Via Dinarica 2013

von: veloträumer

Via Dinarica 2013 - 30.11.13 23:59

Veloträumer’s KARSTing-Show 2013:
VIA DINARICA




Sarajevo – Montenegro – Herzegowina – Dalmatien – Velebit – Veliki Kapela – Gorski kotar – Slowenischer Karst – Montefalcone

Wiedergeburt im Minenfeld: Natur und gesellschaftlicher Aufbruch im Schatten Titos und des Balkankrieges: Eine Dinariden-Tour von Süd nach Nord zwischen alpiner Gipfelwelt und mediterranen Weinhügeln

36 Reisetage + ½ Anreisetag (34 Velotage, 2 Ruhetage)
ca. 2200 Fotos (brutto, ohne künstl. Varianten), hier präsentierte Laborate: ca. 1170
3035 km | 44755 Hm | ca. 58 Pässe (jeweils ohne Anreisetag)
Durchschnitte (jeweils bzgl. Velotage): 89 km/d | 1316 Hm/d | 7:05 h/d | 12,8 km/h


Inhaltsverzeichnis

Einführung 1: Projekt Via Dinarica, KARSTing, (gleich hiernach)

Einführung 2: Krieg & Frieden, Gott & Teufel

Einführung 3: Pro Arte, Gehörfutter

Einführung 4: Schlafmodus, Geschmackssache

Einführung 5: Kostenpflichtige Beförderung, Krisenmanagement, Donnerwetter

Einführung 6: Spurtreue, Quellenkunde & Druckpunkte

I. Prolog in Bosnien mit Sarajevo

II. Das alpine Montenegro 1 & Schluchten: Durmitor, Biogradska,Bjelasica, Tara, Moraca

III. Das alpine Montenegro 2/Canyons: Komovi, Prokletjie, Maganik-Zurim, Komarnica, Podgorica

IV. Skadarsee & südliche Küstenregion mit Budva

V. Kotorbucht & Lovcen-Runde

VI. Herzegowina mit Pocitelj & Kravica-Fällen

VII. Dalmatien: Imotski, Biokovo (Diavolo – Gedicht), Makarska, Insel Brac

VIII. Velebit Süd & Nord mit Mali Alan, Veliki Alan & Zavizan

IX. Kroatischer Norden mit Ogulin & Fuzine

X. Slowenischer Südwesten: Sneznik, Skocjanske jame, Karst- & Vipava-Weinstraße


EINFÜHRUNG

„Tage währts, Jahre dauerts“ sagte schon der alte Goethe. Hier nun nicht nach Jahren, sondern nach Monaten mein Sommerreisereport. Der Bericht ist in eine längere, 6-teilige Einführung und 10 regionale Blöcke mit den Etappen und jeweils einer Bildergalerie gegliedert. Jedem Regionalkapitel ist zudem ein kulturell passender Musiklink vorangestellt. Diese Struktur ermöglicht einerseits das Lesen und Bilderschauen in gut verdaulichen Einheiten und hebt andererseits die regionalen Unterschiede im Reisegebiet hervor. Der Umfang der Kapitel ist durchaus unterschiedlich, reicht von ein bis sechs Reisetagen. Die einzelnen Teile werde ich versuchen – soweit möglich – im Adventskalendermodus nachzuschieben – jedem Tag sein Türchen schmunzel (- reicht nicht ganz bis Weihnachten zwinker).

In der Einführung werde ich einige Landeseindrücke und Begegnungen mit Menschen einarbeiten, die den Charakter der Reise und Regionen unterstreichen sollen. Dazu werde ich auch erläuternde Bilder direkt einstellen. Während die Einführung eher Allgemeines, Landeskundliches und des Autors weitschweifige Gedanken zusammenfasst, orientieren sich die Regionalblöcke chronologisch an der Reiseroute und ermöglichen mithilfe der ausführlichen Fotodokumentationen eine ebenso gründliche wie (be)sinnliche virtuelle Bildschirmreise an trüben Sofatagen. Wer mehr will, muss selbst reisen – wer weniger will, sollte jetzt aussteigen. Ich konnte nicht anders. schmunzel „Es war viel zu schön, deshalb wusste ich, dass sich bald alles zu jener unbekannten und unbegreiflichen, mit bittersüßer Beklommenheit vermischten Sehnsucht verdunkeln würde, die mich zum Schreiben drängt“, so legt mir der slowenische Journalist, Schriftsteller und Dramaturg Ciril Kosmac (1910-1980) in seiner Novelle „Tantadruj“ die treffenden Worte in den Mund.

