Wüstenfieber - Mit dem Rad nach Jerusalem

von: Biketourglobal

Wüstenfieber - Mit dem Rad nach Jerusalem - 27.10.13 17:50

Prolog

Syrien ist derzeit ein Land, in das man nicht reisen sollte. Ich hatte 1996 aber die Gelegenheit, mir dieses Land und seine Menschen näher anzuschauen.

In 46 Tagen fuhren Stephan und ich von Leipzig nach Jerusalem und durchquerten auch die Al-Badiya, die syrische Wüste. An diese 5.000 Kilometer lange Radreise und besonders die Wüstendurchquerung erinnere ich mich immer noch sehr lebhaft. Sie ging damals fast an meine Grenzen.

Nun habe ich es geschafft, meine Bilder zu sichten und für Euch aufzubereiten. Zusammen mit einer Geschichte über Kurt, einem Tankstellenbesitzer inmitten der syrischen Wüste, und einer fast aussichtslosen Suche nach der rettenden Straße im sandigen Nichts.



Kurt

Zugegeben ein ungewöhnlicher Name hier inmitten der syrischen Wüste. Kurt ist Besitzer einer noch ungewöhnlicheren Tankstelle. Eigentlich ist es nur eine Garage und die Zapfsäulen sind mit Benzin gefüllte Fässer.

Knatternd fährt ein Moped heran. Kurt erhebt sich, nimmt einen Schlauch und saugt Benzin an, um den Tank des Mopeds zu füllen. Der Fahrer steht lässig rauchend daneben. Nach dem Tanken startet er sein Moped mit einem Schraubenzieher, nickt zum Gruß mit dem Kopf und fährt von dannen.



Kurt reicht mir ein Glas Tee und deutet an, dass ich ein weiteres Glas zu Stephan, meinem Reisepartner, bringen soll.

Stephan liegt an der „kühlen“ Seite der Garage und schläft. Seit drei Tagen leidet er an Fieber und einer starken Magenverstimmung. Gierig trinkt er den Tee und fällt wieder in einen unruhigen Schlaf. Hoffentlich geht es ihm bald besser. Bis zur nächsten Stadt, Palmyra, sind es noch 120 Kilometer. Dazwischen gibt es nur einzelne Dörfer, verloren im Nichts der Wüste.

Nach ein paar Stunden gibt Stephan das Zeichen zum Aufbruch. Er will es versuchen. Zum Abschied gibt mir Kurt den Rat, immer auf die Hauptstraße zu achten, sonst kämen wir nie an. Ich weiß zwar nicht, was Kurt damit meint, denn die Straße ist ein schwarzes Asphaltband, das sich bis zum Horizont durch die sandige Ödnis zieht. Wie soll da etwas schief gehen?



Fluchend bremse ich mein Fahrrad ab und traue meinen Augen nicht: die Straße ist einfach zu Ende, wie abgebrochen. Danach kommt nur noch Sand und Stein. Undeutlich zu erkennen teilt sie sich in fünf verschiedene Pisten auf. Welche ist die Richtige?

Irgendwie alle, fürchte ich. Nach einem Blick auf den Kompass entscheiden wir uns für eine Richtung. Der Karte zufolge liegen jetzt noch 80 Kilometer dieser Sandstrecke vor uns, bis wir vielleicht die Asphaltstraße nach Palmyra treffen. Sie zieht sich von West nach Ost, von der syrischen Küste in den Irak, durch die Wüste.

Ein Tuch um den Kopf gewickelt, den Mund und die Nase verdeckt, in den Flaschen warmes Wasser und immer noch kein Ort in Sicht. Die Piste ist schwer zu befahren. Treibsand und blanker Fels tun sich vor meinen Reifen auf.

Ich weiß, dass ein kleiner Lenkfehler nicht gut für Mensch und Material ausgehen würde. Stephan und ich unterhalten uns schon lange nicht mehr. Jedes Wort ist Anstrengung, jedes Wort verlorene Energie, jedes Wort würde die eigenartige Stille zerstören, die uns umgibt.



