Warum Helme?

von: Schreiber

Warum Helme? - 09.07.04 13:03

Hallo

Die Antworten, die ich auf meinen Thread "Warum so komplizierte, teure, schwere Ausrüstung?" erhalten habe, waren für mich so aufschlussreich, dass ich gleich eine andere Verhaltensweise auskundschaften möchte, die ich ebenfalls nie begriffen habe: Warum einen Helm tragen (ich meine jetzt Alltags- und Tourenfahrer und weder Rennfahrer noch Mountainbiker)? Und sagt jetzt bitte nicht, ich soll die Suchfunktion benutzen, ich weiss, dass dieses Thema bereits tausendfach auf Hunderten von Foren diskutiert wurde, das tut jetzt nichts zur Sache.

Die grösste Unfallgefahr für Alltags- und Tourenfahrer geht ja von den motorisierten Verkehrsteilnehmern aus (oder gibt es Helmträger, die selbst bei 20 km/h auf total motorverkehrslosen flachen Wegen einen Helm tragen würden? Und wenn ja, warum?). Wer einen Helm trägt, animiert die Motorisierten doch nur zu immer grösserer Rücksichtslosigkeit, was letztlich zu mehr toten Radfahrern führt - sowohl behelmten als auch unbehelmten. Dies ganz abgesehen davon, dass Motorisierte einen helmtragenden Radfahrer viel stärker bedrängen und er sich deshalb einer grösseren unmittelbaren Gefahr aussetzt (oder ist das den Helmträgern unter euch noch nie aufgefallen?). Es ist ja bekannt, dass in Gebieten und Ländern mit Helmpflicht die absolute Zahl der toten Radfahrer zurückgeht, weil weniger Menschen Rad fahren, die Zahl der Toten sich aber relativ gesehen erhöht.

Radfahrer, so die Argumentation, sollen deshalb Helme tragen, weil die meisten Todesfälle beim Radfahren von Kopfverletzungen herrühren. Nun gut, die meisten Todesfälle beim Autofahren rühren ebenfalls von Kopfverletzungen her, und statistisch gesehen ist Autofahren auch etwa gleich riskant (und wer zu Fuss geht, ist in etwa der gleichen Gefahr ausgesetzt). Nur weil die offizielle Propaganda seit Jahren das Gefühl erwecken will, Radfahren sei ganz besonders furchtbar gefährlich, muss man sich doch nicht blenden lassen.

Die Sorge, die zum Ausdruck kommt, wenn Radfahrern ins Gewissen geredet wird, sie sollen doch bitte Helme aufsetzen, verhüllt die unerbittliche Botschaft, dass Radfahrer, auch wenn sie sich korrekt verhalten, damit zu rechnen haben - und zwar stark damit zu rechnen haben -, überfahren zu werden, und dass es nicht in der Verantwortung der Gesellschaft liegt, diese Situation zu ändern. Jeder freiwillige Helmträger tut letztlich nichts anderes, als diese gegen ihn selbst gerichtete Denkweise zu unterstützen.

(Ein Abstandhalter andererseits signalisiert genau das Gegenteil, nämlich dass das Leben des Radfahrers wichtiger ist als das Recht des Motorisierten, möglichst ungehindert durch die Gegend zu rasen. Und ich bin der Überzeugung, dass für die tatsächlich nützlichen Abstandhalter nur darum keine Propaganda gemacht wird, weil sie eben genau die Motorisierten zwingt, Rücksicht zu nehmen.)

Die Aussage "Ich fühle mich mit Helm sicherer" ist kein ernstzunehmendes Argument, da werden die meisten sicher mit mir einig gehen.

Die Aussagen "Ich wäre ohne Helm tot" und "Ich kenne einen, der fuhr ohne Helm und ist jetzt tot" sind anekdotisch und haben rein gar nichts zu bedeuten. Dem kann ich nämlich entgegenhalten, dass ich persönlich keinen Radfahrer kenne, der jemals irgendwo mit dem Kopf aufschlug. Die Eltern meiner Freundin aber wurden vor einigen Monaten von einer Motorisierten über den Haufen gefahren, als sie - zu Fuss - innerorts auf einem Zebrastreifen die Strasse überqueren wollten (in einer Gegend wohlgemerkt, in der man auf dem Zebrastreifen als Fussgänger Vortritt hat). Der Vater schlug mit dem Kopf so stark auf die Windschutzscheibe auf, dass sie zersplitterte und er bewusstlos auf der Strasse liegenblieb (nebenbei: er lebt noch und ist bei Sinnen). Soll man deswegen als Fussgänger einen Helm tragen? Doch wohl nicht. Viel eher sollte man die Motorisierten etwas an die kurze Leine nehmen ... upps, entschuldigt, Gedankenverbrechen doppelplusungut. Nur etwa einen Monat später wurde übrigens auf demselben Zebrastreifen ein kleines Mädchen von einem Motorisierten über den Haufen gefahren.

Ich freue mich auf eure Antworten. Und wie gesagt: Ich rede ausschliesslich von Alltags- und Tourenfahrern, nicht von Rennfahrern oder Mountainbikern.

Schreiberling