Re: Tagebuch einer Schottlandreise

von: alexx

Re: Tagebuch einer Schottlandreise - 31.05.09 12:53

Donnerstag, 16.10.2008
5 Km


Sonnenaufgang über Loch na Keal











Ein bißchen gebummelt, erst halb zwölf fertig. Ich hatte gerade eingepackt, da kam ein kräftiger Hagelschauer „um die Ecke“. Uih, das tat auf den Ohren weh! Zur Fähre nach Ulva. Man schiebt an einer Tafel ein Brettchen zur Seite, dann weiß der Fährmann, daß man rüber will. Der Fährmann will morgen nicht zu spät die Arbeit beenden, er heiratet am Wochenende. Schade, das Boathouse ist schon geschlossen für dieses Jahr. Keine Austern. In Sheila´s Cottage bekommt man einen kleinen Eindruck von den Lebensverhältnissen früherer Generationen.



die Sonne scheint...



















...kurzzeitig unterbrochen















auf Ulva
Basaltsäulen
es grünt so grün
Die „Straße“ ist sehr steinig, an Radeln ist nicht zu denken, höchstens ohne Gepäck. Das Rad habe ich auf einer Weide stehen lassen und eine kleine Wanderung entlang der Küste gemacht. An manchen Stellen gibt es die sechseckigen Basaltsäulen zu sehen, die auch charakteristisch für Staffa sind. Schöne Ausblicke über die Küste. Keine Menschenseele, nur ein paar Stück Rotwild. Eine Eiche, mit Moosen und Flechten überwuchert. Die kleine Wanderung hat sich sehr gelohnt.

Freitag, 17.10.2008
34 Km, 14 km/h
Die Hirsche haben nachts wieder einen Krach gemacht! Zehn Uhr war ich beim Boathouse, und der Fährmann konnte sich auf seinen großen Tag vorbereiten. Die Eas Fors Wasserfälle. Ich warte auf ein wenig Licht. Zögerlich kommt die Sonne ein wenig durch die Wolken. Ich mache ein paar Bilder. Als ich fertig bin und die Kamera weggepackt habe kommt die Sonne richtig hervor. Na toll, noch ein Bild. Die Strecke führt durch kleine Weiler, ziemlich hügelig, bei Burgh wird es richtig steil, zu steil, ich muß schieben. Und wieder das Ratespiel: wird es mehr regnen oder wird es nur ein kurzer Schauer? Regenjacke an oder nicht? Nach Calgary runter. Die Bucht wird als die schönste auf Mull gepriesen. Es gibt auch reichlich Infrastruktur: Parkplätze, Wiesen, auf denen gecampt werden darf, Toiletten. Aber es ist trotzdem nicht mehr als ein Sandstrand. Wahrscheinlich wäre es bei schönerem Wetter eindrucksvoller gewesen. Ein Waldskulpturenweg. Im Café habe ich etwas gegessen. Die Ausstellung war nicht so nach meinem Geschmack. Naive Kunst? Jedenfalls teuer. Eine junge Familie. Offenbar mit Geld. Aber ohne Manieren. Die Bedienung war von denen ziemlich angenervt. Postkarten schreiben.













Bald kam eine Abzweigung nach Croig. Da lag ein Schiffswrack auf einer Kiesbank. Drei Australier machten dort mit ihren digitalen SLRs pixelige jpegs. Ich packe auch meine Kamera aus. „Oh, look, a filmcamera!” Es läßt sich nicht mehr wegreden – der herkömmliche Film ist akut vom Aussterben bedroht. Rettet die Wale. Rettet die Filme!! Dervaig ist ein „richtiges“ kleines Dorf. Mit Kirche, Hotel und Geschäft. Die Herberge ist belegt, es findet eine Hochzeit statt. Der Fährmann... Aber ich kann mein Zelt vor das Haus stellen und drinnen duschen. Nach dem Duschen ins Hotel essen. Ziegenkäse auf Salat mit Pesto. Gut! Lammkeule in Rotwein, auch gut! Und den Abschluß bildete ein custard pie mit crumble (dazu lief aber nicht Led Zeppelin). Köstlich. Pappensatt. Und in der Bar noch ein paar Bier.

