Südbolivien mit dem Fatbike

von: wal

Südbolivien mit dem Fatbike - 28.01.16 14:04

Hallo zusammen,
es gibt bei mir ja durchaus einige Reiseberichte nachzuholen... Ich beginne mal mit der letzten Tour, über Weihnachten/Neujahr in den Süden Boliviens.

Wer nur einfach Bilder durchklicken möchte, wird HIER fündig. Ich werde hier, da es mit den Einstellen von Bildern doch etwas kompliziert ist, nur einzelne Bilder einbinden.
Wer einen schön formatieren Bericht mit integrierten Bildern anschauen möchte, klicke auf den externen Link zum Reisebericht Bolivien.

Für mich war der Anlass für diese Reise so ein bisschen die Suche nach einer Region, die dem Hochland von Tibet möglichst ähnlich ist, denn das ist die Landschaft, die ich seit meiner Reise dort vor sieben Jahren sehr gerne nocheinmal erleben würde... Und ja, das südamerikanische Altiplano hat mir sehr, sehr gut gefallen, ich war sicher nicht zum letzten Mal dort.

Start- und Endpunkt der Reise war Uyuni, erreichbar sehr unkompliziert mit einem Nachtbus von La Paz. Ich verbrachte dann drei Wochen in Bolivien, davon blieben dann aber unter Berücksichtigung der Aufeinanderfolge von Hin- und Rückflug und den Busfahrten nur noch 17 Tage zum radeln übrig.
Zeit genug, um von Uyuni aus eine Runde über den Salar und auf der bekannten Lagunen-Route zu unternehmen. Also, los geht's:

Salz bis zum Horizont: Salar de Uyuni

Uyuni, 6:00 morgens, es geht los. Der Bus aus LaPaz war pünktlich, das Rad unbeschädigt transportiert, und ich nach 24 Stunden auf 3600 m erstmal auch so leidlich an die Höhe angepasst. Es kann nun also endlich losgehen. Die Stadt ist noch wie ausgestorben, nur ein Marktstand, der Frühstück verkauft hat schon geöffnet. Es gibt frittierte Teigfladen mit Api, einem Maisgetränk.


Die 30 km bis Colchani sind schnell auf einer nagelneuen Asphaltstraße geradelt, dann noch 5 km Piste, und plötzlich nur noch Salz. Fast unmerklich ging die Lehmpiste in die Salzkruste des Salar über.

Der Salar de Uyuni ist mit mehr als 10 qm der größte Salzsee der Erde. Die Salzfläche, auf der ich mich nun bewege, ist eine durch Verdunstung entstandene mehrere dezimeter- bis meterdicke Salzschicht, die, ähnlich einer Eisschicht, den bis zu 100 Meter tiefen See bedeckt. Die Verdunstung des kapillar aufsteigenden Wassers produziert dann diese berühmten vieleckigen Muster in der Salzkruste. Erinnerungen kommen auf an die winterliche Radtour auf dem Baikalsee. Ist das wirklich Salz? Sieht doch auch aus wie Eis… Nur die Temperaturen von über +40°C sind entgegengesetzt zu meiner letzten Radtour auf einem See: am Baikalsee war es ja minus 40°C…


Eine Piste führt gerade nach Westen, das passt. Es ist die Richtung zu der Kakteeninsel in etwa 70 km Entfernung. Die Piste ist gut zu fahren, glattpoliert von den zahlreichen Geländewagen. Es fährt sich geradezu wie auf Asphalt: hart, glatt, und da ich mich auf einer Seeoberfläche bewege, eben auch perfekt flach. Mit 20 bis 25 km/h „flitzt“ das Fatbike über die Salzpiste. Wenn man von der Piste etwas abzweigt und über die Polygone fährt, ist es deutlich holpriger, aber irgendwie auch lustig. Die hohen Geschwindigkeiten gefallen mir aber besser, insofern kehre ich nach kurzen Ausflügen über die Polygone immer wieder auf die bequem fahrbare Piste zurück.
Ab Mittag kommt starker Wind auf, aus Süd-West, also irgendwie auch von vorne. Dieses Muster wird sich in den nächsten Tagen immer wiederholen: ab Mittag ist Sturm, und je nach Bedingung zum Radeln eher schwierig. Der Wind bremst die Fahrt natürlich, aber heute ist am Ende des Tages auf 100 km trotzdem noch eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 16km/h übrig. Nicht schlecht für den ersten Tag, finde ich. Dennoch bin ich ziemlich platt, als ich an der Insel Incahuasi ankomme und gönne mir ersteinmal ein Abendessen im Cafe der Nationalparkstation.

Schon lange hat man die Silhouette der Insel vor sich gesehen, zuerst als flimmernden schwarzen Fleck, dann als größerer Fleck, dann sieht man irgendwie die ersten Kakteen auf den Felsen, dann werden erste Details sichtbar, und schließlich kann man das Rad an einen Felsen am Ufer parken. Die Luft ist so klar, dass es schwierig ist, die Entfernungen richtig einzuschätzen.
Abends bemerke ich, dass ich trotz Sonnenschutz ordentliche Verbrennungen davon getragen habe: Ohren, Nase, Lippen, Arme und selbst die Fußzehen sind gut verbrannt…
Die Insel ist nicht besonders groß, bietet aber mit der kleinen Anhöhe einen Schönen Aussichtspunkt über den See und auf den Vulkan Tunupa. Es gibt zwei Arten an Kakteen auf der Insel, die besonders am späteren Nachmittag und zu Sonnenaufgang am nächsten Morgen in einem warmen Licht erscheinen. An Tieren entdecke ich zahlreiche Finken und ein Viscacha. Ich genieße den Sonnenuntergang und die einkehrende Ruhe, nachdem auch der letzte Geländewagen den „Parkplatz“ an der Insel verlassen hat. Immerhin gibt es hier schöne Zeltmöglichkeiten auf dem Salz, dazu auch Tische und Stühle gebaut aus Salzklötzen. Erst so gegen 22 Uhr legt sich der Wind.




(Fortsetzung folgt...)
von: blauer Blitz

Re: Südbolivien mit dem Fatbike - 28.01.16 14:40

Du bist aber auch immer weider für überraschende und top Reiseberichte gut. schmunzel
Spitze!
von: Rennrädle

Re: Südbolivien mit dem Fatbike - 28.01.16 15:26

ich bin schon auf weiteres gespannt. Aber vermutlich ist der Uyuni größer als 10qm grins

Renata
von: kettenraucher

Re: Südbolivien mit dem Fatbike - 28.01.16 16:30

Du bist eine extrem erfahrene Tourenradlerin - insbesondere auch in extremen Regionen. Deiner sehr beeindruckenden Website habe ich entnommen, dass es Deine erste Reise mit einem Fatbike war. Deshalb bin ich ziemlich neugierig, wie Du das Reisen und Fahren mit einem Fatbike im Vergleich zu deinen nicht minder eindrucksvollen Exkursionen mit "konventionellen" Rädern beurteilst bzw. beschreiben würdest.
von: Keine Ahnung

Re: Südbolivien mit dem Fatbike - 28.01.16 19:49

Eine etwas andere Radreise - aber nicht minder interessant! Ich bin schon gespannt auf die Fortsetzung.
von: Thomas1976

Re: Südbolivien mit dem Fatbike - 28.01.16 19:54

In Antwort auf: Keine Ahnung
Eine etwas andere Radreise - aber nicht minder interessant! Ich bin schon gespannt auf die Fortsetzung.


Hast Du von Waltraud was anderes erwartet zwinker Bei einer reinen Pistentour könnte ich mir die Anschaffung eines Fatbike auch sehr gut vorstellen.
Die nächste Radreise von mir auf Taiwan wird aber wohl vermutlich eine reine Asphalttour.