Ggf. spätere Leserinnen und Leser, die spezifische Landesteile suchen, mögen den Bericht nach folgender Inhaltsübersicht durchforsten. (Italien kann ich wegen der Kürze des Abstechers diesmal nicht als Reiseland werten.)
  • Einführung (6-teilig, 54 Bilder)
  • Bosnien > Kap. I (1 Tag, 50 Bilder)
  • Montenegro > Kap. II-V (19 Tage, 495 Bilder)
  • Herzegowina > Kap. VI (3 Tage, 115 Bilder)
  • Kroatien > Kap. VII-IX (10 Tage, 335 Bilder)
  • Slowenien/(Italien) > Kap. X (3 Tage, 120 Bilder)


Nebenbei für die die Forums-Duden-Polizei: Die diversen Sonderzeichen der slawischen Sprachen habe ich ganz weggelassen, weil der komplette Zeichensatz ohnehin nicht kompatibel mit der Forumssoftware ist. Wer entsprechende Häkchen oder Accents vermisst, kann sie ja auf seinem Bildschirm hinzumalen. cool




Die Projektidee: Pragmatische Eingrenzung

Würde ich die endgültige Route am ersten Tourgedanken messen, wäre das Resultat ein vernichtendes Streichkonzert von Ideen, in dem maximal ein Drittel verwirklicht wurde. Eine solch geradlinige Route wie die meiner ersten Balkanreise Alpen-Adria (Ost): Dubrovnik & retour ist nun mal etwas anderes als eine verwinkelte Nischentour. So reduzierte sich das Zielgebiet auf den Kerngedanken, die Dinariden vom alpinen Süden der Albanischen Alpen bis zum nördlichen Ende des Karstabfalls ins Mittelmeer bei Triest zu bereisen. Die Beschränkung tat sicherlich der inhaltlichen Idee des Reiseprojektes gut. Nicht zuletzt ergeben zu viele Eindrücke eine bedenkliche Reizüberflutung, die dem Erlebnisprotokoll des Gedächtnisses die Intensität und Detailfreude rauben – weniger ist eben mehr.

Den ersten Schwerpunkt bildete mit knapp drei Wochen Montenegro (Crna Gora = Schwarze Berge, es gibt auch einen Ort, der so heißt), das etwa so groß ist wie Schleswig-Holstein – also schon fast eine Komplettberadelung? – Das wäre übertrieben. Es bräuchte schon ca. zwei Wochen mehr für das ganze Land. Nicht gesehen habe ich den verstärkt islamisch geprägten Nordosten – insbesondere die Grenzregionen zu Serbien und Kosovo – samt einiger größerer Städte (Pljevlja, Bjelo Polje, Berane, Rozaj). Weitere Lücken blieben vor allem im westlichen Binnenland (jenseits von Niksic) stehen. Die Route zog sich entlang aller fünf Nationalparks in der Reihenfolge Durmitor, Biogradska Gora, Prokletije, Skadarsee und Lovcen.

Den zweiten Schwerpunkt bildeten mit ca. 10 Tagen die Küstengebirge bzw. küstennahen Höhenzüge Kroatiens insbesondere mit Biokovo, Velebit, Veliki Kapela und Gorski kotar. Darunter sind nur zwei Teile des Velebits jeweils als Nationalpark (Paklenica, Nördlicher Velebit), viele andere Gebiete aber immerhin als Naturpark oder als besondere Naturschutzzonen ausgewiesen. Meine kroatischen Routen lassen sich überwiegend als Nischenwege abseits des Mainstreams einordnen. Es gab auch unvermeidlich einige Überschneidungen mit meiner 2003er-Tour, die umso besser Interessantes über die innerkroatische Entwicklung offenbaren. Die Abstecher zur Küste blieben in Kroatien wenige, als einzige Insel stand Brac auf dem Plan.

