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#774753 - 27.11.11 21:46 Pyrénées Cathares-Catalán
veloträumer
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Beiträge: 17.178
Dauer:1 Monat, 7 Tage
Zeitraum:18.6.2011 bis 24.7.2011
Entfernung:3209 Kilometer
Bereiste Länder:adAndorra
frFrankreich
esSpanien

Tour des Pyrénées Cathares-Catalán
de Narbonne à Lourdes (F/AND/E)




Gesamt: 37 Tage | 3.209 km | 58.470 Hm| 169 Pässe | 4300 Fotos (brutto)
Durchschnittswerte: 87 km/d | 12,0 km/h | 7:09 h/d | 1.580 Hm/d

Track auf GPSies (am PC nachgebaut): Pyrenees Cathares-Catalan

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Inhaltsverzeichnis

Prolog I – Tourgedanke, Geschichte, Leistung, Wetter (gleich hiernach)

Prolog II – Schlafen, Essen & Trinken, Souvenirs

Prolog III – Karten & Wege, Pech & Pannen

1. Pays du Cathare – Aude, Corbières

2. Roussillon, katal. Grenzland, Côte Vermeilles

3. Rund um den Canigou

4. Vulkanland Garrotxa, Ripolles

5. Serra del Cadí-Moixeró, Andorra

6. Vall d’Aneu, Vall d’Aran, Luchon

7. Hautes-Pyrénées

8. Exkurs Aragonien, Serra del Cadí nochmal

9. Cerdagne, Têt-Tal, Capcir

10. Aude/Ariège-Tal mit Pays de Sault, Pays d‘Olmes

11. Pays de Foix, Couserans

12. Comminges, Bigorre, Nachträge mit Gedicht


PROLOG Allgemeines und Geschichte(n)

Zusätzlich zu diesem Prolog folgen noch 12 regionale enger umrissene Teile mit jeweils einer Bildergalerie. Das soll die Reise in halbwegs überschaubaren Häppchen verdaulich machen. Die einzelnen Teile werde ich in unregelmäßigen Abständen nachschieben. Den Prolog serviere ich im Drei-Gänge-Menü. Die Etappenbeschreibungen werde ich dafür etwas geraffter darstellen und mich auf Besonderheiten konzentrieren. Im Zweifel bitte ich jetzt schon um etwas Geduld, wenn das Folgekapitel länger auf sich warten lassen sollte. Wer nur an der zweifellos opulenten Auswahl an Reisebildern interessiert ist, kann sich den episch ausladenden Prolog auch sparen und sich auf die 12 Bildergalerien ab TEIL 1 beschränken. Der Tourverlauf ist auch damit weitgehend nachvollziehbar. Es soll niemand klagen, er sei des Schlafes beraubt worden. grins Die Nur-Bilderstürmer können erst mal zurück zur Theke gehen, wenngleich auch im Prolog schon ein paar Auflockerungsbildchen untergebracht sind.




Tourgedanke und Geschichte

Die Pyrenäen bereiste ich schon insgesamt dreimal – davon zweimal in der ganzen Kammlänge des Gebirges. Es ging folglich diesmal nicht um einen raschen Durchritt, sondern um Ausschnitte, Nischen und Lücken – um ein thematisches Konzept in engeren Grenzen. Da mir bisher die Pyrénées Orientales und das Vorgebirge im Weinland Corbières sowohl von den Menschen als auch von der Landschaft her am besten Gefallen hatte, fiel die Wahl auf den östlichen, aber auch zentralen Anschlussteil der Pyrenäen. Auf der spanischen Seite habe ich u. a. die bedeutende Lücke der Serra del Cadí geschlossen, die ich zuvor nur mit dem Städtchen La Seu d’Urgell gestreift hatte.

Der Tourname „Cathares-Catalán“ erklärt sich wie folgt. Ein Grundgedanke der Tour war es, wesentliche Teile des Katharerlandes abzuradeln, das auch unter dem historischen Namen Okzitanien bekannt ist. Dazu sollten die wichtigsten Burgen gehören, von denen ich nicht alle, aber immerhin einige besucht habe. Wichtige Orte der Katharer außerhalb der Pyrenäen wie Albi (Katharer werden auch als Albigenser bezeichnet) mussten zwangsläufig außen vor bleiben. Weitere Hochburgen der Katharer – wie etwa das schöne Carcassone – lagen ebenfalls nicht auf der Route, um Überschneidungen mit alten Touren weitgehend zu vermeiden.