Stephan, vom Fieber wieder eingeholt, strampelt verzweifelt weiter, obwohl er nicht mehr ganz Herr seiner Sinne ist. Mich überkommt plötzlich Angst. Was ist, wenn wir uns für die falsche Piste entschieden haben? Was, wenn Stephan nicht mehr weiter kann?

Verloren stehe ich auf einer Anhöhe. Der Horizont verschwimmt im Hitzeflimmern. Kein Baum, kein Strauch, kein Haus. Nur Sonne, Sand und Steine. Ich spüre meine eigene Ohnmacht. Ich bin allein, nur auf mich gestellt. Auf meine Erfahrung und meinen Instinkt angewiesen. Nur die Hoffnung auf den nächsten Ort mit kaltem Wasser motiviert mich und stärkt meinen Willen.

Plötzlich tauchen aus dem Hitzedunst am Horizont Häuser auf. Endlich geschafft? Endlich Schatten, Wasser, Ruhe? Neue Kraft durchflutet mich und ein Blick zu Stephan verrät, dass auch er neue Hoffnung und neue Kraft schöpft. Hoffentlich ist es kein Trugbild!



Erschöpft, aber zufrieden lehne ich mich an das Kissen, welches mir der Hausherr zurechtgerückt hat. Im kühlen Schatten seines Hauses sitzen wir und erklären seiner Frau, dass wir nicht miteinander verheiratet sind und auch keine Kinder haben. Nein, wir brauchen da auch keine Hilfe, auch wenn unser Gastgeber bereits zwei Frauen für uns hätte.

Da nehme ich doch lieber noch ein Glas heißen Tee, der hier mehr den Durst löscht als kaltes Wasser. Ich genieße die Ruhe, hier inmitten der syrischen Wüste.

Epilog

Nach diesem Abenteuer in der Wüste erreichen wir wenige Tage später Damaskus. Wir bleiben ein paar Tage, bevor wir über Jordanien weiter nach Israel radeln.

Über Qumran entlang des Toten Meeres geht es wieder hoch in die Wüste Negev und wenig später nach Betlehem, Jerusalem und Tel Aviv. Nach 46 Tagen verabschieden wir uns aus dem Nahen Osten und fliegen wieder heim nach Deutschland.



Weitere Bilder der Wüstenfieber-Tour findet ihr hier: KLICK
von: grenzenlos

Re: Wüstenfieber - Mit dem Rad nach Jerusalem - 31.10.13 08:04

Hallo,
ja so vergeht die Zeit. 1996 waren noch Dia angesagt. Danke für den Bericht. Wären selbst so gerne in Syrien geradelt. So haben wir zumindest deine Gedanken dazu, Dankeschön! schmunzel
Ach ja, interessante Webseite hast du. Macht Spaß zu stöbern. zwinker
von: Anonym

Re: Wüstenfieber - Mit dem Rad nach Jerusalem - 31.10.13 08:35

schöne Fotos und schön geschrieben - scheint ein Bericht mit literarischem Anspruch zu sein :-)
von: ro-77654

Re: Wüstenfieber - Mit dem Rad nach Jerusalem - 31.10.13 09:36

Sehr schön geschrieben, klassischer "szenischer Einstieg" in eine Reportage. Schade, dass es dann plötzlich aufhört. Ein richtiges Ende, eine "Auflösung" fehlt. Was war das für ein Ort und wart ihr auf der richtigen Route? Wurde Stephan gesund?

PS: Vielleicht war der Mann Kurd = Kurde?
von: Biketourglobal

Re: Wüstenfieber - Mit dem Rad nach Jerusalem - 31.10.13 11:26

Danke fürs Gefallen!

Ja, die Story hört natürlich auf. Literarisch hab ich es aber nie betrachtet. Und die Tatsache, dass wir dann wenig später in Damaskus und Israel waren, sollte eigentlich die Geschichte auflösen ;-)

Stephan wurde gesund. 1998 auf Tour aber wieder krank ;-)
Den Ort weiß ich nicht mehr. War auch nicht wirklich wichtig. Hauptsache Schatten und Pause.

Kurt=Kurd=Kurde - mag sein. Er bestand aber darauf Kurt zu sein. Und malte das in unserer Schrift auch auf einen Zettel.
Aber egal wie: für die Story fand ich es passend:-)

Gruß,