehm warm temperiert, gerade weil es mehrere Millionen Jahre lang draußen recht kalt war. Wie so häufig schafft sich jede Art ihre eigene Grube, die in den Untergang führt. Pirineosaurus schüttelt da nur mit dem Kopf, dass das die Menschenkinder noch nicht gelernt haben. Sie sollten mehr über das Leben der Saurier wisssen – das könnte auch ihnen helfen.

Für Menschenkinder ist das Wasser sogar so kalt, dass sie ausschließlich mit Neoprenanzügen ein Bad wagen, so beobachtet Pirineosaurus. Ich schüttle etwas den Kopf, wie es Spaß machen soll, sich von reißen Fluten abtreiben zu lassen, ohne dass man seine Saurierhäute genüsslich laben kann. Ist so kaltes Wasser im Sommer a-STONE-ishing? Der Brückenblick ist es in jedem Fall.

Zum Foradada-Pass ist gleichwohl wieder kahl mit Büschen zu den Seiten, die Straße viel zu breit für das wenige Blechkistenvolk. Kann das alles der Spanier bezahlen? Nun hängen sie in der Krise und können auf ihren Straßen Tanzbälle veranstalten, auf denen nur die Geier zuschauen. So ist denn auch die Gegend ob ihrer Wildnis nicht zu unterschätzen. Als sich Pirineosaurus doch etwas mühsam auf der öden Geraden nach oben schob, hörte ich ein tiefes Grummeln, Röhren, Stöhnen, Brummen. Hinter Büschen klang das inbrünstige Rumoren so, als sei es ein raubtierhafter Feind von Pirineosaurus. Ein Bär, ein Wolf – direkt an einer Transitachse? Was auch immer für ein Urzeittiger die zierliche Sauriergestalt gefährdete, wollte dieser gar nicht wissen. Ich erhöhte die Trittfrequenz auf sichere Fluchtgeschwindigkeit um die besiedelte Anhöhe schnell zu erreichen.

Hier wenig weiter ragen riesige Speere in das Engelsgewölbe, durchschneiden in einem breiten Fächer den Horizont und das blaue Himmelszelt mit rustikaler Rostfarbe. Wenn der Urzeittiger oder Pyrenäen-Yeti von zuvor so groß sein sollte, dass solche Speere zur Tötung nötig wären, dann kann man Pirineosaurus nur beglückwünschen, einem reißerischen Exodus durch Zerfleischung entgangen zu sein. Kein Stein, nur Stahl, aber sicherlich auch a-STONE-ishing.

Nochmal planetarische Abraumhalden bis zur Talsohle. Erst kurz vor Ainsa treten güldene Weiden ins Auge, hinter denen sich der Stausee Mediano ausbreitet. Nach Norden, diesen Tags im Dunst kaum zu erkennen, des nächsten Tages klar ein markanter Horizont, erheben sich fern die von glasiertem Zucker überzogenen Nockengipfel des Ordesa-Nationalparks um den Monte Perdido, von denen einige die 3000-m-Marke überschreiten. Selbst in dieser Entfernung noch a-STONE-ishing – mindestens!

Ainsa, einst schon in meinem Tourprogramm gewesen, wollte ich nochmal erleben – als Ort des gemütlichen Speisens in der schummrig belichteten Altstadt. Diese schwebt über einem Fels, weithin dem Touristen ins Auge fallend. Auch vom Camping ist dieser Blick gewährt, von Süden hat man gleich den Schneebergblick noch im Hintergrund. So dieser Ort auch ein Fleck der tausend Perspektiven, unzählig die reizenden Winkel im mittelalterlichen Gemäuer, dass man über die Pflastergassen und Treppen am besten ersteigt – auch eine Straße führt außen rum zur zentralen Plaza oben. Ainsa ist bekannt für Spezialitäten aus der Region, Süßes wie Deftiges – Pilze, Gebäcke, Liköre, Würste, Schokoladen, Marmeladen, Käse und vieles mehr. Die nicht ganz preiswerten Regionalprodukte, ein touristischer Angelpunkt für Ainsa, gibt es kompakt gleich an einem Eckladen unten am Straßenkreuz. Pirineosaurus kann sein Gaumensabbern kaum noch unterdrücken und muss aufpassen, dass er die Verkäuferin nicht mit saurischem Schleim beklebt, sodass seine Identität enttarnt werden könnte. Auch dieser Gefahr konnte ich entgehen und wurde abends in einem wunderbaren Speisegarten so gut verwöhnt, dass ich in die höchste Gourmetwertung greifen darf. Ainsa sowohl im Gemäuer wie auch im saurischen Zungengeschmack ein hochprozentiges a-STONE-ishing!

So 29.6. Ainsa – Guaso – Arcusa – Collado de Eripol (860m) – Bárcabo – Collada de Arbe (805m) – Collado de San Caprasio (810m) – Puente de las Gargantas – Colungo – Adahuesca – Bierge – Puerto de Sierra de Rufas (867m) – Las Almunias – Rodellar
93 km | 12,0 km/h | 7:40 h | 1540 Hm
W: sonnig, sehr windig, auch Sturmböen, ~24 °C, später aber sehr kühl
Ü: C Mascun 10,50 €
AE (La Parada el Olvido): Lammkotelett, Pf, gegr. Paprika, Crème Caramel, Rw, Cafe 16,50 €

Erneut wird Pirineosaurus mit einem Sonnentag beschenkt, wenngleich ihm heftige Winde am späten Tage so zerbliesen, dass er kurz davor stand, sein saurisches Fortbewegungsmittel in den Graben zu schmeißen. Wie schon so häufig kompensierte solches Ungemach eine Welle von Leuchtblicken, die sich unweit von Ainsa den Berg hoch zog. Immer wieder fällt das Perdido-Massiv in der Ferne ins Auge und schleudert ein Kaleidoskop an Horizontperspektiven auf den Betrachter. Die Strecke enthält mehrere Anstiege, die weder schwer noch einfach sind. Sicherlich bringen die hohen Temperaturen die saurischen Säfte an eine erneute Belastungsgrenze, derweil ich bis zum Vorabend brauchte, eine geeignete Möglichkeit zur Abkühlung zu finden. Unter der mittelalterlichen Bogenbrücke bei Alquezar lassen die Saurierhäute kurz entspannen, bevor sie anschließend von schon besagten Stürmen fast eingedrückt wurden.

Es ist schwer, zwischen Ainsa und Alquezar die Steinwunder einzeln zu benennen – ist doch die Gesamtkollektion, die Wunder macht. Irgendwo steht ein altes Brunnenhaus –, dort leuchten meerblaue Gumpen im Gneis, hier schwingen sich Geier über eine tiefen Schlucht, derweil sie in die Balkonhöhlen der babylonischen Felsenhäuser zurück gleiten, wo der Nachwuchs nach Nahrung geiert –, irgendwo meißelt sich eine Brücke in ein dunkles rissiges Tuffsteinfeld, das von einer messerdünnen Barranca durchschnitten wird –, oder ein einsames Panoramacafe schweigt unter Kastanienbäumen still, nur ein Blick, die Gipfel fern – als wärs nur wunderbar. Summa summarum a-STONE-ishing. Herrlich!

Die Sackgasse mitten in die Sierra de Guara, dem Winde nach den Olivenhügeln im Zwischenspiel nun abgewandt, ist doch entspannter als es Glauben macht. Nach einer flächigen Passhöhe geht es gar wieder runter – Rodellar ist also ein verstecktes Loch, wenn auch auf einem Felsensockel. Pirineosaurus, von der Abendsonne nach den Stürmen doch alsbald besänftigt, wird dann bei den durchschnittlichen Napfgerichten Zeuge des seltsamen Spiels der Menschenkinder, von dem er schon ein wenig in der Cala Llevadó erfuhr.

In den allseits verbreiteten Hauskinos, die mit Bildschirmen in Backblechgröße betrieben werden, kann man ihm folgen. Da wird sich gegenseitig getreten, was für jeden saurischen Knochen das Aus bedeuten würde, selbst vor spritzendem Blut schreckt man nicht zurück. Der freundlichste Mensch in dem Spiel ist ein schwarzer Mann, der niemals andere tritt – nicht Mensch, nicht Ball –, der mit einer grässlich klingenden Pfeife über die grüne Wiese läuft – ein Grün, das eine der wenigen Dinge bei diesem Spiel ist, was Pirineosaurus gut gefällt. Um den schwarzen Mann herum laufen buntstiftfarbige weitere Menschenkinder, die einem Ball nachjagen als wären sie noch Kindergartenkinder. Niemals würden sich ausgewachsene Saurier zu solchem Narrenspiel herablassen. Ziel ist es offenbar, ausgediente Fischernetze zu treffen, was wiederum spezielle Spieler mit Riesenhänden zu verhindern versuchen. Der schwarze Mann wird ob seines miserablen Pfeifenspiels übrigens häufig ausgebuht oder das Pfeifen hämisch imitiert, was für ein musikalisch geschultes Publikum spricht. Eine der Spielergruppen waren schon bekannte Tulpenmenschen, deren zweier Fans auch im Gasthaus zugegen waren und sich über den Sieg ihrer „Oranjes“ über die Kakteenmannschaft aus einem indianischen Hochland freuten. Die beiden Tulpenmenschen gaben mir ein paar gute Hinweise, wie ich meine saurische Gehstrecke des nächsten Tages anlegen sollte. So hatte der Hauskinoabend, der sich am nächsten Abend nochmal wiederholen sollte, auch was Gutes. (Tags drauf spielten Germanen, ein moderner Menschenschlag, der Pirineosaurus meist wenig behagt(e), der sich aber offenbar mit dem Spiel am besten auskannte, wie er später erfahren konnte.)

Mo 30.6. Rodellar (exc. Wanderung: Rodellar – Fuente de Mascun – Fuente de Otín – Dolmen Losa Mora – Fuente de Mascun – Rodellar)
0 km | – km/h | 0:00 h | 0 Hm
W: sonnig, ~24 °C, abends kühl, windig
Ü: C Mascun 10,50 €
AE (Florentina): warmer Spargel-Bohnen-Gambas-Salat, Rindergulasch in Rw-Sauce, Pf, Himbeercrèmetorte, Cafe 19 €
B: Mascun 0 €

Die Sierra de Guara – oder wie das Schutzgebiet komplett heißt „Parque Natural de la Sierra y los Cañones de Guara“ – gehört sicherlich nicht zu den klassischen Radreiserevieren. Dafür gibt es zu viele Sackgassen und die Hauptattraktionen liegen im Fokus andere Bewegungsarten: Kletterer und Canyoning. In dieser Hinsicht ist die Sierra de Guara sogar weltbekannt und besonders bei gallischen Kletterfreunden beliebt. (Anm. von veloträumer: Nicht zufällig sind die Routenvorschläge, die der spanischen Alpina-Karte beiliegen, in Französisch, was bei anderen Kartenbeilagen der Serie nicht unbedingt der Fall ist.) Die gestrige Route bildete ungefähr den östlichen Rand dieser Gebirgsregion und bietet bereits viele Möglichkeiten, in die Schluchten, Canyons und Barrancas einzudringen. Das Zentrum von Norden liegt in Nocito, dass aber von Süden nicht per Rad/Straße erreichbar ist – allerdings per Wanderung. Rodellar ist vielleicht das gewichtigste Zentrum für die Kletterer, wenngleich mehrere Orte am südlichen Rand als Exkursionsbasis ebenfalls genutzt werden (Bierge, Alquezar). Zentrum heißt, kleine Dörfer, rustikale, einfache, teils spartanische, touristische Infrastruktur, Tourguides, Geräteverleih. Es gibt weder Nachtleben noch Gucci-Taschen zu kaufen. Auch gehobene Selbstversorgeransprüche müssen mit Mitbringseln aus entfernten Städten gedeckt werden. Die Zentren sind am Ende der Welt, ein Zipfel auf dem langen Weg der Entschleunigung.

Über die Sierra de Guara heißt es auf der Website von auswandern.com u. a. „ein El Dorado für Kletterer, Wanderer, Reiter, Mountainbiker, Träumer und Abenteurer aus aller Welt. Sie kommen hierher, um die spektakuläre Landschaft zu erleben, naturnahe Erholung zu finden oder prähistorische Höhlenmalereien und vielfältige Zeugnisse spanischer Kulturgeschichte zu besichtigen.“ Wenn da nicht Pirineosaurus die Lauscher spitzt – „Träumer und prähistorische Höhlenmalerei“! – Ein wahrlich saurisches Expeditionsfeld. Man muss also nicht die Extremsport in Fels und Wasserstrudel ausleben, um die Faszination von Guara zu erleben.

Das sorgte für Ärger mit Casco Nuevo. Erstmals protestierte er lautstark von ihm Gebrauch zu machen. In ihm stecke mehr Potenzial als in den Touristenhelmen, die man hier ausleihen könne. Er wolle sich in die Felswände mit mir stürzen und sich zu unzugänglichen Badegumpen aus blauem Saphir abseilen lassen. Er wäre jedem frei fallenden Stein gewachsen wie Pirineosaurus’ Gedankendeckel nur wünschen könne. „Absolute Sicherheit!“ rief er mir entgegen.
Ich entgegne ihm: „Wegen dir hänge ich mich nicht an Seile, wo andere Saurier sich mit umgebracht haben!“
Der Streit kostete mich die frühe Morgenstunde, dann war Ruhe unter den schattenwürfigen Olivenbäumen des Platzes. Pirineosaurus wollte eine saurische Wanderung machen, sich nicht in Hakengürtel quetschen, Plastiktöpfe auf den Kopf setzen und sich an einer Leine wie ein Vasall bewegen. „Das ist doch keine Freiheit!“ sagte sich der saurische Querkopf. Casco Nuevo schmollte den ganzen Tag, da er nicht mit in das Steinschlaggebiet durfte und unter einem Schattenbaum vor sich hindösen musste. Am nächsten Morgen war Casco Nuevo aber wieder ganz der Alte – ein schweigsamer Begleiter, der uneitel in seiner Tasche blieb.

So war die o. a. Wanderung ausgeführt, weitgehend im saurischen Festkleid der nackten Saurierhaut. Man mag der Wunder hier nicht alle aufzählen, aber doch einige: Die Gesteinsbrücke, durch die das blaue Auge des Himmels schaut, die geschwungenen Triumphbögen, die surrealen Karstskulpturen von der unverlogenen Pinocchiospitze über den erogenen Phallus-Garten bis zu ausgedehnten Felskathedralen, deren Ausmaße und Kunstfertigkeit die Kathedrale von Santiago de Compostela weit in den Schatten stellen. Am Grunde von smaragdfarbenen Flussweihern gebettet, in denen liebestolle Libellen tanzen, das Violett von Wasserlilien, der Goldglanz der Mascun-Quelle, deren Wasser eine kühle Köstlichkeit in den Schlund von Pirineosaurus gießt. Dann sind da noch die Höhen, wo ein archaischer Dolmen Pirineosaurus an seine steinzeitliche Midlifecrisis erinnert. Da sind die irisierenden Kornblumen, die mit dem intensivem roten Leuchten des Klatschmohns vor der Kulisse des verfallenen Dorfes Otín zu einer Farbsinfonie intonieren, da wo die Dornen über den geheimnisvollen Bogentoren den Weg in die bröckeligen Kellergewölbe versperren – mag da die Prinzessin schlafen?

Dem ist noch nicht genug, den alten Mauerweg entlang zu streifen, ein alter Eichenhain, quasi ein schattiger, saurischer Gang zum Quellteich, über dessen grün-rotem Schimmer die Bläulinge flattern und die Wasserspringer hüpfen als wären sie des Pirineosaurus’ Herzbubbern. Und dann sind da noch die gelben Wellteppiche aus leuchtendem Ginster – wo ist da die Sonne – oben oder unten? Erhebt sich dann der Blick ins Himmelblau, steht die Bergkulisse der Schneegipfel bereit – schon am dritten Tag, immer noch – sie bleibt als wäre sie aus unverrückbarem Stein – ist sie das so oder wandert sie? Es ist immer eine Frage der Perspektive. Jeder Tag ein Ende nimmt, nur manche aber so, wie es die Worte von Gere Gimferrer (Auszug aus dem Gedicht „Sinnbild“) sagen können:

„Die blühenden Dornen nähren sich von blauem Licht;
Der Tag befühlt die Welt mit seinem Samthandschuh;
Die Lichtberührung gräbt die Höhlen aus
Und macht den Himmelsgrund zur Mühle.

Gequält rammt sich der Mahlstein in den Himmel,
so dass der Lichtzahn wie ein Bohrgewinde
hin zur Felswand zeigt, an der die Helligkeit versiegt,
und der Tag verstummt, wo dieser Weg verendet.
…“


Ich könnte nun lange schwelgen, schreiben, dazudichten – tut das wirklich Not? Es ist doch ganz einfach ein Hochamt der Natur – ein a-STONE-ishing thing! – der Art, dass es Atem raubt – ein Trommelwirbel bitte! Aber laut, nicht ohne Pauken, Trompeten – klar, Celli und Celesta – das ganze Orchester – fortissimo bitte! Und mehr, Zugabe! – Bitte ja, seht die Bilder!

Di 1.7. Rodellar – Las Almunias – Puerto de Sierra de Rufas (867m) – Bierge – Morrano – Yaso – Santa Cilia de Panzano – Aguas – Bandaliés – Huesca
83 km | 13,3 km/h | 6:00 h | 1035 Hm
W: morgens schwül, meist bewölkt, später kühler, gewittrig, sehr windig, abends Gewitter
Ü: C San Jorge 9,90 €
AE (Hervi): Reis mit Pilzen & Calamari, Dorade, Schoko-Ku., Rw, Cafe 14,50 €

Es war ein großes Glück, den Montag für die Wanderung in Rodellar gewählt zu haben. Denn sonntags zuvor gab es viele Wochenendtouristen, die mir bei der Anfahrt entgegen kamen. Und wie aushängende Wetterprognosen am Camping in Rodellar ankündigten, erfüllten sich gar die pessimistischsten Aussichten. Noch ein kleiner Sonnenhauch am Morgen, dann trübte der Himmel ein, ließ die Landschaft in belanglose Grautöne abtauchen. Unterhalb von Bierge befindet sich ein von Menschenhand gestalteter oder ausgebauter Wasserfall, der über ein breite Bogenkante einen geschlossenen Wasservorhang bildet und einen großen Bassin füllt, in dem auch gebadet wird. Aus irgendwelchen Wartungs- oder Reinigungsarbeiten war das Wasser umgelenkt, nur ein kleiner Reststrahl verirrte sich vor der moosbegrünten Lehmfelswand, die sonst im Hintergrund des Wasservorhangs verschwindet. Ein Pech vielleicht, wie schon der Ort Bierge oberhalb kein besonderes Glanzlicht der Steinkultur. Pirineosaurus versagt sogar ein a-STONE-ishing – hier und heute ist es dafür zu wenig geboten.

Olivenbäume, Schafsweiden, Ackerland, Ödland, kleine Haine, ein Flussufer mit Espen, nichts Gewaltiges, viel Liebliches – das sind Eindrücke des Tages. Niemand würde von den Dörfern als erstes Morrano hervorheben. Doch Pirineosaurus erkennt hier einen Ort besonders wertiger Entschleunigung – ein fast ausgestorbener Ort, dem nur die Stille eines Platzes vor einer Kirche vorbehalten ist und die Schlichtheit von verblassten Holztüren und Fensterläden, von gebrochenen Blumenkübeln. Ein Ort des entvölkerten ländlichen Spaniens, der keine Berechtigung in einer krisengeschüttelten Wirtschaftsdynamik zu haben scheint, vielleicht für Radler ob des Brunnenwassers. Es ist ein Ort, in dem man eine Weile sitzt – nur eine Weile, die nur dem selbst eingeräumten Raum für Zeitlosigkeit genügen muss. Eine Zeit also im Nichts. Ein Zeit, wie sie Pirineosaurus kennt.

Selbst in Bierge war kein Brot, kein Frühstück oder dergleichen aufzutreiben. Sofern es hier Versorgung gibt, ist sie oft an Campingplätze gekoppelt, wo man einfach nachfragen sollte. Man findet zuweilen nur bewirtetes Trinken und Essen vor, offenbar gehört es aber zu den örtlichen Sitten, das dort nötigste Lebensmittel gelagert werden, die auch die Einheimischen einkaufen kommen. Selbst solche Plätze sind spärlich verteilt.

Während die Schwüle die saurischen Extremitäten ächzen lässt, entdeckt Pirineosaurus einen Lichtblick abseits der Durchgangsstraße – der kleine Bergort Santa Cilia de Panzano. Dazu muss man etwas Kletterarbeit verrichten. Der hat gut instand gehaltene Fassaden und etwas Modernisme aufzuweisen. Hauptattraktion ist ein Geier-Museum, Zucht, Fütterung und Video-beobachtete Geier in freier Natur sind Teil dieses lebendigen Museums. Die Sache hatte nur ein Haken: Geschlossen sind alle Klinken. Ich finde nur einige Info-Tafeln, sonst schweigen sogar die Geier. Immerhin ist ja schon Juli – das sollte Hochsaison sein. Krisenzeit, nur mit Voranmeldung, falsche Uhrzeit? – Keine Hinweise.

Pirineosaurus erreicht Huesca unter geschlossener Wolkendecke mit leichtem Niesel und nach kurzer Fahrt über eine belebte Einfallstraße. So recht Freund ist ihm die Stadt nicht. Die Atmosphäre der Stadt traf einfach nicht seinen Geschmack. Sicherlich hat es gute Kneipen, germanische Biere inklusive. Mehr aber eine Einkaufsstadt, profanes Konsumstreben. Die große Plaza ist von reinlichen pastellfarbenen Fassaden in Altrosa und Sandgelb umgeben. Der Charme aber entfliegt in geordneten Straßenzügen. Die größte Bewunderung empfindet Pirineosaurus der anarchischen Grafitti-Kunst, die einige Fassaden in scheinbar schlechteren Vierteln zieren. Schließlich verkürzt auch noch ein Donnerwetter seine Entdeckertour.

