Re: Auf Schotterpisten durch die Westalpen

von: lutz_

Re: Auf Schotterpisten durch die Westalpen - 23.10.12 17:04


Mit der Morgendämmerung sind wir bald schon wieder auf den Beinen. Nach kurzem Ausrüstungscheck stellen wir fest, dass alles da ist, nur der Radschuh fehlt nach wie vor. Wir patroullieren über den Campingplatz und suchen unter Hecken, im Gebüsch, hinter dem Sanitärblock, ohne Ergebnis. Sowas aber auch! Naja, erstmal Frühstücken. Die Gaskartusche verweigert den heißen Morgentee, na dann eben nicht. Das nächste Frühstück gibt's sowieso im Café de Lyon in Nizza. Wir packen zusammen, hilft ja nix, muss Madame eben mit Crocs radeln… ;-)

Kurz vor der Abfahrt machen wir uns nochmal auf einen finalen Suchdurchgang über den langsam erwachenden Camping. Die Zeltnachbarn haben zwar auch nächtliche Geräusche vernommen aber nichts bemerkt. Kurze Zeit später aber stellen sie fest, dass auch bei Ihnen ein Schuh fehlt. Geteiltes Leid ist halbes Leid, bringt aber nicht die fehlenden Schuhe zurück. Hinter einem Holzbungalow schließlich werden wir fündig: 5(!) mehr oder weniger angenagte Schuhe finden sich hier. Ha! Zum Glück ist von unserem Radschuh nur die Klettlasche angenagt. Ansonsten ist der Schuh noch wohlbehalte und hocherfreut über die Heimkehr an den schmalen Fuß seiner Besitzerin. Es lässt sich nicht klären, ob hier ein Hund oder ein Fuchs am Werk war, der Rezeptionist schwört Stein auf Bein, dass sowas noch nie vorgekommen sei. Sehr lustig jedoch ist der Anblick der Spätaufsteher, die aus dem Vorzelt kommen und plötzlich ihre Schlappen suchen. Alle sind froh, dass die Schuhe wieder auftauchen und mit etwas Verspätung verlassen wir den Ort der nächtlichen Schuhattacke.

Wir kaufen in Breil sur Roya noch ein zweites Frühstück und folgen dann dem Tal der Roya nach Süden. Hier passieren wir wiederum die Grenze nach Italien, biegen aber kurz hinter der Grenze auf eine kleines Sträßchen ab, das uns hinüber ins französische Sospel bringen soll. Hier ist die Vegetation schon sehr mediterran und die Sonne brennt auf uns herab. Leider sind die Feigen an den Feigenbäumen noch nicht reif. Kurz nach einem kleinen Zwischenpass biegt linker Hand ein Wanderweg ab, der einige Höhenmeter spart. Also folgen wir dem Steig, der uns bald darauf in steilen Kehren zum Absteigen und Schieben zwingt. Hoch über dem Fluss entlang geht es dann an steilen Felsen entlang, ein Straßenschild warnt vor Steinschlag am Wanderweg. Kurz vor Sospel mündet unser Wanderweg wieder auf die Straße und wir rollen ins freundlich Sospel. Hier herrscht netter Trubel und wir machen Mittag und beobachten die flanierenden Leute.













Im Syndicat d'Initiative fotografiere ich noch einen Übersichtsplan mit MTB-Strecken in der Region und wir finden eine schöne Alternative zur Asphaltstraße. Statt der Passstraße über den Col de Braus folgen wir einem kleinen Sträßchen Richtung Campingplatz. Am Waldrand beginnt der Schotterweg, der in weiten Kehren durch den schattigen Wald nach oben führt. Im übrigen eine der wenigen von uns befahrenen Strecke, die nicht in der Wanderreitkarte (basierend auf den Daten von Openstreetmap) verzeichnet war. Nach rund 700 Höhenmetern öffnet sich der Wald und auf einem kleinen Singletrail rollen wir hinab zur Passhöhe des Col de Braus. Hier überqueren wir die Straße um auf der anderen Seite einem weiteren Schotterweg auf die kahlen Höhen zu folgen. Von hier oben hat man erstmals das Mittelmeer im Blick, deutlich ist der Flughafen von Nizza auszumachen. Dank des abfotografierten Pistenplans und der guten Wegmarkierung folgen wir einem schmalen und steilen Steig hinunter Richtung L'Escarène. Im unteren Teil verbergen sich tolle Villen mit Swimmingpools hinter hohen Mauern und Videokameraüberwachten Garagentoren, wir sind im Hinterland der Cote d'Azur angelangt.

Der Campingplatz im Tal des Paillon stellt sich als heruntergekommene Baustelle mit etwas kauziger Besitzerin raus. Rechtzeitig vor einem enormen Gewitterguss bauen wir das Zelt auf. Der Guß erwischt mich unter der Dusche, der anschließende Starkregen verhindert meine Rückkehr ins Zelt, so dass ich in einem aufgebauten Pavillon neben dem Sanitärblock ausharre und dort alle ausliegenden Flyer für die touristischen Highlights der Region auswendig lerne. Stadtrundfahrt mit Segway durch Nizza gefällig?

Nach über einer Stunde lässt der Regen langsam nach, der Platz hat sich in eine Riesenpfütze verwandelt, einige Quechua-Zelte sehen nicht mehr gut aus, unser wohlweißlich auf abfallendem Gelände aufgebautes Zelt hat aber dicht gehalten. Bei schönem Abendlicht gibt es noch einen tollen Regenbogen zu bestaunen. Mangels Alternativen gibt es Pizza vom Pizzawagen, der sich allabendlich hier am Kreisverkehr positioniert. Nicht die schlechteste Wahl, nur Bier wollten sie uns dort nicht verkaufen…