Die Katharer oder Katharer – neuere Forschung oder Katharer-Geschichte im Video (9 Min.) waren eine christliche Glaubensrichtung, die sich von der katholischen Kirche abwandte, um der reinen christlichen Lehre nachzueifern. Sie waren die Vordenker des Protestantismus und haben sich gegen den Papst aufgelehnt. Sie nannten sich Bonne Homme (= Gutmenschen). Während es Ihnen anfangs gelang, mit den mächtigen irdischen Herrschern zu koalieren, begünstige die Rückbesinnung auf die religiöse Askese und die Abkehr vom Schutz der weltlichen Könige letztlich die Vernichtung der Katharer. Sie wurden von der katholischen Kirche mit allen inquisitorischen und kriegerischen Mitteln verfolgt – es war eine Art Holocaust – vergessen, verdrängt – wie so häufig in den selbstherrlichen Institutionen der Religionen.



Folgerichtig zogen sie sich zum Schutz auf schwer zugängliche Burgen zurück. Das Château de Queribus wird sogar heute noch bei starken Winden für Besucher gesperrt, der Zugang gilt auch bei gutem Wetter als schwierig und Eltern mit Kindern werden zu besonderer Vorsicht aufgerufen. Radlerisch bedeutet das stets eine große Herausforderung, zumeist sind die Burgen aber allein per Rad nicht zu erreichen – ein zusätzlicher Fußmarsch ist oft nötig. Die Burgen wurden letzte Zufluchtsstätte und nur im südöstlichen Frankreich sind so zahlreiche Relikte der Katharer heute zu besichtigen. Als Symbol des endgültigen Untergangs gilt die Burg von Montségur, die 1299 erstürmt wurde. Katharer gab es überall in Europa – doch nirgendwo hatten sie einen so hohen Organisationsgrad wie in dieser französischen Ecke.

Was treibt mich als Ungläubiger um, den Spuren einer religiösen, ausgestorbenen Gruppe zu foglen? – Es ist nicht die reine Lehre – eine Lehre, die als höchstes Gut sexuelle Enthaltsamkeit bis hin zum Verzicht auf Fortpflanzung ebenso predigte wie den Verzicht auf Fleisch als Nahrungsmittel – es ist vielmehr die Faszination einer Gruppe, die sich gegen den übermächtigen Papst und gegen die Heuchelei der etablierten Kirche aufgelehnt hat. Eine Haltung, sich der schlichten Doktrin, der blinden Gefolgschaft zu verweigern. Eine Haltung zu Selbstbestimmung und Eigenständigkeit.

Es ist auch ein Irrtum, dass die Katharer sich ausschließlich in der Knechtschaft einer reinen Lehre bewegten. Vielmehr war es einem engen Kreis vorbehalten, diese idealen Ziele anzustreben. Für den Sympathisantenkreis galt eine weitreichende Toleranz und wohl gar eine große Freizügigkeit. Bemerkenswert ist auch das Maß an Gleichberechtigung, dass Frauen bei den Katharern genossen – einschließlich in der der damaligen Berufswelt. (Vieles über das Leben der Katharer ist noch nicht ausreichend erforscht, sodass teils falsche Mythen die Sachliteratur prägen.) Auf dem Wappen des Languedoc findet sich das Zeichen der Katharer wieder und es ist wohl kein Zufall, dass dieser Landstrich samt des katalanischen Roussillons heute zu den liberalsten und gleichfalls selbstbestimmtesten Regionen Frankreichs gehört.

