Re: Andalusien Ostern 2011

von: Tom72

Re: Andalusien Ostern 2011 - 30.01.13 22:49

15. Tag (22.04.2011), Tarifa-Los Caños de Meca, 61 km

Am nächsten Morgen regnet es. Die Wirtin der Pension, die genauso freundlich und mitteilsam ist wie ihr Kollege (oder Ehemann?) gestern abend, verkündet mir, was sie dem Wetterbericht entnommen habe: ¡Lluvia todo el día! Ich hoffe trotzdem, daß es auch heute nicht den ganzen Tag regnen wird, packe und kehre zum Frühstück in ein Cafe direkt neben der Puerta de Jerez ein. Auch dieses alte Stadttor weist, wie so viele Bauwerke, die ich bisher auf der Reise gesehen habe, typische Elemente aus der maurischen Epoche auf. Das Cafe ist offenbar ein beliebter Treffpunkt der Surfer-Szene. Tarifa gilt in Europa wegen seines stets kräftigen Winds vom Atlantik bei ambitionierten Surfern als das Nonplusultra (für Anfänger sind die üblicherweise vorherrschenden Windstärken wohl schon zu extrem). In dem Cafe herrscht eine freundliche, angenehme Atmosphäre, hier warte ich auf besseres Wetter. Die von der Wirtin meiner Pension verkündete düstere Prognose stellt sich zum Glück schnell als übertrieben heraus, und der Regen hört bald auf.

Nun ist es sogar richtig sonnig geworden, so wie seit Tagen nicht mehr, und das Städtchen, das mir von Anfang an gut gefallen hat, zeigt sich von seiner besten Seite. Obwohl es stark touristisch geprägt ist, ist es von Bausünden und dem Radau-Tourismus, der offenbar weite Teile der andalusischen Südküste (Costa del Sol) prägt, verschont geblieben (wie auch die gesamte Costa de la Luz, die Atlantikküste zwischen Tarifa und Cádiz, die ich nun entlangradeln werde). Es herrscht eine gemütliche, entspannte und trotzdem internationale Atmosphäre in den Altstadtgäßchen und am Atlantikstrand, an dem bei diesem Wetter wenig los ist und wo vor allem einige hartgesottene Windsurfer den Elementen trotzen.

Nachdem ich die Festung Castillo de Guzmán besichtigt habe, von wo ich bei nun recht klarer Sicht den Blick auf die Stadt, den Fährhafen und noch einmal hinüber nach Marokko genieße, geht es zum südlichsten Zipfel der Stadt, der Isla de las Palomas. Dies ist der südlichste Punkt des spanischen Festlands. Ganz an die Südspitze gelangt man nicht, denn das am Ende einer schmalen Landzunge liegende alte Fort wird noch militärisch genutzt. Dies ist nun der dritte Eckpunkt Spaniens, den ich mit dem Rad bereist habe, nach dem östlichsten Punkt am Cap de Creus an der Costa Brava in Katalonien im Vorjahr und dem Cabo de Finisterre in Galicien, dem eigentlichen Endpunkt des spanischen Jakobswegs, als westlichstem Punkt vor drei Jahren. Hier am südlichsten Punkt Spaniens stoßen Altantik und Mittelmeer aufeinander, und ich mache ein Foto von meinem Fahrrad vor dem Schild „Mediterraneo“ und anschließend vor dem wenige Meter gegenüber stehenden Schild „Atlantico“.





Auf dem ersten Bild sieht man die recht ruhige Wasserfläche der Straße von Gibraltar und das Gebirgsmassiv von Ceuta im Hintergrund, auf dem zweiten die vom Westwind getriebenen Atlantikwellen, in denen sich vereinzelt Wassersportler in Neoprenanzügen tummeln und die schäumend gegen die Felsen und Festungsmauern branden.





Nun muß ich langsam ans Losfahren denken. Zum ersten mal auf der Reise bedauere ich den knappen Zeitplan und wäre gerne noch länger hiergeblieben. Tarifa gefällt mir außerordentlich, wozu sicher auch beiträgt, daß zum ersten mal, seit ich vorgestern an die Küste gekommen bin, richtig sonniges Wetter herrscht. Schweren Herzens breche ich nach einem leckeren Mittagessen in einem netten kleinen Restaurant mit Blick auf den Hafen schließlich am frühen Nachmittag auf.



Auf der N 340 geht es Richtung Norden entlang der Küste. Die Straße hat einen breiten Seitenstreifen und läßt sich daher gut fahren. Bei nach wie vor sonnigem Wetter bieten sich schöne Ausblicke auf die Atlantikküste. Bald verläßt die N 340 die Küste und umfährt ein kleines Gebirgsmassiv, das sich nun zwischen Straße und Küste schiebt. Es geht sanft bergauf und bergab. Von den Atlantikwinden profitieren nicht nur die Surfer in Tarifa,



sondern auch die Windenergie. Bereits gestern konnte ich von der Fähre aus in den Bergen oberhalb Tarifas zahlreiche Windräder sehen (und auch vereinzelt in Marokko); hier jedoch prägen sie die Landschaft.



