Re: Pyrénées Cathares-Catalán

von: veloträumer

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 02.12.11 20:24

Auf die Gefahr hin, ein verregnetes Adventswochenende vor dem PC absitzen zu müssen, möchte ich euch nicht ganz ohen Urlaubsträume lassen. Es geht also zunächst mal sommerlich weiter. schmunzel

TEIL 1 Aufbruch ins Pays du Cathare zwischen Burgen, Weinbergen und Farnen: Das Department Aude mit dem Corbières und etwas mehr

Sa 18.6. Stuttgart 16:59 || via Regionalzüge || 19:35 Strasbourg 20:19 || via NZ Lunéa || 7:38 Narbonne - Port-la-Nouvelle - Sigean - Col de Souil (267m) - Col de Pereille (245m) - Fraissé-des-Corbières - Col de Canteloup (243m) - Cascastel-de-Corbière - Col d'Amiel (378m) - Col de la Ginestre (416m) - Palairac - Col de Ferréol (428m) - Col de Couisse (507m) - Félines Termenès - Col de la Tranchée (360m) - Villerouge-Termenes – Col de Villerouge (404m) - Talairan – Coustouge
109 km | 13,6 km/h | 8:07 h | 1.450 Hm
W: sehr windig, teils sonnig, teils bewölkt, gemäßigt warm
E (Talairan): Sandwich, Rw 10 €
Ü: C wild 0 €

So 19.6. Coustouge - Col de Rouire (304m) - Col de l'Escassié (287m) - Albas - Col du Prat (366m) - Villerouge-Termenes - Col de la Tranchée (360m) - Col de Bedos (485m) - Col de Termes (520m) - Col Caroun (472m) - Château Termes - Col de la Louviéro (599m) - Villardebelle - Col de l'Homme Mort (800m) – Auriac
84 km | 11,7 km/h | 7:05 h | 1.550 Hm
W: starke Winde, sonnig, auch heiß
B: Château Termes 4 €
E: SV
Ü: C wild 0 €

Mo 20.6. Auriac - Col de Redoulade (685m) - Soulatgé - Col de Grés (406m) - Rouffiac-des-Corbières - Col de la Croix Dessus (403m) - Château de Peyrepertuse (~800m) - Col du Triby (344m) - Grau de Maury (432m) - Château de Quéribus (Parkplatz, ~600m) - Maury - Estagel - Col de la Bataille (265m) - Col del Bou (300m) - Forca Real (507m) - Corneilla-s-Rivière
80 km | 13,6 km/h | 5:48 h | 1.410 Hm
W: sonnig, heiß, wenig Wind
B: Château Peyrepertuse 5 €
E (priv./Rainer): Salat, Kart., Grillsteak/-wurst, Rw 0 €
Ü: priv./Rainer 0 €

Die ersten drei Tage lassen sich landschaftlich recht gut zusammenfassen. Am Beginn der Radtour stand die Fahrt entlang des Canal de la Robine. Das ist eine meist unasphaltierte Piste, die recht gut fahrbar ist. Das erste Drittel könnte man auch alternativ auf der Straße fahren, die aber irgendwann nach Gruissan abzweigt. Teils hat man zu beiden Seiten Lagunen, die aber nicht immer im Blick liegen, weil durch Dämme oder Inseln abgetrennt. Auch die Bahnlinie an die Côte Vermeille fährt östlich über die niederen Uferzonen und einen Damm, der teils quasi mitten durch den Brackwassersee führt. Die Bäume hier sind vom Wind gezeichnet, haben sich in der Hauptwindrichtung zu eigenartigen Gebilden entwickelt, die jeder durchdachten Statik zu widerstreben scheinen. Durch die Salzluft des Meeres und der Salinen atmet es sich leicht, und die Luft strömt angenehm über die Haut – als würde man den Urlaub über alle Poren spüren. Wind und Wolken trüben das Erlebnis etwas und machen Fotografieren von Schmetterlingen auf wippenden Grashalmen zum Glücksspiel. Eine sehr lohnende Route, zu deren Abschluss ein Marktbesuch in Port-la-Nouvelle endgültig mir sagte: „Ich bin angekommen – Stuttgart ist weit, weit weg.“

