Zentralasien 2011 Teil 2 - Kirgistan

von: estate

Zentralasien 2011 Teil 2 - Kirgistan - 08.06.12 23:14





Übersicht:

Ich bin von Tadschikistan südlich von Sary Tash eingereist und habe die Hauptstraße nach Osh genommen, wo ich aber bei Gulcha über einen netten Pass abgebogen bin. Durch das Ferganabecken bin ich dann bis Jalal Abad und über den Pass nach Kazarman. Über die nördliche Route und vielen Pässen gelangte ich zum Hochgebirgsee Song Kol. Nach der spektakulären Abfahrt ging es dann nach Kochkur und dem rießigen Issuk Kul See. Nach Biskek habe ich dann die Hauptstraße genommen, und das Land Richtung Kasachstan verlassen.

Eigentlich hatte ich eine längere Route geplant, doch Taschikistan dauerte fast 8 Tage länger als gedacht, deshalb habe hier eine schnellere Route wählen müssen.


Karte:



Video

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Los geht's

Nachdem ich mit der Grenzabfertigung fertig war, ging gerade die Sonne unter.
Schon in der nächsten Kurve nach dem Grenzposten komme ich am ersten Jurtendorf vorbei.
Ich fahre zügig durch, als die ersten von bestimmt über 100 Hirtenhunde auf mich zustürmt. Allerdings fehlt mir die Angst, bzw. der Respekt von den Hunden und ich ignoriere sie. Erst daheim lese ich in ein paar Berichten, dass Radler duraus schon von den Hunden in Zentralasien gebissen wurden.
Ich fahre noch einige Kilometer in den Abend, bellende Hunde um mein Zelt mag ich einfach nicht. Die Straße verläuft jetzt quer durch das riesige Tal, auf dessen anderen Seite Sary Tash liegt.



Mein einsamer Zeltplatz im Flussbett ist eigentlich nicht so einsam wie gedacht, kurz nach Sonnenaufgang werde ich von einem Autofahrer geweckt, der mich aus der Entfernung grüßt. Als ich nicht aus dem Zelt komme fährt er weiter. Beim Frühstück kommt ein Lastwagen, der ebenfalls in der Nähe meines Zeltes den Fluss überquert.






Nach einer Stunde bin ich in Sary Tash, einem Ort mit einem Cafe, einem Lebensmittelgeschäft und keiner Bank. Viele Reisende haben hier schon versucht Geld zu wechseln. So auch vier Radler die gerade aus China kommen. Sie haben sich nur zufällig an der Grenze getroffen und gehen jetzt verschiedene Wege. Sie sind von dem Angebot im Laden nicht so überascht wie ich. Hier gibt es schon mehr als praktisch in den meisten Taschikischen Läden, sogar ein Eis am Stiel. Ich bekomme noch Chinesische Ramen Nudeln geschenkt, von denen die Radler wohl in China genug gegessen haben. Ich beschließe mit Daniel, einem Südkoreaner auf Fahrradweltreise, Richtung Osh zu fahren. Daniel ist nicht sein richtiger Name, er nennt sich so, sein richtiger Name ist nicht aussprech, bzw. merkbar.
Obwohl wir schon auf 3000 Meter höhe sind, müssen wir erst noch auf 3500 um dann ins Ferganabecken abfahren zu können.





Einige kirgisische Bauarbeiter mit Daniel


Nach einigen Gegensteigungen erreiche ich den Pass, während Daniel schon länger wartet.








Die Passstraße ist noch immer im Bau, die Chinesen treiben hier eine richtig breite Straße in den Berg. In Europa würde man soetwas nicht machen, sondern die Straße und den Hang mit Bewehrungsanlagen schützen. Hier übernimmt einfach die Breite diese Aufgaben.

Nur durch die Serpentinen werden nicht so viele Höhenmeter vernichtet. Als wir unten zwei Amerikaner treffen, sind wir nur 400 Meter niedriger. Die Amerikaner sind auch auf den Rädern auf Weltreise, allerdings nehmen sie ab Duschanbe den Flieger, da sie ja nicht durch den Iran können.

