Re: Andalusien Ostern 2011

von: Tom72

Re: Andalusien Ostern 2011 - 01.02.13 23:34

17. Tag (24.04.2011), Jerez de la Frontera, Cádiz und Sevilla (Zug)

Ich stehe zeitig auf, das Wetter ist endgültig sonnig, die Regenperiode ist überstanden. Die Prozession am Ostersonntag als letzte der Semana Santa (Ostermontag kennt man in Spanien nicht) scheint nicht mehr die Bedeutung zu haben wie die übrigen Umzüge der Karwoche, es ist, verglichen mit den Prozessionen in Ronda am Palmsonntag, verhältnismäßig wenig los in den Altstadtgassen. Die im Zentrum aufgebauten Tribünen sind kaum „bevölkert“, und ich frage mich, ob meine Information, daß heute noch eine Prozession stattfindet, stimmt. Schließlich höre ich die Marschmusik und „finde“ den Zug, der auch von einer Menschenmenge begleitet wird; trotzdem ist es nicht so voll, wie ich es in Ronda erlebt habe (die „richtig“ großen Osterprozessionen, etwa in Sevilla oder Córdoba, habe ich ja sowieso nicht kennengelernt, und einige von ihnen sind, wie ich in der Zeitung lese, wegen des Regens sogar ausgefallen). Diese Bruderschaft (Hermandad) führt nur ein Paso mit, dessen Jesusfigur, mit Hinblick darauf, daß heute Ostersonntag ist, wohl als Darstellung der Auferstehung zu interpretieren ist, und wird von nur einer Kapelle begleitet. Bei dieser Prozession gibt es auch nicht die vermummten, spitzhütigen Büßer, die für die Umzüge sonst so charakteristisch sind. Die Prozession ist aber genauso beeindruckend wie die in Ronda. Ich folge ihr noch eine ganze Weile und genieße die feierliche Stimmung.





Video, zum Ansehen anklicken!

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Nun wird es Zeit für die S-Bahn nach Cádiz. Ich hole im Hotel mein Gepäck und radle zum Bahnhof. Zurück geht es auf der Strecke südlich um die Bucht herum, durch San Fernando, wo ich gestern eingestiegen bin, und weiter über die schmale Landzunge in die an deren Ende gelegene Altstadt von Cádiz, die ursprünglich einmal eine Insel war. Links neben der Bahnlinie sieht man die Autovía, die ich mir durch die Fahrt mit der S-Bahn/Cercanías erspare. Rechts sieht man auf die Bucht, links aufs offene Meer.

Das schöne historische Kopfbahnhofgebäude mit – soweit man es von außen sehen kann – repräsentativer Bahnsteighalle steht leider ungenutzt herum, seit es durch ein dahinter liegendes neues, funktionales und architektonisch einfallsloses Empfangsgebäude ersetzt wurde, das den Charme eines Baumarkts ausstrahlt. Die Altstadt von Cádiz ist reizvoll gelegen am nördlichen Ende der schmalen Landzunge, die die Bucht vom Mittelmeer trennt (ursprünglich, vor dem Bau des künstlichen Damms, war es eine Insel). Ich habe nur ein paar Stunden Zeit bis zu meinem Zug Richtung Sevilla. Bei sonnigem Wetter und blauem, nur leicht bewölktem Himmel fahre ich entlang des meerseitigen Ufers. Über einen Damm gelangt man zur Festung Castillo de San Sebastián, die man nicht besichtigen kann, von dem aus man aber einen schönen Blick auf die Stadt hat. Daneben liegt der kleine Stadtstrand Playa de la Caleta, wo ich mich eine Weile in die Sonne lege und mich wenigstens mit den Füßen ins Wasser traue; obwohl am Strand einiges los ist, sehe ich auch sonst niemanden baden.