Der zweite, beherrschende Teil der ersten Tage ist die typische Landschaft des Corbières, Weinreben auf manchmal sanft ansteigenden Hängen, zuweilen auch steil, umrankt von Kalkfelsen. Je näher am Meer, desto mehr dominieren Weinreben, weiter östlich werden die Anbauflächen kleiner, sind manchmal nur gartengroß. Neben dem AOC-geschützten Corbière steht der Fitou für die höherwertigen Weine. Einst eher ein gängiger Tafelwein, steht heute der Qualitätsaspekt im Vordergrund. Auch waschen hier Wasserläufe den Boden zu Lehmwänden aus, an denen feuchte und vogelreiche Biotope einen kühlen Kontrast bilden. Vormals entdeckte ich dort mal einen Eisvogel, doch diesmal sah ich keinen einzigen, obwohl wesentlich länger in diesem Terrain unterwegs. Andere Nutzer der Lehmwände für ihre Brut sind natürlich Schwalben und Mauersegler. Windfeste Gräser und bodennahe Blumen bestimmen die Flora, die weiter nach Osten buschiger wird, insbesondere färben Ginster viele Hänge in leuchtendes Gelb.

Der dritte Landschaftstyp beginnt östlich der Weinanbaugebiete und ist deutlich grüner bis hin zu schattig wuchernden Farnwäldern. Die Weiden auf den Passhöhen sind sattgrün und sofern es freie Blicke nach Süden gibt wie am Col de l’Homme Mort, dann reicht das Panoroma bis zum Canigou. An der Grenze zum Corbières haben sich vielfach eindrucksvolle Schluchten gebildet, die Gorges du Terminet beim Château de Termes und eine Seitenschlucht der Gorges l’Orbieu lagen auf meiner Route. Wer in der Region erstmals unterwegs ist, sollte natürlich unbedingt noch die Gorges de Galamus bei St-Paul mit einplanen. Das Department Aude ist noch weiter darüber hinaus ein hochkarätige Schluchtenregion.

Nicht zuletzt sind auch die Katharerburgen Teil dieser Landschaft. Gerade in trockeneren, östlichen Regionen ragen diese hoch auf den Felsen thronend aus der Ebene empor und mahnen an die Verfolgung und Vernichtung von Menschen, die ihrer Überzeugung treu bleiben wollten. So stand die Themensetzung der Tour auch gleich im ersten Teil auf dem Besichtigungsprogramm. Die Château Termes kann man fast bis oben hin mit dem Rad befahren (letzte Meter schieben), zahlen muss man aber bereits unten, wo auch eine Ausstellung und ein (französischsprachiges) Video zu sehen sind. Zur Burgbesichtung erhält man englischsprachige Beschreibungen über die einzelnen Burgteile und deren Funktion. Die Ruine ist insgesamt nicht sehr gut erhalten, was allerdings dem Ort auch eine gewisse Besinnlichkeit gibt, die etwa der riesigen Burganlage der Château de Peyrepertuse fehlt. Da ist es schwer vorstellbar, dass in dieser von zahllosen bunt schimmernden Schmetterlingen umflatterten Idylle sich Menschen mit Katapulten sowohl auf Seiten der Kreuzritter als auch der der Katharer sich die Köpfe einschlugen. Auch der kleine Ort Termes ist eine Idylle, wo man im einzigen Bistro sich bei ökologischen Produkten aus eigener Produktion entspannen kann.

Wie schon angesprochen, ist die Château de Peyrepertuse deutlich größer und auch besser erhalten. Man kann sich einzelne Burgräume anhand der Ruinen sehr gut in vollständigem Zustand vorstellen. Der Andrang auf die Burg ist groß, Schulklassen, Busse usw., was aber nicht wirklich ein Problem ist. Zur noch besseren Info müsste man eine zusätzlich kostenden Audioguide beim Eintritt mitverlangen, detailliertes Infomaterial in Papierform wie beim Château Termes gibt es hier nicht. Wie ein Adlerhorst steht diese Burg weit über der Ebene und der Blick geht weit hinüber nach Südwesten gleich zur nächsten Katharerburg, der Château de Quéribus. Nicht umsonst werden die Bewohner des Landes auch spitz „Sauta-Roc“ (Felsspringer) genannt.