Samstag, 18.10.2008
45 Km, 14,7 km/h
Das Schauerwetter setzt sich fort. Beständig unbeständig. Es geht bergauf, ächz, Regen. Nette Gegend. Tobermory ist ein „richtiges“ kleines Städtchen. Mit Destillerie (da bin ich aber nicht rein), Kunstforum, das An Tobar Arts Centre, und einige Geschäfte. Da gab es Spiritus, der halbe Liter für 3,10 Pfund. Die haben Angst, man könnte das Zeug als billigen Schnapsersatz saufen. Selbstklebende Flicken. Ob die was taugen? Es habe sich noch niemand beschwert, meint der Verkäufer. Im Arts Centre eine recht leckere Kartoffel-Kokos-Suppe. Wieder muß ich Fragen zum Rad beantworten. Diese zusätzliche Verstrebung im Rahmen weckt immer wieder Interesse. Nachmittags auf die Fähre nach Kilchoan auf der Ardnamurchan-Halbinsel. Die Überfahrt war ziemlich schaukelig.


Ich bin zum Point of Ardnamurchan raus. Es war sehr windig. Gegenwind. Und hügelig. Aber schönes Wetter. An der Küste bin ich auf den Felsen rumgekraxelt, dann bequemte sich die dunkle Wolke zur Seite und die Sonne strahlte den Leuchtturm an. Die Brandung an den Klippen. Klasse Szene. Dann habe ich mich auf den Rückweg gemacht. In Kilchohan (sprich Kilhohan, Ardnamurkan) in einer Bar habe ich frisches Wasser bekommen. Hm, sehr gemütlich, die Kneipe. Man könnte ja... Einige Kilometer außerhalb das Zelt aufgestellt und nach dem Essen noch aufgerafft und in die Bar. Ganz eigenartige Stimmung in so einer Mini-Dorfkneipe. Sehr familiär.




