Tagebuch einer Schottlandreise

von: alexx

Tagebuch einer Schottlandreise - 31.05.09 11:05

Tourverlauf: Mit dem Zug von Köln nach Amsterdam, per Schiff von Amsterdam nach Newcastle, quer durch die Borders nach Glasgow, weiter über die Insel Arran, nach Islay, Jura und Mull, über Mallaig nach Torridon und Gairloch. Zug ab Inverness nach Edinburgh und weiter nach Newcastle.
Dies ist bereits meine vierte Radtour durch Schottland. Und die dritte im Oktober. Warum so spät im Jahr? (Ist das überhaupt spät?) Weil ich die Herbstfarben liebe...die Einsamkeit mag und im Oktober eben weniger Leute unterwegs sind...die Hirsche nachts so schön röhren...es den miesen kleinen midges zu kalt ist...Schnee in der Luft liegt...and the dogwoods shimmer in the octobersun...
Unterwegs bin ich mit einem Patria Ranger, 14 Gang-Nabenschaltung, 47er Straßenreifen. Zelt, Kocher, Kamera mit diversem Zubehör. Das Rad selbst ist ziemlich schwer, das Gepäck habe ich nicht gewogen, werden aber wohl so rund 35 kg sein, auf ein Kilo mehr oder weniger kommt es da auch nicht an...natürlich nehme ich so wenig wie möglich mit!!
Die Bilder sind das traurige Ergebnis per Flachbettscanner digitalisierter, ehemals brillanter Dias ;-) Auf dem Bildschirm wirken sie wie durch ein trübes Fenster betrachtet, stellt sie Euch einfach auf der Leinwand vor...diese Brillanz...Leuchtkraft...
Man möge mir verzeihen, daß ich öfter mal von der Vergangenheitsform in die Gegenwartsform wechsele.

Samstag, 27.9.2008
83 Km 20,6 km/h
Nachdem am letzten Donnerstag (!) noch die Gabel an meinem neuen Patria Ranger getauscht wurde (sie zitterte beim Bremsen arg; sie zittert immer noch, aber weniger), ist der grüne Riese (70er Rahmen in british green) jetzt hoffentlich einsatzbereit. So richtig begann die Tour ja erst am Montag, nur stand heute noch ein Besuch bei meinem Bruder in der alten Heimat Bergisch Gladbach an. Und dahin fuhr ich von Siegen aus mit Sack und Pack. Geplant war, morgens „direkt nach dem Frühstück“ loszufahren. Haha, sogar Expander mußte ich noch kaufen gehen...Rad fertig machen, Taschen zu Ende packen, Wohnung einigermaßen ordentlich zurücklassen- was das alles aufhält! Halb drei war endlich Abfahrt. Nur gut, daß ich heute keinen Zug erwischen muß. Blauer Himmel, Sonnenschein tralala, die Tour fängt an! Dieses unglaubliche „on the road again“-Gefühl stellt sich sofort ein. In Eiserfeld brennt ein Haus- und Hunderte stehen auf der Straße, als ob sie noch nie die Feuerwehr gesehen hätten. Der Radwanderweg „Das Siegtal“ ist auf dem Abschnitt von Siegen bis Hamm wenig attraktiv: vielfach Bundesstraße, teilweise mit Radweg, aber landschaftlich oft nur mäßig schön...vor Wissen ein fieser langgezogener Berg (10 Km/h) ohne Radweg! Immerhin vor Niederhövels ganz nette Rast am Fluß. Aber ab Hamm etwa wird’s richtig schön. Zwischen Au und Schladern ein paar herbstlich gefärbte Bäume, noch nicht richtig bunt, aber es wird schon...Außerdem am Fluß jede Menge von diesen fliederfarbenen-keine-Ahnung-wie-die-heißen-Stauden: exotisch zwar (also politisch unkorrekt weil nicht heimisch), aber trotzdem nett; und einige Herkulesstauden. Radwege entlang der Sieg, richtig schön. In Herchen wurde es dann langsam duster, daher habe ich da auf den nächsten Zug gewartet. Sobald man sich nicht mehr bewegt, wird´s gleich frisch: keine Wolken, Fluß in der Nähe...
Netter Abend beim Bruder, am Sonntag entspanntes Nixtun.