Zum Bericht:
Einfach mal wieder nur grandios bravo

Gruss
Thomas
von: Friedrich

Re: Südbolivien mit dem Fatbike - 28.01.16 20:13

Grandiose Landschaft gekonnt eingefangen bravo. Deine Erfahrungen mit dem "Dickfettreifenfahrrad" würden mich auch interessieren.
von: wal

Re: Südbolivien mit dem Fatbike - 28.01.16 20:23

Nun ja, es ist wie mit der Wahl jeden anderen Fahrradtyps halt auch: Der Einsatzbereich muss schon dazu passen, und da hat man heutzutage schon einiges an Auswahl:


Ich habe auf dieser Tour in Bolivien, die in vielen Etappen aus langen Passagen an weichem Untergrund (=Sand) bestand, das Fatbike als ziemlich genial empfunden. Es ist tatsächlich so, dass ich damit weiche Passagen fahren konnte, die ich mit "normalem" Mountainbike definitiv geschoben hätte. Unter gebebener Leidens- und Leistungsfähigkeit erschließen sich also mit dem Fatbike durchaus Pisten/Regionen, die sonst einen hohen Anteil an Schiebepassagen enthalten würden oder gar unfahrbar wären. Dies gilt aber nur für weichen Untergrund (Sand, Schnee, Matsch,..), den Berg hoch fährt es nicht von selbst schmunzel .
Mein Fatbike ist übrigens vom Eigengewicht her nicht nennenswert schwerer als mein übliches Reise-Mountainbike.
Rückblickend wäre ein Fatbike sicher sehr angenehm gewesen für meine (Offroad-)Tour im tibetischen Hochland oder auch für die Schneepassagen im Norden auf der Baikalsee-Tour.

Wie aber so oft, sind diese "Vorteile" die ich unter bestimmten Umständen - wie auf dieser Tour - für das Fatbike empfinde, schwer zu quantifizieren und zu verallgemeinern. Aber, auch weil ich leider momentan gesundheitlich nicht so leidens- und leistungsfähig bin wie gewohnt, sehe ich auch schon einen Vorteil dieses Radtyps, wenn ich mir auf gewissen Abschnitten einfach leichter tue (also weniger oft schieben muss).

Und: es ist einfach cool und hat vom Fahrgefühl auf den Sandpisten auch einfach unheimlich Spaß gemacht.
von: Dergg

Re: Südbolivien mit dem Fatbike - 28.01.16 21:48

Ich erinnere mich an meine Tour in Bolivien vor 12 Jahren, und ich muß zugeben, als ich Dein Rad gesehen habe, kamen gewisse Neidgefühle auf. Bolivien war das erste Land, in dem ich eine kleine Strecke das Auto genommen habe, weil ich nach gut 300km Rüttelpiste von Challapata nach Atocha einfach die Nase voll hatte.
von: wal

Re: Südbolivien mit dem Fatbike: vom Flachland ins - 29.01.16 05:42

Weiter geht's...

Die rasante Fahrt auf der flachen Salzoberfläche des Salar de Uyuni ist schnell, zu schnell vorbei und ich werde mit der Realität konfrontiert: Schlechte, sehr schlechte Pisten...
So gegen mittag erreiche ich das Ufer des Salar, irgendwo weiter im Süden. Von hier geht es über die Hügel bis San Juan, etwa noch 50km. In San Juan wird es die vorerst letzte Einkaufsmöglichkeit geben. Die Vegetation um mich herum besteht aus dornigen Büschen, ich muss aufpassen mit den dicken Reifen. Die Kakteen, die es auf der Insel Incahuasi gab, gibt es hier nicht.


Meine Fahrgeschwindigkeit sinkt auf 8 bis 10 km/h. Sand, Wellblech, dazu kommt ab mittags der Wind mehr oder weniger stark von vorne. Es muss gehen. Irgendwie. Schon bald merke ich, dass ich mit dem Fatbike auf den besonders schlimmen Wellblech-Abschnitten ganz weit außen fahren kann. Dieser äußerste Rand der Piste ist oft schon sehr weich, aber das stört nicht. Auch sandige, weiche Nebenpisten sind für mich eine gute Alternative. An längeren Steigungen allerdings habe ich noch Schwierigkeiten: obwohl grundsätzlich fahrbar, fehlt dann halt doch der Sauerstoff für den höheren Krafteinsatz... Ich hoffe, dass das in den nächsten Tagen besser wird, wenn ich auch besser an die Höhe angepasst bin.




San Juan ist dann irgendwann erreicht und ich fülle in einem der Dorfläden meine Vorräte auf.



... und der Laden hat hier noch richtig gute Auswahl!

Morgen früh geht es dann los, auf die Lagunas-Route. Die ersten 30 Kilometer bis Chiguana sind noch flach und gut zu fahrende Salzpiste, dann die Eisenbahnschinen überqueren, und dann aber dann geht es bergauf.



Ich sehe genau den Anstieg der Piste in der Ferne, und hier mache ich einen entscheidenden Fehler... Ich folge nicht den Geländewagenspuren, sondern halte direkt auf die in der ferne sichtbare Piste zu, quer über die Salzpfanne. Es ist eine Freude, wie das Fatbike über die dünne Salzschicht fährt. So macht es Spaß. Doch der Spaß ist dannn plötzlich vorbei: Der Untergrund hat sich verändert, die dünne, feste Salzschicht ist in eine lockere, weiche, aufgewölbte Schicht mit zahlreichen Polsterpflanzen übergegangen. Unfahrbar. Auch mit dem Fatbike nicht.



Was tun? Ich schaue zur Piste. Dort wo sie in die Steigung übergeht, muss ich hin. Schätzungsweise noch 3 bis 4 Kilometer. Den Verlauf der Piste über die Salzpfanne kann ich nicht erkennen. Zurückfahren? Nicht wirklich. Also laufen. Das geht, wird aber eine Stunde dauern, mindestens...
Die Schieberei über das weiche Salz hat mich dann in der Tat eineinhalb Stunden gekostet, und als ich die Piste erreiche, ist es schon mittags. Es ist heiß, und der Wind hat auch schon zugenommen. Das wird mir eine Lehre sein, etwas besser aufzupassen mit den Offroad-Passagen.


Der Nachmittag ist gelaufen. Zu viel Kraft hat das Schieben in der Salzpfanne gekostet. Die Piste ist auch nicht steinig, sonder eine Sandspur. Ich kann zwar fahren, aber schon nach wenigen Metern muss ich wieder anhalten, um Luft zu holen. Ich probiere zu schieben, aber ähnlich: ein paar Schritte, dann Pause zum atmen. Irgendwie schaffe ich auf diese Weise etwa 350 Höhenmeter, bis auf eine Höhe von 4000 Metern. Als ich dann eine wingeschütze Stelle finde, baue ich das Zelt auf und beschließe, dass es zur Höhenanpassung sowieso besser ist, nicht zu viel Höhenmeter auf einmal zu machen. Und morgens ist der Sand sowieso fester...


So ist es dann auch. Am nächsten Tag bin ich ausgeruht und die Sandpassagen bis zur Passhöhe auf 4200 Metern sind kein Problem. Ich freue mich über die ersten wärmenden Sonnenstrahlen und genieße die Aussicht über das goldgelb in der Sonne leuchtende Gras und auf die umliegenden Vulkane. Es folgt eine kurze Abfahrt durch ein sandiges Trockental, dann einige Kilometer auf einer gut gebauten Piste bevor es wieder steil bergauf über den nächsten kleinen Pass von 4300 Metern geht.


So langsam freunde ich mich an mit den Rahmenbedingungen für diese Radtour: holprige Pisten (Steine, Wellblech) auch auf den Abfahrten, Sand und nochmal Sand, heiße Tage (über 40°C), kalten Nächte (Wasserflasche gefriert), starker Wind bis Sturm aus Süd-West (also von vorne) ab mittags, kein Wasser außer an den menschlichen Stationen. Und: eindrucksvolle, einsame Landschaft! Also, weiter gehts...




Immer mal wieder sehe ich vor mir die Spuren eines anderen Tourenradlers. Ich schätze seinen/ihren Vorsprung auf ca. ein bis zwei Tage. Insgeheim vergebe ich mir von nun an immer dann einen virtuellen Pluspunkt, wenn ich fahre, wo der/die andere geschoben hat. Sozusagen den Fatbike-Bonus, und den gibt es auf einigen besonders sandigen Passagen richtig fett :-)


(weiter geht's dann später...)
von: Mütze

Re: Südbolivien mit dem Fatbike: vom Flachland ins - 29.01.16 06:42

WOW
von: Dergg

Re: Südbolivien mit dem Fatbike - 29.01.16 07:47

Mal ne Frage, ich las gerade was von einem "Bus aus La Paz" und einer "nagelneuen Asphaltstraße bis Colchani". Heißt das, die ganze Strecke von Challapata bis Uyuni ist mittlerweile asphaltiert? Auch die von Uyuni nach Villazon über Atocha und Tupiza?
von: wal

Re: Südbolivien mit dem Fatbike - 29.01.16 08:45

Es führt eine neue Asphaltstraße in Uyuni am Flughafen vorbei weiter nach Norden (Ruta 30). Wie weit die Asphaltoberfläche reichte kann ich nicht sagen. Die Busfahrt war nicht geeignet, dies rauszubekommen, weil nachts (= dunkel), und ich habe tatsächlich auch geschlafen.
In südliche Richtung vermute ich, dass es in der Tat die Straße Richtung Challapata ist (Ruta 21). Auch da: wie weit das tatsächlich geht, kann ich nicht sagen, weil ich in diese Richtung gar nicht gefahren bin. Die Straßen in Südwestliche und Westliche Richtung (Ruta 5, und 701) sind (noch?) nicht asphaltiert, haben aber teilweise eine exzellente gewalzte Salz-Lehm-Oberfläche, die sich wie Asphalt fährt.
So waren diese 30 km von Uyuni bis Colchani für mich die einzigen Teerstraßenkilometer auf der Tour.
von: Jakob

Re: Südbolivien mit dem Fatbike - 29.01.16 11:42

Ich bin neidisch!! Eine echt tolle Unternehmung mit dem Fatbike!

