Re: Projekt Marokko: 10-Länder-Tour im Sommer

von: Menelus

Re: Projekt Marokko: 10-Länder-Tour im Sommer - 26.09.13 14:37

Spanien II: Absolute Hoch- und Tiefpunkte: 1 Ruhetag, 3 Bergtage, 5 Tage, 523km, ~5000hm

Im Dunkeln hatten wir gestoppt und im Dunkeln fuhren wir auch weiter, wir hatten dabei nur ein paar Meter neben der Straße campiert. Es ging weiter bergauf bis 1200m (da ist sie wieder, die Fichtelberghöhe!) und dann wieder bergab bis Guadahortuna. Theoretisch ging es nun rechts weg direkt nach Granada. Praktisch war vor uns eine breite Schotterpiste mit einem Schild, das diese Straße von der EU mit 13 Mrd. Euro gefördert wird. Natürlich wieder bergauf, wobei ich innerlich fluchte, da ich keinen weiteren Ersatzschlauch für den Moment übrig hatte. Nach 23km gab es aber wieder fertige Straßen und bis Granada war nichtmehr so viel mit bergauffahren. Bereits halb eins kamen wir in Granada an und mit dem Wissen, nächsten Tag nichts tun zu müssen, belagerten wir erst einen Supermarkt zum Mittag und später McDonalds für kostenloses Internet. Über Couchsurfing hatte ich in der Zwischenzeit mehr als 10 Übernachtungsangebote in Marokko bekommen, die Hälfte waren jedoch nur irgendwelche Kameltourguides. Für Granada selbst hatten wir auch nach einer Möglichkeit gesucht, aber es hatte sich nichts ergeben, daher suchten und fanden wir an der Stadtgrenze ein Maisfeld, wo man halb auf dem Feldweg genug Platz zum Zeltaufbau hatte.

Am nächsten Tag sind wir ohne großes Ziel in Granada umher gefahren, haben uns die Burg Alhambra angeschaut und uns bei den Touristeninformationen erkundigt, wie wir mit den Rädern in die Sierra Nevada kommen könnten. Insgesamt gab es 2 Busse von Granada aus, einer fuhr ins nördliche Pradollano, der andere zur Nordseite nach Capileira und Trevelez. Wir entschieden uns für die Südseite und tatsächlich war es am nächsten Tag kein Problem, die Fahrräder (kostenfrei!) mitsamt Gepäck im Bus mitzunehmen. Übernachtet wurde vorher an derselben Stelle im Maisfeld.
Innerhalb von 45min waren wir dann mit dem Bus auf 2550m Höhe, eine Distanz, für die wir mit den Rädern den ganzen Tag gebraucht hätten. Es gab ein größeres Bergrestaurant, wo ich mir einen Kaffee bestellte und dann als Kunde fragte, ob eine Unterbringung unseres Gepäcks möglich wäre. Die Fahrräder konnten wir nur draußen anschließen, aber die Taschen wurden sicher in einem Gepäckraum verstaut. Nur ein Rucksack mit Isomatte und Schlafsack würde uns nun begleiten. Ein seltsames Gefühl! Draußen trafen wir auf einen Bayern samt Sohn, der auch schon mal in Marokko war und gleich von seinen Haschischerfahrungen erzählte. Ansonsten war er jedoch ganz lustig drauf. Während die 2 mit einem Holländer zusammen auf den Shuttlebus warteten, der noch ein Stück höher bis kurz vor den Gipfel des Veleta fuhr, zogen wir zu Fuß los.

Neben der Tatsache, dass ich noch nie zuvor eine derart große Radtour bewältigt hatte, kam noch dazu, dass ich Jungfrau im Bergsteigen bin. Es sei aber gesagt, dass wir für keinen Gipfel eine Ausrüstung benötigten. Der Aufstieg war sehr gut machbar und die Luft im Gegensatz zum Tal erfrischend. Nur die Höhensonne durfte man nicht ignorieren. Mit steigenden Höhenmetern wurde mein Atem schneller und ich musste mich anpassen, auch wurde der Wind kälter. Nach 2,5 Stunden Aufstieg waren wir mittags auf dem ersten Gipfel angekommen, dem Veleta mit 3396m!