Da man mit dem Velo aber nicht springen kann, muss man hinauffahren, was einer selbstkasteienden Tortur gleichkommt. Ist die Auffahrt nach Peyrepertuse mit ca. 3 km eine sehr lange und gleichzeitig sehr schwere, so ist der eine Kilometer zur Quéribus eine Kletterwand zur Hölle. Manches Auto traut sich hier kaum den Berg runter. Mit den Auffahrten ist es auch nicht allein getan, denn wie eingangs schon beschrieben folgen anstrengende Fußwege zwischen Zahlpforte und Burganlage. In Peyrepertuse ist das noch recht kompakt vom Parkplatz aus, Treppen laufen muss man insbesondere innerhalb der Anlage – bei Quéribus aber ist es schon eine kleine Bergwanderung. Nach dem bereits schweißtreibenden Vorprogramm und der ausstehenden Zeitachse habe ich dann auch auf die Besichtung von Quéribus verzichtet.

Nicht nur der Hitze war es geschuldet, dass ich aus der Quelle in Duilhac trank, denn – so steht es geschrieben – „Auf dass wer immer von ihr trinkt verliebt werde“. schmunzel Die Qualität des Wassers soll so gut gewesen sein, dass das Olivenöl aus Duilhac beliebter war als dass anderer Orte in der Umgebung. Heißes Wasser diente als Transport- und Trennmittel für das schonend gepresste Öl. Das so ausgewaschene Öl konnte in speziellen Becken vom Wasser abgeschöpft werden. So von edlem Wasser gestärkt, ergänzte ich meine Kraft durch Kekse aus dem Mehl aus der 2003 renovierten Mühle in Cucugnan. Ein Ortsbesuch dieses Kleinods zwischen den beiden Katharerburgen ist jedoch nicht nur wegen der Mühle empfehlenswert – es ist auch sonst ein pittoreskes Idyll mit einigen ansässigen Künstlern, in dem sich gern verweilen lässt.

In Maury nahm ich mir noch Zeit für eine Weinprobe bei einem Händler mit mehreren Sorten (zum Vergleichen besser als ein einziges Weingut zu besuchen). Die nette Dame war sprachgewandt auch in Deutsch ausgebildet und erklärte mir ausgiebig die Traubensorten und Herstellungsweisen. Doch muss ich zugeben, dass ich nicht jedes Wort verstand, denn solche schöne Weinverkäuferin sorgte in mir für unruhiges Pochen. So im Anflug eines leicht beschwingten Flirts und mit süßem Wein bewaffnet und mit einem Abstecher zu Forca Real (Kapelle, Sendemast und weite Aussicht in die Ebene von Perpignan) erreichte ich dann - ebenso schon eingangs beschrieben – Rainers Domizil bei einem mediterranen Sommerabend.

Ein interessanter Meinungsstreit zwischen Rainer und mir war die Funktion des Weines. Ist ein Maury (ähnlich süß und schwer wie der mir bereits bekannte Banyuls) nur ein Aperitif oder ist er auch als essensbegleitender Wein geeignet. Nun, solch süßer Wein, so meine These eignet sich nicht jederzeit und auch nicht für jederlei Gericht als Essenswein – aber für Ente oder süß-saure oder süß-scharfe Küche aus Asien, da passt er doch recht gut. Rainer meint allerdings – nur als Aperitif. Eigentlich liebe ich ja meistens auch herbere Weine, aber hin und wieder finde ich auch einen guten Süßen schmackhaft (da gibt es wohl ein paar Jugenderinnerungen an Opas Moselweine). Nun ja, geleert haben wir die Flasche ja trotzdem. Weinflasche leeren stand übrigens auch ganz am Anfang der Reise, denn im Nachtzug stiegen in Mulhouse zwei Schweizerinnen zu, die mit Umstieg in Narbonne weiter nach Bordeaux reisten, um dort im Mündungsgebiet der Garonne eine Flachlandradeltour zu machen. Nach dem Motto „Vin – c’est la vie de France“ haben wir uns dann zu dritt auf das Reiseland eingestimmt. Und schlafen konnte man damit auch gut. schmunzel

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