Wenige Kilometer später können wir es kaum fassen: Es gibt frischen Asfalt! Die weitere Abfahrt ist denkbar lustig.







In den Orten kommen die Kinder aus allen Richtungen angerannt, obwohl hier wirklich sehr viele Radler durchkommen. Normalerweise wird fröhlich gewinkt, nur bei einem Melonenstand an dem wir nicht halten, werden uns ein paar Steine nachgeworfen, allerdings sehr schlecht gezielt.
Als die Sonne anfängt aus dem Tal zu verschwinden, und ich schon ziemlich erschöpft von Daniels Tempo bin, meint er "Let's push it for 100 Kilometer" Ich bin mir nicht sicher wie viel er heute schon gefahren ist, aber ich klemme mich in den Windschatten seines Surly Long Haul Truckers und halte brav durch. Das Nachtlager schlagen wir in aller Öffentlichkeit bei einem verlassenen Haus auf. Gegenüber ist ein Dorf 300m entfernt. Natürlich bekommen wir noch Besuch von der Dorfjugend, die uns sehr neugierig begutachtet. Die Burschen haben einen Anführer, einen 12 jährigern der als Einziger auf einem Esel reitet. Er unterhält sich mit uns und weist die anderen Kinder zurecht, als sie zu neugierig werden.

Ich werde am nächsten Tag von 10 Eseln geweckt, die zwischen den Zelten herummaschieren. Schließlich gehen sie in die Grundmauern des verlassenen Hauses, wo sie dann einfach eine Stunde lang grundlos herumstehen.
Den Vormittag geht es weiter durch das Tal immer leicht bergab. In Gulcha verabschiede ich mich von Daniel und probiere Geld zu wechseln. Die einzige Bank hat Mittagspause, und ich kaufe mir in einer Bäckerei ein paar Weckerln. Soetwas hat es in Taschikistan nicht gegeben. Da musste man schon froh sein, wenn die Läden überhaupt Brot hatten. In der gut bewachten Bank wird mir wird der Weg zur "Kassa" gezeigt, wo man Geld wechseln kann. Offenbar gibt es nur dort in der Bank Geld, denn der Schalter ist sehr gut gegen Überfälle gesichert.

Nach Gulcha möchte ich noch möglichst weit auf einen 2500m Pass rauf, der mir die Stadt Osh und noch einiges an langweiliger Strecke ersparen soll. Da ich kein GPS und keine guten digitalen Karten mehr habe, frage ich mich nach dem Pass durch, was eigentlich gut funktioniert. Ein Bursche am Fahrrad zeigt mir den falschen Weg an, weil er mich seinen Freunden vorstellen will und mich einlädt mit ihnen am Fluss zu Baden. Seine Freunde zeigen mir dann den exakten Weg, können aber kaum glauben, dass ich mit dem Rad dort drüber will.
In den Dörfern nach Gulcha treffe ich einige Betrunkene Usbeken, die in dieser Gegend eine große Bevölkerungsgruppe darstellen. Nach den Unruhen im Jahr zuvor sind sehr viele von ihnen geflüchtet.
In dem Seitental, das ich jetzt Richtung Pass hinauffahre herrscht irgendwie eine eigenartige Stimmung. Man wird nicht mehr so freudig begrüßt und ein Auto schneidet mich absichtlich. Allerdings kann es auch Einbildung sein, da mir andere Reisende erzählt haben, dass die Kirgisen hier nicht so freundlich sind wie im Norden. Der Eindruck wird aber schnell zerstört, als mich ein Kühlwagen anhält der Fahrer etwas mit mir redet und ich dann zwei Eis am Stiel geschenkt bekomme. In diesem Tal sind nach der Reihe langgezogene Dörfer, und alle Einwohner scheinen an den zahlreichen Berghängen Gras zu ernten. Erst später komme ich drauf, dass das Gras für den Winter ist, und die andere Hälfte der Einwohner gerade mit dem Vieh in Jurten auf den Bergen ist. Wieder einmal muss ich noch einige extra Kilometer leisten, bis ich einen Zeltplatz abseits der Häuser finde.