Jakob
von: wal

Re: Südbolivien mit dem Fatbike: Lagunen+Flamingos - 29.01.16 14:34

... ein paar Tage nach der vorerst „letzten“ Einkaufsmöglichkeit in San Juan de Rosario, breche ich gerade wieder auf nach einer kurzen Trinkpause am Straßenrand. Es ist schon wieder viel zu heiß, das Thermometer am Lenker zeigt 43°C. Ich bin gerade nicht so sonderlich motiviert, denn das Wellblechmuster der Piste ist nicht besonders schön zu fahren. Die Piste führt um eine weite Rechtskurve und gibt dann den Blick frei auf die erste Lagune, Laguna Canapa. Ich sehe das Salz am Ufer, das blau schimmernde Wasser, und kleine Punkte im Wasser: Flamingos!


Der Frust über die schlechte Piste ist vergessen, das Fatbike bollert über das Wellblech und die Steine und wenig später liegt das Rad im Kies direkt am Ufer der Lagune. Die Flamingos interessieren sich nicht weiter für die menschlichen Gäste. Man kann die Tiere in aller Ruhe beobachten und fotografieren.




Ich verbringe eine ganze Stunde an der Lagune bevor mich die plötzlich aufziehenden Wolken und der zunehmende Wind doch zum Weiterfahren bewegen. In etwa zehn Kilometern gibt es die nächste Lagune. Das sollte trotz Wind zu schaffen sein!



Die Laguna Hedionda hat eine dickere Salzkruste, die stark mit Schwefelmineralien durchsetzt ist, und die gelb in der Nachmittagssonne leuchten. Neben den Flamingos gibt es noch Lachmöven, die gerade brüten und höllisch Lärm machen. Die Flamingos stochern permanent im Salzschlamm nach Nahrung, sind hier aber scheuer als an der Laguna Canapa. Da es an der Laguna Hedionda eine Übernachtungsmöglichkeit gibt, und daher ausreichend Wasser, verbringe ich den Rest des Nachmittags an der Lagune die Flamingos beobachtend.




Laguna Chiar Khota, Laguna Honda, Laguna Santa Cruz. Die recht gut fahrbare Piste führt von Lagune zu Lagune, aber nur an der Laguna Honda sehe ich einige Flamingos, die in der gerade aufgehenden Sonne im Wasser stehen.


Die aber am meisten beeindruckende Lagune ist Laguna Colorada. Es ist 60 qkm groß, aber nur 1.5m tiefer See, der seinen Namen aufgrund der auffälligen roten Färbung durch eine rote Algenart und den hohen Mineraliengehalt des Wassers hat. Erst ein paar Tage nachdem ich die anderen Lagunen passiert habe, erreiche ich das Ostufer der Laguna Colorada. Eine farblich geradezu kitschige Aussicht bietet sich mir: klar blauer Himmel, braune Bergkulisse, bunt farbige Salz- und Algenteppiche im Wasser, in dem sich darüber hinaus Berge und den Himmel perfekt spiegeln. Im weißlich-gelben Salzschlamm und auf den rötlichen Algenfeldern waten die rosa Flamingos.






Auch der Sonnenuntergang an der Laguna Colorada ist äußerst eindrucksvoll. Man könnte meinen, der Himmel würde in Flammen stehen, so bombastisch rot und gelb leuchten die Wolken. Die Flamingos, es gibt immerhin drei verschiedene Arten hier, lassen sich von alldem nicht beeindrucken, sie stehen meist auch bei starkem Wind mit dem Schnabel im Schlamm und stochern nach Nahrung.




(...später mehr...)

von: tirb68

Re: Südbolivien mit dem Fatbike - 29.01.16 19:34

Klasse Idee, die Lagunenroute mit dem Fatbike.
Wenn ich die Bilder sehe, bekomme ich sofort Lust, wieder in diese Richtung aufzubrechen.

War es Zufall, dass es kaum geregnet hat? Ich kenne die Gegend dort im Dezember/Januar eigentlich nur extrem nass, incl. knietiefem Wasser auf dem Salar. Aber wenn selbst der große Lago Poopó inzwischen ausgetrocknet sein soll... Calama - Uyuni, wenn man das im Dezember/Januar machbar wäre, dann würde das bei mir super rein passen. Da habe ich noch nie drüber nachgedacht.

Grüße
Brit
von: wal

Re: Südbolivien mit dem Fatbike - 29.01.16 23:37

Ehrlich gesagt, die mögliche Regenzeit war auch meine große Sorge bei der Planung der Tour. Es ging dann aber gut, und ich kann jetzt natürlich nicht einschätzen, ob es eine Ausnahme oder die Regel war.
Ich hatte während der Radtour erst Anfang Januar mal etwas "Regen" (kurzer Gewitterschauer, der den Boden kaum befeuchtet hat). Auch in Uyuni hatte es am Tag meiner Abreise (7. Januar) das erste Mal stärker geregnet. Der Salar war zu der Zeit noch trocken und befahrbar. Dezember, insbesondere Anfang Dezember sollte auf jeden Fall gehen, im Januar würde ich schon empfehlen ggf schon weiter südlich zu sein.

so long,
Waltraud
von: wal

Re: Südbolivien mit dem Fatbike:Sandetappe - 30.01.16 09:26

... Fortsetzung:


Der Wecker klingelt um 5, um 6 bin ich wieder auf der Piste. Es ist schon einigermaßen hell, aber die Sonne ist noch nicht über den Horizont. Dafür steht der Vollmond noch hell über der Landschaft. Es ist kalt, mein Thermometer zeigt -8°C an und das Wasser in der Zweiliterflasche, die ich nachts versehentlich am Fahrrad gelassen hatte, ist gefroren. Vielleicht war es doch keine so gute Idee, gleich in kurzen Hosen und ohne Socken los zu fahren... Ich bin jedoch zu faul mich umzuziehen, die Sonne müsste ja gleich kommen. Bis dahin kann ich ja etwas kräftiger reintreten…

Ich bin so früh unterwegs, um die windstille Zeit bis Mittag optimal auszunützen. Die nächsten etwa 70 bis 80 km sollen sehr sandig sein. Ich hoffe auf ein guten Tag für mich auf dem Fatbike mit wenig Schiebepassagen…



Ganz allmählich führt die Piste bergauf, weiches Wellblech. Ich fahre langsam, sehr langsam, mehr als 8km/h ist nicht drin, mit Pausen werden es dann also 6 Kilometer in einer Stunde. Mehr als ein Kilometer „am Stück“ zu fahren ist auch nicht drin. Mir fehlt hier auf 4400 Metern Höhe irgendwie die Luft zum Atmen. So ist mein Rhythmus heute: einen Kilometer bergauf am Stück radeln, dann kurze Pause zum Atmen, wieder einen Kilometer, wieder kurze Pause, und so weiter. Nach 45 bis 50 Minuten gibt es dann 10 bis 15 Minuten Pause mit einem Schluck Wasser und ein paar Nüssen oder ein bisschen Trockenobst. Wasser muss ich mir einteilen, für die nächsten zwei Tage werde ich kein Wasser bekommen können und habe also seit der Laguna Hedionda meinen nötigen Wasservorrat dabei.