Auf dem Rückweg zum Bahnhof fahre ich kreuz und quer durch die Gassen der Altstadt, um noch möglichst viele Eindrücke aufzuschnappen,



dann nehme ich den Regionalzug, für den ich mir bereits vor zwei Wochen in Sevilla die Fahrkarte und die obligatorische Fahrradreservierung ab Jerez besorgt habe (die Fahrkarte und den Fahrradplatz bis Jerez bekomme ich problemlos), und dann geht es auf der mittlerweile bekannten Bahnstrecke bis Jerez und weiter nach Sevilla, knapp zwei Stunden in einem modernen und komfortablen Triebzug. Man sieht entlang der Strecke die Bauarbeiten für den zweigleisigen Ausbau und die teilweise neue Trassierung der Strecke. In Sevilla geht es vom Bahnhof zur nahegelegenen Pension, in der ich bereits die Nacht nach dem Hinflug verbracht habe, so daß ich den Weg dorthin ohne Schwierigkeiten „wiederfinde“.

Ich habe wieder dasselbe Zimmer, und als ich mich mit dem Rad in die Altstadt aufmache (im Grunde liegt meine Unterkunft bereits in der Altstadt), ist es noch hell. Die Altstadtgassen, von denen ich mir ja am Abend nach meiner Landung schon einen ersten Eindruck verschafft habe, kommen mir teilweise schon vertraut vor. Einen Kontrast zu den historischen Gassen bietet eine riesige Holzkonstruktion auf der Plaza de la Encarnación; es handelt sich, wie ich später lese, um das erst vor wenigen Wochen fertiggestellte "Metropol Parasol de la Encarnación". Wozu es dient, wird mir allerdings nicht ganz klar.



In der Straße vor der Giralda esse ich ein paar leckere Tapas (es ist genauso voll und dementsprechend schwer, draußen einen freien Tisch zu finden, wie bereits am ersten Abend) und unterhalte mich mit dem Ehepaar vom Nachbartisch, Deutsche, die seit einiger Zeit in Spanien leben. Meinem Reiseführer habe ich den Hinweis auf die Flamencotaverne „Casa Anselma“ im auf der anderen Flußseite gelegenen Viertel Triana entnommen, dort soll es aber erst gegen 23.30 richtig losgehen, also habe ich Zeit, in Ruhe zu Abend zu essen.

Nach einigem Suchen und Fragen im schon recht ausgestorben wirkenden Viertel Triana finde ich schließlich die Adresse. Die urige Kneipe ist brechend voll, es sind offensichtlich überwiegend Einheimische anwesend, ein echter Geheimtipp also, keine Flamenco-Inszenierung für Touristen. Die Stimmung und die Musik sind daher recht authentisch. Der Schwerpunkt der Darbietungen liegt auf dem Gesang, begleitet von mehreren Gitarristen, weniger auf dem Tanz. Neben einigen jüngeren Sängerinnen werden die Auftritte dominiert von Anselma, einer älteren Dame, die schon von ihrem Erscheinungsbild ganz die typische Flamenco-Sängerin alter Schule verkörpert. Sie ist der Star des Casa Anselma, hier im Viertel eine Institution und lokale Berühmtheit. Die Auftritte sind wirklich sehens- und hörenswert, die Stimmung ist ausgelassen. Die ganze Szene ist so typisch spanisch bzw. andalusisch, daß sie nur deswegen nicht kitschig wirkt, weil sie vor einem Publikum aus überwiegend einheimischen Flamenco-Begeisterten stattfindet. Mir jedenfalls gefällt es, und ich bin froh, diesen Geheimtipp in meinem Reiseführer gefunden und ausprobiert zu haben. Auf dem Heimweg in meine Pension verirre ich mich noch ein wenig in den jetzt, weit nach Mitternacht, sehr verlassenen Altstadtgassen, dann gehe ich zufrieden ins Bett. Morgen steht nur noch entspanntes Sightseeing in Sevilla auf dem Programm.

18. Tag (25.04.2011), Sevilla

Heute habe ich den ganzen Tag, um mir Sevilla anzusehen. Das mache ich natürlich mit dem Rad. Ich fahre kreuz und quer durch die Altstadt und das jenseits des Río Guadalquivir gelegene Viertel Triana. An der Uferpromenade esse ich in einem der zahlreichen Restaurants zu Mittag und denke zurück an meinen Aufenthalt in Córdoba vor einigen Tagen, das nur gut 100 km flußaufwärts liegt. In einem auf einem Ponton im Guadalquivir gelegenen Café mit dem schönen Namen „Pedalquivir“ gönne ich mir ein Bier. Das Wortspiel bezieht sich auf den zugehörigen Tretboot-Verleih, aber ich denke mir, das paßt auch perfekt für mich als Radreisender.



