Re: Auf Schotterpisten durch die Westalpen

von: lutz_

Re: Auf Schotterpisten durch die Westalpen - 12.10.12 14:58

Am nächsten Morgen genießen wir es mal zur Abwechslung nicht das Zelt einpacken zu müssen sondern einfach einen Stock tiefer zum Frühstück hinunter zu gehen. Naja, das was man in Italien eben so unter Frühstück versteht: Zwieback mit Butter und Marmelade. Für uns als Nicht-Kaffee-Trinker gibt es wenigstens einen großen Pott Tee. Zum Glück haben wir am Vortag noch Bananen, Brötchen und Schokopudding gekauft und können so das Frühstück noch etwas aufpeppen. Die paar Joule vom Zwieback wären ansonsten bereits nach wenigen Kurbelumdrehungen bereits verpufft. Ein paar Schleierwolken deuten schon den angekündigten Wetterwechsel an. Also machen wir uns auf den Weg. Gerade als wir aus dem Rifugio Pian delle Gorre treten fliegt ein Helikopter mit Fahrrad an Bord den Berg nach oben. Leider wollte er uns nicht mitnehmen, müssen wir eben selber strampeln. Direkt hinter der Hütte führt der Forstweg steil nach oben in den Wald. An ein paar Wasserfällen vorbei führt ein schmaler Wanderweg, der uns an die Steigen der heimischen schwäbischen Alb erinnert. An einer Schäferhütte füllen wir unsere Trinkflaschen nochmals auf, im Karstgebiet das wir heute durchqueren werden wir keine weitere Wasserstelle finden.

Über geschickt ausholende Kehren gewinnen wir auf einer bis auf wenige Stellen fahrbaren Alpinitrasse in einem schmalen Hochtal an Höhe. Der Blick nach Norden auf die Po-Ebene und den dahinter aufragenden Alpenbogen sind beeindruckend. Auf dem Kamm sehen wir auch das Fahrrad wieder, das heute früh noch am Helikopter baumelte. Zusammen mit einem Zelt, einem kleinen Bagger und einigen Gerätschaften arbeiten 3 Männer an der Weganlage zum Passo del Duca. Die letzten Hundert Höhenmeter müssen wir das Gepäck abnehmen und zum schmalen Durchgang des Passes tragen und die Räder nachholen.































Auf der anderen Seite des Passo del Duca führt der schmale Steig etliche Höhenmeter hinunter auf den Boden einer Karstebene. An einer weiteren Schäferhütte vorbei führt ein aus napoleonischen Zeiten stammender Militärweg ca. 400 Höhenmeter bergauf. Dabei schlängelt sich der Weg durch die unübersichtlichen Karsthänge. An mehreren Stellen müssen wir absteigen und die Räder schieben, an einer unübersichtlichen Stelle folge ich den falschen Wegspuren, bemerke meinen Irrtum erst spät und muss kostbar erkämpfte Höhenmeter wieder zurück. Im oberen Teil wird die Piste dann leichter und die (verschlossene) Hütte Capanna Morganitini wird sichtbar (kein Wasser!). An der Passhöhe des Colle Piana angekommen überqueren wir die Grenze von Italien nach Frankreich. Eine steile Jeepspur führt hinunter zum steinigen Band der ligurischen Grenzkammstraße, die vom Tenda-Pass und dem Fort Centrale herüberführt. Erst hier treffen wir wieder auf andere Menschen. Zum Glück hält das Wetter, auch wenn die Bewölkung nun doch stark zunimmt.

Auf der Grenzkamstraße müssen wir noch ein paar Meter bergauf, entgegen der Beschreibung von Achim Zahn sehen wir weder Mottorräder mit aufgeschlitzen Ölwannen noch Lenker normaler PKWs, die weder vor noch zurück können. Allerdings erfordert der Belag aus gerippten Karstfelsen und großen Felsbrocken konzentriertes Fahren, bergab sind wir nur unwesentlich schneller als bergauf. Von der Punta Margeis kommen einige Wanderer, die wir später an der Rifugio Don Barbera wiedertreffen. Die 2006 eröffnete moderne Hütte bietet eine schöne Unterkunft knapp unterhalb des Colle dei Signori. Die Hütte ist fest in der Hand von italienischen und deutschen GTA-Wanderern. Auf Grund der Schönwetterperiode herrscht akuter Wassermangel, dann gibt es eben statt einer Dusche eine Ganzkörperwaschung, da reicht auch 1 Liter Wasser dafür. Wir lesen draußen vor der Hütte in den letzten Sonnenstrahlen, die von den aufziehenden Regenwolken noch durchgelassen werden. Als wir unser letztes Buch in der Mitte durchschneiden, kommen wir mit einem deutschen Wanderer-Paar ins Gespräch, die statt Bücher zwei Amazon Kindles dabei haben und begeistert davon erzählen. Die Dinger sind in der Tat wesentlich leichter als unser "Schinken" und enthalten mehrere Titel, so dass genug Lesestoff für eine ganze Urlaubsreise an Bord ist. Akkulaufzeit ist offenbar kein Thema, da nur beim "Umblättern" Energie verbraucht wird. Mal schauen, bis Weihnachten ist es ja nicht mehr lang…

Das leckere Abendessen wird tischweise serviert und man unterhält sich nett untereinander, eine sehr angenehme Atmosphäre. Im Matrazenlager lässt sich trotz schnarchender Zimmerkollegen und einsetzendem Regen gut schlafen, Ohropax sei Dank!