Montag, 29.9.2008
64 Km, 16,5 km/h
Fünf Uhr raus, kurz nach sechs los. Von Gladbach nach Köln eine Stunde. In den Zug nach Mönchengladbach. Trübes Wetter. Im Zug: Kacke, keine Zeitung gekauft. Ich kaufe mir doch immer eine Süddeutsche für unterwegs! Hm, soll ich in M´GL einen Zug sausen lassen und ne Zeitung kaufen? Nee, besser nicht, 17:30 Uhr fährt das Schiff in Ijmuiden ab. Also in den nächsten Zug nach Venlo. Der Schaffner: „Der Zug endet in Kaldenkirchen, Oberleitungsschaden in Venlo. In Venlo geht nix mehr.“ Er habe eine SMS bekommen, mehr könne er auch nicht sagen. Schluck, keine Züge ab Venlo? Das wäre aber doof! Ab Kaldenkirchen fährt jedenfalls ein Ersatzbus nach Venlo. Im Abteil waren einige Fahrgäste mit Rad, der Zug nicht gerade leer. Mir war klar, daß der Bus voll sein würde, bis ich mein Rad samt Gepäck durch die Unterführung des Provinzbahnhofs gebuckelt habe. Der Bus war rappelvoll. Ich habe den Busfahrer gefragt, wie man nach Venlo fährt. „Sie wollen bis Venlo mit dem Rad??“ Er konnte das Rad nicht sehen, sonst wäre ihm wahrscheinlich klar gewesen, daß ich noch ein paar Kilometer mehr im Programm hatte. Hm, in Kaldenkirchen kann ich ja noch eine Zeitung kaufen. Der erste, den ich fragen wollte, wo man eine Zeitung kaufen kann, war ein älterer Herr. Dessen Körpersprache verriet aber, daß er nicht die Absicht hatte, Fragen zu beantworten: “keine Zeit, muß zum Zug“. Hoffentlich nicht nach Venlo! Der nächste war ein eher einfacher Zeitgenosse: „Beim Rewe gibt´s die TV-Movie für 1,20, mit CD!“ Im Zentrum die Zeitung bekommen und los Richtung Venlo. Das waren gerade mal sieben Kilometer. In Venlo die ersten Regentropfen. Am Bahnhof stand eine Bedienstete am Eingang, die sprach zum Glück Deutsch. Ich solle zur nächsten Station fahren, nur ein paar Kilometer, da würden Züge nach Amsterdam fahren. Die Straße entlang und dann „über die Brücke“. Gut. Hm, man konnte unter der Brücke durch oder an ihr vorbei weiterfahren. Wo lang? Ein Stück weiter konnte man auch schon den Bahnhof sehen. Zum Greifen nahe. Bis ich ihn gefunden hatte war ich aber zweimal im Kreis gefahren, hatte zweimal gefragt... Also rauf auf den Bahnsteig. Da stand ein Zug. Ja, der fährt nach Amsterdam. Einsteigen, keine fünf Minuten später fuhr er ab. Prima. Die ganze Oberleitungsaktion hat gerade mal eine Stunde Zeit gekostet. Ich bin einem Plausch mit Mitreisenden ja nicht abgeneigt. Deswegen muß der freundliche Niederländer (nicht Holländer, die wohnen an der Küste, weiß ich jetzt) mich aber auch nicht gleich 1,5 Stunden zutexten am frühen Morgen. Aber trotzdem nett. Halb eins in Amsterdam. In der Prinsengracht und in der Heerengracht ein paar Fotos. Gegen zwei los. Ein Schauer. Keine Regenklamotten angezogen. Mutiger Mann.
Diese Architektur hier- Wahnsinn! Nahe der N200 ein Citroen-Fan, bzw Werkstatt: mehrere HY auf dem Grundstück, alle ziemlich gammelig, dazu zwei DS break. Über Spaandam und Santpoort nach Ijmuiden. Die Strecke kannte ich ja von den letzten Touren schon ziemlich gut. Bei Ijmuiden kam ich an „meinem alten Campingplatz“ vorbei. Da habe ich vor vier Jahren unfreiwillig übernachtet, weil ich den Personalausweis vergessen hatte... Ein Blick über die Dünen zum Strand runter. Es ist schon spät, also weiter zum Terminal. Das Fräulein im Fahrkartenhäuschen winkt schon, ruft meinen Namen...? So spät bin ich doch nicht? Keineswegs.








Es ist noch genug Zeit beim Laden des Schiffes zuzugucken. Die „harten Typen“ auf ihren Maschinen. Ich bin wiedermal der einzige Radler. Ich habe wieder eine Zweierkabine für mich allein. Schön. Schönes Wetter. Steife Brise aus Südwest. Ein Bier. Die Sonne verabschiedet sich. Einfach phantastisch so ein Abend auf dem Meer. Ich bin müde und gehe früh schlafen.