Mi 2.7. Huesca – Apiés – Nueno – Arguis – Collado A Barza (1126m) – Rasal – Triste – Murillo de Gállego
76 km | 12,2 km/h | 6:11 h | 1070 Hm
W: bewölkt, auch sonnig, nachmittags & nachts Regen, Hagel, Gewitterinferno, eher kühl
Ü: H Los Mallos 35 € m. Fr.
AE (H): Weiße Bohnen mit Speck, Holzfällersteak, Pf, Milchcrème mit Honig, Rw, Cafe 23,10

Die Landschaft hier ist schon wüstenähnlich, wenn die Stadttore hinter einem liegen. Nicht mal Brot gab es in Huesca zu kaufen – alles öffnet weit nach dem saurischen Weckruf. Es gibt auch keinen Speckgürtel mit Supermärkten o. ä. – gleich ruft die Einsamkeit. Der Blick wandert auf die Felstore zum Vadiello-Stausee, denen Pirineosaurus immerhin ein entferntes a-STONE-ishing zuruft, wenngleich er eigentlich die nähere Inspektion geplant hatte. In Nuena (nach Hügelfahrt) stoße ich erstmals auf die Autobahn zwischen Huesca und Pamplona, übers Eck von Sabinánigo geführt. Wie ich auch später noch bemerken konnte, ist der Ausbau noch nicht abgeschlossen, wird aber sichtbar weiter vorangetrieben. Für Blechkisten ist immer Geld da.

Pirineosaurus darf sich freuen: Eine alte, tiefer gelegene Straße im mehr oder minder baufälligem Zustand, nicht auf Karten verzeichnet, ermöglicht ein weitgehend unbehelligte Fahrt durch Fels, während droben der Lastverkehr über kühne, neue Brückenkurven brummt. Der Genuss hält an bis unweit des Stausees Arguis mit gleichnamigem Ort leicht oberhalb. Es ist schon ein kleines blaues Meer, dass bei entsprechendem Licht auch wunderbar leuchten tut.

Schon wieder lahmt Pirineosaurus, die Schwüle verheißt nichts Gutes. An einer Bar gibt es ein sehr mäßiges Sandwich, gar nicht saurisch im Geschmack. So lässt sich Müdigkeit nicht vertreiben. Dann noch ein Nickerchen am Dorfplatz – es hält nicht vor. Und doch treibt es Pirineosaurus an. Was die schlaffen Muskeln nicht können, das die Augen machen umso mehr: Jubelleuchten groß, Honigduften viel – das überschäumende Ginstergelb endet erst am Bergenhorizont. Es sind die Ausläufer des Naturparks der Sierra de Guara, der über die Monrepós-Passstraße nach Westen hinausreichen. Pirineosaurus erhebt hier seine Flügelarme, schüttelt sein saurisches Kleid, um dieser Farbenkantate seine Hymne zu widmen. Dann wechselt der Berg sein Gesicht, zeigt aschgraue Erdschichten – sind es Abraumhalden? Oder Mondlandschaften? Planetenland? Sagen wir einfach: ein a-STONE-ishing thing.

Doch die dunkelgrauen Sackwolken beschweren das Land, bekommen erste Löcher. Dem Sprühregen folgt ein Landregen, mit dem aber der Wolkenlast noch längst nicht genüge getan ist. Es brechen bald die Schleusentore und Pirineosaurus muss schnell Deckung suchen. Die Straße überbrückt einen Kiesweg, da scheint Schutz gewährt. Die saurische Häute sind bereits reichlich durchnässt. In der Unterführung treibt der Wind den Regen mal von der einen, mal von der andern Seite hinein. Es donnert, blitzt, hagelt, schüttet – ein Graus, ein Vorort der Hölle! Ich muss hin- und herlaufen, um den feucht-kalten Windpeitschen auszuweichen. Die saurische Haut beginnt zu schrumpeln und Pirineosaurus zeigt deutliche Anzeichen eines Zitterns. Ich wechsle die Socken, die Handschuhe, ziehe zwei Jacken übereinander. Draußen schwemmt der Weg mehr und mehr auf, wo ist Stein, wo ist Wasser? – das Bild verwischt. Selbst ein Autofahrer sucht den Unterstand. Ich seh zu beiden Seiten die Fluten. Wie lange noch? Könnte es um Pirineosaurus geschehen sein und er ertrinken?

Pirineosaurus ergreift die Gelegenheit, bei dünnem Streifenregen aus der Todeszone zu entkommen. Gewaltige Wassermassen donnern über eine Staustufe im Bernues-Fluss, dessen Tal zum Oreol-Pass Pirineosaurus gefallen könnte. So der untere Eindruck. Doch dazu bleibt keine Zeit. Im Süden liegt der Embalse de la Pena, mit einer eigenen Regenstimmung, noch ein leuchtendes Blau vom See, noch ein Hauch goldenes Ährenfeld, noch ein leichtes grünes Schimmern der hellgrünen Laubwedel. Das alles in leichtes Licht getaucht, von hellem zu dunklem Grau – mal Licht, mal Schatten. Es ist ein Stimmung, die einen Namen hat: „Triste“ – ja so heißt der Ort, der nun triste im Regen über dem See liegt.

Pirineosaurus jedoch darf nicht länger träumen. Eine gerautete Eisenbrücke weist den Fluchtweg nach Süden und überwindet eine Engstelle des Sees. Hier wurde auch mal Bergbau betrieben. Sogleich strebt die Straße auf mächtige Felsdome zu. Sie wachsen im Auge zur bedrohlichen Kulisse heran. Doch das gilt noch mehr für die erneut sich ballenden Wolkensäcke. An einer Straßenmulde, von wo es nun etwas bergan geht, erblicke ich riesige Türme von Konglomeratgestein, wie die Geologen zu sagen pflegen. Es sind die Los Mallos de Riglos. Fast am Ziel. Doch habe ich die Felsen erkannt, entschwinden sie auch wieder. Ein riesiges Wolkenfeld legt sich über den Fluss, taucht die Welt in ein geisterhaftes Nichts – nur noch schemenhaft bleiben die Umrisse der Felsen, die in den Fluss zu kippen drohen.

Das Schwarz des Himmels zürnt, erbricht dann in Wassermassen, die das Vorstellungsvermögen des Menschen überschreiten müssten. Nur Saurier haben solche Wassermassen schon gesehen – als ihre Welt unterging. Es konnte natürlich nicht die Zeit des Sauriersterbens sein, das wusste ja Pirineosaurus – soviel war klar. Ein kleines Bäumchen sollte die schlimmsten Schüttungen abdämpfen, den Hagel auf die Fahrbahn ablenken. Der Blick in das schon weit unten liegende Wasser wird immer bedrohlicher. In Stunden könnte das Wasser bis zur Straße steigen, einen Ozean bilden. Des Teufels Blitze zucken und Donner grollen, kreisen von allen Seiten des Universums über dem Kopf von Pirineosaurus sich ein als wollten sie den letzten aller Saurier endgültig ins Jenseits schicken. Was hatte nur Pirineosaurus verbrochen, dass ihm so brachial das Schicksal entgegenstrebte?

Eine kleine Lücke, in der es nur noch kräftig regnete, nutzte Pirineosaurus zur Flucht den Berg hoch. Kurz öffnete der Himmel sogar das Zelt für einen günstigen Lichteinfall, damit Pirineosaurus die Los Mallos bewundern konnte. Die Felstürme leuchten in Rot und in Violett, ein kontrastreiches Grün als Haubendeckung und dazwischen, und darunter ein kleines Dorf mit verlorenen Häuserwürfeln, deren Bewohner die furchtlosesten des Erdballs sein müssen. Es ist ein Wunderbild für Pirineosaurus – juch he! Gewaltig, magique, a-STONE-ishing!

Keine Zeit zu verlieren, treibt es Pirineosaurus unter das Dach eines Hostals, wo er seine saurischen Häute pflegen konnte. Es war gerade nochmal gut gegangen. Die ganze Nacht entleerte sich der Himmel, ließ die Regenrinnen vor der Dachstube überlaufen – hoffentlich hält der Berg gegenüber mit der Kirche? Wird doch keine heilige Kirche vom Himmel gestürzt? – Als Pirineosaurus am folgenden Morgen im Backblechkino von den Notständen des Landes sah und hörte, den abgebrochenen Brücken, den eingefallenen und geschwemmten Fahrbahnen, den weggerutschten Bergen – da war klar, welche erdgeschichtliche Zeit er leibhaftig erlebte: Es war die Zeit der großen Sintflut. Das alles steht im Buche Mose – nur nicht, dass ein Pirineosaurus auch die Sintflut überlebte.

Der traditionelle Tanz Aragoniens ist die Jota, die letztlich in ganz Spanien verbreitet ist und Einflüsse des Flamencos wie auch des Walzers in sich trägt. Der katalanische Komponist Francisco Tárrega hat eine aragonesische Jota in virtuose wie kraftvolle Gitarrenmusik umgesetzt: Aldo Lagrutta „Gran Jota Aragonesa” (F. Tárrega) (7:55 min.).

Bildergalerie zu Kapitel 4 (210 Fotos):



Verantwortlich gezeichnet
Pirineosaurus Rex

Fortsetzung folgt

Geändert von veloträumer (12.02.19 12:45)
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#1088786 - 15.12.14 18:27 Re: Die Legende von Pirineosaurus [Re: veloträumer]
veloträumer
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Jenseits der Welt von Pirineosaurus muss ich als veloträumer leider eine unerfreuliche Mitteilung machen, die vermutlich alle Bildergalerien betrifft. Google+ hat offenbar großen Spaß daran, die Bilder ihrer Mitglieder ein bisschen durchzuwürfeln und willkürliche Dinge zu machen. böse Soweit ich als registriertes Mitglied die Bildergalerien anschaue, sind diese auch richtig sortiert. Soweit man aber von außen als Externer die Bildergalerien anschaut, wird in der Einzelbilddarstellung (und dieser zugeordneten Übersicht) immer ein Bild willkürlich aus der regulären Sortierung herausgezogen und ans Ende der Bildserie/des Albums gestellt. In der Übersicht, die nicht an die Einzelbilddarstellung gekoppelt ist, ist noch alles in Ordnung. Das Problem werde ich nicht beheben können. Ich hoffe es bleibt bei dieser 1-Bild-Verschiebung. Gemäß Hilfsblog bei Google+ ist der Verein von großem Chaos geprägt und nicht unbedingt das, was man kundenorientiert nennt. Naja, das Angebot der Bildportale ist ja weitgehend kostenlos - wenn man mal von den trickigen Sekundärnutzungen absieht. (Übrigens gibt es auch massive Ladeprobleme, keine einziges Album wurde fehlerlos hochgeladen, einige Bilder musste ich immer nachladen).

Für die Dramaturgie der Bildfolge ist das zuweilen nicht ganz günstig, weil Pirineosaurus zuweilen bewusste Schlusspunkte gesetzt hatte. Es bleibt mir nichts anderes, als hier und bei den Folgekapiteln die Fehler verbal zu benennen:

Kapitel 1: Das letzte Bild ist regulär der Pyrenäenblick von Els Angels aus. Tatsächlich erscheint danach noch das Bild mit den frisch lackierten Fischerkähnen am Strand von Begur. Dieses Bild sollte regulär nach dem letzen Ortsbild von Begur (ein Hausnummernschild) folgen.

Kapitel 2: Die Bildgalerie sollte mit Knalleffekt mit dem Feuerwerksbild aus Cardona (zum Johannisfest) enden. Tatsächlich folgt noch ein Wassrfallbild. Es handelt sich umd ein Detailbild des Wasserfalls Salt de Sallent, der zuvor auch in Gänze abgebildet ist. Der Wasserfall ist auf der Strecke zwischen Rupit und dem Staudamm des Sau-Sees zu sehen.

Kapitel 3: Das letzte reguläre Bild ist die Schneckenspeise von Pirineosaurus. Stattdessen folgt noch ein Bild mit ein Keksspezialität aus Ribargorçana. Diese Kekse hat Pirineosaurus in Pont de Suert erworben. Ganz falsch ist es ja nicht, weil die Schneckenverspeisung noch im selben Tal erfolgte und die Kekse mehrere Tage lang Proviant lieferten.

Kapitel 4: Den regulären Abschluss bildet das Hostal "Los Mallos" in Murillo. Tatsächlich folgt noch das Bild eines Wanderers mit Esel in der Sierra Guara, der Pirineosaurus auf seiner Wanderung grüßte. Das war kurz vor der Mascun-Quelle (am Morgen).

Ich bitte die Verwirrung zu entschuldigen, es liegt nicht in meiner Hand. traurig
Liebe Grüße! Ciao! Salut! Saludos! Greetings!
Matthias
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#1088789 - 15.12.14 19:00 Re: Die Legende von Pirineosaurus [Re: veloträumer]
Keine Ahnung
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Hallo Mathias,

leider muss ich bestätigen, dass auch bei der letzten Bilderserie diese Bildverschiebung vorliegt. Das muss ich einmal bei meinen eigenen Bildern testen. Hast Du schon einmal versucht, die Bilder unter Picasa zu betrachten?

Die Landschaftsaufnahmen dieses Teils gefallen mir bislang am besten. Ich fühle mich in den Bergen eben doch am wohlsten.
Gruß, Arnulf

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Off-topic #1088817 - 15.12.14 20:22 Re: Die Legende von Pirineosaurus [Re: Keine Ahnung]
veloträumer
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Hallo Arnulf,
leider bietet mir Google nur in der ersten Bildergalerie die Alternative Picasa an (als Externer). Da ist in der Tat keine Verschiebung. Insgesamt scheint es etwas träger zu sein beim Durchklicken als Google+. Intern (mit Anmeldedaten) komme ich natürlich immer in Picasa rein. Ich habe unterschiedlich hochgeladen, anfangs mit Google (Kap. 1), danach mit Picasa. Seltsamerweise bekomme ich die Picasa-Alternative nur bei dem Google-hochgeladenen Bildern (Kap. 1). Ist das bei allen so? Oder sind da wieder heimliche cookies am Werk? verwirrt wirr
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Matthias
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Off-topic #1088825 - 15.12.14 20:55 Re: Die Legende von Pirineosaurus [Re: veloträumer]
Keine Ahnung
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Hallo Mathias,

Google versucht, Picasa vollständig durch Google+ zu ersetzen und macht das recht agressiv. Vielleicht hilft Dir ja folgender LINK.
Gruß, Arnulf

"Ein Leben ohne Radfahren ist möglich, aber sinnlos" (frei nach Loriot)
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Off-topic #1088842 - 15.12.14 21:52 Re: Die Legende von Pirineosaurus [Re: Keine Ahnung]
veloträumer
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Diesen Abgesang auf Picasa hatte ich ja selbst hier schon mal prognostiziert. Aus diesem Grunde möchte ich auch keine Weblinks mehr von Picasa setzen, weil ich befürchte, dass Picasa irgendwann eingestellt wird und beim Komplettumzug auf Google+ die Links zerstört werden könnten. Zuweilen ist das ja schon teils bei einigen speziellen Links (Diashows, nicht direkt eingebundenene Einzelbilder) innerhalb desselben Anbieters passiert (photobucket) und auch bei flickr habe ich den Verdacht, dass nicht alles aktualisiert wird. (Habe heute noch einige ältere Forumsbeiträge gesucht, alle flickr-Bilder waren tot, wobei ich nicht weiß, ob gleich mehrere Nutzer die Fotos oder das Konto aufgegeben haben oder flickr alte Links einfach nicht korrekt transformiert hat.) Der Technik ist aber schon genug Zeit zugetan, es soll die Erzählung weitergehen...
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Matthias
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#1088844 - 15.12.14 21:58 Re: Die Legende von Pirineosaurus [Re: veloträumer]
veloträumer
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KAPITEL 5 – NAVARRA I/ARAGÓN II-a/b (Nordwest)
Pilz-Kulturen, Wüsten-Surrealismus, Geier-Canyons und Endstation Wolkenbruch: Durch Cinco Villas zu den Bárdenas Reales und über Lumbier durch die Täler des Rio Aragón nach Canfranc

Do 3.7. Murillo – Ayerbe – Puerto Sierra Mayor (902m) – Biel-Fiencalderas – Luesia – Uncastillo – Sádaba – Alera
100 km | 14,3 km/h | 6:54 h | 1190 Hm
W: bis mittags sonnig, dann Gewitterregen, Landregen mit Pausen, eher kühl
Ü: C wild 0 €
AE (Bar Piscina): Steak, Pf, Salat, Bier 10 € (–)

Seit langem darf ich mal wieder gutes Gebäck zum Frühstück probieren: Nicht im Hostal, sondern wenig weiter in Ayerbe, ein kleiner Knotenort dort, u. a. auch als Ausgangspunkt zur Burg von Loarre, die ich nicht mehr besuchen wollte (nicht von Ayerbe aus zu sehen). Gegenüber der exquisiten Bäckerei und Patisserie stehen vor einem Laden ein Paar Gehstöcke, fast denkt man „Kitschladen“. Pirineosaurus aber wittert Besonderes. Die Hälfte des Ladens ist gefüllt mit Pilzspezialitäten, getrocknete – Morcheln, Steinpilze, Trüffel und noch weit mehr. Ein Regal präsentiert Spezialliteratur über Pilze – vom einfachen Sammlerbuch bis zur wissenschaftlichen Fungizidforschung. Dazwischen finden sich dann noch künstlerisch gestaltete Pilzmodelle. Wanderer finden Spezialkarten für die weitere Region und eben besagte Gehstöcke. Dazu kommen noch andere Spezialitäten wie Käse, Schinken, Würste, Saucen, Weine, Marmeladen, Honige, Pralinen und Schokoladen. Pirineosaurus entscheidet sich u. a. für ein Stück Trüffelkäse – seinem saurischen Speicheldoktor zufolge ein probates Hausmittel, um das Gefühl für die richtige Nase, will sagen, die hellseherischen Fähigkeiten, zu fördern.

Über die Sonne des Morgens freut sich Pirineosaurus wohl sehr nach den Fluten des Vortags, aber es macht ihn auch misstrauisch (eine Wirkung des Trüffelkäses). Zunächst aber sah ich einen Schlangenadler mit Schlange – wie es sich gehört. In der Gegend gibt es viele alte Brücken, von denen einige verfallen sind. Auf einigen Brücken sehe ich Aufschrift „Pantà no!“ – ein Hinweis auf Proteste gegen weitere Staudämme, die in Spanien weit zahlreicher sind als es mir sonst woher bekannt ist. Blechkisten zählen auf der Strecke bis Uncastillo ist eine ziemlich öde Angelegenheit. Man braucht selten zwei Pfoten dafür. Die Dörfer sind denn auch weit auseinander. Die Landschaft hügelig, zunächst etwas Fels, dann Kiefernwald, ein letztes Panorama auf die Los Mallos – schon fern, im Dunst –, Mischwälder, Weiden, Felder. Biel-Fuencalderas, ein dicht aneinander gewürfelter Ort, an einem Hügel hochgezogen, über Fluss und Brücke, leistet sich sogar ein kleines Schwimmbad. Die Gästequote dort wird selten zweistellig sein. Heuer aber beendet die Sonne das Geschäft mit einem Kind als Badegast. Pirineosaurus, gerade mit seinem Picknick vor dem Schwimmbad beschäftigt, muss wieder schleunigst alles zusammenpacken und vor der nächsten Öffnung der Himmelsschleusen flüchten. Ich zähle nun Regentropfen und trainiere meine Sitzknochen auf einem Stuhl unter einer sicheren Arkade eines Dorfhauses.

Pirineosaurus beschleicht das Gefühl, dass die Sintflut sich über mehrere Tage verteilen könnte. So ist denn jeder Antritt ins freie Feld hinaus ein Risiko. Doch bleibt es bei einem tristen Mix aus Wolkenverhangenheit und Nieselregen. Eine Burg thront über Luesia, schöner aber, dem Orte gleich, ist die über Uncastillo. Die Gassen hier regenverspiegelt schweigende Zeugen des gemessenen Schrittes, die der Ort einfordert. Es ist auch ein Ort der Türpforten und der Türklinken. Aus der in Burgnähe gelegenen Jugendherberge dringen wohlschmeckende Gerüche heraus, vor der Tür wird gerade der Nachtischpudding angeliefert. Das lässt Pirineosaurus sabbern und überlegen, ob er bleiben soll. Immerhin ein Ort mit Prädikat – jawohl, a-STONE-ishing!

Doch treibt es Pirineosaurus auf einen Höhepunkt hin, der seltsamerweise in die Ebene hinausführt. Sadaba, einer mächtigen wie abweisenden Burganlage am Stadtrand, macht keinen einladenden Eindruck. Es geht weiter durch ebenes Ackerpfützenland, die feuchte Straße mal wieder bevölkert von schleimigen Schnecken – das Knacken ihrer Kalkgehäuse unter den saurischen Reifen liefert das Echo klebrigen Todes. Kein Zeichen von Reue bei Pirineosaurus, der ob des Fadenregens aus immerzu düsteren Wolkendecken reichlich missmutig wirkt.

Das Land ist einsam, Unterkünfte selten. Nur eine kleine Schwimmbadbar liefert Pirineosaurus magere Abendkost – immerhin ein warmes Fleischstück. Der feine Regen dringt mittlerweile auch auf die weichen Nadelböden, die sich am Rand der gepflegten Wohnhäuser von Alera finden. Da wählt Pirineosaurus eine verfallene Bushaltestelle als Nachtquartier, ein Höhlenerlebnis zwar, aber doch von bescheidener Qualität, um nicht zu sagen ein Ort von Lebensgefahr – nicht zu vergleichen mit den saurischen Granithöhlen mit stabil temperierten, windstillen Kuschelecken. Hier allerdings rieselte alter Putz mit Stockfelcken auf die saurische Schlafhülle oder auch schon mal ein fetter Brocken Stein neben die hinterlegte, aber schon zerfetzte Pornozeitschrift, die nun auch nicht mehr den Hormonspiegel von Pirineosaurus anzuheben vermochte (Pornozeitschriften waren auch schon zu Saurierzeiten beliebt) – ein a-STONE-ishing Erlebnis der scheußlichen Art. Doch war es draußen so garstig, dass selbst die Kohlmeise nicht mal unter den Bäumen schlafen wollte. Erst flatterte die Meise nervös hin und her, zitterte mit der Angst, die ein fremder Eindringling vermitteln musste. Pirineosaurus erzählte ihr von der Bachstelze, die er einst in den Tiefen des Jura kennen lernte, eine Metamorphose des Geistes von Rousseau. Da erkannte die Meise das wahre Wesen von Pirineosaurus und setzte sich in gelassener Stille auf ihren Balken und schlief ganz friedlich – so als träume sie von nektargetränkten Pinienkernen. Sie sah, wie auch bald Pirineosaurus zu zittern begann, der die spanische Wüstenwärme flehentlich vermisste. Es waren hier zwei Wesen, erdgeschichtlich weit voneinander getrennt, aber doch in der Seele ganz nah verwandt. Die Möwe von Cerbère hörte davon in der Ferne und war davon ganz gerührt.

