Re: Andalusien Ostern 2011

von: Tom72

Re: Andalusien Ostern 2011 - 29.01.13 22:14

14. Tag (21.04.2011), Gibraltar-Marokko-Tarifa, 63 km

Etwas nach acht komme ich los, es beginnt gerade, hell zu werden. Das Wetter ist wie gehabt, aber es regnet (noch) nicht. Zunächst geht es die gestrige Strecke zurück über die Startbahn (diesmal muß ich nicht warten), durch La Línea de la Concepción bis dorthin, wo ich gestern an die Küste gekommen bin. Die Weiterfahrt nach Algeciras ist nur über die Autovía möglich, das ergibt sich aus meiner Karte, und das bestätigen mir auch Einheimische auf meine Frage hin, ob es eine Alternative gebe. Also fahre ich auf dem Seitenstreifen der vierspurigen Schnellstraße weiter, was erlaubt ist und nicht so schlimm wie befürchtet; ich treffe sogar einen anderen Reiseradler. Plötzlich taucht sogar direkt an der Autovía eine Verkaufsstelle der Fährgesellschaft auf, die ich mir gestern für die Hin- und Rückfahrt ausgesucht habe (FRS), so daß ich mir schon mal meine Tickets besorgen kann. Ich zahle jeweils gut 30 Euro für die einfache Fahrt, das Rad kostet entgegen meiner Recherche nichts, und die Tickets sind nicht an bestimmte Zeiten gebunden, so daß ich vor allem bei der Rückfahrt flexibel bin.

Von Algeciras sehe ich nicht viel, ich fahre gleich zum Fährhafen. Als Radfahrer fährt man gemeinsam mit den Kfz an Bord, und so reihe ich mich nach einer Paßkontrolle in die Schlange der wartenden Autos ein. Es sind ganz überwiegend Marokkaner, die offenbar in Spanien arbeiten (die Autos haben spanische Kennzeichen) und ihre Familien in Marokko besuchen und nur wenige Touristen – die sind wohl eher auf den Fähren nach Ceuta oder Tanger (Stadt) anzutreffen. Die Fähre hat eine gute Stunde Verspätung, schließlich ist sie da, und ich radle zusammen mit den Kfz und Lkw ins Innere, über Rampen ein oder zwei Decks aufwärts, bis mir das Personal einen Platz zuweist, wo ich mein Rad mit Riemen an einer Wand festzurren kann.



Im Restaurant des Schiffs frühstücke ich erstmal. Dann genieße ich die Überfahrt an Deck. Trotz des trüben Wetters kann man den Felsen von Gibraltar sehen, nur der obere Bereich ist in nach wie vor Wolken gehüllt, und dann das Gegenstück, den Felsen von Ceuta. Diese beiden Felsmassive sind gemeint, wenn von den „Säulen des Herkules“ die Rede ist. In der Meerenge herrscht reger Schiffsverkehr, vor allem Frachtschiffe, aber auch ein großes Kreuzfahrtschiff quert unseren Kurs. Jetzt bekomme ich mit, daß noch eine Einreiseformalität zu absolvieren ist (ich dachte, mit der Paßkontrolle im Hafen sei es getan), und so muß ich mich ärgerlicherweise in eine lange Schlange in einem stickigen Raum unter Deck einreihen. Schließlich bin ich dran, gebe mein bereits im Hafen erhaltenes Einreiseformular (ein weiteres ist für die Ausreise) ausgefüllt ab und bekomme einen Stempel in meinen Reisepaß.

Wir haben inzwischen in Tanger-MED angelegt, und ich gehe direkt zu meinem Fahrrad aufs Autodeck, die Fahrzeuge stauen sich, und so empfiehlt man mir ein enges, steiles Treppenhaus, durch das ich Rad und Gepäck einigermaßen hinunterwuchten kann, ohne kopfüber hinunterzustürzen. Der Blick aus der Bugklappe zeigt, was ich während der Einreiseformalitäten nicht mitbekommen habe: Strömender Regen hat eingesetzt; daß das nach den Erfahrungen der letzten Tage auch heute passieren würde, war zwar zu erwarten, aber ich hatte es irgendwie verdrängt. Während neben mir die letzten LKW durch die Bugklappe hinausrollen, rüste ich mich und mein Gepäck mit allem, was ich an Regenschutz dabeihabe, denn raus muß ich ja. Ich war zuvor noch nie in Afrika gewesen, und so sieht mein erster Kontakt mit diesem Erdteil (und das erste Mal, daß ich auf einem anderen Kontinent radfahre) so aus, daß ich in strömendem Regen über einen weiten, menschenleeren Asphaltplatz fahre. Das Hafengelände ist sehr weitläufig, der Container- und Fährhafen Tanger-MED ist riesig und liegt auf halber Strecke zwischen Ceuta und Tanger. Er ist erst vor ein paar Jahren eröffnet worden und wird weiter ausgebaut. Es soll der größte Tiefwasserhafen Afrikas werden.

