Re: Neue 105er STI mit Hydraulik Disc

von: ohne Gasgriff

Re: Neue 105er STI mit Hydraulik Disc - 17.06.14 23:19

Die große Bremsscheibe gibt es bereits. Nennt sich Felgenbremse.
Die Bremse mit Durchmesser 0 - erhöhe auf 20mm - wäre bei identischer Verzögerung z.B. ein blockierendes Radlager. Das reißt dir unweigerlich die Ausfaller aus der Gabel - und zwar bereits bei Tempo 20 und normaler Beladung.
Beim Bremsen hast du im Reifenaufstandspunkt einen nach hinten gerichteten Kraftvektor und im Lenkkopf folglich einen gleichgroßen, nach vorne gerichteten. Die beiden bewirken ein Moment, das an der Achse in die Gabel eingeleitet wird und beide Holme symmetrisch auf Biegung belastet. Das ist unabhängig von der Bremsenbauart und bleibt auch so, wenn du zum Bremsen mit der Hand auf den Reifen faßt.
Je nach Bremsenbauart werden jedoch zusätzlich Biegemomente in die Gabelholme eingeleitet. Bei einer Rennradfelgenbremse, die oberhalb der Holme an der Krone aufgehängt ist, beträgt dieses Moment Null. Sind die Bremskörper jedoch an den Holmen angelenkt, dann wirkt dort eine Kraft, welche die Holme nach vorne durchbiegt. Der Betrag dieser Kraft ergibt sich aus den Hebelverhältnissen (Anlenkradius zu Reifenradius). Je näher an der Achse, desto größer folglich die Kraft. Bei Scheibenbremsen mit einseitiger Einzelscheibe betrifft dies natürlich nur einen Holm, bei Cantis, V-Brakes oder Doppelscheibenbremse hingegen beide. (Daß derzeit noch niemand eine Doppelscheibenbremse für Fahrräder baut, ändert nichts an der Richtigkeit dieser Aussage.)
Warum Fahrrad- oder Gabelhersteller den maximalen Durchmesser der Bremsscheibe begrenzen, weiß ich ehrlich gesagt nicht, denn die absolute Höhe der Bremskraft ist ja begrenzt. Je nach Durchmesser ändern sich aber die Belastungen an den Aufhängepunkten der Zange, also den Postmount-Gewinden. Möglicherweise hat man da Sorge, daß das untere ausreißen oder über beide ein zu hohes Moment eingeleitet werden könnte.

"Bremsen ist die Umwandlung kostbarer Bewegungsenergie in sinnlose Wärme." Wenn man bremst, wird also die Bremse warm - und überhitzt, wenn sie diese entstehende Wärme nicht abführen kann. Die Wärmeabgabe (der Energiefluß) an die Umgebungsluft ist dabei umso höher, je größer das Temperaturgefälle ist, also je wärmer die Scheibe und je kühler die Luft ist. Da beim Fahrrad immer mit minimalen Massen gearbeitet wird und die Scheibe nur ein filigranes, durchbrochenes Fragment darstellt, erhitzt sich die Scheibe sehr schnell, und die Summe ihrer luftumströmten Oberflächen muß dann eben irgendwann ausreichen, die zugeführte Energie abzuführen, möglichst auf einem Temperaturniveau, bei dem noch keine Beläge qualmen oder Scheiben verglühen. In der Praxis sind noch nicht mal beim Auto oder Motorrad die Bremsen derart üppig ausgelegt, das man am Stilfser Joch jede Kehre mit wimmernden Vorderreifen anbremsen könnte. Beim Fahrrad ist das aussichtslos, beim überladenen Reiserad erst recht. Mit Dauerbremsungen an einem genügend steilen und langen Gefälle bekommt man jede Fahrradbremse klein.
Felgenbremsen mit ihrer großen Masse und großen Oberfläche, die prächtig im Wind steht, bieten da auf den ersten Blick weit bessere Möglichkeiten, zumal Alu ja auch hervorragend die Wärme leitet und folglich der komplette Felgenboden als Kühlfläche mitwirkt. Das Problem ist dort jedoch, daß Reifen und Schlauch keine hohen Temperaturen vertragen und von daher die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Bei den ganzen Reifenproblemen, insbesondere den Rissen und Brüchen in der Flanke, von denen die Reiseradler hier immer berichten, vermute ich, daß die nichts mit der Tragfähigkeit der Reifen oder einer zu kleinen Felgenmaulweite zu tun haben, sondern daß die schlicht beim Bremsen zu warm geworden sind. Es würde sich m.E. auf jeden Fall lohnen, mal all diese Vorkommnisse in diesem Zusammenhang zu betrachten und zu gucken, ob auch Räder mit Scheibenbremsen betroffen sind.

Gruß,

Clemens