Dienstag, 30.9.2008
61Km, 14,9 km/h
Trübes Wetter, schade. Ist nix mit so wie letztes Mal auf´s glitzernde Meer gucken, Tee Trinken und Mamas Kuchen essen. Aber Tee Trinken und Mamas Kuchen essen natürlich schon. Den Pott Tee für 3,90 € gibt´s nicht mehr. Nur Tassen. Für 3,-. Frechheit. Halb zehn englische Zeit vom Schiff runter. Hallo England! Es regnet so vor sich hin. Es regnet etwas mehr. Da steckt was im Reifen. Hm, ein Steinchen. Der Reifen war sehr schnell platt. England hat mich schon mal freundlicher begrüßt. Juchu, das erste Mal Reifen auf Nabe flicken. Reifen geflickt, Reifen läßt sich wie beim alten Rad auch nur mühsam in eine einigermaßen „eierfreie“ Position bringen. Ich hasse das. Dann aufpumpen. Warum geht das so schwer?? Verdammte Plackerei. Da geht kaum Luft rein. Bis ich es geschafft habe: das Ventil ist ausgerissen. Ruhe bewahren. Das geht vorbei. Ich bin hier im Urlaub, da wird es so ein alberner Schlauch nicht schaffen, mich aus der Fassung zu bringen. Auch nicht im Dauerregen. Ersatzschlauch drauf. Wie üblich in Wallsend zum Geldautomaten (immer der gleiche) und in den Laden Milch kaufen (auch immer der gleiche). Nach Newcastle rein. Es regnet etwas weniger. Ah, die Grünweissen. Ja, ein Radladen, da rauf, dann rechts und dann... mein Englisch ist eigentlich ganz ok, aber dieses Genuschel - was soll´s, ins Zentrum. Ein Radverleih. Ne, verkaufen kann sie mir keinen Schlauch. Oben in der Stadt gibt es einen Radladen. Die hat Humor, schickt mich entgegen der Einbahnstrasse. Im Laden gibt es keinen Schlauch für meine 47er Reifen. „Wo kann man die hier bekommen?“ „Hm, versuch´s mal im Internet!“ Thank you. Ich komme ja noch nach Glasgow... Zum Bahnhof. Es lohnt sich Fahrscheine im Voraus zu kaufen. Inverness-Edinburgh kostete 17,20 Pfund, wenn ich es am Tag der Abfahrt gekauft hätte, hätte es 38,20 gekostet. Allerdings Zugbindung, wie bei uns auch. Dann also weiter. Es war schon fast drei und ich war noch nicht aus Newcsatle raus! Ein fetter Schauer. Ein Radladen. Der hatte 47er Schläuche. Und allerhand Tips: Ventil ganz aufdrehen, reindrücken, dann erst pumpen. Er war begeistert von meiner Idee, so mit Rad und Zelt. Aber warum so spät im Jahr? Jo, die Herbstfarben! Ich liebe die braun-roten Sumpfgräser, verblühendes Heidekraut, die bunten Bäume. Dann mußten seine Kollegen herbeikommen und mein Rad bewundern. Und den Berg Gepäck. Viel Glück, alles Gute...! Endlich raus aus Newcastle. In westlicher Richtung, erst auf die A69, dann die B6318. Endlich diese geile Hügellandschaft. Rauf. Runter. Klasse. Jetzt aber „ein bißchen Gas geben!“ Ok, erst mal Pause auf der Hadrians Wall: Müsli, bestes Kraftfutter. Im nächsten Örtchen ein paar Nudeln gekauft. Als ich aus dem Laden kam, meinte ein Opa zu mir, ich solle mein Rad immer abschließen. Immer. Gut, wird gemacht, Chef. Jetzt aber los. Es ist windig. Natürlich Wind von vorne. Aber dafür wird das Wetter immer besser. Heute morgen war es noch total grau und regnerisch. Jetzt traut sich die Sonne raus. Dieses Auf und Ab kostet Kraft. Und Zeit. Dafür kann man zum Teil recht weit in diese wundervolle Landschaft gucken. Unspektakulär zwar, aber sehr nett: Hügel, Feldsteinmauern, Weiden und Wäldchen.
Schußfahrt nach Chollerford. Wahnsinn, bremsen!! Auf die B6320 Richtung Norden. Bei Simonburn in ein Nebensträßchen, auf einem Flecken Gras unter zwei alten Eschen das Zelt aufgestellt. Es ist recht windig, ziemlich frisch, ein paar Wölkchen am blauen Himmel, die Sonne schon weg. Absolut klasse. Essen machen, ein winziges Schlückchen Whisky (der war eigentlich für die kalten Tage gedacht), schlafen.

Mittwoch, 1.10.2008
89 Km, 16,7 km/h
Sieben Uhr auf. Wetter wie gestern abend: windig, frisch, sonnig. Heimelige Häuschen, ein altes Kirchlein. In Wark bei einem Pub Wasser bekommen. Eine ältere Frau, sie ist Michael Schumacher-Fan, der sei einmalig. So so. Na ja, Formel Eins ist nicht mein Ding. Dann ein wirklich fieser Anstieg: kurz, aber extrem steil, kurvig, Buschwerk rechts und links. Unübersichtlich. Man eiert da den Berg rauf und hofft, daß kein Auto kommt. In Bellingham (sprich Bellingdschum, wie der Mensch im Radladen meinte) in das Café, English Breakfast. Um eins weiter. Diese herrliche „Der Doktor und das liebe Vieh-Landschaft“! Es zogen Schauer auf. Zum Kielder Reservoir rauf. In Kielder einkaufen. Wasser gab´s auch im Lädchen. Reines Quellwasser. Netter Typ. Um drei an der schottischen Grenze. Ein Schauer. Einer. Eine große Wolke drohte. Aber sie war lieb und blieb auf Distanz... Dann wurde das Wetter auch wieder besser. Hermitage Castle. Ein wahrhaft gewaltiges Ding - strenge Architektur, da verließ den Angreifer vermutlich schon vom Anblick der Mut. Ein Stück muß ich noch schaffen. Wiederaufforstung mit Laubbäumen. Rauf bis Sandy Edge, auf der anderen Seite den Berg runter rasen. Es wird duster, ein Plätzchen gesucht und das Zelt aufgestellt. Alsbald kam die Familie nach Hause: ein Geländewagen nach dem anderen braust den Schotterweg rauf.



der Doktor und das liebe Vieh...?










Donnerstag, 2.10.2008
61Km, 16,5 km/h
Ich bin noch nicht ganz wach, da brausen die Geländewagen wieder vorbei. Fleißige Menschen. Schönes Wetter. Als erstes links ein Seitensträßchen rauf. Da sollte ein Cemy (ein alter Friedhof) sein. Nicht gefunden. Aber eine irre steile Straße. Und dann schöne Blicke ins Land. Hügeliges Weideland, Hecken, kleine Wäldchen. Eine Bahnstation von der längst stillgelegten Bahnlinie. Das Kassenhäuschen steht noch. Es wohnt jemand im Bahnhofsgebäude. Die rostige Fußgängerbrücke im viktorianischen Stil (?) steht auch noch. Weiter nach Hawick (sprich Hoick). Nettes Provinzstädtchen. Beinahe hätte ich einen schönen Pullover gefunden. Aber wie so oft etwas zu klein. Im Damascusdrum Café gab´s eine leckere Suppe, einen Fetabagle und eine Holunderlimo. Dazu allerfeinsten Blues. Sehr gemütlich!http://www.damascusdrum.co.uk/
Auf die B711 Richtung Ettrick Water. Es geht rauf. Sonnenlicht fällt auf die knorrigen Wurzeln alter Bäume. Die Fotografiererei hält ganz schön auf. Hinweise auf Spanisch und Polnisch, daß Fischen verboten ist. Das Tushielaw Inn hat Mittagspause. Die B709 rauf. Monotoner Nadelwald. Dann flotte Abfahrt, zum St Mary´s Loch abgebogen. Sanfte, spärlich bewachsene Berge, ein See. In Cappercleuch rechts rein zum Megget Reservoir. Nahe der Staumauer das Zelt aufgestellt. Es ist kalt und windig. Dann fängt es auch noch an zu regnen, es prasselt geradezu. Ich habe trotzdem noch gekocht. Da ist immer noch Lauch von zu Hause(!). Hält sich erstaunlich gut. Immer schön einwickeln...