Sonntag, 19.10.2008
94 Km, 17,1 km/h
Das geliebte Schauerwetter hat ein Ende. Schmuddelwetter. Kräftiger Wind aus Süden, Regen. Ich wollte nach Möglichkeit heute Mallaig erreichen. Die Fähren nach Skye fahren nur noch zweimal am Tag (Winterfahrplan), dann könnte ich morgen die frühe Fähre nehmen. Keine berauschende Aussicht, bei dem Wetter viele Kilometer zu machen. Gleich zum Auftakt macht die Straße einen Bogen nach Süden: Gegenwind in Sturmstärke, Regen prasselt ins Gesicht. Spinnen die? Der kleine Kapuzenschirm kann sehr wertvoll sein. An der Küste führt die Straße wieder in östlicher Richtung, da hat man (theoretisch) nur Seitenwind. Allerdings trifft der Wind auf die Berge und kann sich manchmal nicht entscheiden, ob er nach links oder rechts will. Dann gibt es schon mal abrupte Richtungswechsel. Wäre bestimmt eine schöne Ecke – bei anderem Wetter. In Salen nach Norden abgebogen. Das ist gut, jetzt habe ich öfter Rückenwind. In Acharacle wollte ich im Tearoom etwas essen, aber der war geschlossen. Immerhin eine Überdachung, da habe ich gevespert. Außerdem im Geschäft Schokoriegel gekauft, die mit den Nüssen. Und ein Glascontainer! Da wurde ich mein Marmeladenglas los. Gestärkt und von Ballast befreit ging es mit Rückenwind bergauf nach Kinlochmoidart. Plötzlich mediterrane Düfte, ein Koniferenhain. Die Seven Men of Moidart sind schon arg dezimiert. Wildziegen. Und es geht wieder bergauf. Ich habe zwar Rückenwind, dessen Zuverlässigkeit läßt aber noch zu wünschen übrig. Der Berg zieht sich wie Kaugummi. Endlich oben. Rasende Abfahrt. Bei dem böigen Wind muß ich doch bei 50 km/h abbremsen, sonst hätte ich auch problemlos schneller rasen können. Was ein Gaudi...! Schafe haben kein Problem damit, wenn Autos dicht an ihnen vorbeifahren. Aber vor Fahrrädern haben sie panische Angst. Ich bin da nicht unsensibel und fahre mit möglichst viel Abstand an ihnen vorbei. Dennoch werde ich wohl eines Tages ein Schäfchen an einem während der wilden Flucht erlittenen Herzinfarkt sterben sehen. Oder zumindest beim Sprung durch einen Zaun erlittene Knochenbrüche verarzten müssen. Von hinten sieht ein rennendes Schaf ulkig aus, der Hintern wackelt beachtlich hin und her. Rückenwind bis Lochailort. Auf die A830 nach Mallaig abgebogen. Ab und an sieht man Fragmente der „alten Straße“. Neben der breit ausgebauten Schnellstraße wirkt sie wie aus dem Museum. Eine Spur, eine enge Steinbrücke. Und die „neue“ wird weiter ausgebaut. Stellenweise allerdings ist aber die „alte“ noch in Betrieb. Ein Ausbau ist da tatsächlich notwendig. Die Silver Sands im Regen. Da stehen wieder Leute mit dem Wohnmobil und gucken in den grauen Himmel. Die gucken so rüber...? Mal winken. Dann sogar ein Radweg. Unter der Straße ein Radtunnel mit 25 Lampen. EU-Projekt? In Sheena´s Backpacker Lodge in Mallaig war noch Platz frei, ich war vorerst der einzige Gast. Es kamen noch zwei Mädels aus Norddeutschland. Wir haben eine Art Pantomime-Spiel gespielt, war sehr unterhaltsam. Später kam noch ein junges schottisches Paar. Er trank reichlich Whisky – was ja nicht verkehrt ist ;-) – aber billigen, mit Cola - iiih! Sie gefiel sich als Opfer der Arbeitswelt: hart arbeitende Putzfrau mit bösem Chef. Sie hatten einen ganzen Karton Schokolade dabei. Von welchem LKW war der wohl gefallen? Die Redewendung „vom LKW gefallen“ gibt es im Englischen auch...Aber sie haben zweifelsfrei für Unterhaltung gesorgt.

Montag, 20.10.2008
52 Km, 18,7 km/h
Sieben Uhr auf, schnell frühstücken. Dunkle Wolken. Zwanzig vor neun ging die Fähre nach Armadale auf Skye. Die beiden Schotten waren auch mit von der Partie. Das Meer war sehr unruhig. Einmal krachte das nicht eben kleine Schiff so heftig in eine Welle, daß das komplette Vorschiff geduscht wurde. In Armadale warteten drei Radler auf die Fähre, darunter ein Mädchen, Mitte zwanzig? Sie war allein über die Äußeren Hebriden gefahren. Mit Zelt. Sensationell. Womöglich hätte ich genau an dieser Stelle meine Tourplanung komplett ändern müssen, mein ganzes Leben hätte sich vielleicht verändert! Nein, so einer bin ich nicht... Sie hatte noch nicht mal eine Regenhose dabei, geschweige denn Gamaschen! Dagegen bin ich ja ne Pussy! Dann mußte ich mal wieder auf einem Friedhof Pause machen. Das dauerte mal wieder... Das Wetter war weiterhin unbeständig, Schauer. Keine Fernsicht. Aber Rückenwind. Nach Broadford, dort vergebliche Suche nach Bremsklötzen. Warum habe ich nur ein Ersatzpaar mitgenommen? Und warum habe ich das neue Paar nicht schon viel eher montiert, dann hätte ich die alten noch als Notreserve für die andere Bremse gehabt?? Manchmal dauert´s länger... Ich schiebe das auf völlige Entspannung. In einem Café habe ich Haggis gegessen. In einem Strickwarenladen nach Pullovern geguckt. Sehr spirituell, alternativ der Laden. 160 Pfund für einen Pullover... Ich würde ja auch gerne noch mal auf Skye einige Tage verbringen, aber man muß sich entscheiden. Ich habe mich für Torridon und Loch Maree entschieden. Die Brücke zum Festland ist nicht sonderlich attraktiv. Irgendwo schade, daß es die Fähre nicht mehr gibt. Die kleine nach Glenelg fährt nur in der Saison. Kyle of Lochalsh ist nicht unbedingt sehenswert. Ich wollte mal auf einen Berg etwas die Aussicht genießen. Wenn das Wetter es zuläßt. Zu Hause hatte ich mir auf der Karte einen Forstweg ausgeguckt, auf dem wollte ich möglichst nah an den Sgurr Mor, der ist nicht sehr hoch, aber es reicht für einen schönen Ausblick. Bei Balmacara Square begann der Weg. Das Rad mußte ich hier schieben. Dann auf einem Streifen Gras das Zelt aufgestellt. Alles ziemlich naß hier. Das Wasser fließt auf dem Weg zu Tal. Aber es geht. Die „drei Kameraden“ sind zu Ende; es kam, wie es kommen mußte...