Innerhalb der Pyrenäen liegt das Kerngebiet der Katharer in den heutigen Departments Aude und Pyrénées Orientales sowie im östlichen Ariège. Einige entlegende Täler des Couserans im westlichen Ariège waren gleichfalls späte Rückzugsgebiete, wenngleich die sichtbaren Spuren dort seltener sind. Schließlich reichen die Spuren noch weiter nach Westen in etwa bis Lourdes im Department Hautes-Pyrénées, das auch den Endpunkt meiner Reise markierte. Eine kartographische Übersicht findet ihr hier. Genau genommen wollte ich lieber einen Rundkurs fahren, und nicht so weit nach Westen, aber buchungs-bahn-technisch verblieb mir nur diese Möglichkeit. (Näheres zu den Eigenheiten der SNCF und dem Dilemma europäischer Bahnen gab und gibt es immer wieder an anderer Stelle im Forum, daher hier nichts dazu.)



Auch die spanischen Grenzregionen Katalonien (mehr) und Aragonien (weniger) waren Rückzugsgebiete der Katharer. Eine der bekanntesten Fluchtroute verläuft mitten durch die Serra del Cadí in die Cerdagne. Schutz fanden die Katharer z.B. in den Festungen von Gósol und Bagá. Die Katalanen sind bis heute ein besonders selbstbestimmtes Volk mit eigener Sprache – nicht nur in Frankreich sondern auch – und noch mehr – in Spanien. Tradition und Modernisme geben sich hier die Hand. Poesie, Musik, Kunst und Essenskultur haben von hier aus die Welt erobert (Antonio Machado, Isaac Albéniz, Pablo Casals, Tete Montoliu, Montserrat Caballé, José Carreras, Salvador Dalí, Antoni Gaudí, Aristide Maillol, Kubismus über Picasso in Cerét, Fauvismus über Matisse in Colliouré, molekulare Küche). Lebenslust, Toleranz und Freizügigkeit haben hier den höchsten Stellenwert innerhalb Spaniens. Mallorca, Ibiza, Barcelona sind typischerweise Teile Kataloniens.

Die Katalanen haben sich politisch einen gehobenen Autonomiestatus gesichert wie die Basken und – wie die Aragonier. In dieser Nachbarregion wird nicht nur im östlichen Teil gleichfalls katalanisch gesprochen, sondern Katalonien war in Zeiten der Katharer (12./13. Jh.) Teil des Königreiches Aragonien. Also alte Freunde unter sich. Auf der spanischen Seite habe ich die katalanische Sprachgrenze kaum überschritten – vermutlich nur bei der Überfahrt von Frankreich im Bielsa-Tal.

Nicht zu vergessen seien auch die Wege des jüngeren Holocaust, die ich immer wieder kreuzte. Über die Pyrenäen führten zahlreiche Fluchtwege der französischen Resistance und durch die Nazis verfolgter Juden und Intellektueller. Eine der Hauptrouten dieser „chemins de la liberté“ führt über das Massiv vom Mont Valier etwa über den Col de Py, das Vall d’Aran und den Puerto de Beret, der eine Pistenalternative zum Straßenpass Col de Bonaigua darstellt. Es ist schon beklemmend, mitten in der Bergidylle zwischen scheinbar gelangweilten Kühen an eines der größten Menschenverbrechen erinnert zu werden. Einige dieser Fluchtwege dienten aber auch in umgekehrter Richtung nahezu zur gleichen Zeit den spanischen Republikanern als rettender Anker vor dem sich etablierenden Franco-Regime in Spanien. Am Tunnel von Vielha, heute Autoschnellverbindung vom Vall d’Aran ins Vall del Noguera, von Frankreich nach Aragonien und Katalonien, klebt das Blut zahlreicher Zwangsarbeiter, die Opfer das spanischen Faschismus unter Franco wurden.

Aktuelle Zusatzanmerkung: Die Tränen zu unterdrücken, fällt an solchen Orten schon schwer genug. Ich möchte aber auch nicht noch von der Wut über dreckige Zeitgenossen erfüllt werden. Leider hat unrühmliche Aktualität meine nachsinnenden Gedanken auf und von der Reise bereits eingeholt: Es gibt auch in diesem Radreiseforum Auf-den-Kopf-Gefallene, die aus der anonymen Virtualität raus schmutzige Attacken auf einzelne Mitglieder führen. verärgert böse