Von l.o. nach r.u.: Granada, Busfahrt Sierra Nevada, Blick aufs Basiscamp, Pico Veleto

Etwa eine Stunde später ging es in Richtung Mulhacen, der weiter weg lag. Dabei mussten wir ein ungeliebtes Eisfeld überwinden, da es aber bereits Trittspuren gab, schafften wir auch das. Selbst Mountainbiker trugen hier ihre Räder hoch und runter. Der steinige Bergpfad führte an einigen Wasserfällen vorbei und mit der Zeit kamen uns immer weniger Leute entgegen. Wahrscheinlich sind alle früh direkt mit dem Bus zum Veleto und dann weiter zum Mulhacen. Weicheier! Gegen 17 Uhr kamen wir an einer Schutzhütte vorbei, wo schon 2 andere Bergsteiger campierten und da sich im Osten in den Wolken etwas zusammenbraute, machten wir sicherheitshalber Schluss. Die Schutzhütten in der Sierra Nevada, an denen wir vorbeikamen (3 an der Zahl), waren im Übrigen allesamt kostenlos: Offen für jedermann, mit einem Doppelstock-Holzbett, wo insgesamt mindestens 10 Leute hineinpassen, auf dem Boden sicher 3x so viel. Während wir so den Tagesausklang und die absolute Stille genossen, kamen uns schüchtern ein paar Berggemse besuchen. Sie trauten sich sehr nah heran und nahmen auch hingeworfenes Essen dankbar an, bei der kleinsten Bewegung zuckten sie jedoch fluchtbereit zurück. Streichelzoo war das ganz bestimmt nicht! Als es dunkelte, warfen wir uns in die Schlafsäcke, um Minuten später von 5 eintreffenden Spaniern munter gemacht zu werden. Mit etwas rücken passten alle herein, es wurde sehr laut und wir trauten unseren Augen nicht, als die Neuankömmlinge ihre Rucksäcke öffneten und ein wahres Festessen den Tisch bedeckte. Wir wurden auch sofort aufgefordert, uns ungeniert zu bedienen, was wir etwas zögerlich taten. Einige konnten sogar Deutsch, viele Englisch, was unser weniges Spanisch hervorragend ersetzte. So zog sich der Abend eine Weile in die Länge und wurde dank einiger Weinflaschen recht lustig.

Der Schlaf war dann wegen dem vielen Geschnarche unregelmäßig, bei Sonnenaufgang sind wir los zum Mulhacen. Die Steigung war nun sehr viel stärker und ein Hund lachte uns kläffend aus, indem er immer 50m hochrannte, auf uns wartete und weitersprang, bis sein Herrchen weit unten aus dem Tal ihn zurückrief. Lange konnte er sich nicht entscheiden, ob er bei uns blieb oder umkehrte, aber er war ein braver Hund. schmunzel Die letzten hundert Höhenmeter waren heftig für mich, da wir ohne Frühstück gestartet waren, aber schließlich ward es vollbracht: Wir standen auf (Festland-)Spaniens höchstem Gipfel mit 3482m!

Genossen wurde der Anblick eine ganze Weile, bis wir weiterwanderten. Es gab noch einen dritten Gipfel in der Umgebung, für den wir auf der anderen Seite ins Tal absteigen mussten. Irgendwie verliefen wir uns hier aber und nach einem Blick auf die Uhr entschieden wir uns, es bei 2 großen Gipfeln und Mulhacen‘s Vorgipfel sein zu lassen. Das Tal war auch wunderschön: Rundherum von Bergen umkreist, floss auf einer Seite ein Fluss heraus. Nur Natur- und Sportfreunde finden hierher. Liebe Fastfood-Menschen, ja, es gibt Dinge, die werdet ihr niemals erleben!

