Re: donautour

von: rad-hotte

Re: donautour - 16.02.13 11:38

Tag 27 und 28 ca.190 km
Da heute wieder Temperaturen über 40 Grad zu erwarten sind, zeitige Abfahrt, so daß ich bereits gegen 7,30 Uhr in BELGRAD ankam. Die Stadt lag unter einer Dunst- und Smoghaube, es war laut und hektisch, das ist man nach längerer Zeit der Stille nicht mehr gewöhnt. Es ist fast unmöglich,über die Strasse zu kommen, die Ampeln sind scheinbar nur Großstadtschmuck. Eben Millionenstadt (ca.1,2 Mio.). Von Besichtigung kann keine Rede sein, da ich das Rad nicht ohne Aufsicht lassen und auch die Packtaschen nicht mit mir rumschleppen will. Also schnell wieder raus und weiter.
Unterwegs an vielen ärmlichen Häusern vorbei. Als ich an einer Badestelle Rast machte, erlebte ich folgendes: ein Stück hin siedelte ein Sippe Sinti?Roma?, bestehend aus 18-20 Personen, 13 Kinder und Jugendliche und Rest Frauen und 1 Mann. Als die Kinder immer näher an mein Rad rückten ( wahrscheinlich aus Neugier), wurden sie vom Oberhaupt scharf zurechtgewiesen und zurückbeordert. Er gab mir zu verstehen, daß ich keine Angst zu haben brauche. Machmal widerlegt Erlebtes viele pauschale Vorurteile. Später sah ich in einer Senke das Zigeunerlager. Es bestand aus Hütten, die aus dem unterschiedlichsten Materialien zusammengebaut waren, Zelten und Autowracks, die als Ställe dienten. Dazwischen bunt durcheinander Kinder und Tiere aller Art und Größe. Von Fotos sollte man absehen, da sonst eine "Spende" fällig ist. Wasser wurde aus dem Fluß geholt, in dem auch gleich die Wäsche gewaschen wird.
Auf der Strecke Belgra-Kovin-Gaj keine optimale Zeltmöglichkeit gefunden und deshalb einfach im Maisfeld genächtigt- war keine gute Idee, ständiges Gegrunze und Geblöcke von entlaufenen Schweinen und Schafen oder Ziegen und das Geheule von Kojoten oder Hunden hat mich nur dahindämmern lassen. Hinzu kamen noch die vampirartigen Mücken...Habe gegen 3,30 Uhr aufgegeben und bin bei kühlen 22 Grad weiter. Gegen 6,00 Uhr wurde es zum 1.Mal so richtig gefährlich:
wie aus dem Nichts tauchte aus dem Gebüsch plötzlich ein Rudel wilder Hunde auf und jagte hinter mir her. Aus meiner Erfahrung als Hundesportler wusste ich, wie so eine Jagd abläuft.Von hinten links lief die Meute kläffend an und wollte mich ablenken, da von rechts das Leittier lautlos anläuft, um den Sprung zu setzen, welcher die Beute zu Fall bringen soll.Zum Glück war recht gute Strecke und ich in Schwung, so das es mir unter Verlust meiner Wasserflasche und mit Hilfe von handfesten Knüppel und Pfefferspray gelang, den Angriff abzuwehren.Eine besser Motivation für einen neuen Streckenrekord über ca. 1,5 km kann es kaum geben. zwinker Nachdem alles vorbei war, musste ich erst mal absteigen, um das Zittern meiner Knie zu überwinden und Adrenalin abzubauen und tief Luft zu holen.
Meine Angst galt weniger den Hunden, sondern den Verletzungen durch Bisse (Tollwut- und Infektionsgefahr). Zum anderen kommt oft stundenlang keine Menschenseele vorbei und man liegt womöglich hilflos rum. Das ist eben der Nachteil, wenn man allein reist.
Inzwischen sind wieder um die 40 Grad, deshalb zügig weiter zur nächsten Ortschaft, Pause einlegen und vom Schreck erholen.
Am späten Nachmittag dann an der Donau endlich wieder einen schönen und sauberen Zeltplatz gefunden ("Silbersee") und mich für 15,-E in einem Bungalow eingemietet.Abends ordentlich und sehr lecker gegessen (Schaschlyk,gegrillte Paprika und mit Schafskäse gefüllte Tomaten) und dazu ein Krug Rotwein.Das alles für ca.8,-E. Bin dann mit jungen Leuten und den Platzbetreibern, unter zuhilfenahme von Deutsch,Englisch,Russisch;Gestik und meiner aussagekräftigen Strichmännchen grins , ins Gespräch gekommen und so klang der Tag noch entspannt aus.Die Menschen hier sind zwar zurückhaltend, aber, werden sie erst "warm", auch sehr offen für alles.
carpe diem . Horst