In einiger Entfernung sehe ich drei schwarze Punkte in der Landschaft: Nandus! Ihre Spuren hatte ich schon die ganze Zeit im Sand der Piste gesehen. Ich versuche, noch etwas näher ran zu fahren, aber als ich die Kamera dann ausgerichtet habe, laufen sie davon. Lediglich die Viscachas und auch die Felshühner kann ich in Ruhe fotografieren. Sie sitzen auf den vom Wind gerundeten Felsen und genießen die Wärme der ersten Sonnenstrahlen. Im Laufe des Tages sehe ich dann auch noch einige Vicunias, die hier heimische wilde Lama-Art. Sie sind aber recht scheu, und nur selten gelingt es mir, so nah heranzukommen, dass ich sie auch fotografieren kann.








Die gesamte Landschaft ist eine weite Piste. Zahlreiche Spuren führen weit voneinander entfernt in die gleiche Richtung, man kann sich also aussuchen, wo man am liebsten fahren würde. Allerdings sind alle Spuren fast gleich schlecht: Der Untergrund ist weich, vulkanischer Sand, und darüber das übliche Wellblechmuster, das von den zahlreichen schnell fahrenden Geländewagen verursacht wird.


Und wenn es mal kein Wellblech hat, dann ist der Untergrund so mit Steinen übersät, dass ebenfalls kein holperfreies Fahren möglich ist. Das Fatbike hilft nicht gegen das Wellblechmuster alleine, aber es ermöglicht mir oft ganz außen am weichen Rand zu fahren, wo man normalerweise schon zu stark einsinkt. Es geht langsam, aber immerhin kann ich fahren. Das Fatbike ist auch ideal, wenn ich mal die Spur wechseln möchte und über den Sandwall am Rand der Spur fahren muss. Wo keine Vegetation ist, fahre ich ab und zu auch mal „querfeldein“ also auf dem Vulkansand ohne Piste. Das geht wunderbar, teilweise fast besser als auf der zerfahrenen Piste, wird jedoch schnell wieder unterbrochen wenn die Vegetation aus pieksigen Polsterpflanzen zu dicht wird.



Ein Pass mit 4670m ist irgendwann erreicht, und fast unmerklich geht es jetzt wieder bergab. Plötzlich nimmt der Wind kräftig zu, genau von vorne. Verdammt, es ist ja auch schon 12… Die Piste windet sich in ein Trockental, der Wind wird hier stark kanalisiert, und die Piste ist extrem weich.


Das Fatbike fährt mühelos auf dem Sand, aber der Wind bremst mich stark aus und trocknet mich auch aus. Weiter. Pause. Weiter. Plötzlich entdecke ich eine Windschutzmauer unter einem Felsen. Ein perfekt geschützter Zeltplatz. Ich mache also Schluss für heute. Das Zelt passt dann auch genau in die freie Fläche umrundet von der Mauer.


Am nächsten Morgen breche ich wieder früh auf. Das Höheprofil tagsüber ist wellig zwischen 4400 und 4600 Metern. Es gibt keine wirklich befestigten Pisten, sondern einzelne, mehr oder weniger häufig genutzte Fahrspuren durch den Vulkansand. Fatbike-Gelände. Ich fahre jeden Meter. Langsam, aber alles ist fahrbar, teilweise sogar sehr gut fahrbar. Dennoch merke ich den oft den deutlichen Wiederstand des weichen Sandes.


Mittags erreiche ich Arbol de Pietra, die Steinskulpturen. Mitten in einer sandigen Senke befinden sich einige bizarr durch den Wind geformten Felsen. Ich bin dort völlig alleine. Es ist heiß und ich gönne mir eine halbe Stunde Pause, endlich mal mit Schatten... Danach sind es nochmal 20 Kilometer Sandpiste im Gegenwind bis zur Station an der Laguna Colorada. Alles fahrbar trotzt sandigem, unangenehmem Wellblech, auch in den tiefen Sandlöchern muss ich vom Fatbike nicht absteigen.


von: nöffö

Re: Südbolivien mit dem Fatbike:Sandetappe - 30.01.16 09:33

Unglaublich gute Bilder, toller Bericht!!!

Alles Gute aus dem Schnee,
Thomas
von: lufi47

Re: Südbolivien mit dem Fatbike:Sandetappe - 30.01.16 09:34

Hey Waltraud,

toller Bericht und super Bilder !!!
Ich kenne dich ja von der Reformationstour, aber woher nimmste denn diese Kraft jeden Tag wieder auf losem Sand gegen den Wind, boah beeindruckend.
Danke
Gruß
Lutz
von: wal

Re: Südbolivien mit dem Fatbike:Sandetappe - 30.01.16 11:51

Lieber Lutz,

In Antwort auf: lufi47
aber woher nimmste denn diese Kraft jeden Tag wieder auf losem Sand gegen den Wind, boah beeindruckend.

Naja, so schwierig ist das dann auch nicht: Die Wahl des Rades hatte schon seinen Grund, ich habe es wirklich spürbar einfacher gehabt mit dem Fatbike auf diesen Pisten.
Mit dem Wind: Oft bin ich nicht lange in den Nachmittag reingefahren, sondern ab 14 Uhr gab's dann halt Pause (Landschaft anschauen, Tiere beobachten, ausruhen...).

Die Rahmenbedingungen sind zwar "hart" gewesen, aber das wusste ich ja vorher, und das nimmt man halt in Kauf, wenn man diese wunderbare Landschaft erleben will. Und das "Ertragen" kann man ein Stück weit auch lernen (*)...

schöne Grüße,
waltraud
von: panta-rhei

Re: Südbolivien mit dem Fatbike:Sandetappe - 30.01.16 12:27

Salut Waltraut

Sehr schöne Photos, würde auch sagen, dass für dieses Gelände ein Fatbike angenehm ist.

In Antwort auf: wal

Die Rahmenbedingungen sind zwar "hart" gewesen, aber das wusste ich ja vorher, und das nimmt man halt in Kauf, wenn man diese wunderbare Landschaft erleben will. Und das "Ertragen" kann man ein Stück weit auch lernen (*)...


Hm, stimmt schon, vieles ist auch Einstellungssache - aber das mit dem Wind fand ich da unten aufm Rad echt schlauchend! Schlimmer als die Kälte nachts oder oder die Pisten ... deshalb hatten wir für die Lagunenroute auch Räder und Anhänger stehen gelassen und ne Tour gebucht. Aber ein bisschen bereue ich es schon zwinker ...
von: natash

Re: Südbolivien mit dem Fatbike - 31.01.16 17:29

Hallo Waltraut,

schön mal wieder was von dir zu hören schmunzel.

Ich habe gerade Deinen verlinkten Bericht zu Ende gelesen und bin natürlich angetan von den vielen schönen Eindrücken, die wahrscheinlich derart nur in eher lebensfeindlichen Umgebungen anzutreffen sind.
Mich haben damals schon die Bilder vom mittlerweile leider verunglückten Peter XTR beeindruckt, als er in Bolivien und Chile getourt ist.
Die Sache mit dem Wind, von der ich schon häufiger gehört habe, könnte mir eine solche Reise jedoch auch ganz schön vermiesen, obwohl man ganz sicherlich vorher weiß was da kommen kann und sich entsprechend darauf einstellen muss. Dass du nicht gerade eine durchschnittliche Radfahrerin bist, weißt Du ja selbst.
Danke für den Bericht

Gruß

Nat
von: Machinist

Re: Südbolivien mit dem Fatbike:Sandetappe - 31.01.16 17:43

Schöner Bericht und tolle Fotos! Dazu ein interessanter Radtyp welcher auf den Pisten bestimmt oft Vorteile bietet.