Die Routen in Bosnien-Herzegowina (BiH) dienten eher als Start- bzw. Zwischenglieder für die Tour, wobei die Herzegowina eine durchaus schlüssige Einheit mit Kroatien bildet und mir bereits einen guten Landeseinblick erlaubte. Eine Besonderheit stellt die autonome Republik Srpska dar, die heute offiziell neben der Föderation Bosnien und Herzegowina den zweiten Landesteil des Staates Bosnien-Herzegowina markiert (dazu kommt noch der Sonderbezirk Brzcko). Die Republik Srpska macht die Verwaltungsstruktur allerdings zu einem Flickenteppich über den alten Regionen, die eher einer geografischen Logik folgten. So befindet sich der von mir nur kurz beradelte südöstliche Bereich teils sowohl auf dem Gebiet des alten Bosniens (Kap. I) als auch auf dem der Herzegowina (Kap. VI). Wem jetzt der Kopf vor Verwirrung raucht, mag mein Mitgefühl haben, aber für die Menschen dort sind die ethnisch-politischen Einheiten von großer Bedeutung. Die unterschiedlichen Mentalitäten und die spannungsgeladenen Beziehungen untereinander sind sogar bei kurzer Durchreise zu spüren.

Einen sehr schönen Schlusspunkt setzte die Karstregion im Südwesten Sloweniens zwischen dem Berg Sneznik und entlang der Weinroute hin zur italienischen Grenze. Und weiter noch zur Triester Kreide- und Dichterküste bei Sistiana, an der mir allerdings die Muße zwischen italienischem Strandtrubel und drängendem Rückreisetermin verloren ging. Alles in allem für Balkankenner also eher „Balkan light“ oder „Balkan für Anfänger“ – ich hoffe, trotzdem spannend genug für ein paar mittelbürgerliche Teestunden – die Großwildabenteurer werden sich wohl langweilen.


Typischer Wegweiser des Via Dinarica (Montenegro)

Die Projektvision: Was bedeutetet Via Dinarica?

Der Untertitel meiner Tour „Wiedergeburt im Minenfeld: Natur und gesellschaftlicher Aufbruch im Schatten Titos und des Balkankrieges“ mag veraltet klingen – ist das nicht schon Geschichte? – Nein. In Montenegro kann man deutlich erkennen, wie „sozialistische“ Denkstrukturen die Entwicklung noch immer hemmen und durch teils kapitalistische Auswüchse nur überlagert werden. Die Kriegschäden in Kroatien und Bosnien (Kriegsende jeweils 1995) greifen immer noch gravierend ins optische Bild wie auch ins Leben der Menschen ein. Die regionalen Unterschiede in Kroatien, die es heute zu sehen gibt, konnte man weitgehend auch schon 2003 beobachten. Über die Dauer der Entstehung von „blühenden Landschaften“ wissen wir im postsozialistischen Deutschland ja so einiges. zwinker Das heißt aber nicht, dass es keine Fortschritte gäbe, vielmehr wächst Neues scheinbar teilnahmslos neben Altlasten, die nicht beseitigt werden. Erschwert wird ein umfassender Wandel durch die Landflucht der jungen Menschen, die mir in Kroatien ausgeprägter scheint als in BiH. Geradelt bin ich also auch einen Weg der Friedenshoffnung und des Wiederaufbaus.

Meine Tour folgt einem Kerngedanken, dem des/der Via Dinarica. Ursprünglich angedacht ist dieses Projekt als Wanderweg nach dem Vorbild großer europäischer Gebirgspfade, der über die eindrucksvollsten Teile des Dinarischen Gebirges führt, von den unterschiedlichen wie charakteristischen Naturschönheiten aus Geologie, Fauna und Flora bekleidet und an die ländlich-regionale Kultur im Rahmen eines sanften Tourismus mit kleinen Gastbetrieben heranführt und damit zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen soll. Der Via Dinarica ist aber noch mehr ein grenzübergreifendes, völkerversöhnendes Projekt der zersplitterten Staatenwelt des westlichen Balkans unter Beteiligung von Albanien, Kosovo, Montenegro, (Serbien), Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Slowenien und der EU. Dabei fungiert der Via Dinarica als ein Bindeglied zwischen den Religionen des Islam, der römisch-katholischen Kirche und der orthodoxen Katholiken. Letztlich also auch ein europäisches Friedensprojekt!

Zu einer vollständigen Via Dinarica würden vor allem noch Nord-Albanien und Kosovo mit dem südlichen Zipfel der Dinariden dazugehören. Allerdings sind die Pisten der Albanischen Alpen dort eher „abenteuerlich“ – für Straßenfahrer oft mehr als schwierig. So habe ich mich auf den montenegrinischen Teil der Albanischen Alpen beschränkt. Dabei ist die Gegend bei Plav und Gusinje eine Sackgasse. Es gibt zwar nahe Gusinje einen offiziellen Grenzübergang nach Albanien ins Vermosh-Tal mit einer recht kurzen Verbindung zur montenegrinischen Hauptstadt Podgorica, doch ist gerade diese Piste nach allen verfügbaren Berichten eine Tortur, die nur MTB-gestählte Crosser auf sich nehmen sollten. Ein größerer Nord-Albanien-Kosovo-Bogen hätte den zeitlichen Rahmen gesprengt.