Damit es auch ungebetenen Lesern klar ist, ich dulde hier keine Geschichtsverunglimpfung – keine Nivellierung von Menschenrechtsverbrechen, keine Schmutzkampagnen von Gossendeutschen gegenüber aufrichtigen Deutschen, keine Dumpfbackenpolemik gegenüber wachsamen Geistern – aus welchem Blute sie auch immer sind. Ein Radreiseforum ist zwangsläufig mit Reisen beschäftigt – und entsprechend zwangsläufig mit der Begegnung mit anderen Kulturen, mit Menschen, die an Ausgrenzung leiden oder gelitten haben. Bisher bin ich noch auf fast jeder größeren Radreise auf die Mahnmale der fatalen Folgen der Menschen- und Kriegsverbrechen im Namen vergangenen deutschen Größenwahns gestoßen – so wie auch auf dieser Reise. Jede Art von Faschismus ist geradezu ein Widerspruch zum Radreisegedanken an sich. Nazis, macht euch hier vom Acker!!




Der bekannteste chemin de la liberté ist aber der „Chemin Walter Benjamin“ im Küstengebirge zwischen Banyuls-s-Mer und Port Bou, der dem deutschen Philosophen und Schriftsteller und seiner Fluchthelferin Lisa Fittko gewidmet ist. Benjamins vielleicht wegweisendstes Werk ist eine gleichwohl heute immer noch aktuelle Abhandlung über „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ (Reclam, ISBN 978-3-15-018830-9), in dem er durch die beliebige Reproduzierbarkeit von Musik und bildender Kunst den Verlust der Aura des Kunstwerkes konstatiert, was zur Entwertung des Kunstwerkes führt. Im Gegensatz zu Adorno wertet er diesen Weg zur Massenkunst aber eher positiv. Eine gerade vor dem heutigen Hintergrund – des allseitig verfügbaren Internets, der Downloads bis hin zur Digitalisierung von Wissen und Kunst, dem Kopierwahn der Chinesen als wirtschaftliche Weltmacht – ein zu interpretierendes Theoriegebäude von hoher Aktualität.

Benjamin suchte nach einem Fluchtversuch 1940 den Freitod, weil er nach erschöpfender Wanderung über den Col de Rumpissa von den spanischen Grenzbeamten abgewiesen wurde und nächsten Tages wieder an die Franzosen ausgeliefert werden sollte – damals gleichbedeutend damit, wieder in die Hände der Gestapo zu geraten. Dieser Weg ist ein Wanderweg, vielleicht mit einem Mountainbike machbar, nicht aber mit einem gewöhnlichem Reiserad. Ich habe mich auch auf das Denkmal am Beginn des Weges unweit Banyuls beschränkt (Station 2 des Weges). Einige Meter bin ich zuvor auf einem ähnlichen chemin de la liberté abgeschritten, der über einen nahe gelegenen, aber anderen Pass führt. Kennzeichnend sind die ansteigenden Weinberge, von denen man weiter oben gute Aussicht auf das Meer hat.

Es muss für die Flüchtlinge ein beklemmender Zwiespalt gewesen sein, die Schönheit der Landschaft zu sehen und gleichzeitig den Verlust von Heimat mit ungewisser Zukunft zu beklagen. Wer nach Port Bou kommt, sollte das dortige Denkmal besuchen, das zum Meer hin begehbar ist und zwischen dem rostigen Stahl das Pfeifen des Windes sich sinnhaft zur Klage der Flüchtlinge erhebt. Ich habe diese Gelegenheit vor drei Jahren verpasst, da ich unter Zeitdruck für den Rückreisezug stand. Auf der Glasplatte am Ende steht einer von Benjamins letzten Notizen zum Begriff der Geschichte: „Schwerer ist es, das Gedächtnis der Namenlosen zu ehren als das der Berühmten. Dem Gedächtnis der Namenlosen ist die historische Konstruktion geweiht…“


Körperliche Leistung und Wetter

Abwechslungsreichtum in den Pyrenäen bedeutet automatisch eine Vielzahl von Passfahrten. Anders als in den Alpen gibt es weniger lange Täler, dafür mehr kleinteilige Folgen von Pässen und Tälern, ohne dass eine eindeutige Hauptkammroute erkennbar ist. Insbesondere im Couserans gibt es geradezu einen Pässebauch von zahlreichen parallelen Ost-West-Pass- und Tal-Routen. Ursprünglich hatte ich mal eine Tour mit allen restlichen Grenzkammpässen der Pyrenäen geplant. Das ergab aber ein zu stressiges Programm, bei dem wichtige Landschaften heraus gefallen wären. Die noch ausstehenden westlichen Grenzkammpässe müssen also noch warten.