Fr 4.7. Alera – NA124/dev. Bardenas Reales – El Paso – El Caldero – La Cruceta – Corral de Zapata – Cuartel militar – Aguilares/Info-Zentrum BR – Arguedas – Ermita de la Virgin del Yugo – Portillo del Trillo (385m) – Embalse El Ferial/Los Portillos – Rada Errada – Mélida – Carcastillo (+)
98 km | 11,9 km/h | 8:13 h | 830 Hm
W: morgens regnerisch, nachmittags sonnig, sehr windig, eher kühl
Ü: C wild 0 €
AE: Selbstversorgung

Es war kaum zu erkennen, wann die Nacht endete und der Tag begann. Kein Zeichen des Lichts, was zu deuten wäre. Nicht enden wollte der Landregen, der mal leichter, mal stärker die saurischen Häute durchweichte und gefährlich nahe zu den Nervenbahnen durchdrang. Es war wohl wieder eine diese wohlwollenden Schicksalswendungen, dass die Wolkendecken sich immer mehr ein wenig lichteten, am Nachmittag gar Himmelsblau die Augen erleuchtete und die Saurierhaut in den Sonnenstrahlen sich erholen konnte. Ja sogar war der Abend in den warmen Farben eines Sonnenuntergangs gezeichnet, wie er auf der Reise selten war. Und ja, Pirineosaurus fiel das Glück zu, dass er in der Wüste nicht zu vertrocknen drohte, was unter anderen Umständen denkbar gewesen wäre.

Die Welt der Bardenas Reales öffnet sich nur langsam, von der Straße aus ist wenig zu sehen. Offiziell beginnt das Biosphärenreservat erst etwa ab dem Schäferdenkmal bei El Paso, also schon ein Stück Piste eingefahren. Dort steht auch eine offene Hütte, die Regenschutz bieten würde, auch eine Übernachtung zuließe und wo man selbst erjagte Wüstenfüchse grillen könnte. Das Informationssystem ist recht gut auf den Hauptrouten, im Wesentlichen ist es die auch für Autos zu befahrene große Runde, der ich gefolgt bin. Es gibt noch weit mehr Pisten, die ähnlich gut zu befahren sind, aber auch viele Mountainbikepisten, die nur von entsprechenden Rädern bewältigt werden können. Das Gelände ist aber nicht vogelfrei, sondern es gelten recht strenge Regeln zur Wegeeinhaltung, die auch kontrolliert werden. Pirineosaurus hatte in den Morgenstunden noch Probleme mit schlammigen Furten, in denen sein Gefährt fast versunken wäre und es hätte ihn natürlich unter die lehmige Erde mitreißen können – ein Tod im Schlamm – eine sehr unschöne Vorstellung. Auch das konnte Pirineosaurus verhindern, musste aber damit leben, dass seine Saurierfüße erheblich beschwert waren um Erdballen von der Größe von Menschenkinderköpfen.

Bardenas Reales (kurz auch nur „Bardenas“) unterteilt sich in die Bardena Blanca im Norden und die Bardena Negra im Süden jenseits der NA125 (Eja – Tudela). Die Bardenas werden als Halbwüste bezeichnet, was aber vielleicht ein falsches Bild auf die Landschaft wirft. Zahlreiche Bäche durchfließen das Gebiet, kleine Seen und Tümpel lassen Schilf wachsen, auch finden sich nebst dornigen Büschen, Gräsern auch einige Blumen, an manchen Wasserstellen bestehen reiche Sumpfbiotope. Entsprechend hatte ich mehr mit Stechmücken als mit Hitze zu kämpfen. Außen rum sind Kanäle zur landwirtschaftlichen Nutzung gezogen. Bäuerliche Schafbeweidung gibt es sogar inmitten der Bardenas. Ich habe natürlich die Bardenas in ungewöhnlichen Feuchtbedingungen erlebt, die so im Sommer höchst selten sind. Eher besteht Gefahr, durch trocken heißes Gebiet zu wandeln und statt im Schlamm zu versinken viel Staub zu atmen. Die Bardena Negra im Süden unweit des Ebros, die außerhalb meiner Reichweite lag, ist deutlich feuchter und weniger wüstenhaft.

Als Pirineosaurus neben dem versteinerten Schäfer steht, blickt er weit auf erodierten Fels oder versteinerten Sand, von zahlreichen Grasbüscheln durchzogen. Bald dann werden Ackerkrummen und Ödlandwiesen zu Ausstellungsteppichen von Felswürfeln, von Steinkegeln, von Lehmwänden, die mal wild abbrechen, mal filigran gearbeitete Löcher bilden, von bizarren Formen mit überhängen Steinplattenkanten, von Tafelbergen mit Orgelfelsen, die sich in militärischen Schlachtordnungen römischer Legionärsheere am Horizont formiert haben, von fungizid nachempfundenen Pilzsteinen, von pyramidalen Gesteinsaufschichtungen, von abstrakten Formen, die der reinen Geometrielehre zu widersprechen scheinen. Es ist nicht klar, wo formbare, lehmige Erde beginnt und unnachgiebiger, gleichwohl gebrochener Stein anfängt. Die Farben sind hier sehr vergänglich, jedes sich ändernde Licht verändert die Wahrnehmung – eine schier unüberschaubare Ansammlung von surrealistischen Fels-Chamäleons aus der Zeit von Pirineosaurus – Steine die als Magnet der Iris fortleben, die Augen des Betrachters immerzu in optische Täuschungen locken. Illusion, Traum und Wirklichkeit zerfließen zu einer Summe von Momenten, der Wahrhaftigkeit des Augenblicks, der nicht festgehalten werden kann, der aus der Erinnerung flüchtet und nur als Traumbild zurückkehren kann. Es ist fast so, als würde Pirineosaurus hier soeben geboren und würde doch schon Millionen Jahre lang leben. Eine sakrale Zeremonie der a-STONE-ishing things – magnífico, muy grandioso!

Es ist der Moment, wo Pirineosaurus empfindet wie in Zeiten seiner großen Liebschaften, Bardenas ist Orgasmus pur. Nicht einen Moment sondern ein ganzen Tag lang. Und für die Menschenkinder sei gesagt, dass es nicht unüblich war, dass der saurische Liebesakt einen Tag lang dauerte. Pirineosaurus beklagt, dass die modernen Menschenweibchen mehr an granitgestreichelten Kochgruben und pfeilschnellen Blechkisten interessiert seien als an exzessiven Sexorgien. Das kann ja nur zum Aussterben der Art führen – Pirineosaurus – das ist unzweifelhaft – weiß vom Aussterben zu Genüge zu berichten.

Ab dem Militärposten, daselbst auf einem surrealen Tafelberg platziert, lässt sich direkt zum Infozentrum auf Asphalt fahren. Es empfiehlt sich aber, die Piste noch bis zum Cabezó de las Cortinas zu fahren, der Postkartenpyramide der Bardenas (was ich versäumte). Von dort führt ein eher schlechter Weg zum Infozentrum (Aigulares). Im Zweifel kann man zum Militärgelände zurück radeln, was keine allzu große Mehrzeit bedeutet. Im Infozentrum bekommt man zwar Fragen beantwortet, Bücher, Postkarten u. ä., es ist aber kein Museum. Trotz modernem Gebäude fehlt auch eine Verpflegungsmöglichkeit. Die Abfahrt vom Infozentrum kommt mir dramatischer vor, als die Karte sagen will – dort sind nur 60 Hm Unterschied angegeben. Als Pirineosaurus Argueda erblickt, entwickelt er warme Heimgefühle. Eine ganze Felswand, fast weiß, oben wie ein Haarschopf von weinroten Felssträhnen behaubt, ist von Löchern durchzogen – alte Höhlenwohnungen, wie sie auf dem saurischen Wohnungsmarkt in der Luxusklasse früher häufiger zu finden waren.

Immerhin 200 Hm sind es bis zur Jungfrauenverehrung in Yugo, einer Wallfahrtskirche nebst Picknickplätzen und Aussichtspunkt. Das einfache Hostal ist natürlich mal wieder geschlossen – selbst die Brunnen am Picknickplatz sind abgedreht. Schade, wenn die Bardenas-Exkursionen so schwer gemacht werden. Nach der Jungfrauenkirche entwickelt sich eine andere Variante der Bardenas. Weniger sind Felskreationen im Auge, als Tümpel und Teiche, die nur dezent von Lehmbergen in Szene gesetzt werden. Weniger Attraktionen des ersten Blicks, dafür nachhaltige, sehr spezielle Stimmungen. Je näher man an den Stausee El Ferial gelangt, desto gewöhnlicher und agrarischer wird Landschaft. Vom Stausee hat man verschiedene Möglichkeiten das Gebiet zu verlassen. Auch die nördlichen Orte haben keinerlei Infrastruktur bis vielleicht auf eine Cafebar. Angeblich sollte das Kloster Oliva Übernachtungsmöglichkeiten bieten, doch die Tore sind dicht verschlossen, kein Schild informiert.

Sa 5.7. Carcastillo (+) – San Isidro del Pinar – Alto de la Sierra (641m) – Cáseda – Aibar – Puerto Aibar (704m) – Lumbier – Hoz de Lumbier – Alto de Liédana (549m) – Yesa – Berdún – Puente la Reina
102 km | 13,2 km/h | 7:40 h | 1320 Hm
W: heiter, sonnig, später bewölkt, schwül, >30 °C
Ü: H Anaya 28 € o.Fr.
AE (Anaya): Paella, geb. Scholle, Pudding, Rw, Cafe 15,50 €

Nun war es nicht gerade die beste Gegend um Zelte aufzustellen. Ich hatte so am Abend mich noch ein paar Kehren über den Ort hinauf bewegt, um ein saurisches Lager auf wohligem Moosboden zu finden. Wie die Sonnenblumen auf der Anhöhe, verschrieb sich mal wieder ein Tag den wärmenden Goldstrahlen. Das leidlich ersehnte Frühstück finde ich in Cáseda, dass sich recht hübsch über dem Ufer des Rio Aragón stapelt. Der Himmel über den Sonnensegeln auf freiem Feld ist voller schwebender schwarzer Punkte, die Kreise ziehen, in solidarischer Teamarbeit, einen kleinen Happen verendetes Fleisch auf dem Grunde zu erspähen. In luftigen Höhen scheinen sie Ewigkeiten überdauern zu können, ohne im gleißenden Flimmern des Firmaments zu verglühen, aus der Thermik die Kraft ansaugend, um die vollendete Eleganz des Gleitfluges zu zelebrieren. Es sind die Geier, die manchmal schon dicht wie Heuschreckenschwärme den Himmel verdecken.

Die Passhöhe Aibar erklimmt man über Weinfelder, die dem gleichnamigen Ort unten umgeben, durch leuchtende Ginsterhänge und schwebt über den geometrischen Mustern der Weizenfelder. Die Höhenzüge versagen heute den Wind, was die Windmühlen aber gelassen ertragen. Pirineosaurus ist froh, dass er sich nicht dem Kampf gegen die Windmühlen stellen muss, so wie es von Don Quijote überliefert ist. Zur anderen Seite weite Ebene, obwohl die Schluchten nicht fern sind. Lumbier, schon mal ein Übernachtungsplatz auf einer früheren Tour, ist ein römische Ortgründung, aus dessen Zeit wohl noch die eine oder andere Brücke stammt. Sogar war Lumbier mal ein Bahnhof, dort wo die Irati-Bahn als erste elektrische Bahnlinie Spaniens zwischen Sangüesa und Pamplona bis 1955 verkehrte.

Heute führt durch die Hoz de Lumbier ein Wanderweg auf der Bahntrasse, die auch beradelt werden darf (ohne Eintritt). Es reihen sich mehrere Tunnels aneinander, sogar schon ein bisschen dunkel und zu lang, um ganz ohne Licht auszukommen. Die Felsen hängen über dem Kopf und darüber hängen die Geier. Geier sind furchtlose Tiere, die um ihre Stellung in der Hierarchie der Wesen wissen, die den Menschen zuschauen können und sich in ihrem Familienleben auch von den voyeuristischen Menschentrauben nicht stören lassen. Man denke da nur an die Feiglinge, wie etwa Spechte oder Wiedehopfe, die sich beim kleinsten Mucks aus dem Staube machen und oft nur an ihren Lauten zu orten sind. Dieser vogelsche Edelmut der Meistergleiter über den majestätischen Schluchtfelsen zwingt die kleinwüchsigen Zweifüßer unten zur Demut. Es bleibt nur das Staunen im offenen Mund – das a-STONE-ishing thing!

In Liédana beginnt eine neue Landschaft – eine der modernen Blechkisten, wie sie Pirineosaurus verabscheut. Man setzt Asphaltbänder so breit in Talsohlen, dass es Mühe macht, noch ein Stück natürlichen Bodens zu erblicken. Allein sind die geschwungenen Linien dieses Beton- und Teerbandes wiederum von solcher Ästhetik, dass sie sogar wie eine natürliche Fließbewegung eines großen Stromes wirken, der zu Stein geworden ist. In der Flucht der Augen liegen die dunklen Tunnellöcher, die zum „Meer“ leiten. (Wegen der starken Wässerungen der Vortage war die alternative Seestraße ab Yesa gesperrt, die zuvor ab Liédana auch breit, aber fast autolos neben der Autobahn verläuft.) Noch mehr fügt sich die blaue Leitplanke der Autovia über dem Pyrenäenmeer – so der inoffizielle Titel des Yesa-Stausees – ins Bild des Ozeanblaus. Die Ufer grün, unten dann aschengrau die Erdwälle, Kiefern umgestürzt, die Zapfen trocken, baumeln, wie an ausgedorrten Weihnachtsbäumen.

Der See, das Meer, das Licht, ein Gedicht für das Auge – Stein umher, gewiss, verlassen die Orte, Steinburgen im Steingeröll, Ton in Ton nur ein Bild von fern, Details erst von nah zu sehen, die leeren Fenster etwa. Der See musste wachsen, die Menschen gehen – auch das a-STONE-ishing. Pirineosaurus erblickt einen seiner längst ausgeschiedenen Bandwürmer – so ist dieser heute hier zur Brücke versteinert. Die alte Straße neben der Autovia ist jetzt Pilgerweg, Radweg. Manches Kraut und Gras durchbricht den alten Teer, der verfallen wird. Tankstellenruinen zeugen von dem, was die Autobahn bringt: Landflucht, die Distanzen werden kürzer, weil schneller, die Rastplätze weniger. Wirtschaftskrisen haben eine Ursache – eine ist die Schnelligkeit des Fortschritts und der Blechkisten. Pirineosaurus weiß viel davon, er überlebte weit größere Krisen – aber immer langsam.

Im Norden tauchen alpine Gipfelketten auf. Inmitten der weiten Feldebene ein Dorf auf einem Tafelberg. Mittlerweile ist die Straße wieder vereint, der Ausbau hier noch nicht geschafft. Für die Autos reichen zwei Spuren – schon die sind fast zu viel – wozu dann vier Spuren demnächst? Punta de la Reina ist ein Knotenpunkt für Trucker und Pilger, eigentlich kein Ort, und die besten Zeiten liegen schon weit zurück. Ein Hauch vom ausgeblasenen Licht des Wilden Westens, nur die Kojoten fehlen, um gute Nacht zu heulen. Verblasst der Hype des El Camino wie einst die Goldgräberstimmung auf der Route 66? Das Wenige aber ist funktional, ermöglicht Pirineosaurus eine kleine Luxusübernachtung und die ausgiebige Pflege der Saurierhaut, die nun schon mehrere Tage lang dem Schmutz zerriebener Steinpartikel und klebrigen Lehms ausgesetzt war.

So 6.7. Puente de la Reina – Hecho – Siresa – El Centro de Interpretación del Megalitismo Pirenaico y de la Val d'Echo – Hecho – dev. Rio Osia – Jasa – Collado de la Loma de Aísa (1227m) – Aísa – Borau – Collado de la Sierra los Angels (1143m) – Villanúa – Canfranc – Canfranc-Estación
93 km | 11,1 km/h | 8:19 h | 1615 Hm
W: meist bewölkt, mittags Gewitter, abends & nachts Wolkenbruch, max. ca. 23 °C
Ü: H Albergue Pepito Grillo 15 € m. Fr.
AE (Pizzeria): Spaghetti Carbonara, Steaks, Pf, Crème Caramel, Rw, Cafe 15,40 € (–)

Genau genommen hätte sich Pirineosaurus diese Reinigung sparen können, denn alsbald sollte er ausreichend gewaschen werden, ohne darum gebeten zu haben. Das Hecho-Tal entwickelt sich langsam, ist vergleichsweise breit, engere Schluchten gibt es auf Seitenabzweigen. Vor Embún tun sich von Büschen überwucherte Ruinen auf. Zu den Seiten gibt es kleine klare Wasserstrahle, die aus lehmigen Felsen austreten. Köstliche Kaltgetränke on the road, sozusagen. Hecho empfängt die Gäste mit einer romanischen Brücke vor den Toren des Ortes, der selbst ein leicht verwunschenes Schmuckstück mit heimeligen Nischen und Gassen ist. Die Bäckerei bietet Köstliches, garantiert in eigener Herstellung und verteilt den malzigen Brotduft bis in die entfernten Häuserecken. Kaum zu glauben, dass hier, nahe dem Ende der Welt, gar moderne Kunst im Museum (bzw. Touristinfo) gezeigt wird. Es sind Werke, die sogar jenseits der Möglichkeiten des saurischen Kunstschaffens liegen – also Avantgarde pur. Pirineosaurus stößt einen grunzigen Seufzer aus, der als eine a-STONE-ishing-Wertung zu interpretieren ist.

Das ebenfalls hübsche Siresa zurücklassend, füllten sich die schwarzen Wolkensäcke an. An der verengenden Talstelle mit einem Megalithenzentrum und kleinem Bistro ward dann nicht nur Warten angesagt, sondern auch das Ende der Exkursion ins noch weiter führende Stichtal gelegt. Nach Norden wurden die Wolken so schwarz, dass Pirineosaurus ahnte, dass dort die zweite Folge für die Sintflut gedreht wird. Über ihm kreiste schließlich ein Adler, der ihm zurief: „Tu es nicht, fahre nach Süden!“

Pirineosaurus, die Sprache des Adlers wohl verstand, folgte zunächst diesem Rat. Die Route den Rio Osia hinauf und über mehrere Passhöhen bieten eine lohnende Alternative zur flachen Rio-Aragón-Strecke zwischen Puente de la Reina und Jaca. Soweit es die tief hängenden Wolken zulassen, tun sich immer wieder grandiose Bergkulissen im Norden auf. In den querenden Nebentälern liegt auch ein kleines radfreundliches Zentrum mit Jugendherberge, einem Radverleiher mit Werkstatt und offenbar dem Radwesen freundlich zugewandten Menschen. Pirineosaurus empfiehlt daher das landidyllische Steinhausdorf Aísa mit einer basisgerechten Infrastruktur als lohnenden Standort für Biker, die detailreiche Bergrouten der Umgebung beradeln möchten. Es ist ihm sogar ein leises, stilles a-STONE-ishing wert.

Es mag hier vor dem Hintergrund der weiteren Entwicklung des Tages fast nebensächlich erscheinen, dass Pirineosaurus sich spätestens ab hier fortan gegen kräftige Windpeitschen durchschlagen musste und schon mal die Teufelsgötter des Saurierreiches anflehte. Ich konnte denn auch im Aragón-Tal – nunmehr in der Nord- und Aufwärtsbewegung, wenig Erquickliches empfinden, derweil die Unheilswolken mit jedem Meter näher an die Grenzkammberge bedrohlicher wurden. Es war schon fast übernatürlich, dass die Schleusentore sich nicht öffneten. Pirineosaurus aber ließ sich nicht von seinem saurischen Erkundungsweg abbringen, obwohl sein Nase Böses witterte.

Die Orte hier an der Transitachse wie auch Pilgerstrecke waren nicht gerade einladend. Eine seltsame Neuverbauung in Villanúa, eine abweisende Bedrohlichkeit im dann engen Tal in Canfranc, die Gastbetriebe recht marode und überfüllt mit Pilgervolk. Steil schießt offener Fels in den Wolkenhimmel, fast wie ein Schwert aus der Artus-Sage sperrt sich davor eine Kirche. Der noch junge Autotunnel, der den Puerto Somport untergräbt, und der Spanien mit Frankreich verbindet – zu Lasten einer alternativ denkbaren Reaktivierung der alten Bahnlinie, die heute in Canfranc-Estación endet –, ist gesperrt und entsprechend fließt der Verkehr über die alte Passstrecke. Seltsamerweise bricht der Verkehrsfluss dennoch weitgehend ab – was wiederum die Frage aufwirft, wieviel der Millionen Taler sind für diesen Tunnel verschwendet worden, wenn ihn am Ende kaum jemand braucht?

Das Pechschwarz der zweiten Sintflut liegt bereits über meinem Kopf. Canfranc-Estación wirkt zwischen den dichten aufrückenden Felsen und mit den langen, hochgezogenen Wohnblöcken ohnehin schon fremdartig. Das schwarze Licht der Wolkensäcke – nur noch mit dem Schwarz der Vulkanasche zu Zeiten des Sauriersterbens vergleichbar, macht den Ort gar gespenstisch. Man wagt kaum noch, mehrere Meter weiter zu schleichen, weil man bald eine Urgewalt niederprasseln ahnt. Trotzdem wagt sich Pirineosaurus noch zum Bahnhof des Ortes. Dieser ist gemessen an seiner heutigen Bedeutung ein bisschen zu groß geraten, was eine mehr als deutliche Untertreibung ist. Tatsächlich war dieser Bahnhof mal ein Prunkstück im Stil der Belle Epoque – Marmor, Glas, Stahl – innen wie außen als eleganter Treffpunkt in den Bergen (Nobelhotel) und von großen Zukunftsträumen gelenkt. Doch die Strecke Oloron – Zaragoza wurde still gelegt, der Tunnel dem Verfall preisgegeben und der Bahnhof in Dornröschenschlaf geschickt. Heute wird er wieder langsam renoviert, man kann auch besichtigen (radreiseunfreundliche Öffnungszeit 10 Uhr). Unter dem unheilschwangeren Himmelsgebälk wirkt dieses außerirdische Gebäude noch mehr aus der Zeit und dem Ort gefallen. Imposant, gewaltig, kurios – a-STONE-ishing!