Dass es dort auf 4000 Metern tagsüber (im Schatten) 40 Grad wird bezweifle ich aber zwinker
Ich war selber zweimal mit dem Rad in der Gegend, m.E. eine der mit Abstand reizvollsten Regionen zum Radreisen auf dem Kontinent!

von: wal

Re: Südbolivien mit dem Fatbike:Sandetappe - 31.01.16 19:02

In Antwort auf: Machinist
Dass es dort auf 4000 Metern tagsüber (im Schatten) 40 Grad wird bezweifle ich aber


nun, das geht ganz schnell, wenn die Sonne scheint, und keine Wolke davor ist (wie warm es im Schatten ist habe ich nie gemessen und nie geschrieben). Mein Rekord war eine Temperaturanzeige von 53°C auf 4150m, in voller Sonne in einem windgeschützten Innenhof. Allerdings stimmt es schon, dass die Temperaturanzeige des Thermometers am Lenker wahrscheinlich nicht unbedingt die tatsächliche Lufttemperatur anzeigt, gerade wenn der doch eher kühle Wind weht.
Wie auch immer, ich fand es bei voller Sonne oft richtig unangenehm heiß, und dieses Phänomen deckt sich auch mit meinen Erfahrungen aus dem Hochland von Tibet (auch da diese Hitze auf über 4000 Metern).

so long,
waltraud
von: oberschlesier

Re: Südbolivien mit dem Fatbike:Sandetappe - 31.01.16 20:31


Hallo Waltraut,
das ist ein schöner Bericht und tolle Fotos!
von: wal

Re: Südbolivien mit dem Fatbike: Sol de Mana - 01.02.16 06:29

und ein kleines Stück weiter:

Nach einer Nacht in einem Hostal an der Nationalparkstation an der Laguna Colorada - hier gib es Wasser, aber keine Dusche - fahre ich gleich weiter zum Fumarolenfeld Sol de Mana. Es soll Geysire und Fumarolen auf einer Höhe von 4800 Metern geben. Etwa 37 Kilometer sind bis dorthin zu fahren, mindestens 600 Höhenmeter bergauf. Es beginnt morgens mit einer sehr sandigen Piste am Westrand der Laguna Colorada, aber als es dann nach ca 20 Kilometern endlich bergauf geht, hat die Piste felsigen Untergrund und ist weitgehend gut zu fahren. Die Landschaft ist karg, nur Steine bis zum Horizont. Selbst das pieksige Polstergras ist kaum mehr zu finden.




Am frühen Nachmittag erreiche ich dann das Fumarolenfeld, wo ich wieder im Schutze einer Steinmauer das Zelt aufbauen, und den Rest des Tages ausruhen kann.




Ich möchte hier bleiben, um mich auf größere Höhen zu akklimatisieren.


Der Wind hat an diesem Tag bereits um 11 Uhr Sturmstärke erreicht, so dass ich die letzte Stunde öfters an den steilen Anstiegen geschoben hatte. Das zehrt. Auch jetzt bläst der Wind unermütlich und rüttelt an Zelt und Kleidung. Erst spät in der Nacht legt sich der Wind, und es wird endlich ruhig. Nur das blubbern der Schlammtöpfe und das Pfeifen der Fumarolen kann man enternt hören. Es wird eine kalte, klare Nacht und ich schlafe trotzdem gut auf 4800 Metern.







(Fortsetzung folgt später...)
von: wal

Re: Südbolivien : Pistenführung mangelhaft - 01.02.16 18:24

weiter geht'...

Pistenführung "mangelhaft"

An einem der nächsten Tage muss ich von der Lagune auf etwa 4278 Metern ins Nachbartal nach Quetena auf etwa 4150 Metern Höhe. Es ist klar, dass dazwischen eine Kuppe oder ein Pass von etwa 4600 bis 4700 Metern Höhe liegen muss. Ich stelle mich also auf einen längeren Anstieg ein. Am anderen Ufer der Lagune kann ich die Piste auch schon sehen, wie sie bedrohlich steil und gerade den Hang hoch führt und die Senke der Lagune verlässt.


Ein paar Stunden später fahre ich dann im ersten Gang an dieser Steigung langsam bergauf. Die Piste führt wirklich wie mit dem Lineal gezogen gerade aus bergauf, nur wenig Anpassung an die Steigung, keine auch noch so weiten Serpentinen. Ich bin hin und her gerissen, ob ich mühsam fahren soll, oder mühsam schieben soll. Irgendwie bin ich leistungsmäßig halt immer noch nicht voll an die Höhen über 4400 Meter angepasst und tu' mir an langen Steigungen immer noch schwer... Ich wechsle also ab, ein paar 100 Meter schieben, dann wieder ein paar 100 Meter fahren.


Ein Geländewagen überholt mich. Noch lange kann ich den immer kleiner werdenden Punkt vor mir sehen, ohne dass er verschwindet. Es geht also noch für eine Weile so gerade weiter bergauf. Ich schaue immer wieder auf den Höhenmesser, 100 Höhenmeter habe ich schon, irgendwann 200… Auf welcher Höhe wird die Kuppe sein? Die klare Luft lässt Entfernungen schwer schätzen, und die Landkarte gibt auch keine weiteren Details preis. Auch meine Hoffnung, an dieser Steigung doch eventuell etwas Rückenwind ab zu bekommen – immerhin führt die Piste nach Osten – erfüllt sich nicht. Ausgerechnet heute ist es fast bis 16 Uhr total windstill und die Hitze drückt dadurch umso mehr.
Als am späteren Nachmittag die Piste in ein kleines Trockental führt, sehe ich wieder eine kleine Windschutzmauer, an der ich dann mein Zeltlager einrichte. Morgen früh, mit der Sonne im Gesicht, wird es sicher besser gehen.


Als ich am nächsten Morgen kraftvoll in die Pedale tretend das Trockentälchen verlasse, sehe ich, dass die Pistenführung nichts Gutes verheißt. Es geht nicht, wie ich gedacht hatte, gerade auf die Kuppe zu und auf der anderen Seite wieder bergab, sondern die Piste führt schräg zum Hang unter Mitnahme sämtlicher kleinen und größeren Rinnen und Tälchen, die von der Kuppe ausgehen.
Man fährt also jedes Mal steil in so eine Rinne ein, um diese sofort ebenso steil wieder zu verlassen. Eine kleine Schulter, dann geht es in die nächste Rinne hinein. Jedes Mal ist die Schulter dabei etwa drei Meter höher als die der vorigen Rinne, und irgendwann ist man dann halt auch oben auf der Kuppe. Allerdings unter Mitnahme der doppelten Höhenmeter… Wer hat sich diese Streckenführung ausgedacht? Das kann doch auch für Geländewagenfahrer nicht angenehm sein, und Platz genug für eine Alternative wäre ja.




Die Steigungen in die Rinnen führen jeweils gerade den Hang hoch und runter. Weil die Fahrzeuge hier beschleunigen oder bremsen, besteht die Piste in diesen Bereichen aus übelstem Wellblech. Im Tiefpunkt der Rinne ist die Piste ein zerfahrenes Sandloch und lediglich die kurzen Bereiche über die Schultern zwischen zwei Rinnen sind fest und schön fahrbar. Das Wellblech an den Steigungen und der Sand in den Rinnen verhindert jede Schwungmitnahme komplett, und so kommt es immer wieder vor, dass ich dann zwar mit dem Fatbike noch gut durch den Sand in der Rinne komme, dann aber im steilen Anstieg aus der Rinne außer Atem komme und absteige. Ich überlege, ob man nicht querfeldein auf einer topographisch angepassteren Route fahren könnte, aber die dichte, dornige Vegetation lässt dies nicht wirklich zu.

rgendwann ist dann die Kuppe mit 4670 Metern Höhe doch erreicht und auf der anderen Seite geht es ähnlich wellig, aber mit nicht ganz so vielen Quertälchen abwärts nach Qetena. Es eröffnet sich auch ein grandioses Aussichtspanorama: Ich sehe den Nevado Soniquera und erstmals auch mein Ziel, den Volcan Uturuncu.



Es folgt schließlich eine recht lange Abfahrt in ein weites Tal. Hier erwarte ich das Dorf zu sehen, aber nichts. Ich bin schon etwas verzweifelt, schaue auf die Landkarte, kann aber keinen Navigationsfehler erkennen. Dann bemerke ich: Ich muss erst noch über einen weiteren kleinen Bergrücken, der als Ausläufer eines 5000er Vulkans noch die freie Fahrt in das Dorf verhindert…
Als ich schließlich in Quetena Chico mein Fahrrad im Innenhof des Hostals parke, zeigt das Thermometer 53°C an, und der Tacho 730 Höhenmeter auf 47 Kilometern.