Die Tour hatte ich eigentlich für zwei Jahre zuvor geplant. Mittlerweile habe ich aber im letzten Jahr einen Knieschaden erlitten, der – chronisch geworden – eine bleibende, wenn auch nur kleine Einschränkung bedeutet. Zudem ist meine Leistungsfähigkeit altersbedingt signifikant geringer geworden, wie die Vergleichswerte auf den heimischen Trainingsstrecken zeigen. Noch nie hatte ich so langsame Geschwindigkeitswerte. Lange Strecken machen mir immer weniger Spaß. Das alles spiegelt sich wohl auch in den Daten der Reisetour wieder. Zwar habe ich bis kurz vor dem Start versucht, den Tourplan zu entschärfen – doch blieb die Route immer noch deutlich überplant – heftige Streckenstreichung unvermeidlich. Letztlich trugen auch die Buchungsprobleme der Züge zu einer ungünstigeren Routenwahl bei.



Sowohl die Höhenmeterwerte als auch die Etappendistanzen blieben unter denen einiger vergangener Alpentouren. Trotzdem seien Nachahmer gewarnt, die Tour als Leichtmatrosenkommando zu unterschätzen. Es waren immerhin mit ca. 170 Pässen mehr als jemals zuvor – kurze Tagesetappen die logische Konsequenz. (Technische Anmerkung: Die barometrische Höhenmessung verlief nicht störungsfrei. Ich hatte Tage, wo anhand von -Kartendaten nachweislich über 300 Hm fehlten. Andere Tage waren wiederum recht präzise. So gesehen könnten auch einige Werte fehlerbehaftet sein. Ein Nachbauversuch auf GPSies lieferte insgesamt über 25000 Hm mehr. Das dürfte allerdings der freien Fantasie digitaler Rasterkarten entspringen, zumal einige Strecken nicht exakt nachgeführt werden können und das System als fehlerbehaftet bekannt ist.)

Neben dem extremen Auf-und-Ab und der verminderten Leistungsfähigkeit haben aber auch noch andere Faktoren zu niedrigen Geschwindigkeiten und geringen Tagesdistanzen geführt. Durch die vielen Nischenstrecken werden die Straßen in der Summe immer schlechter und rauer als die bekannten Passrouten. Vielfach konnte ich abwärts gar kein typisches Abfahrtstempo erreichen. Das ist ohnehin typisch für die Pyrenäen im Vergleich zu den Alpen. Nicht zuletzt denken die Organisatoren der Tour de France darüber nach, diese kleinen, rumpeligen Pyrenäenstraßen aus dem Programm zu nehmen, weil offenbar dieses Jahr dadurch einige Unfälle verursacht wurden. Auch nimmt bei Nischenrouten die Anzahl von Pässen mit starken Steigungen zu. Das erfordert überdurchschnittlich viel Zeit für die Anstiege. Schließlich habe ich auch einige Offroad-Projekte absolviert, die sich teils länger dehnten als erwartet oder auch gar nicht so geplant waren.

Ein anderer limitierender Faktor war eine bewussteres Reisen mit mehr Zeit zum Fotografieren und Besichtigen. Dabei dauerte auch manche Visite länger als ich erwarten konnte. So musste ich etwa für die Weinfassbesichtigung in Thuir 1 ½ Stunden warten, weil trotz offizieller Öffnung um 9 Uhr der Besichtigungstermin mehrfach verschoben wurde. Das Fotografieren dauerte schon deswegen länger, weil ich erstmals mit Wechselobjektiven hantierte und ich eine Reihe zeitintensiver Makroaufnahmen gemacht habe. Letztlich waren die 87 km pro Tag noch eher zuviel als zu wenig.