Zurück ging es wieder bis kurz vor dem Mulhacen-Gipfel und dann wieder runter. Auf einem etwas anderen Weg kamen wir zwischen zwei weiteren Gipfeln vorbei (Loma Pelada und Höchster Punkt De la Caldera) und dann die gleiche Strecke bis kurz vor dem Veleta, wo es eine weitere Schutzhütte gab. Diese war 18 Uhr zu unserer Überraschung leer, sollte aber im Laufe des Abends/der Nacht noch voll werden.

Eine kleine Randnotiz noch zum Bergwandern: Wie ich schon erwähnte, tat ich dies das erste Mal in meinem Leben. Ab 3000m kann man Höhenkrank werden, wenn man nicht aufpasst, aber als sportlich aktiver Mensch und wenn man sich anpasst (wir haben vorher und nachher unter dem Gipfel geschlafen, um uns anzupassen), ist das kein Problem. Sehr oft hat man auf dem Bergweg weit und breit keinen anderen Menschen außer sich selbst. Da gibt es dann keine anderen Geräusche außer die eigenen: Fußstapfen und Atemgeräusche. Es ist dann Meditation, wie als wenn man in einer Blase gefangen ist! Es war ein sehr tolles Gefühl!


Von l.o nach r.u.: Wasserreinheit 100%, We are watching you, Party auf 3100m, Bergsee, Aufstieg mit fremdem Hund, Mulhacen, Schutzhütte von innen

Am Morgen war die Hütte voll mit Schlafenden, welche wie auf Kommando zur Dämmerung aufstanden. Fürs erste stand nur noch der Abstieg zum Basiscamp am Restaurant und folgende Abfahrt auf dem Programm. Ersteres war anstrengend für die Knie, da meine Partnerin außerdem eine Zerrung im Knie hatte, zogen wir die asphaltierte Serpentinenstraße dem direkteren Trampelpfad vor und brauchten runter genauso lang wie rauf. Nachdem wir einmal die Räder beladen hatten, ging die Abfahrt recht fix, denn für die nächsten 30km ging es von 2550m auf 750m. In Granada kamen wir schließlich am selben Supermarkt raus, an dem wir schon am Tag vor dem Aufstieg saßen. Der Rest des Tages verlief gemütlich, wir fuhren nur noch etwas weiter raus aus der Stadt und unser Zelt stand mal wieder zwischen Olivenbäumen. Irgendwo in der Ferne das Wummern einer Diskothek, wo tatsächlich bis zum Morgengrauen dieselben Livesänger auftraten.

Ab hier dauerte es noch 3 Tage, bis wir Gibraltar erreichten. Wir sind Anfangs in westlicher Richtung, also im Landesinneren unterwegs gewesen. Auf diesem letzten Teilstück bekam meine Partnerin jedoch die Nachwirkungen der Zerrung vom Berg zu spüren. Nicht nur das, wurden die letzten paar hundert Kilometer zu den unschönsten unserer gesamten Tour.

Doch alles nacheinander:
Berge warteten nach einer Weile wieder auf uns. Als wir schließlich an zwei Autobahnen herauskamen, überlegten wir, wie wir weiterfahren wollten. Auf jeden Fall wollten wir so schnell wie möglich nach Gibraltar und unsere Ruhepause vor Marokko antreten. Die meisten Autobahnen besitzen parallele Servicestraßen und so folgten wir der nach Süden in Richtung Küste. War die Fahrt anfangs angenehm, forderten uns bald wieder Berge und schließlich war an einem Stück, wo erneut zwei Autobahnen aufeinander trafen, Schluss. Es waren nur noch geschätzte 30km bis zur Küste und Malaga, aber es gab nur diese Autobahn, alle anderen erlaubten Straßen bedeuteten einen großen Umweg. Auf ersteren Zustand machte uns auch die Polizei freundlich aufmerksam, die neben uns ratlosen Menschen hielt. Das war nun die Frage: Ein langer Umweg zurück in östliche Richtung und eine Serpentinenstraße nach Süden. Die Höhenmeter konnte ich nicht einschätzen auf der Karte und wir entschieden uns schließlich für die zweite Strecke. Natürlich, wie es immer ist, war das genau die falsche Entscheidung. Wir kamen statt 30 auf 60-70km und etliche Höhenmeter, ich behaupte im Nachhinein, dass wir mit der östlichen Route sogar noch kürzer gekommen waren. An der Küste dachte ich dann, nun wird alles gut, nur noch geradeaus und dann sind wir bei meinem Kumpel in Gibraltar. Also könnte man doch eigentlich durchziehen?