Namensgeber des Dinarischen Gebirges: Der Dinara bei Knin, mit 1831 m höchster Berg Kroatiens

Schon heute ist der Via Dinarica mehr als nur ein Wanderweg – auch ein Radweg. Teile des Fußweges, soweit radelbar, ergänzt durch alternative Routen über Straßenabschnitte, eröffnen auch dem Tourenradler einen Via Dinarica. Die Radroute ist aber noch stark lückenhaft und reicht von gut asphaltiert bis zu harten MTB-Trails. Langfristig ist mehr noch an ein System von Routen gedacht, das auch die Städte mit einbezieht – also noch mehr Natur und Kultur verbinden soll. Meine Tour verstehe ich daher als Beitrag, diesen Gedanken durch neue Varianten zu bereichern. Nicht eine Route führt ans Ziel, sondern viele Wege tragen den Gesamtgedanken.

Genau das soll auch den Geist meiner Tour tragen: Den versöhnlichen Völkergeist in den ehemaligen Kriegsgebieten zu suchen, den ländlichen Tourismus zu stärken, die radelbaren Bergwelten zu bezwingen, die faszinierende Natur zu achten und zu bewundern. Nicht zuletzt untermauere ich diesen Geist in einigen meiner Gespräche mit Einheimischen und durch die gezielte Routenwahl durch zahlreiche National- und Naturparks. Manchmal habe ich auf mögliches Wildcampen verzichtet, um mehr Kontakte knüpfen zu können und angesichts der moderaten Übernachtungspreise leichter fällt. Ich hoffe, dass es mir gelungen ist, diesen Geist des Via Dinarica mit Leben gefüllt zu haben und ihn hier im Bericht auf lebendige und anregende Art vermitteln zu können. Die Aufbauleistungen der Menschen vor Ort haben es jedenfalls verdient, sich vor ihnen zu verneigen und sie in dem unbeirrten Willen zum Frieden zu bestärken. Die Natur macht es einem ohnehin leicht, sich vor ihr zu verbeugen.


Föhren, Gefährten, frische, starke,
stille Gefährten der Karsteinsamkeit,
seid gegrüßt in meiner Einsamkeit,
voll tiefer, wehmütiger Schönheit!


Srecko Kosovel (1904-1926), aus dem Gedicht „Gedicht vom Karst“

Schönheitswettbewerb in Kalkgestein: Das KARSTing

Da sicherlich mein Wortspiel im Tourtitel „Karsting-Show“ bei einigen Stirnrunzeln verursachen wird, bedarf es noch einiger geologisch-geografischer Erläuterungen. Das Dinarische Gebirge (Gebirgskarte) – auch Dinarische Alpen oder schlichter Dinariden – bezeichnet das Karstgebirge südlich der Alpen im westlichen bis südwestlichen Balkan bis einschließlich zu den Albanischen Alpen (Prokletije, Mokra), die sich Montenegro, Kosovo und Albanien teilen. Die Nordgrenze verläuft etwas nördlich von Postojna zu den Julischen Alpen. Der geologische Unterschied fällt im Nordwesten Sloweniens recht deutlich ins Auge, wechselt doch die alpine Felslandschaft zu einer meist bewaldeten Mittelgebirgslandschaft, die von offenen Wiesen und Weiden immer wieder aufgebrochen wird. Der Nordosten Sloweniens wird recht großzügig den Alpen zugeschlagen, wenngleich Geologie und Landschaftsbild weniger eindeutig sind (das Pohorje-Gebirge als Alpenteil etwa erinnert sehr stark an die Karstwälder im Südwesten Sloweniens).

Auch der Nordwesten Kroatiens Gorski kotar (nicht Istrien) ähnelt dem slowenischen Karstgebiet – oft vielfach von Bären und Luchsen bewohnte bergige, einsame Waldgebiete mit eher unauffälligen Bergwiesen. Der einzige alpine und damit auch markante, Dolomiten-ähnliche Berg im Norden Kroatiens ist der Klek (unweit Ogulin). Ganz im Westen werden die mineralreichen Karstböden und der mediterrane Einfluss zum Weinbau genutzt. Speziell die Küstengebirge Kroatiens zeigen teils sehr steinige Gesichter – insbesondere an den Meer zugewandten Seiten des Velebits.