Ein kaum abschätzbarer Faktor in der Zeitprognose bleibt das Wetter. Pyrenäen-Wetter ist üblicherweise wechselhaft und mit nieseligen Wolkenregen muss man immerzu rechnen. Doch in einer derart dichten, ununterbrochenen Folge, wie das in den letzten 10 Tagen der Fall war, bei gleichzeitig sehr niedrigen Temperaturen, blieb der Sommer auch hier deutlich unter seinen Möglichkeiten. Konnte ich mit den Streichungen im ersten Teil der Reise weitgehend gut leben, da sie ja meinem Genuss dienten, so wurden mir die Streichungen einiger Kernstrecken in dem letzten Teil der Reise aufgrund der Witterung doch mehr als lästig. Es gab sogar Momente, in denen der Spaß am Radfahren nicht mehr aufkommen wollte. Eine Frau musste mir einmal Trost spenden als sie mich bei ziemlich ungezügelten wütenden Gesten beobachtet hatte, die sich gegen den imaginären Wettergott richteten.



Insgesamt muss ich rückblickend aber mit der Ausbeute an Sommer zufrieden sein, hatte ich doch knapp vier Wochen ausreichend gutes Wetter mit nur wenigen Einbrüchen (typischerweise mal wieder am Ruhetag). Das Sommerwetter in Deutschland war wohl schlechter. Auffällig war aber eine insgesamt recht kühle Witterung, die Hitzeschlachten auf ein Minimum reduzierte. Das ließ aber schon ahnen, dass der Sommer nicht richtig in Gang kommen würde. Dabei zogen die Luftmassen selbst für Pyrenäenverhältnisse ungewöhnlich schnell über die Berge.

Egal ob Sonne oder Regen, ein Faktor sorgte stets für eine kräftige Bremse: Der Wind. Wenn ich von Wind spreche, meine ich Gegenwind. Was anderes kenne ich ohnehin nicht. grins verärgert Die Richtung war egal – er war fast immer da, zumindest auf der französischen Seite. Letztlich war auch der Wind für das unbeständige Wetter später verantwortlich. Die Wetterfronten zogen so schnell durch, dass lokale Aufheiterungen kaum ein Chance hatten. Bereits am ersten Tag hatte ich an einfachen Pässen mit stürmischen Windböen zu kämpfen. Auf einigen Pässen wie dem Col de Portet und dem Col de Lers kann man sogar von Orkanstärke sprechen. Anderseits war es nur wenig weiter in den Mulden der anliegenden Bergseen wiederum nahezu windstill.

Eine Besonderheit der atlantischen Winde in den Pyrenäen ist, das er stets die Fühltemperatur deutlich absenkt – insbesondere in Verbindung mit wolkenfeuchter Nieselluft. Das bedeutet bei 8 °C ein Gefühl wie bei Frost. Einmal meinte ich sogar bei 16 °C lange Handschuhe zu benötigen, so irregeleitet wurde das Körpergefühl. Anderseits sorgen die Winde für einen zwar äußerst unangenehmen Nieselregen, bei dem man allerdings weiterfahren kann. Platz- und Gewitterregen gibt es hingegen wesentlich seltener als in den Alpen. Dennoch musste ich diesmal einen ganzen Morgen lang bis Mittag den Regen in Puivert aussitzen, wobei ein Museumsbesuch und andere gelittene Radreisende die Pause überbrücken halfen. Ein heftiges Gewitter zwang mich am Stadtrand von Berga zu einer ungenehmen Nacht unter einem Tankstellendach, nachdem ich aus Geiz heraus eine Hotelunterkunft verworfen hatte.

Im Gegensatz zur 2008er-Tour bekam ich aber keine Erkältung und blieb auch sonst auf der gesamten Tour gesund und ohne jegliche Art von Stürzen.