(morgen mehr...)
von: Keine Ahnung

Re: Südbolivien : Pistenführung mangelhaft - 01.02.16 19:47

Wahnsinn - das war schon eine beachtliche Leistung. Zwar lässt sich Hitze bei trockener Luft besser ertragen, aber solches Steigungen bei der Höhe und diesen Temperaturen ... Respekt!
von: wal

Re: Südbolivien : Pistenführung mangelhaft - 02.02.16 05:51

... so, die vorletzte Episode:

Volcan Uturuncu

5770 Meter. Jetzt bin ich oben, und brauche erstmal etwas Zeit zum Atmen. Zugegeben, ich habe irgendwann, als es steiler wurde, das Gepäck am Pistenrand liegen gelassen, und auf den letzten 200 Höhenmetern auch das nackte Rad immer mal wieder geschoben. Aber jetzt bin ich oben. Nur ich bin hier am Berg. Der Himmel ist tief dunkelblau, so soll es ja auch sein auf fast 6000 Metern.
Jetzt noch schnell das Heldenfoto: ich mit hoch gestemmtem Fatbike auf der höchstgelegenen Piste der Welt. Aber es wird nix. Obwohl zuhause erfolgreich ausprobiert, bekomme ich das Rad hier in der Höhe nicht hoch gehoben…


Ich leere meinen Rucksack aus und packe nur die Wasserflasche, zwei Fruchtriegel und den Fleecepulli wieder ein. Den Rest (Hardshell Jacke und Hose, Stirnlampe, Tablet, Landkarte, Essnapf, Besteck und den Rest des Tagesproviants) verstecke ich windgeschützt hinter dem Felsen, an dem das Fahrrad parkt. Es sind jetzt keine 300 Höhenmeter mehr bis zum Gipfel, sozusagen ein Nachmittagspaziergang. Es geht los, den Schutthang hoch. Ich zwinge mich, gleichmäßig langsam zu gehen. Nach nur 40 Minuten bin ich dann oben: 6008 Meter, der Gipfel des Uturuncu.


Insgeheim nenne ich den Berg dann den „Sandalen-6000er“, denn ich bin tatsächlich in Sandalen hier hoch gelaufen. Ich hatte Glück dass keine ernsthaften Schneefelder in meinem Weg lagen und der letzte Anstieg vom „Parkplatz“ aus eben doch technisch ein Spaziergang war.


Es gab zwar ein mini-kleines Schneefeld, wie es sich immerhin für einen 6000er gehört, aber da war man mit einem großen Schritt locker drüber gestiegen.


Die Aussicht am Gipfel ist grandios. Ich kann deutlich sehen, wo ich in den letzten Tagen hergekommen bin, und sehe auch, wo die Piste weiter nach Norden führt, am Nevado Soniquera vorbei. Die Wolken bilden bizarre Formen, vom ewigen Wind wie zerrissen. Nach einer Stunde gemütlicher Pause am Gipfel wird es Zeit zu gehen. Ich muss ja noch mein Gepäck einsammeln und meinen geplanten Zeltplatz an einem verfallenen Gemäuer erreichen. Etwa 400 Höhenmeter Abfahrt warten jetzt am Nachmittag noch auf mich.


Wieder am Fahrrad packe ich meine deponierten Sachen zurück in den Rucksack, und dann geht es an die Abfahrt. Die alte Minenpiste ist im Wesentlichen gut zu fahren, an einigen Streckenabschnitten ist es jedoch extrem steinig. Hier heißt es aufpassen, denn die Piste ist auch teilweise sehr ausgesetzt angelegt. Faszinierend ist die weite Aussicht auf die Täler und die Nachbarberge, insbesondere auf den Nevado Soniquera. Da ich immer wieder anhalte, um die Aussicht zu genießen, oder um Fotos zu machen, komme ich doch nicht so rasant voran, wie man es bei einer steilen Abfahrt erwarten könnte.




Zudem ist die Piste zwar gut fahrbar, aber für eine rasante Fahrt sind mir doch zu viele Steine und Löcher dabei… Einen Sturz oder Defekt am Rad möchte ich hier nicht riskieren. Ich bin sehr zufrieden mit dem Fatbike. Es bollert problemlos über kleinere Hindernisse und die dicken Reifen greifen sehr gut in weichem Untergrund, wie vulkanischem Sand. Immer wieder frage ich mich sogar, wie ich ohne Fatbike überhaupt meine vergangenen Touren ausgehalten habe, vor allem die Reisen ins Hochland von Tibet, wo es ja tagelang überhaupt keine Pisten gab...






Langsam aber sicher verliere ich an Höhe. Die Nachmittagssonne wärmt angenehm und der starke Wind, der mich im oberen Teil der Piste doch ganz schön gebeutelt hat, ist jetzt nicht mehr so deutlich zu spüren. Schließlich erreiche ich das verfallene Gebäude, das ich während der Auffahrt schon bemerkt hatte. Die Mauern werden mir Windschutz geben, dort werde ich übernachten. Als die Sonne hinter dem Berg verschwindet, wird es dann aber empfindlich kalt.


Der Sonnenuntergang ist jedoch unbedingt sehenswert: blutrot erscheinen die dünnen Wolkenstreifen über dem Nevado Soniquera und auch neben dem Gipfel Uturuncu gibt es eine hübsche orange-rote Wolke.




Ich bin zufrieden mit meiner Vulkan-Tour und schlafe gut, auch wenn der Höhenmesser 5350 Meter anzeigt und es nachts -15°C kalt wird. Dafür lasse ich mir am nächsten Morgen Zeit, und breche erst auf, als die Sonne schon wärmend das alte Gemäuer bescheint.





Der Vulkangipfel rückt in immer weitere Entfernung und die Piste wird zunehmend auch wieder sandig, natürlich dann auch mit dem üblichen Wellblechmuster. Irgendwann führt die Piste in ein sandiges Tal und damit sehe ich den Uturuncu-Gipfel bis Quetena nicht mehr.



(Fortsetzung folgt...)
von: Juergen

Re: Südbolivien : Pistenführung mangelhaft - 02.02.16 07:21

Hallo Waltraud,
mir fehlen gerade die richtigen Worte, um passend auf deinen Bericht zu antworten. Dazu ist diese Landschaft zu unwirklich schön, deine Ausdauer so unvorstellbar, deine Leistung unglaublich.

Ich bin fasziniert........... bravo
Dankeschön
Jürgen

ps: Ich würde mich riesig freuen, wenn Du hier im Faden mal mitteilst, wann Du einen Vortrag hältst.
von: kielnik

Re: Südbolivien mit dem Fatbike - 02.02.16 07:23

Moin Waltraud,

klasse Bericht, klasse Bilder,klasse Video, klasse Leistung. Bestätigt ganz klar meinen Wunsch unbedingt in diese Region zu wollen.
Vor allem die Höhe finde ich schon beeindruckend wie auch interessant, wir hatten über 4000 merklichen Leistungsabfälle und durften in "Tibet" öfter mal schieben.
Da wir immer Tandem fahren, stelle ich mir die Frage wie fahrbar Deine Route mit dem Tandem wäre. Ein bisschen schieben setze ich dabei voraus, wäre aber nicht schlimm.
Was meinst Du dazu? Kannst Du es einschätzen? Das Video vermittel das Gefühl es wäre schwierig, könnte aber möglich sein.

Beste Grüße
Niko
von: wal

Re: Südbolivien mit dem Fatbike - 02.02.16 07:38

In Antwort auf: kielnik

wir hatten über 4000 merklichen Leistungsabfälle und durften in "Tibet" öfter mal schieben.

Leistungsabfälle in der Höhe hatte ich diesmal auch sehr deutlich, ich bin vor allem an langen Steigungen viel gelaufen. Wenn du dann aber auch noch schieben musst, wenn es sandig ist, wird es möglicherweise extrem unschön. Mit dem Tandem würde ich vor allem die Sandpassagen eher grenzwertig sehen, das stelle ich mir wirklich mühsam vor.

Das Ganze ist dann ja noch abhängig davon, ob du einen vorgegebenen Zeitrahmen hast, so wie ich, oder ob du "open end" unterwegs sein kannst. Wenn ich unbegrenzt Zeit habe, stört mich auch nicht, wenn ich einen ganzen Tag schieben muss...
In meinem Fall fand ich es schon grenzwertig, dass ich nur drei Wochen dort war, das war für die Höhenakklimatisation überhaupt nicht optimal. Am Vulkan ging es dann aber erstaunlich gut, vielleicht hat die vorherige bewusste Übernachtung auf 4800m schon was gebracht. Wobei bergauf ich doch sehr oft abgestiegen bin... Aber es ist schon so, wer langsam geht, kommt schon auch ans Ziel.