Freitag, 3.10.2008
66 Km, 16,8 km/h
Es ist sehr windig. Und eisekalt. Aber neben Wolken auch Sonne! Nach dem Stausee kam ein recht schönes Hochtal. Kahle Hügel. Steinmauern. Wiesen. Und dann kommen zwei Armeetransportflugzeuge im Tiefflug durch das Tal gebrummt. So langsam, daß man meinen könnte, sie würden gleich herunterfallen. Später habe ich erfahren, daß dieses Tal ein beliebter Platz für Hobby-Militärfotografen ist. Am Talla Reservoir gab es heftigen Gegenwind. Schöner Blick auf das tiefblaue Wasser, aufgewühlt, mit richtigen Schaumkronen, rechts und links schroffe, steile Berge. In Tweedsmuir die Aufforderung das Crook Inn zu retten. Der Besitzer wolle es umbauen und dann Wohnungen vermieten. Zu spät, glaube ich, es ist schon geschlossen... Schade. Von der A701 nach Westen auf die B7016 abgebogen. Hm, da schneidet jemand die Hecken. Letztes Mal brachte mir das gleich vier Löcher ein. Umkehren? Ach was, diesmal habe ich mehr Glück. Durch Biggar durch, dann war das Glück verbraucht. Ein Dorn hatte doch den Weg gefunden. Verflucht. Schlauch wechseln. Es wurde schon wieder spät. Heute wollte ich schon noch Glasgow erreichen. Über hügelige Nebenstraßen zur A73 und weiter nach Lanark. Einer hupt aufmunternd, yes, thanks! In Lanark zum Bahnhof. Der Zug stand schon bereit, aber es war kein Fahrkartenautomat zu finden. Die Leute im Zug meinten, man könne das Ticket beim Schaffner kaufen. Also rein. Es kam kein Schaffner. Vier Tage kaum Leute, plötzlich so viele Menschen. Komisches Gefühl. Acht Uhr in Glasgow. Einen Mann auf der Straße gefragt wo es lang geht, dann hab ich den Weg auch direkt gut gefunden. Die Jugendherberge liegt ein Stück außerhalb des Zentrums, ein alter viktorianischer Bau, ganz schön, nettes Personal. Der Fahrradschuppen liegt auf der Rückseite des Hauses in einer stillen Gasse, die Tür ist nicht eben vertrauenserweckend. Na ja, Rad an ein Heizungsrohr angeschlossen und gut. Ich bin nicht mehr weggegangen, es war schon spät.

Samstag, 4.10.2008
Schmuddelwetter: windig und regnerisch. Frühstück im hauseigenen Café, dann in die Glasgow School of Art. Da gab es eine sehr interessante Führung durch das von Mackintosh entworfene Gebäude. Sehenswert! Herr Mackintosh war sehr detailverliebt: Nischen für täglich frische Rosen auf dem Korridor, ovale Oberlichter usw. Das Budget reichte nicht, der Bau mußte zeitweise (ein paar Jahre...) eingestellt werden, bis wieder Geld da war. Im zweiten Bauabschnitt sparte man sich dann das eine oder andere Detail... Die Gallery of Modern Art ist kostenlos, auch wenn eine kleine Spende nicht abgelehnt wird. Immer noch Schmuddelwetter. Hunger. Im Irish Pub ein Chili und ein Guinness. Das Chili war ganz ok, das Guinness lecker wie immer. Dann wurde das Wetter doch noch besser - sogar ein paar Sonnenstrahlen am Abend! - da bin ich noch zur Nekropolis gefahren. Die schönsten Grabanlagen verfallen leider und sind mit Bauzäunen abgesperrt. Am Abend bin ich noch mal los „ein Bier trinken“. Im Irish Pub. Ich dachte er wäre überfüllt, weil so viele draußen standen, aber das waren nur die Raucher. Drinnen spielt eine Band. Jede Menge Fußballfans von Celtic Glasgow. Riesen Stimmung, Celtic hat heute 4:0 gewonnen. Die Fans grölen die Lieder mit oder singen ihre eigenen. Nur Applaus gibt´s keinen für die Band. Und zum Rauchen gehen sie brav raus. Mit einem der Fans habe ich mich unterhalten. Irgendwann hat er kapiert, daß ich weder Anhänger von Borussia Dortmund (was sein deutscher Lieblingsverein ist) noch von Bayern München bin, sondern Borussia Mönchengladbach. „Borussia...“ „Ha, realy? Ich bin Borussia Dortmund-Fan!“ „Ne, Mönchengladbach...“ „Aah, München!“ „Mönchen...“ „...München...?“ Gut, trinken wir noch eins.