Kunsthandwerk aus hochwertigem kroatischen Kalk aus Pucisca (Brac)

Die bergigen Inseln – zuweilen im Norden als aparte Mondlandschaften in marmoriertes Weiß gemeißelt (Krk, Rab, Pag) – kann man als Ableger der Dinariden in der Adria ansehen. Auch hier erfreut sich der Weinbau immer größerer Beliebtheit, wie auch in Tälern hinter dem Küstenhöhenzug des Biokovo. Der kroatische Kalk gilt dabei als hochwertiger Bau- und Werkstoff, in besonderer Weise auch künstlerisch genutzt der aus Brac. Nach Süden wird das Dinarische Gebirge bauchiger, nimmt an Breite zu und umfasst neben Kroatien und Montenegro auch große Teile Bosniens und Serbiens. Die Grenze markiert dort die pannonische Tiefebene.

Während in Kroatien und Herzegowina typische Poljen fruchtbare Hochtäler bilden (Wasser hält sich schwer versickerbar in unterirdischen Felswannen), wandelt sich das Bild nach Süden in Montenegro und Albanien teilweise zu einer imposanten alpinen Bergwelt, deren Spitzen allerdings nicht wesentlich über 2500 m hinauskommen. Selbstredend formen die Albanischen Alpen in Montenegro und Albanien die markantesten Gipfel. Andere, letztlich die größeren Teile des südlichen Dinarischen Gebirges – insbesondere in Bosnien und Serbien – ähneln „nur“ einer bewaldeten Mittelgebirgslandschaft, nicht ohne auch schroffe, faszinierende und unterschiedliche gebirgstypische Gefüge auszubilden.


Typischer Oberflächenkarst im wasserarmen Küstengebirge: Der Velebit – hier an der Mali-Alan-Passstraße

Die meisten Küstengebirge erheben sich schnell und steil jenseits des Meeres, was aber nicht unbedingt bedeutet, dass alle Auffahrten ausgewiesene Rampen sind. Die wenigen Küstenebenen finden sich im südwestlichen Teil Montenegros an der Grenze zu Albanien mit der Flussinsel Boiana, im Neretva-Delta zwischen Metkovic und der kroatischen Küste bei Ploce, im Küstenbereich zwischen Sibenik und der Zadar-Region, u. a. mit dem Binnensee Vransko jezero sowie in der Kvarner Bucht um Rijeka. Eine Besonderheit bildet der nur wenig über Meereshöhe gelegene Skadarsee (auch: Skutarisee), der einerseits teils in hoch aufragende Bergkuppen gebettet ist, aber andererseits nach Südosten in eine Ebene übergeht, die von Podgorica über Shkoder bis zu der flachen albanischen Nordwestküste reicht.

Ein typisches Karstgebirge gibt es nicht, vielmehr sehr unterschiedliche Ausprägungen – je nach dem Grad und der Art der Verkarstung. Typisch für den alpinen Süden sind auch tiefe Schluchten, wobei die Tara-Schlucht in Montenegro sogar als tiefste und größte in ganz Europa gilt. Die Poljen sammeln das Wasser, dass sie meist nur langsam in untere Gesteinsschichten abgeben, aus denen dann oft Quellflüsse aus Felsen entspringen. Solche Karstquellen finden sich sogar in den hochalpinen Gebieten – so etwa die Ali-Pascha-Quellen in Gusinje zu Füßen der Prokletije-Berge. Eindrückliche Karstphänomene habe ich ja auch schon in meiner letztjährigen „Juraprüfung“ vorgestellt. Solch verschwenderisch schöne Karstquellen direkt aus Höhlen in gewaltigen Kaskaden sprudelnd wie im Jura habe ich aber in den Dinariden nicht vorgefunden. Der Wasseraustritt des versickerten Wassers aus den Felsen an Seen und Flüssen ist meist unscheinbar.


Die Velika Dolina in Matavun bildet mit 164 m Tiefe den größten Dolineneinbruch im slowenischen Karst und ist gleichzeitig namensgebend für alle Dolinen in der Welt geworden, weil typisch „Doline“

Weiters sind Aushöhlungen der Erde typisch für Karstgebirge. Überirdisch geschieht das in Form von Dolinen, durch die Auflösung des Gesteins verursachte kraterartige Einbrüche, die bis zu senkrechten Felswänden reichen und teils die Kulisse für Wasserfälle, Gumpen und Seen bilden. Andere Stellen verfallen zu beeindruckenden Felsbrücken (z. B. Rakov Skocjan in Slowenien, vgl. meine 2007er Alpenreise). Noch geheimnisvoller sind die Unterwelten, die sich teils gut in Höhlen bestaunen lassen. Sie finden sich vor allem in den stark verkarsteten Regionen der nördlichen Dinariden – somit also bedeutend vor allem in Slowenien, von denen einige Weltruf genießen. Zwei Höhlen habe ich besucht, eine in Fuzine und die zum UN-Welterbe erhobene Skocjanske jame.