Einige Hotels hier sind für Besserverdienende, gleichwohl gibt es mehrere Herbergen. Von denen ist eine mit Kindervolk so gefüllt, das es den Ohren von Pirineosaurus nicht zumutbar gewesen wäre. Die offizielle Jugendherberge, ruhiger, ist für eine Jugendgruppe reserviert. Einzig bleibt die etwas rustikale, aber leicht urige Pilgerherberge am nördlichen Ortsende. Es gibt nicht nur Frühstück, sondern auch ein Abendgericht der einfachen Art. Pirineosaurus verweigert allerdings, weil ihm nach gehobenen Geschmack ist, der sich aber trotz langem Suchen im Ort nicht findet. Noch schlimmer erwischt es ihn bei der Suche durch die Sintflut, deren Beschreibung die Vorstellungskraft heutiger Menschenkinder erneut bei weitem übersteigen würde. Schon der Weg zwischen Herbergstür und Fahrradgarage tränkte die saurischen Hautfalten so stark, dass er es bereute, das Herbergsgericht abgelehnt zu haben. Dass es Pirineosaurus überhaupt einige hundert Meter über die Straßen von Canfranc-Estación schaffte, ohne dabei von Fluten fortgerissen worden zu sein, gehört zu den unerklärlichen Wundern, der es allerdings bekanntlich viele in seinem Leben gab.

Aus Navarra stammt Pablo de Sarasate, das spanische Alter Ego zu Paganini (wie dieser Geigenvirtuose und Komponist). Wie schon Albéniz, Tárrega (vgl. Kap. 4) verfasste auch Sarasate eine Variante der Jota, einem Tanz der nicht nur in Aragonien, sondern auch in Navarra sehr beliebt ist: Pablo de Sarasate „Jota Aragonesa“ (5:09 min.).

Bildergalerie zu Kapitel 5 (167 Fotos):



Verantwortlich gezeichnet
Pirineosaurus Rex

Fortsetzung folgt


Geändert von veloträumer (12.02.19 18:22)
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#1088847 - 15.12.14 22:04 Re: Die Legende von Pirineosaurus [Re: veloträumer]
veloträumer
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Auch hier die kurze Anmerkung zur Bildgeralerie Kapitel 5: Das offizielle Schlussbild ist die stilisierte Darstellung des Bahnhofs von Canfranc-Estación. Das anschließende Foto mit Gleisstück ist eine Reliquie der Irati-Bahn, welches bei Lumbier ausgestellt ist und entsprechend dort zu denken ist (vor der Foz de Lumbier).
Liebe Grüße! Ciao! Salut! Saludos! Greetings!
Matthias
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#1088849 - 15.12.14 22:09 Re: Die Legende von Pirineosaurus [Re: veloträumer]
Gerhard O
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Hallo Matthias,

ein toller Bericht, tolle Bilder. Ich wäre vermutlich schon bei deiner Anreise am Schlaganfall verstorben!

In Antwort auf: veloträumer
Google+ hat offenbar großen Spaß daran, die Bilder ihrer Mitglieder ein bisschen durchzuwürfeln und willkürliche Dinge zu machen. böse Soweit ich als registriertes Mitglied die Bildergalerien anschaue, sind diese auch richtig sortiert. Soweit man aber von außen als Externer die Bildergalerien anschaut, wird in der Einzelbilddarstellung (und dieser zugeordneten Übersicht) immer ein Bild willkürlich aus der regulären Sortierung herausgezogen und ans Ende der Bildserie/des Albums gestellt. In der Übersicht, die nicht an die Einzelbilddarstellung gekoppelt ist, ist noch alles in Ordnung.


Deinen Fehler bei Google+ kann ich nicht nachvollziehen. Ich sehe alle Bilder in der richtigen Reihenfolge! Offensichtlich steckt hier ein Programmierfehler, den Google in seiner Größe und Allmächtigkeit nicht mehr beherrschen kann.

Mach weiter so und verlier nicht den Mut. Such Dir einen kleinen Bilderhoster, der sich für seine Fehler noch verantwortlich fühlt.

Gruß
Gerhard
___
Lieber ein gemeiner Berg als ein hinterhältiger Wind!
Nur wer sich den Berg hoch gequält hat, darf ihn auch hinuntersausen!
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#1088862 - 15.12.14 22:46 Re: Die Legende von Pirineosaurus [Re: Gerhard O]
veloträumer
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Beiträge: 17.178
In Antwort auf: Gerhard O
Deinen Fehler bei Google+ kann ich nicht nachvollziehen. Ich sehe alle Bilder in der richtigen Reihenfolge! Offensichtlich steckt hier ein Programmierfehler, den Google in seiner Größe und Allmächtigkeit nicht mehr beherrschen kann.

Ich glaube, das hier auch überirdische Kräfte am Werk sind. Die ganze Hexerei kommt ja noch gegen Ende. Pirineosaurus wird auch Google überleben, selbst wenn er vorübergehend unsichtbar geworden sein sollte. unsicher - Stellvertretend Danke für die Komplimente - ich schaue mal, ob ich Pirineosaurus eine Weihnachtskarte mit den freundlichen Worten übermitteln kann. Er hat aber keine Adresse hinterlassen...
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Off-topic #1088872 - 16.12.14 00:14 Re: Die Legende von Pirineosaurus [Re: veloträumer]
iassu
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Moin Matthias,
das Problem besteht allgemein und schon länger. G+ und picasa sind offensichtlich nur zwei verschiedene Zugangsarten auf dieselbe Datei. In meinem Bild der Woche (hier der G+ link) Album ist es genauso. Hochladen ist mit der mir zur Verfügung stehenden picasasoftware nur in ein G+ Album möglich, geht aber fehlerfrei und beeindruckend flott.

Dann aber: ein einzelnes Bild aus diesem Album zu verlinken, bei mir naturgemäß immer das neueste, ist über G+ nicht möglich, wohl aber aus dem picasa-Zugang. Gleichwohl öffnet der Linklesenwollende das Bild dann aber bei G+ . (Und hat, wie bei dir, das Vergnügen, immer ein aus dem Album willkürlich entnommenes anderes Bild als das angeblich eigentlich letzte, sprich neueste zu sehen, wenn er nach rechts blättert.)

Mir inzwischen egal. Bin zufrieden, daß das im Moment noch so klappt. Immer nur das Album als Übersicht oder immer nur das Albumstartbild verlinken zu können, wäre bei mir das Ende dieses Projekts.

Was größtenteils auch nicht geht, ist das Kommentieren fremder Bilder, auch wenn man definitiv bei G eingeloggt hat/ist. Auch ein recht nerviges Chaossymptom.
...in diesem Sinne. Andreas

Geändert von iassu (16.12.14 00:17)
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#1089155 - 16.12.14 22:17 Re: Die Legende von Pirineosaurus [Re: veloträumer]
Bafomed
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Beiträge: 1.751
In Antwort auf: veloträumer
KAPITEL 5 – NAVARRA I/ARAGÓN II-a/b (Nordwest)
Pilz-Kulturen, Wüsten-Surrealismus, Geier-Canyons und Endstation Wolkenbruch: Durch Cinco Villas zu den Bárdenas Reales und über Lumbier durch die Täler des Rio Aragón nach Canfranc
Punta de la Reina ist ein Knotenpunkt für Trucker und Pilger, eigentlich kein Ort, und die besten Zeiten liegen schon weit zurück. Ein Hauch vom ausgeblasenen Licht des Wilden Westens, nur die Kojoten fehlen, um gute Nacht zu heulen. Verblasst der Hype des El Camino wie einst die Goldgräberstimmung auf der Route 66?


Obwohl ebenfalls am Jakobsweg gelegen, handelt es sich bei dem von Dir als wenig reizvoll beschriebenen Nest um Puente la Reina de Jaca, gelegen an der T-Kreuzung zwischen A-176 und N-240 bzw. der Mündung des Río Aragón Subordán in den Río Aragón, nicht zu verwechseln mit dem südwestlich von Pamplona gelegenen, deutlich größeren und wesentlich attraktiveren Ort Puente la Reina am Río Arga.
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#1089166 - 16.12.14 23:20 Re: Die Legende von Pirineosaurus [Re: veloträumer]
veloträumer
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Beiträge: 17.178
KAPITEL 6 – FRANCE II
Gebirgskessel, Wasserfallparaden, Radleidenschaften und Nebelfahrten: Wetterlotterie in den Regionen Béarn und Hautes-Pyrénées in und um den Parc National de Pyrénées

Mo 7.7. Canfranc-Estación – Puerto Somport (1650m) – Urdos – Etsaut – Lescun (900m) – L'Estanguet – Bedous – Asasp – Eysus – Oloron-Ste-Marie
91 km | 13,7 km/h | 6:36 h | 1160 Hm
W: weiter Regen, mal stärker , mal schwächer, Wolken tief, kalt, 8-18 °C, auch windig
Ü: C Stade municipal 0 €
AE (eine Brasserie in Ste-Marie): Gänseleber-Salat mit Speck & Spargel, Ente in Cidre-Sauce, Westernkart., Apfeltorte, Rw, Cafe 29,90 € (+)

Den Morgen hätte jedes Menschenkind verschlafen, nur Pirineosaurus fühlte sich seinem Trieb so ausgesetzt, dass er die Tür der Pilgerherberge hinter sich ließ. Das reichte für 100 Meter – bis zum nächsten Dach, das mäßigen Schutz für die weiteren Schüttungen, die schon die ganze Nacht über angehalten hatten, bot. Der Wind blies das Spritzwasser noch weiter in jeden Unterstand. Kalter Wind ließ Pirineosaurus zittern – nichts, was ein süßes Lächeln versprach. Vielleicht doch nach Süden? Zaragoza? Mit dem Bus? – Das wäre nicht der Weg von Pirineosaurus gewesen.

Die Geduld zahlte sich mäßig aus, dampften die Wolken doch bald ein wenig höher über der Straße. Nur noch leichter Niesel ließ mich auf den Sattel zurückkehren. Die grandiose Bergwelt aber zeigte sich nur in kleinen Ausschnitten – man musste sich alles ausmalen. In der großen Kehren weiter oben meine ich, dass es einen riesigen Bergkessel gibt, von spitzen Gipfeln umgeben, deren Felsskelett nur am obersten Horizont zum Vorschein kommt, während sie quasi bis zur Halskrause grün bemäntelt sind. Roter Abbruchfels schimmert durch die Wolkengischt vom Straßenrand, nur eine Hand breit ins Nichts. Candanchu ist Skiort – die unschönen Verbauungen zeigen es auch ohne dass man die Lifte erkennen muss. Es zieht sich dann noch eine unerwartet lange Schleife bis der Pass erreicht ist. Dort blickt man vielleicht 20 Meter weiter – es ist ein Nebelmeer – eine feuchte Stille an der Schranke. Mit Wind ist die Kälte unbarmherzig und Pirineosaurus’ Pfoten zeigen leichte violette Erfrierungstöne, sodass ich im Pass-Gasthof (Übernachtung möglich) auf Besserung wartete.

Aber irgendwann ist Kaffeetrinken auch eine endliche Beschäftigung. Als sich ein ebenfalls wartendes Wanderpaar aus dem Tulpenland zum Gehen entschloss, faltete ich auch meine Häute zusammen und versuchte die Nebelabfahrt. Mir staken entgeisterte Pilgergesichter unter breiten Regenhauben entgegen. Immerhin tauchte ich alsbald unter die Wolke ab, sodass sich die Sicht verbesserte und der Niesel auch mal Pause machte. Im Vallée d’Aspe finden sich zahlreiche Relikte der ehemaligen Bahnlinie – Viadukte, Stahlbrücken, verloren ins Nichts führende Gleiskörper in grünen Wiesen, Tunnelruinen. Das ganze ist auch mit Infotafeln dokumentiert und illustriert. In Bedous ist die Baugeschichte der Bahn in den Arkadenbögen nachgezeichnet. Die Bahnlinie nach Spanien wurde 1970 eingestellt, nachdem eine Brücke eingestürzt war. Der tragische Unfall wurde als Vorwand verwendet, um die immer weniger bedeutende Bahn ganz vom Netz zu nehmen. Und die letzten Wiederbelebungsversuche dürften denn auch mit dem Bau des 2003 eröffneten Somport-Straßentunnels gänzlich erloschen sein. Pirineosaurus weiß, dass die Menschenkinder im Zeitalter der Asphalt-Bleckkisten lebten und nicht mehr davon los lassen wollen.

Das Vallée d’Aspe ist landschaftlich ein ziemlicher Kontrast zur Südseite. Engste Talführung um Felskanten gewunden, überhangen von laubgrünem Blattwerk, Manchmal fällt es schwer, den Blick nach oben zu richten, ohne die Halswirbel zu verbiegen. So ist das Fort du Portalet oben so in den Fels hineingeschweißt, dass es für Freund und Feind nahezu unsichtbar ist. Die Dörfer hier haben den leicht tristen Charme von idyllischer Bergromantik, in der die weite Welt unwirklich weit weg scheint. Das Häusergrau ist immer wieder liebevoll mit Rosen und Rankpflanzen aufgehübscht. Es sind pirineosaurische Landschaftsbilder, der in dem ganzen Grün das freundliche Leuchten der Ahnen sieht, selbst wenn es die Regentropfen bescheiden. Die Bergkultur, die Flora und Fauna kann man sich komprimiert im Nationalparkhaus ausgangs Etsaut anschauen.

Pirineosaurus, der sich um seine Höhenflüge beraubt sieht, wagt dann doch den Aufstieg nach Lescun. In engen Kehren wendet sich die Südvariante steil durch Wald, welcher den leichten Regen noch etwas abhält. Lescun soll ein großes Panorama in einen Bergkessel (Cirque de Lescun) erlauben. Doch frisst sich der Blick über die grünen Berghänge in den Wolken fest. Es ist der Blick ins Nichts, das nur die Fantasie zu füllen vermag. Der Anstrengung scheint es fast umsonst, den Bergort erklommen zu haben. Doch sind auch hier Momente zu erleben, die den Ort selbst vor unsichtbarem Fels zum a-STONE-ishing thing machen. Es sei mit den Worten von Mercé Rodoreda (orig. aus dem Roman „Auf der Plaça del Diamant“) beschrieben, wie dieser Atem des Ortes wirkt: „Obwohl früher Nachtmittag, konnte man kaum noch sehen. Die Regentropfen hingen an Wäscheleinen und spielten Fangen miteinander. Manchmal fiel ein Tropfen von der Leine, auf die Erde, aber bevor er hinunterfiel, dehnte und streckte er sich, weil es ihm schwer fiel, sich von den anderen loszureißen… Ein Nieselregen, die Wolken waren so schwer, das ihre Fülle sich an den Dächer entlang schleifte.“

Nach der Klause der Defilé d’Espot im unteren Vallée d’Aspe öffnet sich das Tal mit weiten, satten Grünhügeln. Die Gave d’Aspe hat ihr wildes Wasser gezähmt und treibt spiegelglatt gen Oloron-Ste-Marie. Das Städtchen selbst ist eigentlich ein Doppelort. Schlösschen, brunnenverzierte Stadtmauer und Uferhäuser schaffen eine Idylle, die durch die Geranien hindurch vom Wasserglanz als impressionistisches Bild zurückgeworfen wird. Es ist ein sehr träumerischer Ort, gleichwohl er die Betriebigkeit eines kleinen Subzentrums hat. Ein leises a-STONE-ishing wiederum, begleitet von dem Staunen über den Regenbogen, den der abtropfende Himmel Pirineosaurus spendiert.

Di 8.7. Oloron-Ste-Marie – Belair – Rébenacq – Lys – Bruges-Capbis-Mifraget – Col de Tisne (496m) – Arthez-D'Asson – Etchartes – Col de Spandelles (1378m) – Argèles-Gazost – Baucens – Argèles – Beaucens – Arbouix
109 km | 11,4 km/h | 9:35 h | 2265 Hm
W: morgens heiter, später giftiger Nieselregen, windig, 22-12 °C
Ü: C Hautacam 7,83 €
AE (Brasserie Argèles): Quiche Lorraine, Spaghetti Bolognese, Rw, Cafe ~ 15 € (––)

Dem Frühstück gefolgt, eine Passage über eine verkehrsreiche Ausfallachse, schwingt man sich alsbald durch die grünen Vorhügel der Gebirgswelt – der Aussichtspunkt nennt sich treffend „Balcon des Pyrénées“. Das Panorama ist – wenngleich im Wolkenmeer stark getrübt – schlicht a-STONE-ishing.

Anm. von veloträumer: Das Béarn ist sicherlich recht gut von Hautes-Pyrénées zu unterscheiden. Demnach ist das Béarn ausgesprochen Grün, weniger felsig, ein Übergang zum Pays Basque, wo allerdings die spitzen Gipfel fast gänzlich entfallen, es nur fast nur noch Kuppenberge gibt. Die Täler des Béarn sind wild wuchernde Halburwälder, Wasserfälle sind von feinstrahliger Zierde und Feuchte kann hier nur schwer entweichen. In Hautes-Pyrénées hingegen schießt das Wasser donnernd aus hohem, schwerem Fels – majestätische Granitfelsen, schroff und höher als im Béarn. Die Gebirgskessel sind alpiner, und die grünen Wiesenmäntel verenden früher als dass sie den Horizont erreichen können. Des Weges von Pirineosaurus, hin und zurück durchs Béarn machte aber eine sinnvolle Trennung schwierig, dass hier beides zusammengewürfelt erscheint. Die Grenze, das sei hier der Orientierung wegen genannt, bildet im Vallée d’Ouzum ziemlich genau der Abzweig zum Col de Spandelles einerseits und eine Querlinie zur Höhenpassstraße zwischen Soulor- und Aubisque-Pass anderseits bei der Rückfahrt. Das übergreifende Element über beide Regionen ist der Parc National des Pyrénées, der in einem mal dünneren, mal breiterem Streifen entlang der spanischen Grenze verläuft – vom Pic Lariste und dem nördlichen Massiv jenseits des Quellgebietes des Rio Arágon im Westen des Somport-Passes bis zum bergseenreichen Massif de Néovielle und dem Cirque de Troumouse im Osten.

Es sind einsame Hügelweiden, Weiler und kleine Dorfperlen, die man auf den Nebenwegen zum Ouzom-Tal passiert. Mag man oft dem Wind attestieren, dass er die Wolken vertreibt, so obliegt es in diesem Sommer dem Wind, Wolken heranzuschaffen. Kaum hatte sich das Sonnenlicht eingeschmeichelt, wird es auch wieder dunkelgrau davongejagt. Es dauert aber noch bis zur Auffahrt zum Col de Spandelles, bis Pirineosaurus wieder spüren muss, wie sich seine Häute gefährlich durchweichen. Aus seinen unsaurischen Hilfsmitteln greift er mal wieder zum wichtigsten Accessoire dieser Tour – der Regenjacke, deren zwingend einer Kapuze bedarf, da allein der Wind so in die Halskrause hintreibt, dass Pirineosaurus an einer Halsstarre versteinern könnte.

Die Wasserfallenensembles des Ouzom-Tales verlangen aber Pirineosaurus ein jauchzendes a-STONE-ishing ab, obgleich er selbiges schon mal Jahre zuvor bewundern durfte. Einige sprießen wie Spinnfäden über Moose, Gräser und Felsvorsprünge, andere werfen breite, silbrig glänzende Lamettabänder über hängendes Urwaldgrün aus Liliengras, das sich im stäubenden Getöse still behaupten kann. Das Tal ist manchmal so eng, dass die Fahrbahn für bergauf und bergab getrennt geführt werden muss; dass auch mal ein Haus im Fels über der Straße Platz findet.

Was des tiefen Tales recht, ist den Aufstieg zum Col de Spandelles billig. Ein Meer des Grüns überwinde ich über eindrucksvolle Schleifen, derweil die Wolkennässe immer dichter und garstiger wird. Die Kühe an der Straße erkennen Pirineosaurus als wahre Sauriergestalt und sind so erstaunt, dass sie wie versteinert Pirineosaurus anstarren. Ein paar ängstliche rennen davon, wahrscheinlich haben sie mit anderen Sauriern schlechte Erfahrung gemacht. Trotz der Sichtbeschränkung reicht das straßennahe Grün, um das Auge zu blenden und leuchtet gar ganz ohne Sonnenstrahl. Nochmehr leuchten Blumen überall, in Gelb, in Blau, in Rosa – nicht selten sind es Glocken, die Jubel läuten. Fast kein Fels und doch stockt Pirineosaurus der Atem, als wollte er ein a-STONE-ishing ausstoßen.

Nicht unweit unterhalb der Passhöhe findet sich ein Abzweig, der auf Schotter über den Col de Couradeque zur Soulor/Aubisque-Straße führt. Wenngleich nur ca. 200 Hm bis zur Passhöhe schottrig sind, mag es Pirineosaurus bei solchem Wetter nicht angehen. Die Piste ist reichlich weich und eine erneute Qual durch Wolkennässe verleidet Pirineosaurus dieses Experiment, das bei Trockenheit mit ähnlicher Ausrüstung durchaus erwägenswert wäre. So fegt das saurische Rad hinunter durch das Tal der Bergons. Es gibt nicht viele Ausblicke, stark bewaldet – Tannen oben, Laubhölzer unten. Sofern ein Ausblick, entstehen am gegenüberliegenden Hang wunderbare Farbmuster von verschiedenen Grüntönen, die die kräftig ziehenden Wolken erzeugen. Nur muss Pirineosaurus die ganze Abfahrt lang frieren als wäre schon Winterzeit oder gar Eiszeit.

Es war wohl ein Fehler, nicht gleich den Camping vor den Toren Argelès’ in der Talsohle zu wählen. Pirineosaurus quert die Talsohle, um einen günstigen Basisstandort für die Auffahrt nach Hautacam zu beziehen. Der Camping liegt aber mal wieder in ungünstiger Distanz zu den Speisenäpfen, die nun mal eine saurischer Nimmersatt wie Pirineosaurus braucht. So weist ihm die Campingfrau zu einem Restaurant in eine bergige Sackgasse. Dort angekommen – das Ambiente recht ansprechend, die Weingläser bereit, eröffnet ihm der Gastwirt, dass es ihm nicht beliebe, noch zu kochen, obwohl draußen nicht mal die Helligkeit voll verblichen. Als Pirineosaurus von dem Angebot erfuhr, dass es noch ein paar abgenagte, abgestandene Confit de Canard gäbe, packte diesen die Wut über das faule Gastwirtgesindel in dem Land, das sich erdreistet, die Landesküche zum UN-Welterbe erhoben zu haben. „Immer das gleiche Knochengeflecht, keine Einfälle mehr, und nur noch von der Aufwärmplatte!“, schnaubte Pirineosaurus in sich hinein. Sein Feuerschleim errötet sein Gesicht. Er nahm Jacke wie Mütze, knallte das Türgebälk, im Abgang mit grollend drohlichen Gebärden. Ein offenbar der saurischen Sprache mächtiger Gast versuchte im Nachgang noch zu retten, was nicht mehr zu retten war. Pirineosaurus war fest entschlossen, diesem selbstgenügsamen, selbstherrlichen Gourmetverräter die rote Karte zu zeigen. Sollen er doch bankrott gehen, wenn er seine Gäste einfallslos zu Sandmännchenzeiten abfüttern möchte! Und überhaupt – nicht nur er, alle diese Franzosen – diese Gallier, dass einem Galle überkocht!!

