Re: Auf Schotterpisten durch die Westalpen

von: lutz_

Re: Auf Schotterpisten durch die Westalpen - 04.10.12 09:03

Am nächsten Morgen stehen wir früh auf, denn eine lange Etappe mit ca. 2000 Höhenmetern bergauf steht bevor (siehe hier und hier). Hier im Talkessel von Marmora dauert es lange, bis die Sonne unseren Zeltplatz erreicht. Bis dahin haben wir schon gefrühstückt und das vom Tau nasse Zelt eingepackt. Unsere schweizerischen Zeltnachbarn krabbeln erst aus dem Zelt als wir schon fast abfahrbereit sind. In der Rezeption fotografiere ich noch die Kartenabschnitte für den heutigen Tag ab und dann machen wir uns auf den Weg. Direkt am Ausgang des Campings überquert man den Bach, dessen Verlauf wir am schattigen Osthang talein folgen. Die Straße steigt zunächst in angenehmer Steigung. Im mittleren Abschnitt jedoch gibt es ein paar böse Rampen. Gemeinerweise sind die Kilometerschilder mit den Steigungsprozenten für den folgenden Kilometer durcheinander geraten. So führt die Strecke mit angekündigten 11 % mittlerer Steigung lange fast eben durch den lichten Lärchenwald. Wenn das zunächst so flach ist, was muss dann noch für eine Mörderrampe folgen, damit das im Mittel 11 % werden sollen? Aber es folgt keine Rampe, die Angaben sind schlicht falsch und irreführend. An manchen Stellen ahnt man, dass die Straße hier öfter weggespült wird, an wenigen Stellen wird das Fundament gesichert. Durch den lichter werdenden Lärchenwald taucht im Norden wieder der Monte Viso auf und beherrscht die Szenerie. Oberhalb der Waldgrenze durchfährt man einen schönen Talkessel, in dem sich zahllose Murmeltiere tummeln und auch fotografieren lassen. Als man über eine Brücke auf die Westseite des Tales wechselt befindet sich eine Alm mit einer beeindruckenden Sammlung an Kuhglocken. Die letzten der 1400 Höhenmeter zum Colle d'Esischie kann man die tolle Aussicht auf die Gipfel ringsum genießen. Erst hier oben werden wir von den ersten Rennradlern überholt, von den ganzen Mountainbikern gestern abend in der Posto Tappa keine Spur. Von der Passhöhe hat man einen schönen Blick tief hinunter in die Po-Ebene. Keine 50 Meter hinter der Passhöhe des Colle d'Esischie muss man in einer Linkskurve rechts abbiegen, um den Colle dei Morti zu erreichen. Dieser befindet sich nur etwa 100 Höhenmeter höher als der zuvor überquerte Colle d'Esischie. Das markante Denkmal für den berühmten italienischen Rennradfahrer und Tour de France-Sieger 1998 Marco Pantani ist schon von weitem zu erkennen. An diesem wunderschönen Tag herrscht hier doch nun einiges an Ausflugsverkehr. Die kleinen asphaltierten Sträßchen bieten vielfältige Möglichkeiten zu Rundtouren mit dem Rennrad.
























Wir aber wollen aber auf die geschotterte Maira-Stura-Kammstraße, die zu dem weiten Netz von historischen Militärstraßen gehört (näheres hier). Also biegen wir nach kurzer Abfahrt am Col de Valclavera auf ein unscheinbares Sträßchen, das durch einen schmalen Durchschlupf führt. Hier öffnet sich das Panorama und wir erkennen das weiße Schotterband der Maira-Stura-Kammstraße, die hier auf ca. 2400 Metern Höhe 17 Kilometer parallel zum Stura-Tal immer in Kammnähe verläuft. Obwohl für den motorisierten Verkehr geöffnet ist hier trotz des Kaiserwetters fast nichts los. Auf dem gesamten Streckenverlauf begegnen wir nur einer Handvoll Autos, die meist irgendwo an einem schön gelegenen Picknickplatz parken. Auch Radler treffen wir erst wieder am Rifugio La Gardetta. Die Kammstraße lässt sich problemlos befahren, bietet tolle Ausblicke in einsamer und wilder Landschaft. Ganz nach unserem Geschmack und unserer bescheidenen Meinung nach wesentlich schöner als die Assietta-Kammstraße bei Susa.
























Am Rifugio Gardetta gönnen wir uns eine dringend benötigte Stärkung. Hier sind nun auch wieder etliche Wanderer auf der Grande Traversata delle Alpi unterwegs. Wir genießen eine ausführliche Pause in der Sonne vor der Hütte. Allerdings liegen noch der Passo della Rocca Brancia sowie eine 1100 Höhenmeter Singletrail-Abfahrt ins Valle Stura vor uns. Also machen wir uns am frühen Nachmittag auf den Weiterweg...