Und ja: ich bin exakt wegen dieser Landschaft da hin gefahren, und würde am liebsten sofort auch wieder tun, egal wie heiß/kalt/windig/hoch...

so long,
waltraud
von: wal

Re: Südbolivien : Pistenführung mangelhaft - 02.02.16 07:45

In Antwort auf: Juergen
deine Ausdauer so unvorstellbar, deine Leistung unglaublich.

ehrliche Antwort: Ich habe mich auf noch keiner Tour so "schwach" gefüht. Das hat aber ggf. auch einen gesundheitlichen Hintergrund momentan. Aber: Ausdauer ja, und damit kann man einiges erreichen.
Meine Tour ist allerdings deutlich kürzer ausgefallen, als ich mal geplant hatte, weil ich die zuvor geplanten Etappenlängen nicht geschafft habe.
Es war aber trotzdem sehr schön.
von: Keine Ahnung

Re: Südbolivien : Pistenführung mangelhaft - 02.02.16 08:37

An Deinem Bericht wird wieder einmal deutlich, wie breit die Palette der hier vertretenen Reiseradler geht. Von Donauradweg bis Strecken, wie Du sie bewältigst, ist alles dabei. Ich finde das auch gut so. Wie jeder seine Freude am Radfahren auslebt, ist letztendlich egal. Dass man hier im Forum im wohl interessantesten Forumsbereich "Reiseberichte" an all diesen unterschiedlichen Unternehmungen teil haben kann, ist schön. Dein Beitrag ist hierbei auf jeden Fall eine große Bereicherung!
von: StephanBehrendt

Re: Südbolivien : Pistenführung mangelhaft - 02.02.16 13:39

Beeindruckende Tour!

Eine Frage habe ich zum Q-Faktor. Auf den von mir bisher probegefahrenen Fatbikes empfand ich den Abstand der Pedalachsen als unangenehm groß. Die Füße müssen schließlich an den breiten Reifen vorbei kommen.
von: wal

Re: Südbolivien : Pistenführung mangelhaft - 02.02.16 16:04

In Antwort auf: StephanBehrendt
Eine Frage habe ich zum Q-Faktor. Auf den von mir bisher probegefahrenen Fatbikes empfand ich den Abstand der Pedalachsen als unangenehm groß. Die Füße müssen schließlich an den breiten Reifen vorbei kommen.


der Q-Faktor ist bei dem Rad so 200mm.
Ich hatte nicht das Gefühl, besonders breitbeinig fahren zu müssen. Eigentlich hatte ich, vielmehr das Gefühl, ganz normal zu radeln, wie halt mit dem Reise-Mountainbike auch. Es kann nun aber auch sein, dass ich diesbezüglich einfach nicht sonderlich empfindlich bin...

so long,
waltraud
von: fair.dinkum!

Re: Südbolivien mit dem Fatbike - 02.02.16 21:13

Hallo Derg, ich bin im September 2015 mit dem Rad von La Paz nach Uyuni gefahren. Der Großteil der Strecke war damals schon geteert oder für die Aspaltschicht vorbereitet, also glatt und fest. Ich hatte damals lediglich zwei Passagen von jeweils etwa 30 km bei denen ich noch auf die alte Piste ausweichen musste. Aber auch dort waren die Straßenbauarbeiten im Gange. Wahrscheinlich wird die Stecke 2016 komplett und durchgängig geteert werden.
von: wal

Re: Südbolivien : zurück nach Uyuni - 04.02.16 05:48

weiter geht's...


Der Abstecher zum Uturuncu hat mich doch ein bisschen Zeit gekostet, so dass es nun zügig weiter nach Norden gehen soll. In meiner Vorstellung sind die 50 Kilometer bis Soniqera und die anschließenden 90 Kilometer bis San Christobal kein Problem, es sollte ja eine gute Piste sein, da es sich ja immerhin um die einzige direkte Verbindungsstrecke zwischen diesen Siedlungen handelt. Nun ja…


Von Quetena aus (ich fahre nicht nocheinmal in den Ortskern, sondern direkt raus nach Norden) führt die Piste zunächst im Tal entlang, perfekte Salzoberfläche. Dann aber führt die Piste oberhalb des Flusses irgendwie durch das Hügelland. Hier sind aufgrund nicht nachvollziehbarer Pistenführung natürlich wieder jede Menge Extra-Höhenmeter dabei. Und so wirklich viel befahren ist die Strecke dann auch nicht, auf den 50 Kilometern zwischen Quetena und Soniquera, für die ich einen Nachmittag und den darauffolgenden Vormittag brauche, überholt mich genau ein (!) Auto.

Ausnahmsweise gab es auch einmal einen Wegweiser...




Mein Wasservorrat geht nun auch langsam zur Neige, ebenso wie die Kekse und andere Dinge. So entwickle ich gewissen Vorstellungen und Wünsche, was ich in Soniquera im Laden alles kaufen würde. Es steht für mich außer Frage, dass es in Soniquera einen gescheiten Laden gibt…
All diese Vorstellungen werden jedoch komplett zunichtegemacht, als ich schon das verbeulte Ortsschild von Soniquera sehe.


Das Dorf selber, dann halt wie jedes andere Dorf auch: Lehm-/Steinhütten, trostlos, ausgestorben, verfallener Sozialismus, die Läden/der Laden nicht als solcher zu erkennen.


Wieder muss ich jemanden fragen, wo man denn was kaufen könne, und es braucht zwei solcher "versteckten" Läden, bis ich auch die Kekse habe, weil der erste Laden kaum Produkte zur Auswahl hatte. Wasser gibt es am öffentlichen Wasserhahn, in Flaschen gibt es nichts, was mich aber nicht weiter stört. Nach dieser einkaufsmäßigen Enttäuschung verlasse ich das trostlose Dorf so schnell wie möglich.



Als Entschädigung finde ich kurz hinter Soniquera einen wunderschönen Zeltplatz, direkt am Fluss. Ich muss zwar etwa einen Kilometer die Piste verlassen und einem sandigen Trockental folgen, aber das ist ja dank Fatbike kein Problem.




Der Zeltplatz stellt sich als sehr günstig heraus, da die herumliegenden großen Felsblöcke idealer Wind- und Regenschutz sind. Den ganzen Nachmittag schon sah ich in der Entfernung einige Regen- und Gewitterwolken, blieb aber bislang verschont. Nun, als das Zelt schon steht, kommt dann doch noch ein Gewitterschauer auch bei mir an. Es dauert nur intensive fünf Minuten, und kurz nach dem Regen ist der Boden auch schon wieder trocken. Die Gewitterwolken sind dann aber eine eindrucksvoll kitschige Kulisse während des Sonnenuntergangs…




Die weitere Pistenführung bis San Christobal sollte einfach sein. Es geht gerade nach Norden, immer auf der östlichen Seite des Flusses bleibend. So meine ich, und so fahre ich auch. Gut fahrbare Abschnitte wechseln mit üblem Wellblech, alles ganz normal. Doch irgendwann werde ich stutzig: auf meiner Piste ist seit Tagen kein Auto mehr gefahren! Ich sehe jede Menge Tierspuren – Vicunias, Nandu, Fuchs – aber keine frischen Fahrzeugspuren, und seit Soniquera hat mich auch kein einziges Fahrzeug überholt...
Dabei befinde ich mich doch auf der einzigen Verbindungsstrecke zwischen zwei Ortschaften. Sehr seltsam. Da die Richtung der Piste stimmt und sie sehr gut fahrbar ist, bleibe ich dabei.


Immer wieder mal kreuzen andere Pisten meine Fahrspur, und natürlich kann es sein, dass ich an einer solchen Kreuzung (Hinweisschilder erwartet man vergebens…) die Hauptpiste verloren habe, und jetzt auf einer wenig frequentierten Nebenpiste gelandet bin. Aber solange die Richtung stimmt, kann ja nichts schief gehen.


Die Landschaft wird immer flacher, das kräftezehrende Hügelland liegt hinter mir. Auch bemerke ich, dass ich jetzt, auf Höhen von nur noch 4000 Metern, wieder richtig leistungsfähig bin. Die kurzen, steilen Rampen, die immer mal wieder aus irgendwelchen Trockentälern wieder raus führen, und die mich auf über 4000 Metern immer wieder zum Schieben zwangen, kann ich jetzt wieder problemlos hochsprinten. So gegen Mittag am zweiten Tag zwischen Soniquera und San Christobal endet meine schöne Piste. Plötzlich bin ich auf einer Art Wiese am Fluss, wo zahlreiche Lamas weiden, meine Fahrspur wird immer schwächer und es führt keine erkennbare Piste mehr nach Norden.


Ein Lamahirte gibt mir zu verstehen: die große Piste ist weiter östlich. Präziser wird die Auskunft nicht, und das fiel mir schon lange auf: Wenn man Einheimische nach der Richtung fragt, so bekommt man keine detaillierten Anweisungen, welche Piste nun zu nehmen ist, sondern tatsächlich eine Richtungsangabe ("an dem Vulkan vorbei", "nach Süden", etc.). Die zu benutzende Fahrspur muss man sich dann schon selber suchen, und die ist ja anbetracht des weiten Netzes an Spuren in der Landschaft auch sekundär. Solange die Richtung eben stimmt. Also suche ich mir die nächstbeste Fahrspur nach Osten, und schon nach nur zwei Kilometern habe ich unverkennbar die große Piste erreicht.