Sonntag, 5.10.2008
87 Km, 19 km/h
Zehn Uhr war ich los. Super Wetter. Da gestern Schmuddelwetter war, habe ich heute noch schnell ein Bild von der Glasgow School of Art gemacht. Im Bild ist die „Eingangslaterne“ zu sehen. Ich stehe in der Telefonzelle, da kommt ein junger Typ, macht die Tür auf und gibt mir zu verstehen, daß die (sandfarbene, Baumwoll-) Shorts über der (langen, legginsmäßigen) schwarzen Radhose aber gar nicht geht: „No no no!“ Ist doch keine Modenschau? Aber danke für das Interesse. Am Bahnhof hieß es gestern, Züge würden wegen Überflutungen nur bis Johnstone fahren. Heute sollten Züge wegen Bauarbeiten erst ab Paisley (Nachbarstadt von Johnstone) fahren. Hm, da muß ich wohl auf eigenen Rädern nach Ardrossan. Auch gut, durch Außenbezirke fremder Großstädte zu fahren ist durchaus interessant, da bekommt man ein bißchen vom „normalen“ Einwohner mit. An einer Tankstelle mußte ich doch mal nach dem Weg fragen. Bei schönstem Herbstwetter durch die Vororte gewurschtelt, dann kam ich in Paisley zum Bahntrassenradweg. Ab da ging es richtig flott voran, sanfte Steigungen, gut asphaltiert. Viele Radler unterwegs. In Glengarnock wurde man auf die andere Seite des Tals geleitet und es war vorbei mit den sanften Steigungen der ehemaligen Bahntrasse. Langsam wurde die Zeit knapp, um 15:15 wollte ich in Ardrossan auf die Fähre zur Isle of Arran, die nächste fuhr erst um 18:00 Uhr. Über Nebensträßchen (=auf und ab) an einer alten Mühle vorbei nach Kilwinning und dann noch ein paar Kilometer Gas geben auf der A78. Noch einen überflüssigen Umweg eingebaut. Die Frau im Kassenhäuschen winkt mich ran (hatten wir das nicht schon mal?), Ticket kaufen, auf das Schiff, Tür zu, Schiff fährt ab... Puh, das paßt ja. Auf dem Schiff gab´s Irish Stew und ein Bier von der Isle of Arran. Immer noch Sonne satt, kein Wind, ruhige Überfahrt. In Brodick auf Arran einkaufen. Brodick ist ein sehr kleines Nest. Ich habe mich nicht lang aufgehalten, es ging quer rüber auf die andere Seite der Insel, da wollte ich im Idealfall bei den Steinkreisen campen. Vorher gab´s aber noch einen heftigen Berg zu knacken. Dreimal mußte ich anhalten, Traubenzucker, Wasser, ächz, (war doch nur ein Bier!) endlich oben. Die letzten Meter wurde ich von einer Gruppe Radler angefeuert. Die waren ohne Gepäck unterwegs. Da wurde erst mal mein Rad beäugt... Nein, so viel Gepäck! An der Mosel seien sie schon gewesen und es habe ihnen sehr gefallen. Überall Weinstuben... dann die verdiente Abfahrt... Als ich an der Küste bei Tormore ankam, war es schon reichlich spät. Zu den Steinkreisen darf man nicht mit dem Rad. Also an den Strand und da das Zelt aufgestellt. Herrlich so ein Abend bei lauem Lüftchen am Meer, kleine Wellen schwappen auf den Kiesstrand, eine Möwe kreischt, Sternenhimmel...

Montag, 6.10.2008
43 Km, 17,2 km/h
Das Wetter war heute leider nicht mehr so schön: Morgens früh mal noch ein paar Lichtstrahlen, dann zog es ganz zu. Bis ich eingepackt hatte und es zu den Steinkreisen geschafft hatte, war das Schmuddelwetter da. Ein paar Franzosen taperten auch da rum, hielten sich aber auch nicht lange auf bei Wind und Nieselregen. Immer wieder huschte eine Wolke vorbei, die weiter oben keinen Platz fand... Bei einer Autowerkstatt habe ich Wasser bekommen. Er war mit seinem Sohn in Frankreich, der ist die Tour de France-Strecke mit dem Rad abgefahren, er selbst mit dem Auto hinterher. In Pirnmill der Tearoom hat montags zu. Hm. Gut, keinen Tee. Der Wind hatte einigermaßen aufgefrischt, die Feuchtigkeit kommt jetzt mehr so horizontal, aber zum Glück von hinten. In Lochranza lag das Schiff abfahrbereit am Pier, obwohl es nach Fahrplan noch über eine Stunde Zeit war, bis es fahren sollte. Hm, mal gucken was da los ist. Der Mensch auf dem Boot winkt mich heran, immer rauf. Gut. Rauf, Boot fährt ab. Ich war der einzige Fahrgast. Die Überfahrt war eine feuchte Angelegenheit. Sicht? Wenig. Schaukelig wurde es auch. War Wellengang am Pier praktisch nicht vorhanden, auf der anderen Seite schaukelte das Schiffchen ganz ordentlich an die Landerampe. Ich bin nach Skipness raus. Ein alter gußeiserne Wegweiser. In Skipness gibt´s einen winzigen Tante Emma Laden und eine Grundschule. Einen der glücklichen Besucher dieser Minischule habe ich auf der Straße getroffen. Er hat mir allerhand erzählt - wovon ich nicht alles verstanden hab, aber egal. Das Castle ist in Teilen gut erhaltenen, leider konnte man wegen Bauarbeiten nicht rein. Außerdem steht noch eine alte Kapelle, aber irgendwie wirkt das alles nicht so recht bei diesem Dauerfisseln... Auf dem Weg rüber nach Kennacraig – was nur die Bezeichnung für die Schiffsanlegestelle ist – gab es wiedermal einige Höhenmeter zu meistern. Habe zuwenig gegessen, mir geht die Puste aus. Eine Banane als Notstopfen. Endlich oben kann man zur Anlegestelle runtergucken. Da liegt das Schiff am Pier. Hm, so viel los da unten? Nach meinen Informationen fährt heute kein Schiff mehr nach Islay. Sollte ich...? Den Berg runtergedüst. „Ja, wollen Sie mit? Dann aber los, wir legen ab!“ Immer diese Hektik mit den Seeleuten... Auf dem Schiff gab´s natürlich erst mal etwas zu essen. Stehhöhe 1,98m. Achtung Sprinkleranlage! Die betonen hier ganz seltsam: Port Eeelen mit gedeeehntem E und Port Aaaskaig. Der Rheinländer würde Porcht Ällen sagen, flutscht doch besser. Als das Schiff in Port Askaig ankommt, ist es stockeduster, aber es regnet nicht. Einen kleinen Laden gibt es, der hat sogar auf. An der ehemaligen Straße nach Caol Ila stelle ich das Zelt auf.