Nun sehe ich mir das Innere der Kathedrale an. Der Innenraum ist von der Fläche her riesig, laut meinem Reiseführer ist es die drittgrößte Kathedrale der Welt. Ein Höhepunkt ist der Sarkophag des Christoph Kolumbus. Die sterblichen Überreste des Entdeckers ruhen allerdings erst seit Ende des 19. Jahrhunderts in Sevilla, wohin sie nach dem Verlust von Kuba als spanische Kolonie, wo sie zuvor ca. 100 Jahre verbracht hatten, verlagert wurden. Nach einer jahrhundertelangen Odyssee dies- und jenseits des Atlantiks und zahlreichen Umbettungen sind nur etwa 200 Gramm des Skeletts übriggeblieben, dafür ist aber vor einigen Jahren die Echtheit durch DNA-Test wissenschaftlich bestätigt worden. Allerdings befindet sich auch in der Kathedrale von Santo Domingo in der Dominikanischen Republik ein Sarg, der angeblich Kolumbus’ Überreste enthält. Immerhin haben seine Gebeine auch dort einmal Station gemacht (1537 bis 1778)…



Im Innern der Giralda, des Minaretts der ursprünglichen Moschee, das nach der Reconquista und dem Umbau der Moschee zur Kathedrale zum Glockenturm umgewandelt wurde, gelangt man nicht über Treppen, sondern über eine breite, spiralförmige Rampe nach oben. Wenn es erlaubt wäre, hätte man auch prima mit dem Fahrrad hochfahren können. Von oben bietet sich ein schöner Blick über die Stadt.



Anschließend fahre ich noch zum Gelände der Ibero-Amerikanischen Ausstellung von 1929 (Plaza España) und schaue mich dort ein wenig um.



Schließlich besichtige ich noch den Alcázar, den noch im maurischen Stil, aber überwiegend bereits in christlicher Zeit entstandenen Königspalast mit den dazugehörigen prächtigen Gartenanlagen, die sehr an die Gärten des Generalife in Granada erinnern.





Abends lasse ich die Reise in der mir inzwischen recht vertrauten Altstadt von Sevilla ausklingen.

19. Tag (26.04.2011), Rückflug

Am nächsten Morgen geht es mit dem Rad zum Flughafen. Die Route abseits der Autobahn, die ich mir am Vorabend im Internetcafé über Google Maps ausgetüftelt habe, finde ich nicht, also geht es die letzten Kilometer über die Autovía, aber das bin ich ja inzwischen gewöhnt, und so spare ich mir, im Gegensatz zum Ankunftstag, die teure Taxifahrt. Da ich, anders als für den Hinflug, keinen Fahrradkarton habe, verpacke ich das teilweise demontierte Fahrrad in die mitgeführte dünne Radtransporthülle, die ich sonst für den Transport im ICE und TGV verwende, die allerdings keinerlei Schutz bietet. Wird schon gutgehen; es ist nicht das erste Mal, daß mein Rad auf diese Weise verpackt einen Flug überstanden hat.



Der Flug mit Air Berlin geht wieder über Palma de Mallorca, allerdings nicht nach Dresden, sondern nach Berlin Tegel. Wie auf dem Hinflug gibt es bei überwiegend wolkenfreiem Himmel schöne Ausblicke auf die überflogenen Landstriche. In Tegel nehme ich mein Rad unbeschädigt in Empfang, baue es zusammen und radle Richtung Süden, bis ich beim Schloß Charlottenburg auf die Spree und den Spreeradweg treffe.



Wegen einsetzenden heftigen Regens steige ich an der Station Tiergarten in die S-Bahn zum Hauptbahnhof. Dann geht es mit dem Intercity, in dem ich einen Fahrradplatz gebucht habe, in gut zwei Stunden zurück nach Dresden.





Fortsetzung folgt…