Nach ca. 30 Kilometern auf der N 340 zweige ich auf ein kleines Sträßchen (A 2227) ab, das mich an die nun etwa 10 Kilometer entfernte Küste zurückführt, nach Zahara de los Atunes. Es ist der zweite Ort namens Zahara auf dieser Reise, nach Zahara de la Sierra unterhalb des Puerto de las Palomas in der Sierra de Grazalema. Dieses Zahara ist nach den Thunfischen benannt, die dort gefangen werden. Typisch für die Costa de la Luz, ist der Ort zwar auf Fremdenverkehr ausgerichtet, hat sich aber noch ein authentisches Flair bewahrt und ist von großen Hotelanlagen verschont geblieben. Obwohl es nun wieder stärker bewölkt ist, der Wind zunehmend stärker wird und erneuter Regen droht, setze ich mich auf die Terrasse eines der Restaurants am breiten Sandstrand und genieße, natürlich, ein leckeres Thunfischsteak.



Bei nun wieder etwas ungemütlichem Wetter geht es weiter, der nächste größere Ort ist Barbate. Er erscheint mir nicht besonders sehenswert, hier spielt auch der Tourismus wohl keine große Rolle, sondern vor allem der Fischfang (wie im deutlich kleineren und wesentlich reizvolleren Zahara, das aber eben gleichzeitig auch vom Fremdenverkehr geprägt ist). Als ich durch den Ort fahre, setzt wieder ein Regenschauer ein, dessen Ende ich in einer Kneipe bei einem Glas Bier abwarte. Nun sind es nur noch gut 10 Kilometer bist zu meinem heutigen Etappenziel. Ich habe mich für den kleinen Küstenort Los Caños de Meca entschieden, kurz vor dem Kap Trafalgar, der mir nach der Beschreibung in meinem Reiseführer – „Geheimtipp“, „Einst ein Hippie-Hangout“, „bis heute eine gewisse alternative Atmosphäre“, „das Publikum gibt sich hier immer noch einen Tick bunter und individualistischer als üblich“ – von den in Frage kommenden Orten an der Costa de la Luz für die Übernachtung am interessantesten erscheint; zu recht, wie sich herausstellen wird.

Zwischen Barbate und Los Caños liegt der kleine Naturpark „Parque Natural de la Breña y Marismas de Barbate“, ein Pinienwald, der gepflanzt wurde, um die Wanderdünen aufzuhalten. Die wenig befahrene Straße führt malerisch mit einigen kleineren Steigungen und Abfahrten durch das Naturschutzgebiet hindurch, ich beeile mich aber wegen des unsicheren Wetters, und dann fällt die Straße zur Küste hin ab, und ich erreiche Los Caños.



Hier kann ich endlich mal wieder zelten (das letzte und insgesamt nur fünfte Mal auf der Reise); der zentral gelegene Campingplatz „Camaleón“ ist schön und nicht teuer, ärgerlich ist nur, daß ich für das Fahrrad fünf Euro extra bezahlen muß – das habe ich bisher noch nirgends erlebt. Heute bin ich gut 60 Kilometer gefahren, nicht viel, aber ich bin ja spät aufgebrochen, und morgen sind es bis San Fernando, von wo aus ich die S-Bahn nach Jerez de la Frontera nehmen will, nur noch maximal 50 Kilometer, so daß ich gut im Zeitplan liege.

Nach Zeltaufbau, Duschen und Umziehen fahre ich zum Abendessen in den Ort. Es ist nun wieder trocken, und ich kann vor einem netten kleinen Restaurant draußen sitzen. Die Atmosphäre und die (überwiegend jungen) Leute sind wirklich sehr individualistisch, ich kann es kaum treffender formulieren als mein Reiseführer. Ich fühle mich sofort sehr wohl. Los Caños de Meca ist unter den Küstenorten der Costa de la Luz eindeutig ein Geheimtipp. Ich habe noch eine angebrochene Flasche Wein im Gepäck, mit der ich mich nach dem Essen (das zweite leckere Fischgericht dieses Tages) noch eine Weile an den Sandstrand setze und in der Dunkelheit dem Rauschen der Brandung lausche.

16. Tag (23.04.2011), Los Caños de Meca - San Fernando (-Jerez de la Frontera), 45 km

Als ich aufwache, regnet es leicht, also drehe ich mich nochmal um. Bald hört der Regen auf und es wird, wie gestern Vormittag auch, richtig sonnig. Ich baue das Zelt ab, packe und nehme mit Meeresblick (die Sonne scheint, das Meer und der Himmel strahlen blau, es ist noch bewölkt, aber die Wolken sind überwiegend weiß. Sollte das Wetter jetzt dauerhaft besser werden?) mein Frühstück ein. Ich sitze an der Strandpromenade vor dem Restaurant von gestern Abend; von hier kann ich auch Richtung Norden den wenige Kilometer entfernten Leuchtturm am Kap Trafalgar sehen. Ich bedauere, wie schon gestern in Tarifa, daß mein Zeitplan es nicht zuläßt, mich hier länger aufzuhalten, so gut gefällt mir Los Caños. Ich beschließe, so lange wie möglich hierzubleiben, bis drei oder vier Uhr, und dafür anschließend zügig über Hauptstraßen nach San Fernando zu strampeln, anstatt über möglichst verkehrsarme und küstennahe Sträßchen.