Des Pirineosaurus’ Wut war dabei so überschäumend, dass er bei rasendem Schuss zu Tale irgendwo seinen Schutzmantel verlor. Vergeblich auch zum anderen Berg hinauf – auch dort nur geschlossene Kochgruben – suchte ich meine letzte Hoffung in Argelès. Dort war aber der Zeiger auch schon kurz vor Zehne – eine Zeit, zu der die Franzosen wie auf Generalsbefehl sämtliche Kochfeuer ausblasen. Pirineosaurus bekommt schließlich in einer Bistro-Bar aufgewärmte Tiefkühlkost zu schmecken, deren Konsistenz und Aromen im Gaumen von Pirineosaurus knurrende Turbulenzen auslösten. Nur mit Mühe konnte Pirineosaurus die Speicheldrüsen überlisten, wenigsten grundlegende Kalorien aufzunehmen. Dazu musste er auch noch dem schon bekannten Ballspiel um den schwarzen Mann rum mit den ausgedienten Fischernetzen zuschauen. Es spielten germanische Läufer gegen braungebrannte Urwald- und Strandbewohner, daselbst wo spielend auch wohnend und entsprechend von vielen solcher Fahnen jubelnd begleiten. Indes erstockte der Dschungel-Jubel in koketten Tränen, als die Germanentruppe die Fischernetze der Urwäldler förmlich durch-siebten (sic!).

Mitten in diese Ballerei im Backblechkino schoss der Gedanke von Pirineosaurus, dass der Stuhl ihm gegenüber auffallend leer war, wie auch der Gepäckträger. Erst jetzt bemerkte er den Verlust der Regenjacke. Nachdem er die abscheulichen Geschmacksspuren mit einem braunen Koffeinsaft weitgehend heruntergespült hatte, suchte ich nochmal alle Streckenteile ab, bis in die Straßengräben hinein. Doch alle Mühe ward umsonst, wie auch der Anruf bei besagtem faulen Gastwirt erbrachte, dass ich die Jacke auch nicht dort auf der Fensterbank im Wutanfall vergessen hatte. Jetzt hatte der Verursacher des ganzen Dramas auch noch hämisch lachen – oh Pirineosaurus, wie wirst du nur von Menschenkindern geschlagen?!

Mi 9.7. Arbouix – Argèles – Luz-St-Saveur – Gèdre – Gavarnie (1375m)
50 km | 10,0 km/h | 4:54 h | 1130 Hm
W: nachts, morgens bis Mittag starker Regen, danach teils regnerisch, teils bewölkt, kühl bis kalt
Ü: C La Bergerie 9,70 €
AE (Le Gourmet Bistro): Forelle in Karottensauce, Entenschenkel in Rw-Sauce, Kart.puffer, Rw, Cafe Gourmand 26,50 € (+)

Man könnte sagen, dass selbst solch leidliches Schicksal noch eine vorsehende Glücksleitung für Pirineosaurus hatte. Der Trüffelkäse aus Ayerbe hatte offenbar eine sehr nachhaltige Wirkung und Pirineosaurus dankte in Gedanken seinem Speicheldoktor. Zunächst stand fest, dass es ohne einen Ersatz des Regenschutzes für die Saurierhäute nicht weitergehen konnte. Die Einkaufstour in Argelès war – so abgegriffen das Wort im politischen Leben – schlicht alternativlos. Denn der Berg hinauf nach Hautacam verschwand in einer riesigen Wolke, derer sich viele durchs gesamte Tal legten und es nicht lange warten ließen, die Dächer und Straßen zu wässern. Neben Croissants und Beerenbonbons zur Stimmungsaufheiterung verkauften sich nun Regenschirme bestens. Ich fand gleich drei Läden, die geeignete Schutzkleidung anboten. Am südlichen Ortsausgag ein Radhändler, der hatte die schickste Jacke, so mit hypermodernen Magneten. Das könnte allerdings die innere Kompassnadel von Pirineosaurus irritieren. In einem Geschäft mit Wanderkleidung passte zwar die Körperlinie, nicht aber das dunkle Schwarz wie schwere Wollsackwolken und gleich noch in einem Talerwert, den Pirineosaurus zu weiteren Genussverzichten gezwungen hätte, von denen er nun gestern Abend genug erlitten hatte. So verblieb in einem Outlet-Store eine budgetfreundliche Jacke, die erfreulicherweise die saurische Farbe hatte. Pirineosaurus wollte die Verkäuferin nicht fragen, ob man hier früher Saurier eingekleidet häbe – das hätte Pirineosaurus zu leicht enttarnen können. Die Jacke ist sicherlich für einen so kleinen Pirineosaurus etwas groß geschnitten, doch hat das auch seine Vorteile. Bereits wenige Schritte entfernt vom Laden konnte ich die Wirkung der Schutzkleidung testen.

(Anm. von veloträumer: Statt in Argelès lohnt ggf. Outdoor-Kleidung in Luz-St-Sauveur zu kaufen. Der Basisort zum Tourmalet ist mittlerweile zu einem Kaufhauszentrum für Sportwaren inmitten der Bergwelt geworden – vor allem Skisport, aber auch Lauf- und Wandersachen, Intersport hat auch Radspezifisches und Räder, weiterer Radladen vorhanden. Die größere Auswahl bedeutet aber auch mehr teure Ware.)

So verging ein ganzer halber Tag, zumal touristische Attraktionen in Argelès bescheiden sind. In der Touristinfo erwarb ich noch ein Leibchen als Regionalsouvenir mit einem von Pirineosaurus abgewandelten Schriftzug „Pyrénissime!“, woraus man ersehen kann, dass hier die Erinnerung an Pirineosaurus noch lebendig ist, obwohl niemand vermuten konnte, dass er sogar noch unter ihnen weilte. Gut hätten die saurischen Häute natürlich ein Wellnessbad vertragen. Doch dortige Thermenpreise messen sich an den Goldbeuteln der feinen Pariser Gesellschaft, soweit sie sich hier in die Berge verirrt. (Anm. von veloträumer: Es gibt Radler, die für die öffentliche Lourdes-Hautacam-Tagestour aus Paris anreisen und nächstentags schon wieder abreisen, so erlebt im Nachtzug, wo zahlreiche unangemeldete Rennräder über einander gestapelt wurden.)

Die einzige sinnvolle Strategie war es, sich langsam nach Gavarnie durchzukämpfen und dort auf den Wetterwechsel am nächsten Tag zu hoffen. So fuhr ich auf bekannten Pfaden und konnte mich über fortan weitgehende Trockenheit freuen, wenngleich es trüb blieb. In Pierrefitte-Nestalas befragte ich zwei germanische Reiseradler nach dem Empfinden, dass sie vom Tourmalet mitbrachten. „Kein Regen, aber frisch – sehr frisch!“ meinten sie. Nun, wenn das harte Germanen sagen, was würde dann Pirineosaurus drohen – doch eine Erfrierung? Die Hoffnung lag nun darin, dass Gavarnie in einem besser geschütztes Südtal liegt und es heute doch deutlich unter Tourmalet-Höhe bleiben würde.

Obwohl Pirineosaurus die Strecke nun schon gut kannte, konnte er sich doch erneut an der Schlucht erfreuen. Sie bleibt ein wenig abweisend und dunkel – der Fels ist Dunkelrostfarben bis Eisenbahntunnelgrau. Den mächtigen Kaskaden fehlt etwas die Eleganz von denen aus dem Ouzom-Tal und sie haben noch nicht den freien Schleierfall derer weiter oben. So nimmt auch die Faszination der Bergwelt nach oben zu, besonders ab Gèdre. Der Ort Gavarnie erscheint dann spät mit seiner Kulisse, die noch nicht voll entfaltet ist. Dazu muss man den Ortsknick fahren, bis sich der Traumblick auf den Cirque de Gavarnie öffnet.

Pirineosaurus findet die saurische Schlaflagerstätte ganz am Ende des Dorfes, schon an den Wanderwegen gelegen. Es ist unsaurisch kalt, wie in der Eiszeit. Die Nacht bringt ihn sogar nahe dem Kältetod und die Pfoten sind morgens noch aus festem Stein. Doch das alles zählt hier nicht. Es zählt der Blick in den Felskessel, eine Arena des Steins, der Wasserstrahle, der Schneehauben auf dem Tafelbergrund. Es ist ein einziger Atem voller Schönheit. Das machtvolle Gestein ist voller Anmut als hätte es Kreide gefressen. Pirineosaurus jubelt und spürt sein Herz pochen, wie es tanzt, wie es juchzt. Und die Forelle in Karottensauce zaubert nochmal die Frische des Bergbachs auf einen farbenfrohen Teller – eine kulinarische Metamorphose dieses Lebensquells an einem Weltenende, dass nur ein Ausruf kennt: a-STONE-ishing! Wie schnell doch die Wut gegenüber den französischen Kochgesellen sich ändern kann, obwohl hier auch nicht gerade länger gearbeitet wird als am Abend zuvor – wundert sich Pirineosaurus.

Do 10.7. Gavarnie – (exc. Wanderung Cirque de Gavarnie, ca.4 h) – Col de Tentes (2208m) – Gavarnie – Gèdre – Cirque de Troumouse (2138m) – Gèdre
66 km | 10,8 km/h | 5:54 h | 1935 Hm
W: morgens teils bewölkt, danach sonnig, Troumouse in Wolke, 3-24 °C
Ü: C Le Mousca 0 €
AE (Pizzeria Gèdre): Gabure, Schafsteaks, Westerkart., Deserts ab Buffet, Rw, Cafe 26,30 € (–)
B: Cirque de Gavarnie 0 €

Die Wanderung (auch dies eine Wiederholung, damals in Mittagshitze mit vielen Touristen), war am frühen Tage noch recht einsam, erst auf dem Rückweg begegnete ich den größeren Familiengruppen, den laufmüden Verwöhnkindern, die auf Eseln den Weg hochgeschaukelt werden und den erschöpften Alten, die es noch einmal mit Gehstock schaffen wollen, ein großartigen Ort erleben zu dürfen, bevor sich über ihnen die Lichter endgültig abstellen.

Mit jedem Schritt rückt eine andere Perspektive ins Bild, immer wieder durch andere Blumenbünde hindurch, die Horizontkanten mal in, mal aus den Wolken. Der Weg zum großen Wasserfall vom Refuge hinauf über das Steingeröllfeld ist beschwerlich – mehr noch, jetzt heikel, da einige Gehpfade von Schneeresten oder Wasserflutungen versperrt sind. Es ist nicht unbedingt ein großer Gewinn, nahe an die Felsen zu gelangen, außer dass sich über einem mehr und mehr der Himmel dreht, als würde er in einem Felsstrudel hinabgezogen und in einen Höllenschlund verschluckt. Die Wasserstrahlen sehen dann aus wie Rettungsseile, nach denen man greifen und sich hochziehen möchte zu den blauen Himmelstoren. Wenn ein Saurier einen Glückstod sterben sollte, dann müsste es hier geschehen. Es bleibt dann der Blick zurück, der Seufzer des Abschieds, das Panorama nun auch entwölkt, die Menschenkinder gar als Farbtupfer mit ihren bunten Pullis als wären es Alpenrosen oder Glockenblumen. Es bleibt auch am zweiten Tag ein Festtag fürs Auge, ein Jubel, eine Ode an die Schönheit. Ein a-STONE-ishing thing in Poesie gebettet!

Um mein getrocknetes Zelt einzuwickeln hatte ich es stehen lassen bis zur Rückkehr auf den Wanderfüßen. Nun ging es wieder sackgepackt radelnd in die höchsten Höhen. Der Col de Tentes ist eine Sackgasse, die Fortführung der Straße von Gavarnie aus, aber über weithin offene Berghänge, mit Kaskaden über kräftige Steinblöcke, mit Kühen und Schafen auf dem Grün, einer Mittelstation für den Skibetrieb im Winter und himmelwärtiger schließlich zur Passhöhe, bei der sich kleine Bergseen taubenblau auftun und die Granitfelsen mit Schneeresten als gewaltige Kulisse warten. A-STONE-ishing! Der Milan gleitet hoch, das Murmeltier muss vorsichtig sein – es weiß, von Pirineosaurus geht keine Gefahr aus, denn sie sind alte Freunde vom gleichen Geiste getragen.

Früher zu Zeiten von Pirineosaurus gab es wohl noch einen durchfahrbaren Weg bis zum Boucharo-Pass. Heute ist der Asphalt noch ein Stück weiter über den Tentes-Pass (Parkplatz) hinaus gelegt, gar leicht abwärts, aber bereits verboten zu fahren (Pyrenäen-Nationalpark). Am Asphaltende sind die Steinbrocken fast unüberwindlich und der steil ansteigende Weg danach ist übersäht von Felsblöcken, der Untergrund zudem nicht sehr fest. Wohl scheint manche Barriere bewusst angelegt, um unbefugte Radler an der Weiterfahrt zu hindern. In der aktuellen Situation ist der Boucharo-Pass, der nur wenig weiter liegt, auch nicht unerlaubt mit einem Reiserad erreichbar.

Pirineosaurus möchte den Sonnentag noch nutzen – wer weiß, welche Sintflut noch drohen könnte. Dem Talsturz nach Gèdre lasse ich also noch die Auffahrt zum Cirque de Troumouse folgen. Das Tal ist zunächst durch eine Engstelle abgeschnitten, weitet sich dann für Bergweiden immer mehr bis zu dem Weiler Héas, wo eine kleine Herberge besteht. Noch dramatischer ist das Panorama am letzten Verpflegungspunkt, dem Berggasthof Le Maillet. Er befindet sich bereits im westlichen Teil des Gebirgskessels an der Mautstraße. Im Gegensatz zu Gavarnie entwickelt sich Troumouse bereits beim Radeln. Pirineosaurus blickt in ein grünes Amphitheater, Wasserstrahl-durchsetzte Felswände bilden den südlichen Horizont. Selbstverständlich wird auch hier Pirineosaurus von den Murmeltieren gegrüßt.

Jenseits von Le Maillet frisst sich die Straßenschleife in den Felskessel hinein, wendet sich aber dann überraschend nach Norden. Ein Knüpfteppich von Alpenrosen leuchtet vom Hang her. Aus der Froschperspektive wandelt das Auge über das rosarote Blütenmeer mehr und mehr in die Vogelperspektive. – Doch was ist das? Während Gavarnie alle Wolken diesen Tags abstreifen konnte, sind sie hier am Berg hängen geblieben. Knapp unter 2000 m tauche ich in eine Nebelwand – nicht weniger aussichtslos wie am Somport-Pass. Der Höhepunkt ist weiß, dunkel, still, rauchend, Nirwana – nichts! Es sind wieder die Geheimnisse, deren die Pyrenäen nie alle herzeigen möchten. Pirineosaurus stößt auf der Abfahrt durch den Vorkessel noch ein lautes a-STONE-ishing aus. Die Kälte bei Le Maillet ist so schauerlich, dass es Pirineosaurus vorzieht, gleich ganz ins Tal runterzustürzen. Fast hätte er dabei die violette Eissteinpfotenkrankheit bekommen. Es dauerte Stunden es Auftauens – mehr als die Menülänge, wo er sich auch noch an abgestandener Gabure, einer regionalen Suppenspezialität, vergiftete. Das kostete ihn nochmal fast einen ganzen Tag, bis sich die saurischen Darmwerte normalisierten.

Pirineosaurus schüttelte sich immer noch, als er die Gaststube mit dem schändlich schlecht zubereiteten Speisen verließ. Ich hatte überlegt, ein Zimmer zu nehmen, doch das einzige geöffnete Hotel (ein Betrieb mit Logis-de-France-Siegel) hätte nicht weniger als 80 oder 90 Taler berechnet. Da schwitzt Pirineosaurus schon vom Ablesen. Die Konkurrenz mit Zimmervermietung im Nebenerwerb macht es sich hingegen sehr bequem. Laut dem Gastwirt wäre das Haus nunmehr geschlossen (ab 20-21 Uhr) und der Betreiber auch nicht mehr erreichbar. Für dieses Zimmer hätte er auch noch 50-60 Taler verlangt. Da staunt Pirineosaurus nicht schlecht. Goldgräberpreise, aber ohne den Willen, die Geschäfte auch machen zu wollen. Ein kreatives Geschäftsmodell fürs Nichtstun? Ist der Franzose faul geworden – oder war er es schon immer? Krise in Frankreich – oder allgemeine Selbstgenügsamkeit? Die schwachen Gästezahlen in Gavarnie, abends in allen Hotels und Lokalen abzuzählen, werfen ein fragwürdiges Licht auf eine unbemühte, schlicht gleichgültige Gastgeberkultur.

Fr 11.7. Gèdre – St-Saveur – Soulom – Cauterets – Pont d'Espagne (1496m) – Cauterets – Soulom – Arcizans-Avant
71 km | 12,7 km/h | 5:32 h | 1325 Hm
W: meist sonnig, einige Gipfel in Wolken, abends auch Niesel, 7-22 °C
Ü: C Chataignieres 15,40 €
AE (Chez Michele): Salat mit Entenbrust, Schinken, Spargel, Lammkotelett, Pf, Gemüse, Crêpe Chocolat, Rw, Cafe 24,30 €

Des Glücks kaum zu fassen: Noch ein Tag im Sonnenschein. Der Kälte wollte aber vorgesorgt sein und ich beschaffte mir in Luz-St-Sauveur Langfingerüberzieher mit Windschutzbeuteln gegen die saurische Eispfotenkrankheit. – Luz Ardiden oder Pont d’Espagne? – beides passt nicht mehr. Luz Ardiden sieht nach Panoramaauffahrt aus, Pont d’Espagne bedeutet Wasserfall-Schönheiten. Die Entscheidung war nicht schwer für Pirineosaurus, der vermutlich im Sternzeichen des Wassermanns auf die Welt kam. 2008 hatte ich aus Verlegenheitslösung bei Krankheit und verursacht durch Straßensperrung zwecks Tour de France einen kurzen Abstecher in die Schlucht Richtung Cauterets gemacht, den Ort selbst aber nicht mehr erreicht. Das Tal wirkte damals so ansprechend, dass ich eine Komplettberadlung nachholen wollte.

Da Cauterets einst Bahnstation war, die bessere Kurgäste in die reinigende Bergluft brachte, ist heute ein Bahntrassenweg übrig geblieben, der als Rad- und Wanderweg dient. Von diesem Radweg ist mehrfach abzuraten. Einerseits führt er über einen sehr schlechten Wiesenschotterweg, andererseits werden immer wieder Teile davon wegen Steinschlaggefahr gesperrt – auch bringt er keine landschaftliche Bereicherung, da straßennah gelegen. Schon der untere Schluchtteil ist ein Eldorado aus sprießendem Wasser, Tropfmoose am Fels, donnernde Kaskaden in der Gave unten, formschöne Schweife aus dem Fels da und dort. Das Licht bricht in den Prismen der zerstäubten Wasserfalltropfen, die Blumen delektieren sich am feuchten Überfluss, das Gras leckt den Tau. Bei den neu gebauten Serpentinen wartet schon das Bergpanorama um die Zwischenhochebene von Cauterets. Schon der untere Teil mit Cauterets: a-STONE-ishing!

Während im Ort noch alte Kurpavillons restauriert sind, finden sich außerorts auch verfallene Thermenhäuser. Cauterets scheint immer noch begehrt, des Wandervolks wegen, im Winter der Skibetrieb. Trotzdem war das einstige Kurvolk freigebiger. Die Preise für feine Schokoladen und Nougats schrecken mittlerweile französische Familien und selbst die Bonbontöpfe bleiben meist unangetastet. Es braucht schon einen Pirineosaurus, damit die Geschäfte in Gang kommen. Dem Gaumenkitzeln kann sein saurischer Leckermaul-Urtrieb nicht widerstehen – koste es, was es wolle.

Es mag schwer zu glauben sein, aber die großen Sensationen folgen nun erst. Dabei wird eine ausgebuffte Dramaturgie eingehalten, die das freudige Herzklopfen gefährlich nahe ans Infarktrisiko heranführt. Fast alle großen Wasserfälle sind unmittelbar von der Straße aus sichtbar – noch mehr hörbar. Es lohnt aber auch mal einen Seitenpfad durch den Wald mitzunehmen. Die Fülle der Wasserfallformen ist unerschöpflich, das Licht bricht, die Augen sind geblendet, die Seele betört, die Ohren betäubt. Man muss allerdings mit den vielen Ausflugsautos nebenher leben, manchmal nicht einfach, wenn man versucht die gerade Linie zu halten. Denn von den Steigungen hier werden wahrliche Urkräfte verlangt, um sie zu bewältigen.

Das letzte Wasserfallensemble – als Höhepunkt inszeniert – ist dann nicht mehr per Auto erreichbar, offiziell auch nicht mehr per Rad. Beim Parkplatz Kabinenlift ist Schluss für Rollengefährte. Doch geht die Straße asphaltiert weiter und mit Sondererlaubnis fahren da noch erstaunlich viele her. Das sind nicht nur Ranger, sondern auch etwa Übernachtungsgäste von Gasthöfen. Pirineosaurus, der Verbotsschilder nur schlecht lesen kann und noch weniger gut zu befolgen weiß, fährt also weiter bis zum finalen Wasserfall. Das ist sogar einfacher als zuvor. Selbst dort, mit einem Gastronomiebetrieb, führt die Straße noch weiter. Ich wäre auch noch weiter geradelt bis zum Ende, ein Ranger stellte mich aber und wies mich auf das Verbot hin. Da ich angesichts der doch recht vielen Autos den Naturschaden meines saurischen Radelns in Frage stellte, wurde er unwirsch und drohte, dass es im Zweifel 135 Taler Strafe kosten würde. So was kannte Pirineosaurus aus seinen Zeiten nicht. Nun ja, der Ranger ließ ihn immerhin ungestraft zurückrollen, wohl hat er den saurischen Charakter unbewusst gespürt.