Nun bin ich aber gehörig froh, dass ich all die vergangenen Stunden auf einer gut fahrbaren, verkehrsarmen Nebenpiste verbrachte: Die große Piste ist übelst zerfahren. Wellblech und richtig fiese Sandpassagen. So feiner Sand, fast wie Mehl. Es ist Nachmittag, der Südwestwind bläst schon käftig und peitscht den Sand der Piste über die Landschaft. So ein Scheiß, das geht ja gar nicht…


Völlig unmotiviert stelle ich mich erstmal im Windschatten einer Lehmhütte unter und überlege, was ich machen soll. Zelten kann ich hier schlecht, kein Wasser, kein Windschutz. Weiterfahren? Ich muss den Sandsturm abwarten.
Während ich noch überlege, kommt die Bewohnerin des Lehmhauses raus und schaut, welch' seltsamer Gast da angekommen ist. Ich werde in die Hütte gebeten und bekomme eine Quinoasuppe. Die Frau ist alleine, die anderen Bewohner der Lehmhütte sind mit den Lamas draußen. Fünf Personen wohnen in der winzigen, etwas heruntergekommen wirkenden Hütte. Hier mag ich auch nicht bleiben, aber die Suppe war gut.

Zum Glück scheint der stärkste Sandsturm vorbei zu sein, so dass ich mich dann doch wieder auf die Piste wage. Nach dem entspannten Fahren auf der Nebenpiste ist das jetzt eine Qual. Doch ich bemerke zu meiner Erleichterung, dass das Fatbike ideal ist für diese staubige Sand/Mehl-Passagen. Es „schwimmt“ geradezu obenauf, ich sinke kaum ein, und mit etwas Geschick und Kraft kann ich mich auch durch längere Mehlpassagen fahrend durcharbeiten. Der dicke Reifen produziert dabei jedoch auch eine ansehnliche Staubwolke, die alles, auch meine Beine mit einer weißen, feinen Staubschicht bedeckt. Ich setze also alles daran, wieder einen Zeltplatz mit Wasser am Fluss zu finden, denn ohne Wasser kann ich diese Staubschicht nicht mehr abbekommen…




Ich finde also tatsächlich einen Zeltplatz am Fluss, aber ohne Windschutz. Immerhin habe ich das Zelt (mit Überzelt) schon nach dem Wind ausgerichtet stehen, als wieder ein Sandsturm aufkommt, der diesmal genau über mein Zelt fegt. Nun weiss ich: es ist ein gutes Zelt. Den Staub habe ich übrigens trotz Wasser kaum von den Beinen abbekommen, so fein hat er alle Hautporen ausgefüllt.





Schließlich, am Vormittag des nächsten Tages erreiche ich die gut gebaute Straße. Das erste größere Dorf ist Culpina, dann San Christobal. Die Straße ist eine mit Salzlehm beschichtete Piste, die sich teilweise wie auf Asphalt fahren lässt. Von nun an ist es nur noch ein Ausrollen: die 80 Kilometer von San Christobal bis Uyuni sind flach und nicht besonders abwechslungsreich. Etwa 40 Kilometer vor Uyuni zelte ich ein letztes Mal in der Wildnis, um am nächsten Vormittag erst in die Stadt einzufahren.







Am Stadtrand von Uyuni mache ich eine lange Pause auf dem Eisenbahnfriedhof. Hier verrosten über 100 Jahre alte Lokomotiven und Wagen, die einst für den Transport von Erzen aus den bolivischen Minen genutzt wurden.


Erst später fahre ich nach Uyuni rein und bin erstmal überfordert wegen der vielen Menschen. Aber essen, nochmal essen, duschen und ein wenig ausruhen tut durchaus auch mal gut.

In Uyuni endet dann auch die Radtour durch Südbolivien, ich nehme wieder den nächtlichen Fernbus nach LaPaz und bin zwei Tage später wieder zuhause in Deutschland.
von: Keine Ahnung

Re: Südbolivien : zurück nach Uyuni - 04.02.16 09:01

Ich kann mich nur wiederholen: Toller Bericht von einer beeindruckenden Tour!
von: kettenraucher

Re: Südbolivien : zurück nach Uyuni - 04.02.16 12:10

Zitat:
In Uyuni endet dann auch die Radtour durch Südbolivien, ich nehme wieder den nächtlichen Fernbus nach LaPaz und bin zwei Tage später wieder zuhause in Deutschland.
Saumäßig cool, Deine Art von Weihnachtsferien lach. Ich persönlich bin von Deiner Tour, den Fotos und Deiner Erzählweise sehr, sehr, sehr begeistert. Aus meiner Sicht ein Fall für die Hall of Fame.
von: Juergen

Re: Südbolivien : zurück nach Uyuni - 04.02.16 14:09

Wahnsinn......... bravo bravo bravo
von: BaB

Re: Südbolivien : zurück nach Uyuni - 05.02.16 07:02

Wow!!! bravo Ein klasse Reisebericht, der weckt sofort die Lust auf Bolivien!
von: TobiTobsen

Re: Südbolivien : zurück nach Uyuni - 05.02.16 09:09

Wow, eine Reise in eine Extreme Gegend mit einem extremen Fahrrad!
Danke für das Teilen dieser wunderschönen Bilder! schmunzel
Besonders die vom Laguna Colorada und den Flamingos sind Wahnsinn!

Hattes du eigentlich auf der Tour eine Reifenpanne/Platten? Haben die Fatbikereifen auch eingebauten Pannenschutz?
Als ich neulich bei Velotraum war, wollte ich auch mal dieses Fahrradungetüm fahren, durfte aber nicht weil draußen Schnee lag !?! wirr Naja, egal. lach

Gruß
Tobi
von: dhomas

Re: Südbolivien mit dem Fatbike - 05.02.16 09:20

Wahnsinn.
von: wal

Re: Südbolivien : zurück nach Uyuni - 05.02.16 10:38

In Antwort auf: TobiTobsen

Hattes du eigentlich auf der Tour eine Reifenpanne/Platten? Haben die Fatbikereifen auch eingebauten Pannenschutz?


Ich hatte einmal einen Platten vorne, wahrscheinlich irgend eine pieksikge Pflanze am Zeltplatz. Morgens, als ich los wollte war der Reifen platt. Ich habe dann einen Ersatzschlauch rein, und alles war gut, aufpumpen dauert halt eine Weile...
Der Reifen hatte glaube ich nicht extra einen eingebauten Pannenschutz.

so long,
Waltraud
von: ingrid72

Re: Südbolivien mit dem Fatbike - 05.02.16 10:52

Hallo Waltraud,

das sind ganz tolle Bilder und Eindrücke. Aus Neugier bin ich dem Link gefolgt und komme seither aus dem Staunen gar nicht mehr raus. Auch wenn der Bolivienbericht allein schon einzigartig ist, noch beeindruckender ( für mich ) sind die Winterexpeditionen Grönland und Baikal und die endlos langen Radrennen. Ich bin einmal mehr fasziniert, wozu der Mensch doch fähig ist. Jeder mag andere Voraussetzungen und Möglichkeiten haben, aber derart das Maximum aus sich herauszuholen ist einfach nur klasse und auch vorbildlich. Als 'Otto Normalo' fragt man sich, aus welcher Kraftquelle einzelne Menschen wohl sooo viel Energie schöpfen mögen.

Gruß Ingrid
von: joshu

Re: Südbolivien : zurück nach Uyuni - 06.02.16 12:37

Tolle Tour, Toller Bericht und Tolle Fotos!
Ich habe gleich lust mich auf nach Bolivien zu machen, dismal mit dem Fahrrad. Leider fehlt mir momentan das Kleingeld dafür. traurig
Was für eine Kameraausrüstung hattest du mit?
von: naero

Re: Südbolivien : zurück nach Uyuni - 08.02.16 09:27

Das ist mal wieder so ein Reisebericht der einem den Atem nimmt. Tiefer Respekt vor der Leistung und vielen Dank für die Bilder.
von: Mutton

Re: Südbolivien : zurück nach Uyuni - 08.02.16 16:52

Auch ich schließe mich den Lobeshymnen an. Vielen Dank für's "Mitnehmen".
Das steigert die Vorfreude auf Bolivien ungemein schmunzel

Beste Grüße, Thomas.