heimeliges Skipness





Dienstag, 7.10.2008
50 Km, 18,8 km/h
Regen, leichter Wind, alles grau. Hm, toll. Die erste Station war eine alte Webmühle. Der Besitzer hat sie wieder in Betrieb genommen, nachdem sie lange Zeit verlassen war. Uralte Webstuhle stehen in dem dunklen Gemäuer. Große Mengen Stoff werden hier nicht produziert, aber die Stoffe gehen in alle Welt, wie der Besitzer stolz erzählt. Außerdem bin ich six feet six, wie ich jetzt weiß. Um eins war ich in Bowmore. Nächste Führung in der Destillerie um zwei. Beim Inder noch etwas gegessen. Hm, lecker, mit frischem Koriander. Die Führung in der Destillerie war schön und das Mädel (Name vergessen) gab sich redlich Mühe, dem Besucher eine Vorstellung von der Whiskyherstellung zu geben. Hier wird die Gerste teilweise noch selbst gemälzt, was nur noch wenige Destillerien tun. Im Lagerhaus hatte der Manager gerade einen Pressetermin und kam mit je einem Glas neunjährigem und mit einem 13jährigen Whisky, letzterer im Sherryfaß gelagert, herüber. Davon durften wir Besucher naschen. Man kann sich vorstellen, daß ein Schluck Whisky im Lagerhaus einer Destillerie immer besonders gut schmeckt, dazu kommt, daß der Whisky noch Faßstärke hat, also rund 54 Vol.%. Ein geradezu überwältigendes Geschmackserlebnis! Für mich stand fest: Bowmore kommt auf die Einkaufsliste... Anschließend gab es noch den üblichen Testdram in der Lounge. Allerdings nur einen... Das Wetter war immer noch trist. Windig, Regen, alles grau. Aber so ein Whisky wärmt die Seele...
Auf der A846 nach Port Ellen. Ich könnte schwören, daß da Kilometer von Bowmore entfernt noch so eine Prise Destillenluft vorbeikam. Mmmh... Bei der Claggain Bay soll es einen schönen Kiesstrand geben. Wenn es zwei Tage am Stück so ein Mistwetter gab, müßte es doch morgenfrüh wieder gut sein. Also Richtung Ardtalla. Bei einem Haus habe ich noch nach Wasser gefragt. Der Bewohner meinte, das wäre aber nicht das richtige Wetter, um da draußen mit dem Rad unterwegs zu sein. So so. Irgendwo hatte er ja Recht. Die zahlreichen Kuhfladen auf der Straße waren vom Regen in eine wäßrige Pampe verwandelt worden, die sich großzügig über die Fahrbahn verteilte. Da es schon dunkel wurde, hielt ich Ausschau nach einem geeigneten Stück Wiese. Es gab schon Wiesen, allerdings waren die ziemlich sumpfig. Nix zum Campen. Aber am Strand gab es einen brauchbaren Flecken Gras. Ein Bach rauscht durch Kiesbänke ins Meer, ein paar Bäumchen am Ufer... Es wurde windiger, aber der Wind drehte auch etwas, immer ein gutes Zeichen... Erstmal gab es aber noch Schauer. Wind, Feuchtigkeit. Hm, das Zelt ist schon etwas älter, da drückt es Wasser durch. Wie doof. Hoffen auf morgen.