Fortsetzung folgt

Liebe Grüße! Ciao! Salut! Saludos! Greetings!
Matthias
Pedalgeist - Panorama für Radreisen, Landeskunde, Wegepoesie, offene Ohren & Begegnungen

Geändert von veloträumer (20.03.19 21:25)
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Betreff von verfasst am
Pyrénées Cathares-Catalán veloträumer 27.11.11 21:46
Re: Pyrénées Cathares-Catalán LudgerP 28.11.11 16:24
Re: Pyrénées Cathares-Catalán kettenraucher 28.11.11 17:10
Re: Pyrénées Cathares-Catalán Juergen 28.11.11 19:15
Re: Pyrénées Cathares-Catalán bep 28.11.11 19:43
Re: Pyrénées Cathares-Catalán veloträumer 28.11.11 20:45
Re: Pyrénées Cathares-Catalán Falk 29.11.11 18:56
Re: Pyrénées Cathares-Catalán veloträumer 29.11.11 22:41
Re: Pyrénées Cathares-Catalán veloträumer 02.12.11 20:24
Re: Pyrénées Cathares-Catalán HelmutHB 03.12.11 15:59
Re: Pyrénées Cathares-Catalán veloträumer 03.12.11 16:32
Re: Pyrénées Cathares-Catalán Tom72 03.12.11 19:10
Re: Pyrénées Cathares-Catalán Oktoberkind 04.12.11 17:00
Re: Pyrénées Cathares-Catalán veloträumer 04.12.11 18:00
Re: Pyrénées Cathares-Catalán veloträumer 07.12.11 20:21
Re: Pyrénées Cathares-Catalán veloträumer 07.12.11 20:41
Re: Pyrénées Cathares-Catalán Juergen 08.12.11 07:23
Re: Pyrénées Cathares-Catalán veloträumer 10.12.11 20:17
Re: Pyrénées Cathares-Catalán veloträumer 13.12.11 19:12
Re: Pyrénées Cathares-Catalán Bremerin 13.12.11 22:21
Re: Pyrénées Cathares-Catalán veloträumer 14.12.11 22:20
Re: Pyrénées Cathares-Catalán veloträumer 15.12.11 23:36
Re: Pyrénées Cathares-Catalán trike-biker 16.12.11 11:11
Re: Pyrénées Cathares-Catalán kettenraucher 16.12.11 13:30
Re: Pyrénées Cathares-Catalán veloträumer 16.12.11 21:02
Re: Pyrénées Cathares-Catalán veloträumer 19.12.11 01:14
Re: Pyrénées Cathares-Catalán Bremerin 19.12.11 13:24
Re: Pyrénées Cathares-Catalán veloträumer 19.12.11 13:38
Re: Pyrénées Cathares-Catalán Juergen 19.12.11 17:47
Re: Pyrénées Cathares-Catalán veloträumer 20.12.11 13:40
Re: Pyrénées Cathares-Catalán veloträumer 21.12.11 19:53
Re: Pyrénées Cathares-Catalán veloträumer 24.12.11 22:51
Re: Pyrénées Cathares-Catalán veloträumer 26.12.11 18:24
Re: Pyrénées Cathares-Catalán natash 27.12.11 20:11
Re: Pyrénées Cathares-Catalán StefanS 27.12.11 21:22
Re: Pyrénées Cathares-Catalán veloträumer 27.12.11 22:20
Re: Pyrénées Cathares-Catalán chema 28.12.11 14:46
Re: Pyrénées Cathares-Catalán k_auf_reisen 29.12.11 08:34
Re: Pyrénées Cathares-Catalán SuseAnne 29.12.11 16:21
Re: Pyrénées Cathares-Catalán veloträumer 29.12.11 17:15
Re: Pyrénées Cathares-Catalán Tom72 01.01.12 22:22
Re: Pyrénées Cathares-Catalán  Off-topic bep 01.01.12 23:48
Re: Pyrénées Cathares-Catalán veloträumer 20.03.19 21:27
Re: Pyrénées Cathares-Catalán indomex 21.03.19 04:58
Re: Pyrénées Cathares-Catalán kettenraucher 29.12.11 16:51
Re: Pyrénées Cathares-Catalán StefanS 19.12.11 20:54
Re: Pyrénées Cathares-Catalán kettenraucher 09.12.11 07:56
Re: Pyrénées Cathares-Catalán veloträumer 04.12.11 18:19
Re: Pyrénées Cathares-Catalán kettenraucher 29.11.11 16:07
Re: Pyrénées Cathares-Catalán bep 03.12.11 23:13
Re: Pyrénées Cathares-Catalán iassu 28.11.11 19:58
Re: Pyrénées Cathares-Catalán kettenraucher 29.11.11 16:19
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