Re: Wie seid ihr zum Radreisen gekommen?

von: Uli aus dem Saarland

Re: Wie seid ihr zum Radreisen gekommen? - 23.03.18 22:44

Das Wunder von Lourdes

Ein Rad war für mich bis zu meinem 17. Lebensjahr einfach ein normales Fortbewegungsmittel -- meistens um damit zum Fußballtraining, zum nächsten Bolzplatz oder Freunden in den Nachbardörfern zu fahren. Danach hatte ich ein Moped und dann einen Käfer. Rad war out.

Direkt nach meinem Abi 1981 war ich im Juni mit meinem besten Freund 4 Wochen wandern in den Pyrenäen. Von Lourdes aus, wollten wir mit dem Zug wieder zurück in unsere Heimat den Harz fahren. Wir hatten noch 2 Tage Zeit, fanden aber in Lourdes keinen Zeltplatz, weil sich der damalige Papst Johannes Paul II zum Besuch angesagt hatte. Letzendlich kam er nicht -- da am Tag vorher das Attentat auf ihn verübt wurde.

Jedenfalls mussten wir bei einem Bauern auf der Wiese zelten. Da trafen wir einen Amerikaner -- Tom Cosgrove -- der mit dem Fahrrad durch Europa tourte. In Lourdes war er, nur weil ihm seine katholische Oma dringend aufgetragen hatte, ihr das heilige Wasser mit von Europa nach Hause in die Staaten zu bringen. Die 2 Tage verbrachten wir zusammen in Lourdes - wir tauschten Adressen aus. Aber wir gingen davon aus, dass wir uns nie wiedersehen würden.

3 Monate später -- ich war mittlerweile nach 35 Tagen Wehrdienst wegen Untauglichkeit nachträglich ausgemustert worden und hatte zur Überbrückung einen Job im örtlichen Farbwerk angenommen -- kam ich gegen 17 Uhr nach Hause. Und da saß Tom Cosgrove bei meinen Eltern im Wohnzimmer. Ich weiß bis heute nicht, wie die sich verständigt haben. Er sprach genau 0 Worte Deutsch und meine Eltern 0 Worte Englisch. Egal. Tom war mit seinem Bike und dem Weihwasser von Lourdes bis in den Harz geradelt.

Das hat mich total beeindruckt und im nächsten Jahr machte ich es ihm nach und brach zu meiner ersten Radtour von Goslar nach Bordeaux auf. Übrigens ohne Luftpumpe und Flickzeug in der naiven Hoffnung, dass Luft und Reifen bis Bordeaux schon durchhalten würden-- aber das ist eine andere Geschichte.

Tom Cosgrove tingelt heute durch die USA und lebt offensichtlich von einem etwas seltsamen Gewerbe: "Heilen durch Geschichten erzählen" - Healing thru Stories.

Als ich ihn vor einigen Jahren über das Web wiederfand, habe ich ihm gemailt. Doch er hat nicht reagiert. Dabei finde ich, ist das eine tolle Geschichte zwischen ihm und mir. Man kann sagen: Er hat mein Leben verändert. Er und der Pabst.