alles im Griff

Mittwoch, 8.10.2008
66 Km, 18,5 km/h
Ich lag richtig: ein sonniger Morgen kündigte sich an. Langsam besiegt der Tag die Nacht, schickt ein erstes Licht über die spiegelglatte See. Jetzt aber schnell aus den Federn! Tolle Stimmung am ruhigen Meer, wenn der Tag erwacht, zu hören ist nur das Rauschen des Flüßchens in seinem Kiesbett. Der Himmel über den Festlandbergen färbt sich rötlich, die Sonne kriecht zwischen den Wolken hervor, ein Schwanenpaar schwimmt vorbei. Nein, doch ein bißchen kitschig. Ich habe einige Zeit mit Fotografieren verbracht. So ein wunderbarer Morgen entschädigt für das trübe Wetter der letzten zwei Tage. Beim Einpacken war ich etwas zu langsam, die heranziehende Wolke ist schneller als ich und unerbittlich - das Zelt ist naß. Glaub ich´s denn? Egal, es war nur eine Wolke, danach wieder schönes Wetter. Die Idee, die Karrimor-Packtaschen mit Wachs zu bearbeiten, war gut. Auch wenn sie natürlich nicht wasserdicht sind, perlt doch das Wasser schön ab. Das Kidaltoncross aus dem 8 Jahrhundert ist wirklich sehenswert, es steht auf einem sehr romantisch unter einigen alten Bäumen gelegenen alten Friedhof. Da bekam ich Gesellschaft von einem älteren Paar aus Australien, die mich gleich zu einer Tasse Tee einluden. Seine Familie stammt aus Schottland, und nun will er die Heimat seiner Ahnen kennenlernen. Nächste Station war die Laphroaig Destillerie. Schöne Führung, leider kein Umtrunk im Lagerhaus, aber dafür gab es ein ausgiebiges Probetrinken in der Lounge. Der Bedienstete forderte mehrfach dazu auf, nicht schüchtern zu sein, es könne jeder Whisky probiert werden, lediglich der 25-jährige nicht, der koste über 100 Pfund die Flasche. Gut, also dann... Nach drei Whisky war meine Seele dann aber auch genug gewärmt. Der liebe Gott war offenbar der Meinung, ich müsse ein klein wenig ausgenüchtert werden, denn gerade als ich wieder auf der Straße war, schickte er eine Wolke vorbei. Ich beschloß, sie zu ignorieren, denn es war absehbar, daß es nur ein Schauer werden würde. Aber ein kräftiger... Auf der „alten Straße“ B8016 Richtung Bowmore. Die Sonne scheint, spätsommerliches Wetter...herrlich. In Bowmore fiel mir auf, daß nur noch eine Gamasche da ist. Ich hatte sie bei der Destillerie unter einen Expander „geklemmt“. Offenbar ist eine rausgerutscht. Was eine Schei... Was tun? Bis zur Destillerie sind es ca. 16 Kilometer. Aber Schottland ohne Gamaschen? Es könnte alles so schön sein. Also zurück. Neun Kilometer, dann war die Erleichterung groß, sie lag ganz unschuldig da rum. Allerdings geht jetzt die Sonne schon bald unter, und ich wollte noch zur Jugendherberge in Port Charlotte. Zwei Bananen getankt, ein paar Kekse, und ab. Die letzten Kilometer gab es noch ordentlich Gegenwind, total platt angekommen. Hunger!! Nach dem Duschen ins Dorf, aber die Küchen in den Pubs sind schon geschlossen. Mist, ein zwei Guinness auf leeren Magen geht nicht. Also zurück in die Herberge selber Essen machen. Kein Guinness.

Donnerstag, 9.10.2008
43 Km, 17,2 km/h
Das dänische Frollein meinte, es seien lighter showers in the morning und heavier showers in the afternoon angesagt. Na toll. Ich wollte ja eigentlich runter nach Portnahaven, aber dieses Wetter war zum Spazierenfahren wirklich nicht geeignet. Die Bruichladdich Destillerie war dagegen sehr nah. Man ist hier sehr stolz darauf, den Whisky nicht zu filtern und noch selbst abzufüllen. Außerdem will man wohl - wenn ich das recht verstanden habe – demnächst in Eigenregie in der großen Mälzerei in Port Ellen mälzen. Die Brennerei arbeitet noch mit uralter Ausrüstung. Auch der Doppel-T-Träger über dem Maischbottich war schon uralt. Und nahe der Mauer, in der eingelassen war, ziemlich löchrig. Wenn man ein wenig von Statik versteht, weiß man, daß der Steg eines T-Trägers in der Mitte ruhig einige Löcher aufweisen darf, im Bereich des Auflagers allerdings nicht. Nicht, daß da mal die ganze Brücke samt Rührbesenmotor im Bottich landet! Sollte ich das jetzt mal erwähnen? Ne, man muß ja nicht immer den Klugscheißer geben. Im Anschluß an die Führung gab es ein Gläschen zur Probe, auf Nachfrage auch noch ein zweites... Eine sehenswerte Destillerie!
Sauwetter. Kräftiger Wind, Dauerregen, oder besser Dauerfisseln, soll heißen, man fährt quasi durch Wolken. Die Strände an der Westküste sollen ganz schön sein. Bei dem Wetter... Trotzdem nach Kilchoman gefahren, in der neuen Destillerie soll man ganz gut essen können. Da habe ich auch die drei Whiskyfreunde wiedergetroffen, die auch Laphroaig und Bruichladdich besucht hatten. Es gab Lachssuppe, sehr lecker. Ich bin noch kurz zur Machir Bay, aber außer den überall bei jedem Wetter anzutreffenden Hundebesitzern war natürlich kein Mensch da. Nur in einem alten Camper warteten wohl ein paar Urlauber auf besseres Wetter - und darauf mal wieder lüften zu können, an den Fenstern lief außen wie innen das Wasser runter. Ich sehe ein, daß die meisten Menschen auf Radfahren bei diesem Wetter keine Lust hätten, aber in so einer Blechbüchse sitzen wäre mir auch unangenehm. Das Wetter nach wie vor mies, Strände gucken is nich, also weiter. Die Straße rauf Richtung Port Askaig. Kurz vor dem Ort gab es eine Töpferei, die Persabus-Pottery. Im Internet machte die einen ganz interessanten Eindruck, allerdings ist sie inzwischen nicht mehr in Betrieb. Ich durfte gleich vor der Töpferei das Zelt aufstellen. An solchen Abenden ist es vorteilhaft, ein gutes Buch dabei zu haben. (Das sollte man natürlich immer.) Bei Tee, Pure Butter Shortbreak und einem Schlückchen Whisky macht man es sich gemütlich und liest. Ich hatte von Erich Maria Remarque „drei Kameraden“ dabei. Schönes Buch! Übrigens auf Empfehlung der (ukrainischen) Oma Mira. Danke an dieser Stelle und Gruß nach Ushgorod in der Ukraine!