Lohnt nun der Weg in diese Sackgasse von Pont d’Espagne, auch ggf. mit Fußmarsch am Ende (evtl. weiter zum Lac de Gaube)? Es ist sicherlich schwer in Worte zu fassen, nehmen wir einmal eine der Paradiesbeschreibungen von Francis Jammes, die er wohl nur so formulieren konnte, da er so seine heimatnahen Bergwelten erlebt haben muss: „Am Horizont dieses Paradieses erklang ein unbestimmter Ton wie der unendliche Ozean, wie das stockende Seufzen von Flöten und Klarinetten, wie das Echo von Rufen aus den Abgründen, wie das Gebell ungeduldiger Hunde, wie der Fall eines bemoosten Steines in die Leere. Es war der Schwall von Wasserfällen, die über die tosenden Wildbäche herabstürzten.“ Sicherlich spielen hier nebst Flöten und Klarinetten wohl ebenso Basshörner und Tubas deutlich mit, während die benetzten Moosen mit der an den Felskanten aufgestäubten Gischt einen Geigenhimmel evozieren können. Ich will hier aber nicht übertreiben und andere dazu anstiften es mir gleich zutun, sie zwanghaft an diesen Ort zu locken. Allein für Pirineosaurus ein unzweifelhaftes a-STONE-ishing thing! Aber mit Pauken und Trompeten und noch fünf Sterne auf jede Pfotentatze!

Sa 12.7. Arcizans-Avant – Estaing – Lac d'Estaing (1163m) (+) – Estaing – Col des Bordères (1156m) – Arrens-Marsous – 10 – Porte d'Arrens (1470m) – Arrens-Marsous – Col du Soulour (1474m) – Col d'Aubisque (1709m) – Laruns
88 km | 10,3 km/h | 8:35 h | 2365 Hm
W: regnerisch, windig, Niesel, mittags heiter, später Wolken, regnerisch, sehr kühl
Ü: C Laruns 0 €
AE (H/R L'Ossau): Salat mit Entenleber, Entenschenkel, Pf, Gateau basque, Rw, Cafe 21,20 € (+)

Die Dörfer oberhalb von Argelès wie St-Savin oder Arcizans-Avant sind Orte der Entschleunigung. Ein wenig unscheinbar, an der Wurzel der Ruhe geboren. Pirineosaurus trieb an diesem Morgen wieder anderes um: Die Rückkehr der tiefen Wolken. Er musste wiederum riskieren, dass sein Häute aufgeschwemmt würden. Schon ohne den Niesel sind die Auf und Abs hier von feuchten Tälern geprägt. Nach anfänglich steilen Rampen, geht es zum Lac de Estaing danach eher sanft ansteigend voran. So hat man zur Straßenseite eher nur kleine Kaskadenstrudel, dafür mystische Fluss- und Wiesenstimmungen. Der Lac d’Estaing selbst macht noch keinen Sommer – okay das stimmt ja wortwörtlich. Doch ist auch seine Erscheinung eher bescheiden. Eigentlich sind es die Berge umher – fast wieder wie ein Gebirgskessel angeordnet –, die die Faszination des Platzes ausmachen. Man kann nach dem Ausflugslokal mit spartanischem Campingplatz anbei weiterradeln, über Piste, die sich irgendwann zu einem Wanderpfad verwandeln müsste. Wo dieser Umkehrpunkt kommt, habe ich nicht ausgereizt, da ich es bei ein paar stimmungsvollen Eindrücken inmitten der Bergwiesen beließ. Es reicht hier doch für ein leises a-STONE-ishing, nicht ganz der große Silberglanz, doch ein Ende Welt, das Schweigen gelernt hat.

Es ist nur ein kleiner Übergang, kurz kräftig, aber durchaus mit eindrucksvollen Panoramablicken oben, einem Birken-Heide-Hain und Weidevieh – der Col des Bordères. Um nach der Abfahrt weiter ins Vallée d’Arrens zu gelangen, nimmt man eine Spitzkehre, ohne in einen Ort ganz reinzufahren. Auch dieses Tal ist eine scheinbar ziellose Stichstraße, die an einem Parkplatz mit Nationalparkhaus endet, wo es nur noch zu Fuß weitergeht. Es gibt eigentlich nur ein Bild, doch wandeln sich die Perspektiven mit jedem Meter, entwickelt sich eine Dramaturgie des scheinbar immer Gleichen, wie man sie in der Musik aus Ravels Bolero kennt. Die Gipfel stehen mal im schmalen Dekolletee des Talschnittes, dann wachsen sie aus einer Kuhweide raus, es folgt die glitzernde Kulisse über dem Wasserspiegel des Stausees und schließlich verschmelzen die Gipfelspitzen mit Bergblumen und Wiesenpilzen zu verträumten Bodenperspektive im Bergbachgrund, während sich der Radler kräftig in die Steigungen hineindrücken muss. Verzückend, atemberaubend – einfach a-STONE-ishing!

Man mag die pyrenäische Wetterküche als gegeben hinnehmen müssen, aber muss es wirklich gleich zweimal am selben Ort sich zutragen, dass einem der Ausblick vorenthalten wird? Die Ecke, so denkt Pirineosaurus, ist mir suspekt. Schon um das Vallée d’Ouzom und den Col de Spandelles trug sich Ähnliches zu wie eine Dekade zuvor. Und nun erwischte es Pirineosaurus erneut am identischen Fleck. Kaum blieben die Häuser von Arrens-Marsous im Tal zurück und waren einige der schweren Kehren bewältigt, schob sich eine dichte Wolke über den Col de Soulor und nahm die Sicht fast ganz. So galt es wieder, auf Nasenradeln umzustellen, die bekannte Nebelradisziplin, die nun mal Pirineosaurus gar nicht liebt. Der Versuch, einen Eindruck vom Col d’Aubisque zu bekommen, der nur als Nebelwolke in meinem Gedächtnis schwebt, blieb erneut eine ziemlich undurchsichtige Angelegenheit. Zwar konnte Pirineosaurus schwindelerregende Felskanten am Straßenrand dumpf erkennen, die trotz der widrigen Umstände ein Schmunzeln auf sein Gesicht zauberten. Dennoch verweigerte sich Pirineosaurus einer Wertung – wahrscheinlich auch, um seinen energischen Protest bei den Wetterhexen zu hinterlegen.

So fürchtete Pirineosaurus auch, erneut als Zitteraal in Laruns zu landen – eine nahezu identische Kopie eines schon mal durchträumten Films. Nun waren im schon bekannten Hotel/Restaurant die Übernachtungspreise nicht im saurischen Budgetrahmen und erst nach dem Essen entdeckte Gîte mit Preisen sogar unter 20 Taler hatte fest verschlossene Tore, weder Klingel nach Urlautenkommunikation war möglich. Man mag es nicht glauben, halb Frankreich verschläft sein Geschäft. So zumindest denkt Pirineosaurus.

Es sollte erwähnt werden, dass Pirineosaurus auf dem Col d’Aubisque auf Fahrwerke seiner großen Verwandten traf. Es wäre ihm unmöglich gewesen auf einen dieser Räder den zu erreichen – geschweige damit zu fahren. Diese großsaurischen Archäologiefunde sind zwar recht überraschend, jedoch konnte Pirineosaurus keinerlei lebendige Spuren erkennen. Es würde auch allen paläontologischen Befunden widersprechen, wenn es neben Pirineosaurus noch andere überlebenden Saurier geben sollte.

So 13.7. Laruns – Bielle – Col de Marie-Blanque (1035m) – Escot – Pont-Suzon – Col d'Ichère (680m) – Lourdios-Ichère – Col de Labays (1351m) – Pas de Guilhers (1436m) – Col de Soudet (1540m) – Col de la Pierre St-Martin (1760m) – Portillo de Eraice (1578m) – Asolaze Isaba
92 km | 10,2 km/h | 9:01 h | 2525 Hm
W: morgens heiter, später bewölkt, teils in Wolke, kühl
Ü: C Asolaze Isaba ~14 €
AE (C): Gemüseteller, Hähnchenschenkel, Pf, Joghurt, Rw ~12 €

Was gestern Abend undenkbar war, ist nun heute Morgen eingetreten: Die Berge um den Col d’Aubisque stehen im glasklaren Sonnenlicht – nicht ein Wölkchen trübt. Doch Aubisque liegt nun hinten. Pirineosaurus hat nicht weniger Anspruchvolles vor sich, wenngleich der Col de Marie-Blanque von der Westseite eine noch größere Herausforderung wäre. An diesem Sonntag ist er dann auch Pilgerziel zahlreicher Rennradler, die sich mit Bestzeiten beweisen wollen.

Das offene Panorama bleibt auch erhalten auf der Zwischenebene, dem Plateau de Bénou, wo die Pferdekoppeln das liebliche Bild ergänzen. Danach tauche ich in dichten Wald, ein tiefes Grün, vom Blattwerk oft hinunter über die Stämme auf den Boden, die alten Buchen ganz in Moos gedeckt. Waldreich ebenso die Westseite, ergänzt mit Felswänden und Bergbach – ein enges Tal. In Escot erfüllt Pirineosaurus ein besonders angenehmes Kribbeln, als sei er an einem besonderen Ort. Ihm fallen ein paar bunte Flachskulpturen auf, die einstige Freunde von Pirineosaurus abbilden. Obwohl sie eine endliche Lebenszeit hatten, leben sie heute noch in vielen Kinderbüchern fort. Ohne Rücksicht auf fehlenden Stein zieht Pirineosaurus die höchste a-STONE-ishing-Wertung! Das ist sicherlich ein wenig übertrieben, wir sollten aber hier besonderes Verständnis für die Gefühlslage von Pirineosaurus haben. (Anm. von veloträumer: Die Parade von Fabelwesen mit Nachbildungen der Illustrationen von Adolf Born, die einige Fabeln von Jean de la Fontaine nachbilden und auch als französische Text dort nachzulesen sind, waren bereits Inhalt des Bilderrätsels Bilderrätsel 858.)

Kurz zurück im Vallée d’Aspe (vgl. 1. Tag dieses Kapitels), folgt gleich der nächste Berg. Der Col d’Ichère ist ein Nischenpass, den nicht mal die einheimischen Sonntagsrennradler zu kennen scheinen. Zwei steile Passagen, nicht so lang wie der Marie-Blanque, schöne Ausblicke in der Mitteldistanz, mehr Weidehügel zur Westseite, ein paar Weiler, unten Mühlenromantik. In Lourdios-Ichère ein kleiner Laden mit wenigen regionalen Spezialitäten – Seifen, Bonbons u. ä., wohl im ersten Stock auch ein kleines Kunstmuseum. Es folgt die größte Herausforderung für Pirineosaurus an diesem Tag. Ein langer Anstieg, immer wieder auch schwierige Steigungen. Dicht überwuchert sind manche Passagen, fast Urwald, manchmal markante Felsskulpturen. Es wechselt auf Moose, Farne – Mystik, noch urtümlicher. Ein Revier wie für Pirineosaurus geschaffen. Irgendwo Ferienwohnungen, versteckt, Waldwiesen wie aus englischen Parkanlagen. Nach einer lichten Waldpassage dann wieder Flechten und Moose an allen Bäumen.

Die Nebelwolken lassen sich nieder – fast unheimlich. Pirineosaurus wittert ein Tier – eines von besonderer Bösartigkeit, dass ihm sehr vertraut in der Nase scheint. Im dichten Nebel taucht dann ein bräunlicher Vierbeiner auf, nimmt im feuchten Gras ein Silberkleid an. Ein Fabeltier? – Nein, eindeutig ein Fuchs, ein pyrenäischer, größer als seine Kollegen etwa in schwäbischen Wäldern. Pirineosaurus ist hoch erregt. Diese Tiere haben ihm einst schwer zugesetzt mit ihrer Bauernschläue, mit ihrer hinterlistigen Art, aus dem rechtmäßigen Besitz der Saurier Diebesgut zu erschleichen und den saurischen Schlaf auf unverschämte Weise zu stören. Pirineosaurus packt sein Trillerhorn aus, um den Tier den Schreck seines Lebens einzujagen. Der Fuchs jedoch scheint recht unbeeindruckt, erst als Pirineosaurus mit Tempo und zu Bärenstärke aufgeplustert auf den Fuchs heranrollt, treibt es ihn in die Büsche.

So ungemütlich hier die Witterung, so abweisend die Atmosphäre, so beeindruckend entwickelt sich der obere Teil als mondähnliche Steinlandschaft, wo nur noch wenige dunkle Nadelbäume Farbkontraste schaffen. Der Fels wirkt aufgequollen als könnte er wie Moospolster nachwachsen. Der Skiort Arette-Pierre-St-Martin liegt abseits der Straße und unterhalb der Passhöhe, mit Extrahöhenmetern zu erklimmen und macht keinen einladenden Eindruck, wenngleich es ein oder mehrere Hotels geben müsste, die auch im Sommer geöffnet haben. Pirineosaurus aber wendet sich ab und versucht noch die Passquerung durch den Fels, der hell aus der Dämmerung heraus fluoresziert. Sogar zur weniger steilen Südseite setzt sich die Steinlandschaft fort, wenngleich der Fels dort weniger fest, mehr gewürfelt erscheint. Zweifellos, der Col de la Pierre-St-Martin ist ein a-STONE-ishing thing im besten Wortsinne. Spät erreiche ich den Camping, wo man meinem saurischen Verlangen nach dringend benötigter Magenfüllung freundlich bedient – es ist ja Spanien und nicht Frankreich.

In Oloron-Ste-Marie wollte Pirineosaurus das Abschlusskonzert des dortigen Jazzfestivals besuchen, um sich der zeitgenössischen Kulturentwicklung zu widmen. Wie aus den zahlreichen prekären bis lebensgefährlichen Erlebnissen zu entnehmen ist, konnte Pirineosaurus seinen Zeitplan nicht einhalten und traf in besagtem Oloron erst einen Tag später ein. Aus diesem Grunde scheint es angebracht, den versäumten Act hier mit einem passendem Song nachzuholen. Kenny Garrett, der u. a. über die späten Elektrogruppen von Miles Davis berühmt wurde und auch mit mehreren Pop-Größen kooperiert hat, gilt als einer der bedeutendsten Altsaxophonisten – manche sagen, der gewichtigste nach Charlie Parker. Wie schon der französische Komponisten Hector Berlioz einmal erwähnte, besitzt das Saxophon genau jene Eigenschaften, die es zu einem pirineosaurischen Instrument machen: „Das Saxophon besitzt eine unvergleichliche Ausdruckskraft: die Exaktheit und die Schönheit seines Tons kann in langsamen Sätzen mit den besten Sängern konkurrieren. Das Saxophon schluchzt und trauert und träumt.“ (Zitat aus Frank Lunte/Claudia Müller-Elschner „Saxophon(e) – Ein Instrument und seine Erfinder“, Nicolai Verlag, Berlin). Es ist zu vermuten, dass das Saxophon wesentlich älter ist als bisher angenommen und möglicherweise schon aus den Urzeiten des Pirineosaurus stammt. Andere Wissenschaftler behaupten, dass Pirineosaurus einst Adolphe Sax den Auftrag gegeben habe, ein Instrument zu bauen, dass dem Klang seiner Urzeiten möglichst nahe kommt. Kenny Garrett Quartet „Song for DiFang“ (5:26 min.)

Bildergalerie zu Kapitel 6 (235 Fotos):



Verantwortlich gezeichnet
Pirineosaurus Rex

Fortsetzung folgt

Geändert von veloträumer (12.02.19 18:23)
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#1089168 - 16.12.14 23:25 Re: Die Legende von Pirineosaurus [Re: veloträumer]
veloträumer
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Auch hier wieder der kleine Korrektur-Hinweis zur Bildfolge: Letztes Bild ist eine Felslandschaft, aus der ein grüner Bergrücken hervorsteht (beim Col de la Pierre St-Martin). Tatsächlich folgt offenbar noch die blau-violette Lilie, die am Fuße zum Anstieg zum Col des Tentes zu sehen war (nähe Gavarnie).
Liebe Grüße! Ciao! Salut! Saludos! Greetings!
Matthias
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#1089287 - 17.12.14 19:21 Re: Die Legende von Pirineosaurus [Re: Bafomed]
veloträumer
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In Antwort auf: Bafomed
Obwohl ebenfalls am Jakobsweg gelegen, handelt es sich bei dem von Dir als wenig reizvoll beschriebenen Nest um Puente la Reina de Jaca, gelegen an der T-Kreuzung zwischen A-176 und N-240 bzw. der Mündung des Río Aragón Subordán in den Río Aragón, nicht zu verwechseln mit dem südwestlich von Pamplona gelegenen, deutlich größeren und wesentlich attraktiveren Ort Puente la Reina am Río Arga.

Ja, danke. Als veloträumer ist mir das nicht bekannt gewesen. Bei Pirineosaurus sollten wir allerdings nachsichtig sein - alles was Pilger-Anglegenheiten betrifft. Zwar fühlt er sich offenbar von ebenfalls entschleunigter Pilger-Kaste angezogen - sogar weilte er eine Nacht in einer entsprechenden Herberge (wie Ende Kap. 5 beschrieben) -, jedoch scheint ihm derartiges Treiben nicht ganz geheuer und gar dem Niedergang geweiht. Die Beschreibung der verlassenenen Wildwestromantik von Puente de la Reina stützt diese These. Pirineosaurus denkt auch in Metaphern, in denen er wahrscheinlich nicht die besten Dinge über die Pilgerschaft denkt. So bewegte sich Pirineosaurus recht häufig genau entgegen der vorschriftsmäßigen Pilgerrichtung - schon in Touren aus früherer Zeit. Wir können ggf. vermuten, dass Pirineosaurus das nicht gut verstanden hat, wie man richtig pilgert. Es kann aber auch sein - so lieb man Pirineosaurus auch gewonnen haben möchte -, dass er sich über das Pilgertreiben hämisch lustig gemacht haben könnte, wofür zumindest einige Szenen und Niederschriften sprechen würden. Pilgerrouten gab es zu Saurierzeiten eigentlich keine - soweit meine Erkenntnisse - allenfalls im übertragenen Sinne zu Festen mit überreifen Früchten und entsprechend Alkohol-bedingten Nachwirkungen. zwinker
Liebe Grüße! Ciao! Salut! Saludos! Greetings!
Matthias
Pedalgeist - Panorama für Radreisen, Landeskunde, Wegepoesie, offene Ohren & Begegnungen
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#1089290 - 17.12.14 19:29 Re: Die Legende von Pirineosaurus [Re: veloträumer]
veloträumer
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KAPITEL 7 – NAVARRA II/FRANCE III (a)
Buchenwälder, Steilrampen, Schattenschluchten, Schafshügel und Engelwatte: Eine Grüne Sinfonie in Basque-Dur – die große Iraty-Runde

Iraty (span.: Irati) – der Name klingt schon geheimnisvoll, ein Stück Mythos. Hier wie im benachbarten Labourde lag ein Schwerpunkt der Hexen, schrecklicher: ein Schwerpunkt der Hexenverfolgung. Verbrechen und okkulte Rituale kann der Reisende auf verschiedenen Hexenrouten nachvollziehen. Die Hexerei beginnt im Osten bereits mit dem Valle del Roncal, im Süden mit der Gegend um den Yesa-Stausee und endet weit im Westen in den tiefgrünen Tälern in Euskadi. Das Hexengebiet Navarras ist also wesentlich größer als das Irati-Gebiet. Anderseits liegt das Iraty-Gebiet in Frankreich außerhalb dieser Hexen-Routen, wenngleich die Mystik der Landschaft grenzüberschreitend, vielleicht im französischen Teil sogar greifbarer ist. (Mehr zu den Hexen in Kap. 8.)

Im Norden verläuft mein Bogen auch aus dem Iraty-Gebiet heraus – allerdings nur, um den Kreis wieder an anderer Stelle zu schließen. Meine Route verlief auch auf Strecken der grenzüberschreitenden Route Irati Extrem, die offenbar auch einmal im Jahr als öffentliche Tour gefahren wird. Jedoch bin ich nicht Irati Extrem komplett gefahren – ich weiß auch nicht, ob die komplett für Straßenradler gedacht ist. Iraty/Irati ist auf den ersten Blick wenig spektakulär, seine Geheimnisse liegen tiefer. Als ich erstmals 2008 über den Col d’Iraty radelte, wurde diese Fahrt zu einem Höllenritt. Verhext ist die Gegend also heute noch.

Wer Iraty schnell durchfährt, wird nichts spüren. Es braucht eine Zeit, bis einen die Mystik mit ihrer gesamten Faszination erfasst. Die Uhr ist dabei ein fast unerlaubtes Utensil. Man horcht, träumt, macht es den Pferden und Schafen gleich und wartet, bis die Sonne auf- oder untergeht. Die Wolken ziehen wie Gedanken, bergen als Nebel tiefe Geheimnisse. Viele Höhenzüge und Steilrampen ist Pirineosaurus nackt gefahren, und die Pilger auf dem El Camino, die mir oberhalb von St-Jean-Pied-Port entgegen kamen, machte ihre Kreuze mit offenem Mund, im Glauben, eine asketische Erscheinung des Heiligen Geistes an ihnen vorbeifliegen gesehen zu haben. Allein Jakobus kann es nicht gewesen sein, denn der ging erwiesen zu Fuß, von Jesus weiß man es jedoch nicht so genau. Der ist ja bekanntlich auch über Wasser gelaufen, also warum sollte der nicht auch schon Fahrrad gefahren sein? Auf jeden Fall war es ein Spaß für Pirineosaurus – der Pilgerschreck aus Iraty.

Überhaupt ist die Gegend eher asketisch und ein hartes Brot – manchmal wortwörtlich, wenn die Vorräte ausgehen sollten. Es mag sogar sein, dass ich den ersten, spanischen Teil weniger intensiv, weniger aufregend empfunden habe als den weiteren Teil in Frankreich. Ich war noch nicht drin im Mythos, noch zu sehr von Eile und Tourplänen getrieben. Im Nachbetracht sei aber doch so gewertet, dass das französische Iraty alle Mystik dieser Landschaft besser verkörpert und mehr zu bieten hat als die spanische Seite. Insbesondere die Pistenfahrt am spanischen Irati-Stausee erfüllte die Erwartungen nicht so sehr. Iraty ist aber auch eine Gegend für den Herbst. Das Rotbraun der Buchen wird dann mit mehr Licht erfüllt, im Sommer sind einige Teile nur dunkler Schatten – zu dicht das Grün. Herbst in Irati würde Pirineosaurus auch mal gerne erleben.

