Re: Ach so, nur Schweiz

von: kettenraucher

Re: Ach so, nur Schweiz - 12.01.12 18:31

Ich drücke hier und jetzt und heute mal auf´ s Tempo. Es bleibt keine Zeit zum Erzählen und Fabulieren über dieses oder jenes. Dieser Beitrag verlangt einen zügigen Abschluss, denn in nur vier Monaten startet bereits meine zweite Tour in die Schweiz, hehe (zu den Profis des Forums: hehe). Deshalb mach ich jetzt mal hinne, denn ich bin enorm in Verzug. Bin bereit, so manch Detail als Dessert nachzureichen sobald dieser erste Bericht endlich abgeschlossen ist. Aber jetzt ist höchste Eisenbahn.

Gesagt, getan. Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, nach der anstrengenden Saarlandrundfahrt auf Empfehlung des irren Veteranen suche ich meine verlorenen Kräfte zu stärken und kippe am Wendländer Marktplatz ein paar Liter Kaffee, Orangensaft und Mineralwasser in mich hinein. Punktum. Ich pfeife meine Truppen zurück und erkläre die diplomatischen Irritationen zu den Wendländern als beigelegt.

Kette rechts, höchstes Tempo, Radwege gibt es keine oder ich finde sie nicht, bin mutig und rase nach Neunkirchen, verirre mich nicht zum ersten Mal, finde ein paar Gassen durch staubige Gewerbegebiete, passiere einige Hinterhöfe, gesäumt von schäbigen Bordellen, zu deren Blütezeit es zur Mittagspause der Stahlkocher wahrscheinlich hoch hergegangen sein mag.

Weiter, weiter. Bin auf der Bundesstraße nach Pirmasens und weiß, da will ich nicht hin. Irrer Verkehr, viele Baustellen, Umleitungen – die Pfalz modernisiert ihre Infrastruktur – und dann entdecke ich in einem Stau vor einer Baustellenampel zufällig den Hinweis zum Radweg Dahner Felsenland. OK, gurke den Radweg, stoße auf eine Bäckerei – Kaffee, Brötchen, lecker – erreiche eine Landstraße, toure routiniert und zügig, der Verkehr nervt dann doch und plötzlich bin ich im Bliestal. Nehme jetzt den touristischen Radweg, gesäumt von Bänken, Rentnern und komfortablen Kneipp-Anlagen. Sitze easy in der Sonne, werfe Schuhe und Strümpfe in den Bach, frage die Senioren nach dem Weg und mampfe die Brötchen aus dem Pfälzer Bergland.

„Wie fährt es sich denn von hier nach Zweibrücken?“
„Ooohjeeh, das ist noch weit.“
„Oooojeeehooohjeeh, wie weit denn noch?“
Die Rentner grübeln und palavern. Schlussendlich:
„Dass iss noch weit, dass zieeeeht sich, dass sinn beschdimmd noch zehn Kilomeeda“

OK. Verlasse den umständlichen Bliestalradweg, biege auf eine vernünftige Straße stadteinwärts und bestelle mir ein Bier in Zweibrücken. Lange Rede, kurzer Sinn, esse halbwegs prächtig auf der Terrasse eines spießigen Luxushotels, übernachte in einer Handwerkerherberge, wo man am späten Abend sehr großen Wert darauf legt, dass sich die ehemalige Kreisstadt keineswegs am Arsch der Welt befände. Lediglich sei bei gutem Wetter der ordinäre Ort direkt vom Marktplatz aus zu sehen, und zwar bestens. Möchte nicht unterschlagen, dass ich auf eine Besichtigung des zentralen Allerwertesten verzichtet habe.

PS: Am nächsten Morgen riskierte ich trotzdem einen flüchtigen Blick vom Marktplatz aus und schiebe zügig von dannen. Das war eine sehr, sehr kurze Kurzfassung von Zweibrücken und jetzt geht es weiter.

Meide die sinnlosen Radwege, nähere mich dem französischen Städtchen Lauterbourg, überhole bei der Ortseinfahrt ein paar Rennradler, überlege, ob ich in diesem schönen Ort was essen sollte, entscheide mich zur Weiterfahrt, verirre mich nach ein paar Hügeln in die Rheinauen, eine in der Fahrradkarte verzeichnete Fähre ist außer Betrieb, ich mach Tempo, die einzige Bar Tabac hat keine Getränke, ich erreiche über eine kleine Brücke trotzdem Rastatt und denke, das war´ s für heute. Hänge noch ein bissle rum, finde es vergleichsweise langweilig und suche am nächsten Morgen den Murgtalradweg nach Freudenstadt. Finde ihn auch bis Mittag nicht, aber gegen Abend dann doch noch, bin permanent 200 m über der Hauptstraße und beim nächste Dörfche wieder runner un dannn wieder nuff, frage einen Wanderer, ob dies der Radweg sei, keine Ahnung, umrunde zahllose Seitentäler und komme nicht voran, hab irgendwann keinen Bock mehr, stürze entlang unzähliger Windungen und Holzschuppen zu Tal, erreiche auf der vergleichsweise angenehmen Bundesstraße schließlich Baiersbronn und Freudenstadt. Dort sitzen auf dem Marktplatz ein paar Jugendliche mit Bier, Gitarren und spielen Songs von Nirwarna.

Das gefällt mir und ich bleibe über Nacht, am nächsten Tag fahre ich zum Neckar, frühstücke in Horb, esse ganz hervorragend in einem italienischen Restaurant in Rottweil, kann mich wegen dem zweifach bestelltem Mittagsmenü nicht mehr bewegen, das wusste ich vorher, steige in den Zug, fahr ein Stück mit der Eisenbahn, steige aus, quäle mich ein paar letzte Kilometer nach Singen, bin froh, dass ich dort bin, telefoniere mit der Schönsten und Liebsten, wir treffen uns morgen in Konstanz. Esse mäßig spanisch zu Abend und schleppe mich körperlich noch unausgelastet in mein zu teures Hotel.

Am nächsten Morgen ist es ein blödsinniger Radwege-Irrweg-Katzensprung nach Konstanz, der sich zu lange und nervig hinzieht und keine vernünftige Fahrt erlaubt, dann treffe ich meine Schönste und Liebste mit ihrem neuen stolzen Rad zum verlängerten Wochenende und wir machen ein paar Spritztouren nach St. Gallen und Zürich.

Geschafft. Und jetzt kann ich beim nächsten Mal endlich mit der Erzählung meiner kümmerlich kleinen Ostschweizrundfahrt für Einsteiger weitermachen.