Am nächsten Tag geht es die restlichen Höhenmeter auf den Pass hinauf. Die Grasernter sind schon überall auf den Hängen. Einer davon lädt mich zu einer Wassermelone ein, was ich aber freundlich ablehne, ich will auf den Pass, bevor es warm wird, und ihm nicht die Jause wegessen. Nach viel weniger Kehren als gedacht bin ich am Pass, wo einige Jurten aufgeschlagen sind. Neben den Ziegen gibt es hier auch Truthäne und Hühner.






Die Abfahrt führt durch einige Dörfer und eine Schlucht und endet schließlich im Ferganabecken.
Hier gibt es wenig zu sagen, höchstens dass die Menschen viel freundlicher sind als beschrieben. So bekomme ich Melonen und eine Mitfahrgelegenheit nach Bishkek angeboten. Als ich Tomaten kaufen will, schenkt mir der Verkäufer gleich die besten seiner Exemplare.







Kriegerdenkmal für den Afghanistankrieg





Hier ist es garnicht so leicht einen Platz zum Zelten zu finden. In einem Flussbett werde ich dann doch fündig. Sehen kann mich allerdings jeder.

Am nächsten Tag kaufe ich mir das erste Mal seit Jahren eine Flasche Coca Cola - noch bin ich nicht so weit, dass ich einfach aus den Flüssen und Bewässerungsanlagen das Wasser entnehme.

Nach einigen Kilometern kann ich nach Usbekistan schauen denn die Straße verläuft knapp der Grenze entlang.
Interessant auf wie viele Länder ich während der Tour blicken kann: Afganistan, Pakistan, Usbekistan, China, sowie fast in die Mongolei und Russland.



Das Ferghana Becken


In Jalal Abad brauche ich das Internet, ich möchte neue Lieder für meinen MP3 Player - die alten hat ein Virus zuvor gelöscht - sowie Google Maps Karten abfotografieren.
Überall sehe ich das Grafiti "Kyrgisk" oder so ähnlich. Ich denke nicht darüber nach, allerdings sehe ich es so oft, dass ich mich noch genau daran erinnern kann.
Nach der Reise erfahre ich dass damit Eigentum von Kirgisen markiert wurde, damit es bei den Unruhen vor einem Jahr verschont bleibt.




Endlich Fleisch!

Was mir an Jalal Abad sonst so auffällt, sind sehr viele gehobene Hausbauprojekte, die im Rohbau stehen geblieben sind.
Gegen den Abend hin, fahre ich noch aus der Stadt raus und nehme die unscheinbare Straße nach Kasarman.
Erstaunlich wie unspektaklär diese Straße aus der Stadt verläuft, immerhin verbindet sie Jalal Abad zumindest flächenmäßig mit einem Drittel von Kirgistan.
Einen Zeltplatz zu finden ist schwer, überall sind noch Hirten und Bauern am Arbeiten. Sie nutzen offenbar den kühlen Abend aus.

Natürlich werde ich eingeladen, als ich frage, ob ich auf dem Acker übernachen darf. Allerdings war es heute zu anstrengend, und ich lehne dankend ab.
Außerdem soll man ja 3x aus Höflichkeit ablehen. Die Bauern meinen etwas von Wölfen, was ich mir in dieser Gegend nur schwer vorstellen kann. Vielleicht meinen sie wilde Hunde.


Der nächste Tag dient der Passanfahrt und stellt den Übergang des Beckens ins Gebirge dar. Als ich raste hält ein Audi, und ich bekomme eine frische Sonnenblume vom Durchmesser einer Pizza. Sonnenblumenkerne sind offenbar sehr beliebt, an allen Rastplätzen sieht man ihre Schalen.