Dienstag, 21.10.2008
18 Km, 12,5 km/h
Kurz nach neun war ich fertig für meine kleine Wanderung auf den Sgurr Mor. Wieder Schauerwetter. Diesmal mit Hagel und Graupel. Es war ziemlich frisch. Also los, immer schön in Bewegung bleiben. Zunächst ging es ein gutes Stück den Forstweg entlang. Die „Abzweigung“, die ich auf der Karte ausgemacht hatte, entpuppte sich als halbwegs erkennbarer Pfad. Immerhin zeigte eine Markierung, daß dies ein Weg war. Also konnte ich ja nicht so falsch sein. Bald mußte ich feststellen, daß Gummistiefel die geeignete Wahl gewesen wären. Der tiefe Boden war stellenweise sehr sumpfig, immer wieder versanken meine Schuhe im Morast. Ein Lederwanderschuh ist kein Gummistiefel, bald hatte ich nasse Füße. Nach ein paar hundert Metern durch quatschenasses Unterholz hatte ich den Zugang zum „Gipfel“ gefunden.
Schauer über Skye, the Five Sisters of Kintail Oben angekommen wehte ein kräftiger Wind, der die ohnehin niedrigen Temperaturen noch niedriger erscheinen ließ, und in regelmäßigen Abständen zogen Schauerwolken herein. Immerhin gab es zwischen den Wolken immer einen Augenblick sehr guter Fernsicht. Im Osten die schneebedeckten Five Sisters, im Westen die Cullins und der Inner Sound. Angesichts der nassen und eiskalten Füße begab ich mich bald wieder auf den Rückweg. Auf dem Forstweg habe ich die Socken ausgewrungen, um das gröbste Wasser aus den Schuhen zu bekommen. Beim Zelt hab ich die Füße in den Schlafsack gesteckt, aufwärmen. Mit den verbliebenen Resten der Zeitung die Schuhe so gut es ging getrocknet. So eine Süddeutsche ist ihr Geld wert! Mit frischen Socken war es einigermaßen erträglich in den Stiefeln. Eingepackt und Richtung Durinish aufgebrochen. Dort nach Portneora ans Meer. Schöner Blick zu den Bergen von Applecross.
Nach Plockton, ganz nettes Örtchen. Dort gibt es eine private Herberge. Das Haus war zwar offen, es war aber keiner da. Es waren nur wenige Betten nicht belegt. Was tun? Warten, bis die Betreiber kommen? Wenn nun die restlichen Betten reserviert sind? Die Aussicht auf eine Nacht in einem engen, muffigen Zimmer mit einigen Schnarchnasen war auch nicht so verlockend. Ich beschloß, weiterzufahren. Unter ein paar Eichen einen schönen Platz gefunden.