Schließlich kann ich mich unter dem Vordach einer kleinen Imbißbude unterstellen, die mitten auf dem ansonsten menschenleeren Hafenareal steht. Essen kann ich hier nichts, da ich noch kein Geld gewechselt habe (die Landeswährung Dirham darf man weder ein- noch ausführen). Ein Hafenmitarbeiter, der dort ebenfalls untersteht, führt mich zu einer Art Geräteschuppen, wo ich komfortabler auf das Ende des Regens warten kann. Der Regen läßt etwas nach, ich fahre weiter durch das riesige Hafengelände, schließlich weisen mich zwei hilfsbreite Mitglieder des Hafenpersonals auf den gleich vorbeikommenden Bus hin. Es handelt sich um einen der breiten, geräumigen Busse, wie man sie sonst von Flughäfen kennt, der in diesem Fall aber für den Personentransport innerhalb des Hafengeländes dient. Ich bin der einzige Fahrgast. Im Empfangsgebäude (Gare maritime) angekommen, tausche ich erstmal Dirham im Wert von 20 Euro um und warte. Man macht mich auf einen stündlichen, kostenlosen Bustransfer nach Tanger aufmerksam, und ich beschließe, abzuwarten und den Bus um drei Uhr zu nehmen, wenn der Regen bis dahin nicht aufhört. Der Regen hört tatsächlich auf, und ich riskiere es, loszuradeln. Ich bin ja schließlich nicht zum Busfahren hier. Allerdings bin ich mit meinem Zeitplan nach der guten Stunde Verspätung der Fähre und dem wetterbedingten Aufenthalt im Fährterminal gute zwei Stunden in Verzug, so daß jetzt schon klar ist, daß ich es in Tanger gerade noch auf die Fähre nach Tarifa schaffen kann, aber die Besichtigung der Altstadt von Tanger wohl leider ausfallen muß. Hätte die Fähre aber keine Verspätung gehabt, wäre ich mitten auf freier Strecke in den Regenguß geraten…

Es geht ein Stück über eine vierspurige Schnellstraße (N 16) mit Blick auf das riesige Hafengelände von Tanger-MED, das zu großen Teilen noch eine Baustelle ist (und außer dem Namen mit Tanger wenig gemein hat, denn es liegt gut 40 Kilometer östlich der Stadt).



Bald zweige ich auf eine kleinere, an der Küste entlangführende Straße ab (weiterhin als N 16 beziffert), während der meiste Verkehr Richtung Tanger auf der nun als A 4 weiter im Landesinneren verlaufenden Schnellstraße bleibt. Der Autoverkehr auf der Küstenstraße ist daher erträglich, am Straßenrand sind auch Fußgänger unterwegs; mir fallen die vielen Überlandtaxis auf, die Fahrgäste am Straßenrand aufnehmen und absetzen. Entgegenkommende Autos hupen, offenbar als Gruß, da Radler hier wohl eine seltene Erscheinung sind. Das Miteinander der Verkehrsteilnehmer läuft recht rücksichtsvoll ab, im Falle von überholenden Lkw, das habe ich schnell raus, meistens so: Der von hinten sich nähernde Lkw hupt kurz, aber nicht penetrant, ich fahre auf den Seitenstreifen (allerdings meist grober Schotter), der Lkw überholt und hupt anschließend noch mal kurz, offenbar, um sich fürs Ausweichen zu bedanken.



