Re: Im Winter durch Lappland - Ausruestung?

von: irg

Re: Im Winter durch Lappland - Ausruestung? - 17.01.21 17:51

Hallo Heike!

Dein Posting wirft Fragen auf, die gar nicht einfach zu beantworten sind. Ich fange einfach mit ein paar Themen, die drin stecken, an:

Wann willst du durch Lappland radeln? Der Winter ist lang, und die Bedingungen je nach Zeit sehr, sehr unterschiedlich.

Wo in Lappland willst du hin? Norwegen ist vergleichsweise warm, dafür hast du oft höhere Luftfeuchtigkeit, weiter im Osten kann es wirklich kalt werden. (Kommentar meines Vaters mit jahrelanger Wintererfahrung in Finnland: "Bis etwas unter -30°C geht es. Darunter wird die Luft so kalt, dass schon das Atmen weh tut." (Das war ein Punkt unter mehreren.)

Dazu ein Literaturtipp, der dir eine gewisse Ahnung gibt, in welcher Spielklasse du je nach Gegend und Jahreszeit zu mit spielst, falls er dich interessiert: Tim Moore Der Typ ist, das sollte man beim Lesen nicht übersehen, ein harter Typ, teilweise auch ein fahrlässig verrückter. Nicht so ein Weichei wie ich. Dabei hat er nicht einmal außerhalb von Häusern übernachtet. Er hatte auch für den Notfall keine Biwakausrüstung mit, das halte ich unter den Bedingungen, unter denen er geradelt ist, für sehr riskant.

Ganz klar: Radeln im Winter in Lappland geht, auch in Finnland. Ob du es genießen kannst, hängt von einigen Faktoren ab.

Ich sehe neben vielen anderen zwei Themen, mit denen du umgehen musst:
Radeln und Campen deutlich unter 0° bedeutet Feuchtigkeitsprobleme. Du sammelst in Zelt, Schlafsack und Teilen der Bekleidung Feuchtigkeit an, die du nur in einer warmen Hütte halbwegs los werden kannst. Das macht die Ausrüstung schwer, und, ein größeres Problem, sie verliert mehr und mehr die Isolationsfähigkeit. Zwischendurch ordentlich auf wärmen und trocknen wäre also sehr vorteilhaft.

Wenn es wirklich kalt ist, sagen wir unter -20° oder so, wird manches schwierig. Da kühlst du in einer Pause stark aus, außer, du ziehst dich dafür um. Das kostet wieder Zeit und Aufwand, dazu schlüpfst du beim Losradeln in die mehr oder weniger gefrorenen Sachen, die du beim Radeln brauchst.
Im schwedischen Fjell Ende März/Anfang April haben wir dieses Problem einfach so gelöst, dass wir, wenn es kalt war, Pausen einfach auf das Notwendigste reduziert haben: Ein kleiner Schluck aus der Thermosflasche, ein wenig geknabbert, und weiter wird gelaufen (mit Langlaufschiern), bis zum Tagesziel. Bei Übernachtungen im Schnee oder einer Kota habe ich im Daunenschlafsack nicht gefroren, es hat aber Überwindung gekostet, am Morgen mit dem nassen Socken in die gefrorenen Schuhe zu steigen. Die ersten Kilometer damit zu laufen war -nun, sagen wir einmal, etwas unangenehm. So etwas Ähnliches kann durchaus auch auf dich zu kommen.

Du brauchst einiges an Kochertreibstoff. Erst musst du Eis oder Schnee (Eis aus Bächen ist wegen der Spurenelemente besser) auf 0° bringen, dann musst du es schmelzen. Das Schmelzen frisst viel Energie. Erst dann kochst du.
Spirituskocher funktionieren zwar noch, bei echter Kälte aber nicht mehr gut und fressen unverhältnismäßig viel. Ein Benzinkocher ist da besser.

Ein mögliches Thema können kalte Zehen sein: Beim Langlaufen hatte ich, egal wie kalt es war, nie dauerhaft kalte Zehen, beim Radeln auf Tour im Winter (bei nur maximal -8°) hatte ich Schwierigkeiten, die Zehen nicht zu unterkühlen. Der Druck aufs Pedal ohne Abrollen der ganzen Sohle macht, vermute ich, einiges aus. Da müsstest du experimentieren.

Wenn es wirklich kalt ist, werden alltägliche Tätigkeiten oft ziemlich aufwändig: Zelt Aufstellen, Auspacken, Zelt einrichten, Kochen ist aufwändiger als bei moderater Kälte. Denke das mit.

Ein wintertaugliches Zelt ist einige Gedanken wert, auch die Liegematte. Ich verwende bei sehr tiefen Temperaturen am liebsten eine einfache geschlossenzellige Isomatte, 10-12mm Dicke genügen, mehr ist angenehmer. So ähnliche werden jetzt als Yogamatten verkauft. Diesen Matten macht ein allfälliges Loch nichts aus, sie wärmen zuverlässig. (bei großer Kälte kannst du kaum mehr ein Loch kleben.)

Das für den Anfang.
Noch einmal: Es geht sicher, aber du spielst in einer eher höheren Spielklasse mit, wenn du im Hochwinter östlich der schwedisch-norwegischen Grenze radelst. Mit der richtigen Ausrüstung und Eistellung schaffst du das aber!

lg!
georg