Ich fahre also die drei Kilometer zum Kap Trafalgar mit seinem weißen Leuchtturm. Hier hat 1805 Admiral Nelson mit der britischen Navy unter Einsatz und Verlust seines Lebens die vereinigte spanisch-französiche Flotte besiegt und steht deshalb nun auf einer Säule in London – hier ist also die für den Trafalgar Square namengebende Örtlichkeit.



Ich setze mich eine Weile an den weitläufigen Sandstrand, an dem nicht viel los ist. Man hat eine schöne Aussicht den Strand entlang nach Süden, auf Los Caños und die steile, bewaldete Küste oberhalb des Ortes (der gestern durchfahrene Naturpark).



Es bleibt sonnig und nur etwas bewölkt. Nach einem späten Mittagessen vor einem der netten Restaurants im Ort fahre ich gegen vier Uhr weiter Richtung Norden.

Den Rest des Tages bleibt es, trotz zunehmender Bewölkung, trocken. Landschaftlich wenig spektakulär geht es über die A 2232 und die N 340 nach Chiclana de la Frontera, ca. 35 km. Im Ort sehe ich mich ein wenig um und fahre weiter. Mein heutiges Ziel ist San Fernando am südlichen Ende der Bucht von Cádiz. Auf der Bahnstrecke von Cádiz nach Sevilla verkehrt auf dem Abschnitt Cádiz-Jerez die S-Bahn (Cercanías) von Cádiz, deren für mich nächstgelegene Station in San Fernando liegt; sie nimmt problemlos Fahhräder mit und wird mir die Fahrt über Autovías und sonstige verkehrsreiche Straßen nach Jerez ersparen, wo ich ja bereits von zu Hause aus ein Hotel gebucht habe. Auch in die andere Richtung, nach Cádiz, bietet die S-Bahn von San Fernando aus eine gute Alternative zur einzigen Straßenverbindung, der Autovía, die parallel zur Bahnlinie über eine schmale Landzunge in die Stadt führt. Dazu ist es aber heute zu spät; Cádiz steht morgen auf dem Programm, mit der S-Bahn von Jerez aus.

Bis zur S-Bahn-Station von San Fernando gibt es von Chiclana aber keine Alternative zur Autovía. Also fahre ich etwa fünf Kilometer auf dem Seitenstreifen der Schnellstraße, was ja auf Autovías (anders als auf den „echten“ Autobahnen, den Autopistas) erlaubt ist,



und erreiche den Bahnhof von San Fernando. An dieser Station, die vor einigen Jahren im Zuge des zweigleisigen Ausbaus der Strecke in den Untergrund verlegt worden ist, endet die eigentliche Radreise. Morgen will ich, nachdem ich mir in Jerez die Ostersonntagsprozession angesehen habe, mit der S-Bahn nach Cádiz, und von dort mit der Bahn nach Sevilla, wo ich für zwei Nächte die Pension gebucht habe, in der ich bereits die erste Nacht verbracht habe, so daß ich einen ganzen Tag habe, mir die Stadt anzusehen. Das Rad ist aber ab hier bis zum Abflug über-übermorgen zum innerstädtischen Verkehrsmittel „degradiert“.

Die S-Bahn-Fahrt mit Fahrradmitnahme gestaltet sich problemlos. Jerez de la Frontara hat ein prächtiges historisches Bahnhofsgebäude.



Schnell finde ich mein vorgebuchtes, zentral gelegenes Hotel, das sich als gute Wahl herausstellt. Nun dämmert es, und ich sehe mich ein wenig in der Altstadt um. Die eigentlichen Sehenswürdigkeiten sind natürlich die zahlreichen Bodegas, die Weinkellereien. Die Engländer haben im 18. Jahrhundert aus dem Namen der Stadt den Begriff „Sherry“ geprägt und den Likörwein der Region berühmt gemacht. Alle bekannten Hersteller sind hier ansässig, wie Sandeman, Tío Pepe, Pedro Domecq, schon bei meinem kleinen Stadtrundgang treffe ich auf mehrere der bedeutenden Sherry-Kellereien. Für eine Bodega-Besichtigung mit Sherry-Probe ist morgen allerdings keine Zeit, es stehen die Ostersonntags-Prozession und anschließend Cádiz auf dem Programm. Trotzdem muß ich mich natürlich etwas näher mit der örtlichen Spezialität befassen und suche mir in der Innenstadt eine nette Bar. Vor dem „Gallo Azul“, der in einem markanten Eckgebäude in der Fußgängerzone untergebracht ist, kann ich draußen sitzen. Von mehreren Sherry-Sorten, deren Bezeichnungen ich mir leider nicht gemerkt habe, entscheide ich mich für den hellen, der trockener sein soll als der dunklere und stärker gekühlt serviert wird. Zusammen mit ein paar Tapas beschließe ich den Tag gemütlich mit ein paar Gläschen.



Fortsetzung folgt…