Iraty bedeutet also weite freie Koppeln, aber vor allem Wald aus Buchenholz. Es ist vielleicht kein Zufall, dass im baskischen Navarra, wie auch im sonst noch waldreichen Euskadi, ein Instrument gespielt wird, das den Klang des Holzes transportiert. Txalaparta ist eine Art Xylophon, das nicht mit Schlegeln, sondern ziemlich kraftraubend mit Holzkeilen auf die tonhöhenabgestuften Holzbohlen geschlagen wird. Selbst diese Spielweise (auch von oft von Frauen geklöppelt) ist wiederum passend für die bekannte baskische Härte, die sich nicht zuletzt ebenso im Nationalsport Pelota wiederfindet wie im allseits beliebten Radrennsport. So sei hier zur atmosphärischen Einstimmung ein Beispiel für diese Holzmusik geliefert: Oreka TX „Txalaparta Danza“ (2:40 min.).

Mo 14.7. Asolaze Isaba – Isaba – Portillo de Lazar (1129m) – Ochagavía – Paso Tapia (1340m) – Casas de Irati – Embalse de Irabia(ko) – Orion – Arrazola – Orbeitzeta – Aribe – Abaurrea Alta
96 km | 11,2 km/h | 8:37 h | 1660 Hm
W: morgens Regen, danach teils sonnig, später bewölkt, teils Sturmböen, sehr kühl
Ü: C wild 0 €
AE (H/R Aribe): Salat, Schinkenplatte, Rw 15 € (–)

Vom Camping bis zur Ortschaft Isaba rollt es sich noch ein Stück – doch recht hübsch. Mehrere römische Brücken finden sich über dem Fluss, manche recht gut erhalten. Isaba wirkt schon wie eine baskische Trutzburg, Spanien ist hier weit weg. Der Ort ist klein und kompakt, dabei sehr pittoresk. Eine Mädchenradsportgruppe mit Begleitauto rast durch den Ort. Sie kommen aus einem Alpenland, dass Pirineosaurus wohl bekannt ist gleichwohl über Nockenberge verfügt wie Irati selbst. Dieses Tempo – kein Blick ist ihnen Ort und Land würdig. Später holen sie mich ein – nur warum? – Ja, sie sind in der Eile falsch abgebogen, ins falsche Tal. Pirineosaurus kann kaum lachen, mehr Kopfschütteln. Wozu hierhin zum Rasen reisen, wo die Zeit noch Zeit hat? Heißt es nicht in ihrem Heimatland, sie seien gemütliche Landsleute? Menschenkinder sind einfach nicht aus der Zeit von Pirineosaurus, das ist sicher.

Wieder Brücklein und erster Buchenwald mit den typischen Bächen, die über breite, flache Treppensteine die Rostfarben des gefallenen Buchenlaubes unter den grünen Blattdächern hervorheben. Manchmal kaum mehr als Rinnsale. Die Lazar-Passhöhe unspektakulär. Von hier geht auch eine Piste nach Süden (noch weiter bergauf), als Radroute auf Tafeln zu finden, aber doch eher weniger gut fürs Reiserad. Noch unauffälliger die Abfahrt zur anderen Seite, aber wieder mehr freie Blicke.

Ochagavia ist so etwas wie das südliche Zentrum für Irati-Exkursionen. Der Ort zeigt sich mit einer Flusspromenade, hat mehr Platz als etwa Isaba. Zum Paso Tapia geht es zunächst durch einen kleinen sumpfigen Urwald, reich an Pilzen. Dann öffnet sich eine weite Hügellandschaft, die Grüntöne wechseln stetig ihre Farben, je nach Licht und Wolkenfilter. Nur ein kleiner Hain unterbricht die offene Landschaft, Farnteppiche, dann Buntblumenwiesen mit Löwenzahn und die Krönung ist immer das geschorene satte Grün der sanften Bergkuppen. Ganz unsanft stehe ich im strammen Wind, sagen wir besser: Sturm. Kaum kann man das Rad abstellen, als das es nicht umgerissen werden könnte. Der Blick kennt hier oben nur eines: Weite. Zwei Schäfer ziehen mit ihren Hirtenhunden fast wie die Wolken vorbei – nicht umsonst kennt man „Schäfchenwolken“ im Sprachgebrauch. Die Schäfer hier sind markant, fast unwirklich, harte Burschen, in Winterpelz gewickelt. Pirineosaurus spürt die bissige Kälte, die der Wind in sich trägt. Kein Ort für lange Pausen – so atemberaubend der Blick sein mag.

Ein Auto hält an, aus der eine Frau mit rosa Sommerpulli steigt. Dieses Rosa mit hellem Jeansblau und den blonden Haaren wirkt hier oben wie eine unkeusche Farborgie, wie ein leuchtendes Licht der Hoffnung, wie eine Feengestalt in einer garstigen abweisenden Naturgewalt, die sich in den kantigen Schäfergesichtern widerspiegelt. Doch das kurze verwehte Wort zwischen Rosa-Pulli-Frau und Pelz-gewandetem Schäfer zaubert ein verzagtes Lachen auf das scheinbar versteinerte Gesicht des Schäfers, das schon kurz danach wieder grimmig auf den Vortrieb der Herde blickt. Es liegt ein Hauch von Erotik in diesem Bild pastellfarbener Dämpffarben, in die die Landschaft geheimnisvoll getaucht ist.

Der kalte Sturm fegt Pirineosaurus vom Berg, ohne dass er seine Fantasien weiter entwickeln kann. Auf der kurvigen Nordseite taucht die Straße bald in dichten Buchenwald – Irati tipico. Irati ist Radlerparadies. Ein Radreisepaar kommt mir entgegen, tut sich schwer an der doch ordentlichen Steigung. In den Wald führen Trails, die mit „Irati BTT“ gekennzeichnet sind. Unten in der Talmulde am großräumigen Picknickplatz mit mächtigen Holzblocktischen und -bänken, gibt es Infotafeln zu den Velorouten, jeweils mit Schwierigkeitsgraden bewertet. Für die einfache Querung mit Reiserad sind diese Tafeln aber eher verwirrend, die meisten Routen sind nur Mountainbikern zu empfehlen. Von denen sind nunmehr zu späterer Stunde immer noch welche unterwegs. Direkt eine Straßenschleife über dem Picknick- und Parkplatz befindet sich auch eine Unterkunfts- und Verpflegungsmöglichkeit. Von den Casas de Irati führt auch eine MTB-Route direkt zu den Iraty-Chalets auf der französischen Seite.

Nebst Picknickplatz (trotz geschützter Lage immer noch kalt windig) gibt es neben der Schranke auch noch ein besetztes Info- und Wachhäuschen. Der Mann macht gerade Feierabend. So versichere ich mich nochmal der richtigen Route. Die Piste zum Irati-See ist quasi eine Forststraße, die per Auto nur mit Berechtigung befahren werden darf. Der Ranger wohnt offenbar zur anderen Seite und fuhr daher über die Piste nach Hause. Der Pistenzustand ist meist gut und einfach zu radeln, auch Steigungen sind offroad nur kleine und wenige zu bewältigen. Allerdings gräbt der Regen schnell mal tiefe Pfützen in die Spur und durch den schattigen Wald bleibt es dann stellenweise auch ausdauernd morastig. So musste ich zweimal absteigen und kurz schieben.

Der See ist langweilig, weil eigentlich fast nirgendwo zu sehen. Nur ein kleines Spalier zur Westseite erlaubt einen Blick auf die Wasserfläche, die komplett von Buchenwald umgeben ist. An der spitzen Kehre der nördlichen Bucht befindet sich ein Pistenabzweig nach Norden, der möglicherweise eine passable Überfahrt nach Frankreich erlaubt. Ob die Pistenqualität von unten allerdings durchgehend noch oben erhalten bleibt, kann ich nicht verifizieren. Zu Ende des Sees ist selbst das Stauwerk etwas versteckt gelegen. Ab hier gibt es Betonpiste, sicherlich von spanischem Flüsterasphalt weit entfernt. Fürs Auffahren dieser etwas längeren und steileren Steigung allerdings unerheblich. Pirineosaurus meint, dass diese seine eingeschlagene Fahrtrichtung der Paso-Tapia/Irati-See-Runde die bessere sei.

Arrazola ist nochmal ein Infopunkt, bereits nach dem Hochpunkt in der Abwärtsbewegung, mit einer Hütte, in der sich wohl übernachten lässt und eine Waschmöglichkeit besteht. In dieser Richtung lohnt es aber, bis Orbaitzeta weiter zu rollen, denn dort befindet sich schon weit oberhalb des Ortes eine einfache Herberge mit Gastwirtschaft. Von Orbaitzeta gibt es die wohl die komfortabelste Piste zur französischen Iraty-Grenzroute. (Anm. von veloträumer: Nach meiner Recherche soll durchgehend Betonpiste bestehen. Zumindest ist zur anderen Seite in Frankreich Orbaitzeta mit einem offiziellen Straßenschild ausgewiesen. Auf der spanischen Seite hier findet sich aber kein Hinweis, nur die alte Munitionsfabrik ist ausgeschildert, bis dorthin besteht Asphaltstraße.)

Auch in Orbara gibt es noch mindestens eine wandererfreundliche Herberge, wenngleich es kaum nach Essen dort riecht. Tief im Tal zu Beginn einer kleinen Schlucht lädt ein allein stehendes Restaurant ein, das mit Pilz- und Fischgerichten wirbt. Doch Pirineosaurus hat Irati noch nicht genügend im Blut. Er rast zu Tale und glaubt in Aribe, dem Straßenknoten, pralles Leben zu finden. Dieser Ort ist aber noch stiller als die höher gelegenen zuvor. In einem Hotel/Restaurant sind die Tische schon hochgeklappt. Für Pirineosaurus gibt es nur (überteuerte) kalte Küche. Pirineosaurus ist heuer mondsüchtig und zieht noch im Dunklen ganze Berge hoch, bis er in einer saurischen Grube am Straßenrand das Nachtlager findet. Noch einmal zieht das erotische Motiv vom Paso Tapia in seinem Traum auf.

Di 15.7. Abaurrea Alta – Alto de Remendia (1040m) – Jaurrieta – Alto de Jaurrieta (990m) – Ochagavia – Bar Abodi – Puerto de Larrau (1573m) – Col d'Erroymendi (1362m) – Larrau – D26/D113 – La Caserne – (exc. Wanderung Gorges de Kakouetta ca. 2,5 h) – Ste-Engrace (+)
71 km | 12,0 km/h | 6:01 h | 1540 Hm
W: sehr sonnig, max ~25 °C, abends bewölkt
Ü: C wild 0 €
AE (Elichat): Wurst, Salat, Rw 7,50 € (––), (SV)
B: Gorges de Kakouetta 5 €

Solche verwegenen, einsamen Randplätze schützen nicht vor großen Momenten. Die Wolken lösen sich langsam auf, ein weißer Teppich behütet das Tal als wollte jemand verbotene Geheimnisse verdecken. Wie sagte es der Schäfer bei Víctor Català: „… mir gefällt er, mich bringt er auf alle möglichen Gedanken, der Nebel… Ich geh gern mit der Herde über den sonnigen Grat, wenn unter mir die ganze Welt im Dunst liegt… An manchen Stellen höre ich Stimmen, sehe aber niemanden, und dann stelle ich mir die Bergfeen vor, wie sie sich ausziehen und im See ihre Sachen waschen. Der Nebel ist wunderschön…“ Auch hier ist Irati dieser Hauch von Erotik, der wie das Geräusch der Stille mit der Fantasie wächst, bis er im Schrei der Erregung jubiliert.

Solch klare Sonne – und eine ganzen Tag lang – war auf der Tour selten. Die Kontraste sind scharf, die Blicke weit von der Anhöhe des ersten Ortes. Immer noch sind Spinnennetze mit Morgentau in Kristallglanz gefasst. Jaurrieta ist ein Ort mit einer speziellen Geschichte, die mit Musik verbunden ist. Zum einen stammt ein beliebter baskischer Volkstanz (Volkslied), aus Jaurrieta. Der Tanz ist nur Damen vorbehalten und läuft nach einem strengen Muster ab: Axuri Beltza – Danza de Jaurrieta (7:44 min.) Auch der ist Irati pur: Ein fröhliches Aufflackern inmitten einer zeitvergessener Gemessenheit. Pirineosaurus beginnt Irati zu verstehen. Zwei Orte weiter nimmt er einen gemütlichen Kaffee im Ochagavia ein, obwohl ihm die Planzeiten unter dem Sattel wegrutschen.

Die andere Musikgeschichte des Ortes ist ein Zeichen für nachbarschaftliche Solidarität aus der Region. Jaurrieta wurde 1880 ein Opfer der Flammen. Nur wenige Monate später organisierte der Julián Gayarre, ein weltberühmter Tenor im 19. Jahrhundert, der aus dem benachbarten Roncal stammt, zusammen mit Pablo Sarasate (vgl. Kap. 5), ein großes Benefizkonzert in San Sebastián (Donostia). Der Ort konnte in seiner architektonischen Schönheit wieder komplett aufgebaut werden und ist ein so was wie ein sehr bescheiden wirkender Modellort für die regionale Baukultur.

Der Puerto de Larrau gibt sich auf der Südseite fast komplett offen, weite Grünflächen, weites Panorama zu fernen Gipfeln. Nur ein bewirtetes Haus gibt es an der gesamten Strecke zwischen Izalzu und Larrau – die Bar Abodi etwa in der Mitte des Aufstiegs. Verkauft werden aber nur Dosengetränke, vielleicht ein Kaffee – kein Snack und nicht mal ein Eis, das ich an einem dieser heißen Tage so begehrt hätte. Es wird aber dort gebaut, vielleicht wird die Kaschemme aufgepimpt. Direkt anbei führt übrigens eine ordentliche Piste hinunter, über die man direkt zur Paso-Tapia-Straße und zu den Casa Irati gelangen kann, ohne den Weg über Ochagavia zu nehmen.

Schon vor der Passhöhe lerne ich Eduardo aus Logroño kennen, mit einem zum Reiserad umgebauten Rennrad und nicht unbedingt stabil wirkend. Seine Pyrenäen-Tour ähnelte der meinigen, stets mit Wechseln über die Grenzkammpässe. Sein ehrgeiziger Plan, noch am selben Tag nach der Abfahrt vom Larrau-Pass und ziemlich langwierigen Querverbindungen schließlich noch den Portalet-Pass zurück nach Spanien und von dort bis Torla zu gelangen, um dort einen Freund zu treffen, mit dem er eine Wanderung im Ordesa-Nationalpark durchführen wollte, löste sich allerdings wortwörtlich in Luft auf. Auf der Abfahrt erwischte ihn alsbald eine Reifenpanne und sein Ersatzschlauch erwies sich als ungeprüfter Lochkuchen. Leider hatte er eine andere Reifengröße, sodass ich nicht helfen konnte. Die Lage soweit abseits der Zivilisation dürfte recht prekär sein, wenn es ihm nicht gelungen sein sollte, von einem Autofahrer aufgegriffen worden zu sein. Ich hatte auf der Passhöhe schon meine Bedenken geäußert, dass das Rad für solch Touren nicht unbedingt geeignet ist. Auch dürfte er von den spanischen Straßen etwas verwöhnt gewesen sein – auf den französischen Pyrenäensträßchen ist man mit Rennradreifen und hohem Gewicht schlecht beraten. Zur anderen Seite tauchten auf der Passhöhe auch noch Tina und Reto auf – ein Paar vom Walensee (Schweiz). Sie waren nun eher das Gegenteil von Eduardo, indem sie zeitlich stark gepufferte Etappen gefahren sind und gar die Unterkünfte vorreserviert hatten. Sie wollten heute nur noch nach Isaba, was eine leichte Übung geworden sein sollte.

Die Nordseite des Puerto de Larrau ist erheblich steiler als die Südseite, was für die meisten Grenzkammpässe gilt, zumindest in den westlichen Pyrenäen. Dass Tina trotz Helm keinerlei Schweißtropfen auf der Stirn hatte, beunruhigte mich doch sehr, aber die Lösung war dann doch einfach: Reto musste das Gepäck mitschleppen, Tina blieb die Handtaschenvariante. Kein Wunder, dass Männer früher sterben als Frauen. Auch das war bei Sauriern anders. Es gab nur geteilte Lasten. Übrigens machte Casco Nuevo leichte Strampelbewegungen, als er bemerkte, dass er außerhalb der Tasche andere Cascos hätte kennen lernen können. Ich erklärte ihm, dass diese Cascos keine Zeit für ausgedehnte Kaffeekränzchen gehabt hätten. Darauf döste er weiter vor sich hin.

Larrau kannte ich aus Regenzeiten, diesmal sah ich fröhliche Leute, ein überraschend lebendiges Treiben in dem kleinen Bergort. Der Tag war ein Ausflugstag, was sich dann auch in der Gorges de Kakouetta zeigte. Ich war nun etwas spät dran für insgesamt drei geplante Schluchtexkursionen und ließ schon mal die Crevasses d'Holcarte mit einer atemberaubenden Hängebrücke sowie die Gorges d'Ehujarre aus dem Programm fallen. Die Kakouetta-Schlucht ist wohl die touristischste von allen, auch die einzige, bei der man Eintritt zahlen muss. Sogar Tucholsky musste das schon.

Kakouetta ist ein kleines Stück Urwald. Überall wuchern Farne und Moose. Der enge Schluchtaustritt ist zu Fuß nicht passierbar. Deswegen führt ein Weg über einen unscheinbaren, aber steilen Hügel, nachdem man den kleinen blauen See passiert hat. Anfangs ragt mitten aus dem Bergfluss ein steiler Fels heraus. Dann beginnt ein glitschiger Holzbohlensteg durch die Klamm. Es ist wie in den Urgestaden des Pirineosaurus. Fels hängt über dem Kopf, der nackte Stein ist meist von tropfnassem Grün überzogen, der Himmel nur ein kleiner Spalt zwischen kühn gestapeltem Stein und breit geschirmten Buchenästen. Einige Bäume wachsen gar über dem Fluss, der immer wieder mit seinen Kaskaden berauscht. Grüne Moosstümpfe verrenken sich als archaisches Moderwerk in surrealen Formen, wie sie selbst Salvador Dalí nicht ersonnen haben könnte. Von den Seiten sprießen Wasserfälle, deren mächtigster aus einer runden Höhle hervor schießt. Am Ende des Weges liegt eine kleine Höhle, in der die Fledermäuse aber wohl der vielen Touristen wegen sich schämen zu zeigen. Im so grünen Iraty ein echtes a-STONE-ishing thing in Pirineosaurus’ Wundersammlung! (Anm. von veloträumer: Mehr zum Kakouetta-Erlebnis und der Anekdote über einen verirrten Geier sowie die blauen Freunde von Casco Nuevo findet ihr in dem bereits gestellten Bilderrästel 853.)

Es gibt in der Umgebung nur einen Camping in La Caserne, sonst erst wieder in Larrau, und wenige Gîtes. Während tagsüber noch die Lokalität direkt an der Kakouetta-Schlucht (plus Straßenstand oben bei den Parkplätzen) gibt, findet sich zum Essen abends weiträumig nahezu nichts (La Caserne auch nicht). In Ste-Engrace liegt eine Gîte/Auberge, die für Übernachtungen voll belegt war. Dort gab es etwas rustikales Brot mit Wurst – Käse habe ich ja selber dabei. Der Salat war an Lieblosigkeit kaum zu übertreffen – von wegen französische Kochkunst in der Provinz. Oberhalb des Ortes folgt zwar noch ein Restaurant an der Straße, war aber auch geschlossen. Kaum hier ein Lagerplatz – Biwak in einer Straßenkehre, da es nur unwegsames oder abgezäuntes Gelände gab. Pirineosaurus hätte vom Steinschlag getroffen werden können – ganz in der Tradition des Vulkan-veranlassten Sauriersterbens, wie es in manchen Schulbüchern steht. Aber Pirineosaurus ist anders und stirbt nicht so schnell. Es heißt sogar, sein Geist währe ewig.

Mi 16.7. Ste-Engrace (+) – Col de Suscousse (1216m) – Col de Ste-Gracie (1325m) – Col de la Taillade (1425m) – Col d'Issarbe (1445m) – Lanne-en-Barétous – Col de Sustary (444m) – Tardets-Sorholus – Mauléon-Licharre – Col d'Osquich (500m) – St-Just-Ibarre – Larceveau – Bunus
88 km | 12,0 km/h | 7:21 h | 1595 Hm
W: sonnig, bis ca. 30 °C, abends kühl
Ü: C Bunus 9,15 €
ME (Bistro Barretous): Blätterteig, Putenschitzel, Reis, Eis, Cafe 12 € (+)
AE (H/R in Larcevau): Salat, Entrecôte, Pf, Fruchtsalat, Rw, Cafe 24,20 € (–)

Während es bis zu Kakouetta noch leicht zu radeln ist, beginnen spätestens bei Ste-Engrace die gehobenen Steigungswerte. Bis zum Col d’Issarbe fährt man nach oben, die anderen Pässe sind Querpässe, die nur formal zu nennen sind. Beim Col de Suscousse besteht zur Wahl auch ein Anschluss zum Col de la Pierre St-Martin über den Col de Soudet (vgl. Ausgang Kap. 6). An der Strecke begleiten eher kleinere Stufenwasserfälle, kurze Waldstücke, aber meistens weite Panoramablicke – oben auf der Höhe zu beiden Seiten nach Süden und Norden.

Gemäß der mageren Kost der Vortage nehme ich Lanne-en-Barétous ausnahmsweise einen warmen Mittagstisch in Anspruch. Typischerweise steigen hier keine Touristen ab, sondern ein paar Arbeitende wie die Friseuse vom Geschäft nebenan oder mal ein Transit-Trucker. Die Speise ist durchaus mit Liebe fein gemacht, und für Frankreich zudem preiswert. Mein folgender Umweg lohnt, wenn man den Schweiß nicht verschmäht. Über einen kleinen Hügel gelangt man in eine agrarische Talebene, von der es einen ganz verlassenen kleinen Pass durch urigen Kastanienwald hinauf geht, so steil, dass es Pirineosaurus Urlaute entlockt, die niemand hören dürfte.