Das Wetter ist inzwischen sogar recht freundlich, und es bieten sich Ausblicke nicht nur auf die marokkanische Küste; auch die gegenüberliegende spanische Küste zwischen Algeciras und Tarifa ist zu sehen. Ich komme durch einige kleine Orte, einige von ihnen mit Stränden, an denen aber wetterbedingt nichts los ist. Ich habe aber auch gar keine Zeit, mich aufzuhalten, denn es geht ja darum, in Tanger die Fähre um 18.00 Uhr zu erreichen. Ein Schild kündigt schließlich Tanger in gut 40 Kilometern an, obwohl ich mit nur noch etwa 30 gerechnet habe (für Marokko habe ich keine Karte). Zudem macht die Straße mehrfach einen weiten Schlenker von der Küste weg weit ins Hinterland mit entsprechenden Höhenmetern. Die Zeit wird nun wirklich knapp. Zwar wäre es nicht schlimm, in Tanger übernachten zu müssen, aber ich will heute abend möglichst in Tarifa sein, weil mein Plan vorsieht, übermorgen bereits Jerez de la Frontera zu erreichen.





Bis zum Schluß bleibt ungewiß, ob ich es heute noch nach Spanien zurück schaffen würde (es geht zwar noch eine spätere Fähre, aber dann wäre ich so spät in Tarifa, daß es mit der Suche nach einer Unterkunft schwierig werden könnte), schließlich komme ich durch die Vororte von Tanger, frage einen Polizisten nach dem Weg zum Fährhafen, sehe von der Innenstadt nicht mehr als die Strandpromenade und schaffe es gerade noch auf die Fähre.



Von Marokko habe ich nun zwar nicht allzu viel gesehen, insbesondere nicht, wie geplant, die wohl sehr sehenswerte Altstadt von Tanger, aber ich bin trotzdem sehr zufrieden, immerhin bin ich ein paar Stunden in Afrika geradelt und erstmals außerhalb Europas.

Auf der Fähre steuere ich erstmal das Restaurant an, denn ich hatte in Marokko keine Zeit und Gelegenheit, irgendetwas zu essen und meine Dirham auszugeben. Bei der Fähre handelt es sich um eine Schnellfähre, die Überfahrt ist daher kürzer als die Fahrt von Algeciras nach Tanger-MED. Der Antrieb (man nennt es wohl Wasserstrahl- oder Jetantrieb) schleudert zwei gewaltige Wasserfontänen hinten aus dem Schiff. Die Sicht ist trotz des nach wie vor bewölkten Wetters recht gut, man kann die gesamte Straße von Gibraltar überblicken und sieht den Felsen von Ceuta,



Tanger-MED und die Küste, die ich entlanggefahren bin, Tanger und Tarifa sowie die zahlreichen Frachtschiffe und Tanker, die teilweise recht nah unseren Kurs kreuzen.



Als es ans Aussteigen geht, sind leider die drei vollbepackten Reiseräder, die ich beim „Einparken“ unter Deck gesehen hatte, nicht mehr da; ich hätte gerne noch ihre Besitzer kennengelernt und mich mit ihnen unterhalten; sie hätten mir sicher von „richtigen“ Radreiseerlebnissen in Marokko berichten können… Tarifa macht gleich einen netten Eindruck. Der Campingplatz ist mir zu weit draußen, und so suche ich eine feste Unterkunft. Ich merke schnell, daß hier fast alles ausgebucht ist, finde aber schließlich ein wunderschönes Zimmer in einer Pension direkt in einer der Altstadtgassen (Hostal Africa); ich muß allerdings ein Doppelzimmer nehmen (und als solches bezahlen). Der Wirt ist sehr kommunikativ und zeigt mit auch die traumhafte Dachterrasse, auf der ich mich erstmal gemütlich mit einem Bier niederlasse. Es wird langsam dunkel, und man hat von hier einen wunderbaren Blick auf die marokkanische Küste. Ich erkenne anhand der Lichter das Hafenareal von Tanger-MED, die Stadt Tanger und den gesamten dazwischenliegenden Küstenabschnitt, den ich heute, leider unter ziemlichem Zeitdruck, entlanggeradelt bin.

Anschließend schaue ich mich noch in der Altstadt um. Eigentlich ist heute spätabends eine Prozession (die Karfreitagsprozession), aber aufgrund des Wetters findet sie lediglich in der Kathedrale statt (obwohl es gerade nicht regnet, aber wohl zur Sicherheit, um das kostbare Paso zu schonen). So wird das Paso nur unter den lauten Klängen der Kapelle in der mit Menschenmassen gefüllten Kathedrale hin- und hergetragen. Ich bin froh, die Prozessionen in Ronda am Tag vor dem Wetterumbruch ausgiebig genossen zu haben.

Fortsetzung folgt…