Von l.o. nach r.u.: Granada again, Pause im Tiertunnel unter der Autobahn, der Weg nach Malaga

Allgemeine Reisewarnung: Radfahren an der Südküste Spaniens ist eine sehr dumme Idee! Wer bestrebt ist, nun zu schreiben, "Das hätte ich dir auch sagen können", lass bitte stecken zwinker Es gibt drei Arten, klug zu werden: Die erste ist durch lernen, dies ist die Weiseste. Die zweite ist durch beobachten, dies ist die Schnellste. Die dritte ist durch Erfahrung, dies ist die Bitterste!

Es gibt zwei Straßen, die durchgängig an der Südküste entlangführen: Eine Schnellstraße ohne Seitenstreifen, die eher wie eine Autobahn aussieht, und eine Autobahn mit Seitenstreifen. Ich habe mal gehört, dass deswegen viele Radfahrer trotz Verbot die Autobahn benutzen, aber das wollten wir nicht riskieren. Es gab auf der Schnellstraße hinter der Leitplanke einen ganz schmalen Streifen, wo man mit Ach und Krach und manchmal eben auch nicht, als Radfahrer durchpasste. Nach nicht so vielen Kilometern bestand das Resultat aus 2 Reifenpannen. Als schließlich meine Partnerin in einer Wurzel hängenblieb und in den Straßengraben fiel, war Schluss mit lustig...nachdem wir uns von dem Schock halbwegs erholt hatten, wechselten wir auf die Schnellstraße. Es war keine schöne Fahrt, aber wir haben es überlebt. Auch die Polizei hatte anscheinend nichts dagegen, denn sie grüßte nur. Kritisch wurde nur noch einmal, als wir nicht aufpassten und die Schnellstraße in die Autobahn darüber mündete. Genau das wollten wir ja vermeiden, nun fuhren wir die nächsten 5km tatsächlich spanische Autobahn. Als wir schon die Ausfahrt einfuhren, stand oben nochmals die Polizei. Aber entweder hatte sie uns nicht registriert oder es war tatsächlich normal, als Radfahrer auf der Autobahn zu fahren.

20km vor Gibraltar ging es nochmal bergauf, ich dachte nur noch: Warum, Spanien? Dann wieder bergab, und schließlich gegen 17 Uhr, hatten wir es geschafft: (fast) das Ende unserer Reise in Europa, das 9. von 10 Ländern: Gibraltar!


Von l.o. nach r.u.: Seitenstreifen, Reifenpanne, Finally Gibraltar!

50. Tag, 20.08.: 80km, 450hm, 5h14': Hoyo de Toledo - Granada
51. Tag, 21.08.: 26km, Stadtbesichtigung Granada
52. Tag, 22.08.: 15km Fuss, ~1100hm, 5h: Busfahrt Granada - Pradollano, Bergwanderung Pradollano - Veleto - Schutzhütte vor Mulhacen
53. Tag, 23.08.: 22km Fuss, ~1500h, 8h: Bergwanderung Schutzhütte - Mulhacen - Veleta
54. Tag, 24.08.: 10km Fuss, 2,5h; 74km Rad, 250hm, 3h19': Bergwanderung Veleta - Pradollano - Radfahrt nach Granada - El Ruedo
55. Tag, 25.08.: 101km, ~700hm, 7h2': El Ruedo - El Charcon
56. Tag, 26.08.: 94km, ~500hm, 6h11': El Charcon - Jardines del Puerto
57. Tag, 27.08.: 101km, ~500hm, 6h39': Jardines del Puerto - Gibraltar