Zurück im Tal in Tardets finde ich ein belebtes Städtchen vor. Es geht nun auf einer stärker befahrenen Achse recht flott leicht abwärts. Noch flotter als Pirineosaurus sind allerdings die einheimischen Kids. Mit Affenzahn jagen Betreuer oder Väter ihre Zöglinge, die kaum die Unterkante meines Rahmenrohres erreichen könnten, auf blitzblank geputzten Rädern. In Mauléon-Licharre wartet schon Mutti auf die Sportsmänner der Familie und Sohnemann ist mächtig stolz im Trikot des Baskenlandes, farblich mit Rahmenfarbe abgestimmt. Tempohärte wird hier mit der Muttermilch weitergegeben. (Anm. von veloträumer: Hoffen wir mal, dass sie nicht mit der in der Bildergalerie festgehalten Tubennahrung gefüttert werden. bäh)

Muttermilch braucht es allerdings hier kaum, denn auf der Strecke liegt Käserei an Käserei. Mauléon hat Burg und Schloss – sie oben, es unten. Ein großer Platz zum Verlaufen trennt die Häuserzeilen scheinbar nutzlos. Die Funktion des Platzes ist mal wieder echt baskisch: Pelota. Spielen gesehen habe ich aber nur einmal welche. Das war noch an diesem Tage abends in Larceveaux. Mädchen und Jungens, im Alter etwa zwischen Schulzeit und Studentenbude. Auf jeden Fall schwitzen die mehr als Pirineosaurus am Pedaltrieb. Das will was heißen. Basken sind eben harte Kerle – egal ob Mann, ob Frau.

Ein offener grüner Hügel liegt noch zwischen Mauléon und Nachtquartier. Der Col d’Osquich ist so etwas wie ein harmloser Klischeepass der Westpyrenäen, von einem Geometriker scheint der Bogenhügel exakt mit Zirkel gezogen. Mal wieder schlage ich unverantwortlich die beiden Essstuben auf Passhöhe und darunter aus. Im Tal rächt sich das. Das beim Camping Bunus nächst gelegene Restaurant hat geschlossen. Was sonst, wenn Krise ist? Auch hier zur Hochsaison eher bescheiden die Gästezahl auf dem Camping. Im Hotel/Restaurant in Larceveaux das Bild noch deutlicher – einsam muss ich speisen – nur die Pelota-Spieler leisten sich ein paar Erfrischungsdrinks. Das Ambiente ist etwas steif und edel, die Qualität des Essens läuft dem Image hinterher. Offenbar macht man sich auch nicht viel aus Gästen. Mal wieder das verkümmerte Frankreich. Alles wirkt wie nebenbei und unbemüht.

Do 17.7. Bunus – Hosta – Col des Palombières (614m) – Lecumberry – Col de Landerre (1072m) – Col d'Aphanize (1055m) – Col Inharpu (1029m) – Col Burdin Olatze (892m) – 3 – Col d'Arhansus (928m) – Col Bagargui (1327m) – Col Heguichouri (1284m) – Lac d'Iraty (Iraty-Cize)
58 km | 8,5 km/h | 6:42 h | 1905 Hm
W: weitgehend sonnig, > 30 °C, nachmittags Sturmböen
Ü: C wild/Hütte 0 €
AE (Chalet d'Iraty Cize): Käse-/Schinkenplatte, kalter Nudelsalat, Crêpe Chocolat, Eis, Rw 23,30 € (–)

Ein kleiner Lichtblick hier, gibt es doch eine bescheidene Bäckerei, Kaffee und ein paar Kleinigkeiten wie Joghurt am Fuße der Palombières-Route. Wer nicht leiden möchte, sollte hier nicht fahren. Harmlos ist es bis Hosta, wenn man mal von dem Omen absieht, wo eine Skulptur zu Ehren Jimi Hendrix leicht saurische Skelettzüge trägt. Nach Hosta folgt eine Todesrampe, so muss es gesagt werden. Pirineosaurus glaubt auch nicht auf den Karteneintrag mit 15 %. Die Österreicher hätten bestimmt 25 % reingeschrieben. Wahrscheinlich werden Steigungswerte in Abhängigkeit vom Härtegrad der lokalen Bewohner gemessen. Was ist ein österreichischer eitler Pascha schon gegen einen sturmgestählten asketischen Urbasken? Österreichs Mozart ist die Inkarnation des Molls. Basken sind Durissimo!

(Anm. von veloträumer: Wieviel Wasser Pirineosaurus an diesem hardest of the hardest days verloren hat, ist nicht überliefert. Zu einem guten Teil dürften aber die Bergbäche des Iraty-Gebietes seitdem aus den Adern des Pirineosaurus gespeist werden, wie neueste und unabhängige paläontologische Forschungen ergeben haben.)

Auch hier taucht man in urigen Kastanien- wie Buchenwald ein, Pilze, Farne und Moose schaffen kurz eine abkühlende Mystik. In Lecumberry ist man wieder im Tale wie zuvor, ein Pass also fürs reine Vergnügen. Zum Col Babargui, sprich Col d’’Iraty gibt es nun gleich drei Wege, keiner ist einfach, über den Burdincurutcheta (selbst Pirineosaurus vermag diesen Namen nicht ohne Gestotter auszusprechen) bin ich auf der Vuelta Verde schon rüber – mitten durch eine Wasserwand. Durch den unaussprechlichen Zwischenpass braucht es mehr Höhenmeter als erwartet. Die mittlere Alternative würde meine Route am Col Inharpu treffen und den Höhenmeterverlust beim Übergang zum Col d’Iraty gleichwohl beinhalten. Die Route dürfte aber etwas gleichmäßiger sein, der Col Inharpu ist dort der höchste Punkt.

Auf meiner, sicherlich einsamsten unter den einsamen Routen ist der Col Inharpu hingegen nicht der höchste Punkt. Um den Col d’Aphanize hat man einige entspannte Passagen von leicht abwärts über flach bis leicht ansteigend. Umso mehr erwartet Pirineosaurus zwischen Behorleguy und dem Col de Landerre eine Fortsetzung des Palombières-Erlebnisses, diesmal nicht alleine durch die Steigungen verursacht, sondern durch Sturmböen, deren Kraft aus riesigen urtümlichen Windmühlen stammen müssen. Diese Passage wäre eigentlich ideal für Casco Nuevo gewesen, denn der Schweiß wird noch beim Aufsteigen in der Drüse bereits vom Wind herausgepresst und fortgerissen. So musste auch Pirineosaurus seine so beliebte Mütze in die Tasche zu Casco Nuevo zur Sicherheitsverwahrung legen. Sie hätte sonst in Windeseile den Talboden erreicht und Pirineosaurus ohne Schutz für seine Gehirndecke zurückgelassen. Schließlich ist Pirineosaurus am Kopfe recht wenig behaart, eine Folge frühgeschichtlicher Feuerstürme.

In jedem Fall ist der Weg über den Landerre-Pass weitgehend von offenen Flächen geprägt, der typische Typus der grünen Hügel, weicher als die Nockberge, und nahezu immer von Pferden, Kühen oder Schafen besetzt. Pyrénées Basque tipico tipico sozusagen. Man weiß gar nicht, ob diese Schafe & Co. sogar schon vor dem frühgeschichtlichen Pirineosaurus dort waren. Von weitem sehen sie aus wie weiße Steinfindlinge, die sich auf den Weiden verteilt haben.

Bevor es zum Col Burdin Olatze hinunter geht (man fährt diesen deutlich sichtbaren Sattel nicht als Hochpunkt sondern quer zur Passfurt als Tiefpunkt), gibt es oberhalb der Straße einen Berggasthof. Auch dazu müsste man eine Extra-Rampe auffahren, was ein mir eigentlich zustehendes Eis doch nicht wert ist. Zu den Iraty-Chalets sind es nun unterschiedliche Eindrücke, nebst der benannten Hügellandschaft folgen auch ein paar rötliche Erdabbrüche, Wasserfall, Ginster, Heidekraut bis dann die Buche dominiert. An den Iraty-Chalets herrscht begrenzter Betrieb. Pirineosaurus hofft aber auf weitere Essgelegenheiten im Tal des Iraty-Sees, die ich teils schon kenne. Nebst dem Tagesbistro Chalet de Cize sind es die Restaurants Au Cayolar und Chalet Pedro. Beim Iraty-See scheint alles unverändert wie vor Jahren. Auch die Hütte meines Verderbens steht unschuldig vor mir. Ich prüfe die Lage. Die Luft scheint rein zu sein, kein Alkoholiker, der raucht und schreit – was Menschenkinder alles so tun. Nicht einmal Müll im Hüttenraum, die Duschen auch noch funktionsfähig und sauber, etwas Putz ab – der Zahn der Zeit.

Doch die Essensbasis ist trügerisch. Cayolar verlangt Vorbestellung, möchte mir maximal einen Salat anbieten, obwohl man mir vor Jahren geholfen hatte, durchnässte Kleidung zu trocknen und spontan Lammkoteletts auf den Tisch kamen. Auch ein irischer Wanderer bekam sein Essen, obwohl die Bude voll war. Jetzt ist kaum Betrieb, aber auch kein Herz mehr. Ich könne es ja mal bei Pedro versuchen. Das ist ungefähr ein Kilometer. Pedro’s Gîte ist zwar umlagert von Übernachtungsgästen, doch das Restaurant ist ebenso geschlossen wie niemand vom Betreiber anwesend ist. Wenn das mal Cayolar nicht gewusst hat – diese unfreundlichen Gesellen! Die Franzosen picknicken. Sicherlich hätte ich ein Brotstück abbekommen. Doch Pirineosaurus ist Luxus gewohnt. Er will richtige Keulen zum Abschlecken, wo das Fett raustrieft – wie es im Saurierland üblich war.

Mein Leid teile ich mit einem Angelsachsen, der aber in Toulouse lebt und arbeitet. Das ist nicht das erste Mal, dass ich unterwegs Nicht-Franzosen treffe, die in Toulouse arbeiten. Diese Airbus-City wirft wohl einen Menge international begehrter Jobs ab. Für Pirineosaurus wären diese Jobs aber nicht saurisch genug. Der Engländer ist als Wanderer unterwegs und hat gleichermaßen auf fette Keulen spekuliert. Ein Menschenkind aus saurischem Gepräge. Doch es gibt nichts! Iraty ist eben Askese pur. Ist diese Askese der Natur geschuldet oder doch eher (selbstgemachte) Krise? – Wir diskutieren kurz über die Beobachtungen und die negativen Folgen. Die Leute müssen sparen, haben weniger Geld. Je mehr Gastbetriebe schließen, desto weniger Menschen lockt es in die Regionen. Auch die Verbliebenen machen dann weniger Geschäft und müssen schließen. Einige antworten mit überhöhten Preise, oder mit Trägheit – nur nicht mehr anstrengen, wenn der Dampfer schon am sinken ist. Eine Spirale abwärts, ein Strudel nicht nur in Rezession, auch in Depression? Schon wieder Frankreich am Ende. Wirklich. Hier ist Frankreich zu Ende – zumindest geografisch.

Pirineosaurus kehrt zurück zum See, dort zur dritten Bude. Die Familie bietet mir Nudelsalat aus der Eigenversorgung. Regulär gibt es Schinken und Käse – der wird auch tagsüber an Touristen verkauft. Seltsam aber, dass die Franzosen sich selbst so mit lappigen Nudeln quälen. War nicht Frankreich mal die Kochnation? Für die Gnade müsste ich dankbar sein, der Preis für das Gebotene allerdings ist erschreckend. Ich muss hier undankbar sein: Eine Frechheit schon! So nett die Familie sich gab. Ich fragte noch nach der Vorgängerin und dem Penner, der einst die Hütte beschlagnahmte. Davon wussten sie und waren erstaunt, wie genau sich Pirineosaurus in Iraty schon auskennt. Immerhin ist die Hüttennacht diesmal zahm und still. Es hätte nicht mal der Hütte bedurft, denn die Nacht war ja nicht so wild und kalt wie damals. Am nächsten Tag treffe ich ein Wanderpaar auf den Höhen, die haben auf Gras unter freiem Himmel geschlafen. Erstaunlich, soviel Sommer hatte ich nicht mehr zu hoffen gewagt, wie Iraty bereit hielt.

Fr 18.7. Lac d'Iraty (Iraty-Cize) – Col de Sourzay (1140m) – Col d'Irau (1072m) – Col d'Arthaburu (1160m) – Col d'Arthe (937m) – Artzain Echea – Beherobie/Les Sources de la Nive – Col d'Arnostéguy (1236m) – Col d'Elhursaro (1135m) – Col Héganzo (850m) – Ondarolle – Arnéguy – St-Jean-Pied-de-Port – Bidarray (+)
85 km | 11,5 km/h | 7:29 h | 1615 Hm
W: oben sonnig, teils Sturmböen, im Tal schwül, später bewölkt, weiter windig, bis 28 °C
Ü: C wild 0 €
AE (H/R du Pont d'Enfer, Bidarray): Gabure, Forelle, Hähnchen bask., Pf, Gemüse, Gateau basque, Rw, Cafe 31,20 € (+)

Der Morgen verzaubert Pirineosaurus. Es ist Iraty pur, unverfälscht. Im Morgentau glitzern Bäche, einsame Fischer stellen Forellen nach, ein Esel grüßt den Drahtesel, am Rand locken Heidelbeerbüsche. Aus dem Wald wieder raus, erfüllt das Auge Weite, Weite, Weite! Die Hügel sind längst nicht mehr alle grün, ein gedämpftes Gelbbraun, schon fast wie Gold, zeugt von sonnentrockenen Tagen auf der Höhe wie diesen Tages. Ja, und Pirineosaurus schwebt über der Engelwatte, die die Täler dicht in feuchte Wickel packt. Darunter können nur Bergfeen sein, die nackt um einen Dornenstrauch tanzen. Und was Tucholsky vielleicht mit „schon wieder Schafe und Pferde“ abtun würde, wird nun am letzten Iraty-Tag immer mehr zur Sensation, zum a-STONE-ishing thing erster Güte – wie das Paradies der Schafe, welches wiederum Francis Jammes so verfasst hat:

„Hier, wenn sie das weiße Salz von goldkörnigem Granit geleckt hatten, träumten die Schafe ihren langen Traum, bedeckt von ihrem dichten Wollvlies wie die Blätter der Äste vom Schnee. Die Landschaft war so rein, so traumhaft klar, dass sie die Wimpern der Schafe versilbert hatte und sich widerspiegelte im Gold ihrer Augen. … Eingewebt in die Teppiche der Buchen- und Tannenwälder waren Blüten von Reif, von Himmel und von Blut, und wenn der sanfte Wind sie berührt hatte, zog er noch sanfter, noch duftender, noch eisesklarer weiter…“

Da sind Momente, die schon mal Tränen aus den Augen tropfen lassen, ohne dass es eines konkreten Anlasses bedarf. Es versteht sich von selbst, dass sich hier Pirineosaurus zu guten Teilen im feierlichen Paradies-Kostüm fortbewegen musste. Mehr und mehr stechen Felsen aus dem Wolkenmeer hervor, in das man dann zwischenzeitlich abtauchen muss. Denn die grenznahe Iraty-Höhenroute wird durch einen tiefen Talschnitt unterbrochen, keine Straße führt über den durchgehenden Grat zu dem zweiten Teil der Höhenroute. Die ach so lieblichen Wolken werden dann zur garstigen Nebelwand. Einmal durchbrochen, hat man bald die Wolkendecke über sich. Im schmalen, feuchten Tal der Nive rauscht es feucht fast wie im Urwald, ein dramatischer Landschaftswechsel. Und keine Bergfeen.

Bei den Quellen der Nive befindet sich entsprechend benanntes Hotel – quasi am Ende der Talsohle, aus der anschließend die Straße heftiger durch den Wald wieder ansteigt. Das Hotel mit Restaurant sollte eigentlich mein Nachtquartier gewesen sein, doch Pirineosaurus hatte bekanntlich gestern solche herben Berge zu bewältigen, dass er weit entfernt sein Ziel verfehlen musste. In der Tat ist dieses Hotel ganz nach dem Geschmack von Pirineosaurus, gottverlassene Gastlichkeit an wildem Wasser mit einem Hauch Luxus und sogar noch aus seinem Talerbeutel bezahlbar (60-65 € HP als Solo-Saurier). Zur Iraty-Askese gehört es, dass bis zu dieser frühen Mittagsstunde nirgendwo ein Brocken Brot aufzutreiben war (auch die Bar Cize am Iraty-See versagte Pirineosaurus ein Stück Brot für den Morgen mitnehmen zu dürfen). Neben dem Sandwich lag Pirineosaurus bei der Talschwüle an einem köstlichen Eisbecher, um sein saurisches Gedärm abzukühlen.

Nach der Auffahrt unter erneuten typisch baskischen Qualen der Selbstdisziplin erreiche ich erneut die Höhenhügel, nicht ganz unähnlich zu zuvor, wenngleich die Weiden mehr von Steinen durchsetzt sind. Mehr und mehr a-STONE-ishing – etwa bis zum Col d’Arnostéguy. Der Pass liegt wenige Meter abseits der Straße, von wo aus man erstmals auch weit in den Süden nach Navarra schauen kann. Zahlreiche Wanderwege führen in alle Himmelsrichtungen. Auch hier ist der Jakobsweg ausgewiesen, die Hauptspur des El Camino führt aber nach dem Ende des Straßenbogens und etwas weiter unterhalb von der Asphaltstraße über einen Wiesenweg. Die Straße ist so steil, wie es für leidende Büßer sein muss. Ich fühle mich der Schwerelosigkeit des freien Falls nahe. Die Wanderpilger, die mir entgegen kommen, machten nicht gerade glückliche Gesichter, ihnen war Christi-Leid ins Gesicht geschrieben. Nicht umsonst gibt es einen Jakobswegweiser mit Totenkopf. Einige hatten nicht mal die Kraft, auf meine außerirdische Erscheinung angemessen zu reagieren.

Pirineosaurus wählt die südlichste Route hinunter nach Ondarolle, die wiederum von der Pilgerwegstraße abzweigt, aber nicht weniger steil ist, obwohl sie in Kehren zu Tal rauscht. Einige Passagen haben sicherlich das Gefälle des vortägigen Palombières-Passes. Lange blickt man auf Valcarlos zur anderen Uferseite der Petite Nive, aber es gibt lange keine Brücke zur anderen Uferseite. Erst beim Grenzort Arnéguy werden die parallelen Straßen zusammengeführt. Dabei ist die diese französische Nebenstraße ziemlich wellig angelegt, während auf der spanischen Seite die Ibañeta-Passstraße einen gleichmäßigeren Verlauf mit wenig Steigung nimmt.

Ich lasse St-Jean-Pied-de-Port aus, weil ich auf meiner Vuelta Verde bereits ausreichend Besichtungszeit bei Regen hatte, auch die Nacht dort verbrachte. Sicherlich hat es entlang der Nive viel Verkehr, denn hier ist schon tiefe Ebene erreicht. Noch aber schnürt die Nive immer wieder enge Talschnitte und es ist doch ein recht idyllischer Fluss, der gemäß des wasserreichen Sommers schon gewaltige Kräfte in sich trug. Neben der Straße verläuft die Bahntrasse, auf der aber keine Züge zu sehen sind.

Immer bedrohlicher werden die Wolken, je näher ich dem Atlantik komme. Es ist finster ohne Nacht. Pirineosaurus denkt erneut an längst überlebte Vulkanausbrüche in der Frühzeit zurück. An der Klause bei Bidarray ist dann Zeit für das Abendmahl – die asketischen Iraty-Menüs müssen endlich kompensiert werden. Diesmal ist die Gabure sogar von tauglicher Qualität. Pirineosaurus kann zulangen, direkt an der pittoresken Bogenbrücke liegt das Hotel mit Restaurant. Die Pont d’Enfer soll von baskischen Heinzelmännchen erbaut worden sein. Eine Ansicht, die wiederum Pirineosaurus sehr behagt. Ohnehin glaubt er, dass Heinzelmännchen die besseren Architekten sind als die Menschenkinder. Man sieht es an den alten Brücken.

Da ich mich nicht zur Hotelübernachtung durchringen kann, muss Pirineosaurus wieder seine Nachtleuchten ausrichten und fährt suchend die Strecke weiter. Es ist wohl saurischer Instinkt, dass Pirineosaurus fast genau auf der Grenze zwischen Basse-Navarre und Labourde sein Nachtlager aufschlägt. Morgens erweist sich dieser Notplatz vor einer verschlossenen Garage als geruchsintensiv – offenbar werden dort Lösungsmittel gelagert. (Anm. von veloträumer: Es gibt Gerüchte, dass hier veloträumer seine Sinne und das Gedächtnis verloren haben könnte, und folgend auf die Schriften seines Alter Egos Pirineosaurus zurückgreifen musste, um die ausgeblendete Zeit zu rekonstruieren. Für Pirineosaurus und die Paläontologen ist das allerdings ziemlich unerheblich, liegt doch seine Zeit weit vor der des veloträumers.)

Das Akkordeon gehört zu den Instrumenten, die ganz nach der Art des Pirineosaurus sich entwickelt haben. Weit verbreitet über die Welt, sind sie an ihren angelandeten Orten immer wieder zu anderen Formen mutiert, haben neue Spielarten begründet und eine unermessliche Artenvielfalt als Instrument und als Musikcharakter entwickelt. Auch wurde es in der Seefahrt als „Schifferklavier“ zum Inbegriff des Reisens in ferne Länder, wie es die Matrosen besungen haben. Gleichwohl hat es in vielen Kulturen die kulturelle Identität lokal geprägt, so auch bei den Basken. Das Trikitixa ist eine spezifische baskische Abart eines diatonischen Akkordeons (Knopfakkordeon), welches vielfach traditionelle Tänze begleitet. Einige Musiker haben es geschafft, die Musik aus ihrer traditionellen Schale zu befreien und neue Akzente einzubringen, wie ja das Baskentum neben Tradition auch immer wieder für Avantgarde und Erfindungsreichtum steht: Kepa Junkera „Bok Espok” (3:54 min., gutes Video, auch das Txalaparta taucht wieder auf).

Bildergalerie zu Kapitel 7 (176 Fotos):



Verantwortlich gezeichnet
Pirineosaurus Rex

Fortsetzung folgt

Geändert von veloträumer (12.02.19 18:26)
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#1089292 - 17.12.14 19:33 Re: Die Legende von Pirineosaurus [Re: veloträumer]
veloträumer
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Mir bleibt wieder die unangenehme Aufgabe, darauf hinzuweisen, dass in Kap. 7 die Bildreihenfolge wie folgt gestört ist: Das tatsächliche Finalbild ist ein Flasche mit baskischem Rotwein. Tatsächlich folgt noch eine Nahaufnahmen von der Burg in Mauléon-Licharre, welches zuvor schon in einer Totalen mit Ortseinbindung zu sehen war.
Liebe Grüße! Ciao! Salut! Saludos! Greetings!
Matthias
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