Das Wort „Karst“ bezeichnet die Verwitterung von Kalkgesteinen (oder auch noch anderen Gesteinen), deren Verfallsergebnisse unterschiedlichste, oft bizarre Gestalten unter- oder oberirdisch annehmen können. Karstphänomene gibt es weltweit, das Wort selbst stammt aber tatsächlich vom slowenischen Wort „kras“ (= Karst) ab, was im engeren Sinne den südwestlichen Zipfel Sloweniens zwischen Sneznik, der slowenischen Karst-Weinstraße (Kraska vinska cesta) und den Ausläufern ins italienische Friaul bezeichnet. Der Triester Schriftsteller Scipio Slataper (1888-1915) fand in seinem berühmtesten Werk „Der Karst“ u. a. folgende Worte: „Der Karst ist eine Landschaft aus Kalk und Wacholder. Ein furchtbarer, versteinerter Schrei. Felsen, grau von Regen und Flechten, krumm, gespalten, spitz. Dürres Wacholdergestrüpp. – Stundenlang Kalk, Wacholder. Das Gras ist widerspenstig. Bora. Sonne.“


Aussichtreiche Kandidatin beim Schönheits-Karsting: Sagenumwobene Jungbrunnenquelle Vriostica in Vitina, Herzegowina

Zurück zum Wortspiel: Und ja, ich nehme es mit den Casting-Shows von Dieter Bohlen und Heidi Klum auf! lach Es erwartet euch eine originäre – ja, die einzig wahre – „KARSTing-Show“! – von wild alpin bis zu sanft mediterran – und alles dabei: heiße Strandbikinis, surrealistische Nacktdarstellungen, ein Zeitzeuge von Christi-Geburt, riskante Schneebrettquerungen, gefährliche Problembärenreviere, geheimnisvolle Feenwälder, mysteriöse Hexenberge, bewaffnete Gruselinsekten, kannibalische Asphaltheuschrecken, flüchtende Schlangenreptilien, bissige Steilrampen, zähneklappernde Rüttelpisten, durchlöcherte Ruinenfassaden, tragische Kriegsgeschichten, borstige Felsengedichte, abgenippelte Digitalkameras, Kerkerhaft bei den Toten, schwelgerische Saufgelage mit Schnaps & Wein, wiederbelebte Autowracks und ein tödliches Massenabsturzdrama! Es kommen zu Wort internationale Radreisende, tschechische BMW-Biker, liebesbefallene Ruhrpott-Emigrantinnen, rührige Sorgegastgeber, intelligente Winzerphilosophen, fleißige Ökospeisebauern, aufgeschlossene Nationalparkverwalterinnen und demonstrierende Pfarrer. Dazu jede Menge heiße Luft mit Nachttemperaturen bis 28 °C. Oben drauf noch eine Prise Radlerlatein. zwinker Mehr bekommt ihr auch nicht bei DSDS oder „Germany’s Next Topmodel“ geboten!


Karst-Preziose aus Slowenien: Verschlungene Höhlen- und Wasserfallbildung bei der Skocjanske jame in Matavun


Jeder Felsen, jeder Baum, jeder Strauch,
jede Straße,
ein jedes birgt seine Erzählung. Geh über den
Karst
auf die stille Weide unter die schweigsamen Föhren
und lausche. Verstehst du? Geh und lausche!


– so wusste schon der slowenische Dichter Srecko Kosovel (aus dem Gedicht „Der Felsen“) um die Geheimnisse des Karstes. Ich habe für euch gelauscht. Was ich nicht so gut gehört habe, hat mir wie immer Trasgu zugeflüstert, wie auch eventuelle literarische Entgleisungen. Trasgu verfügt auch über ein Beschwerdebüro, das aber nie besetzt ist. grins BILD-Niveau wurde mir ja im Forum ohnehin schon bescheinigt – hier kommen jetzt die unglaublichen Schauergeschichten des Balkans für eure neue Seite Eins – 16 Ausgaben gratis frei Haus! lach

Fortsetzung folgt