Freitag, 10.10.2008
76 Km, 15,4 km/h
Schade schade, das Wetter ist kein Stück besser geworden. Runter nach Port Askaig, die Fähre nach Jura war schon abfahrbereit, also rauf. In Craighouse: Nächste Führung in der Isle of Jura Destillerie um ein Uhr. Also ist ja noch Zeit vorher etwas zu essen. Im Hotel eine Suppe und ein Bier. Ich war der einzige Besucher, die Tour war fad, nix anheimelndes. Foto von den Stills nur von der Türe aus. Aha. Der 18-jährige aus dem Sherryfaß (oder im Sherryfaß abgerundet?) im Miniplastikbecher serviert konnte mich nicht sonderlich ansprechen. Also steht es nach vier besuchten Brennereien 3:1 für die guten... Das Wetter war nach wie vor alles andere als berauschend – trist, trübe, feucht. Hm, ich hatte geplant, die Straße bis Lussagiven raufzufahren. Das wären rund 25 Km. Es gab auch mal den Gedanken eine kleine Wanderung zum Corryvreckan Whirlpool, einem gigantischen Meeresstrudel nördlich von Jura, zu machen. Bei dem Wetter und null Sicht aber Blödsinn. Jedenfalls bin ich ein bißchen aus Trotz bis Lussagiven gefahren. „Was ich mir vorgenommen hab...“ Die Tour war nicht der Knaller, aber sollte ich mich den ganzen Tag an die Bar im Hotel setzen? Es ging teilweise ganz schön rauf und runter. Hin und wieder kreuzte in wildem Galopp ein Hirsch mit seinen Gespielinnen die Straße. Im Dumont Reiseführer schreibt Frau Tschirner von einem stimmungsvollen Friedhof bei Inverlussa. Ich habe schon einige Friedhöfe in Schottland gesehen, aber dieser zählt nicht zu den stimmungsvollen. Ein paar „Brötchen“ nach britischer Art (diese pappigen, weichen Dinger) als Imbiß, dann habe ich mich an die 25 Km Rückweg gemacht. Beim Hotel kann man auf der Wiese campen und im Haus duschen. Allerdings war die Aussicht auf einer ziemlich feuchten Wiese im Regen das Zelt aufzustellen nicht das, was man sich unter einem schönen Abend vorstellt. Immerhin lecker Essen im Hotel! Als ich den Barkeeper fragte, ob es in Ordnung wäre, wenn ich da das Zelt aufstelle, meinte der: “Wenn du es tun mußt, tue es.“ Ich gehe also raus auf die Wiese...hm, was gemütlich...vielleicht frage ich mal, was die Zimmer kosten? Wieder an die Bar. 35 Pfund. Zuviel, dafür kriegt man ja eine ganze Flasche besten Whisky! Und davon hat man nächtelang was. Dann kam Kerstin und bot Bed and Breakfast für 22 Pfund an. Ja prima! Sie brauche noch etwas Zeit, also noch kurz Station an der Bar. Mit den ganzen nassen Klamotten in eine private Wohnung ist auch nicht gerade angenehm. Ich bin ins Hotel Essen. Wildgulasch, hm lecker. Da waren zwei texanische Hippies mit Didgeridoo, später kam noch eine Gruppe junger Leute dazu, die haben dann Musik gemacht und gesungen. Gar nicht schlecht!

Samstag, 11.10.2008
32 Km, 17 km/h
Acht Uhr auf. Keiner da. Später erfuhr ich, daß Kerstin noch schnarchte... Zehn Uhr war ich weg. Es war schönes Wetter! Was natürlich nicht heißt, das es einen wolkenlosen Himmel gegeben hätte. Am Hafen (besser Pier) ein paar Bilder. Dann Richtung Fähre. Beim Jura House habe ich die Telefonzelle vor den bunten Bäumen fotografiert. Wäre ein schönes Bild geworden, wenn ich den Film nicht versaut hätte... Ich bin den markierten Spazierweg zur Küste runtergegangen. Hat sich gelohnt: schöner Blick auf den Sound of Islay. Kurzer Schauer... Wieder zurück beim Rad: oh, Zeit wird knapp, Fähre fährt bald. Immer dieser Gegenwind! Natürlich hatte ich genug Zeit. An der Fähre wartete auch Kerstin. Sie meinte, nach der ersten Arbeitswoche im Straßenbau (!) hätte sie ein immenses Schlafbedürfnis gehabt. Kann ich verstehen. Das kleine Schiffchen wurde richtig voll. In Port Askaig bewunderte ein älterer Schotte mein Rad, holte seinen Kumpel dazu. A-ha, hubgear heißt Nabenschaltung! Daher der Name Speedhub...schön zu wissen. Sie waren schon in halb Europa mit dem Rad, seit ein paar Jahren aber nicht mehr mit Zelt... Ich bekam die Privatadresse in Dumfries, ich solle mich melden, wenn ich dort vorbeikäme. Sehr nett. Dann auf das Schiff zurück zum Festland nach Kennacraig. Auf dem Schiff habe ich gegessen, ansonsten bei sonnigem Wetter die Überfahrt genossen. Drüben angekommen war es schon spät. Selbst in so einem kleinen Nest wie Tarbert spürt man, daß es Samstagabend ist. Menschen spazieren über die „Promenade“, Jugendliche tragen ein Sixpack nach Hause... Einige Kilometer hinter Tarbert habe ich am Loch Fyne einen schönen Platz zum Campen gefunden. Der Mond über dem Meer...schön. Nur die Bienenwachskerzen für die Kerzenlaterne taugen nichts.

Sonntag, 12.10.2008
100 Km, 19,6 km/h
Halb sieben war ich auf, zwanzig nach neun war ich los, Rekord! Schönes Wetter. Bei Cairnbaan nach Crinan abgebogen. Ein Bach kommt den Berg runter, herrliches Wasser. Crinan ist ein winziges Nest, mehr so eine Marina mit einem Hotel. Nicht so richtig ein Muß. Nett aber die bewaldeten, buckeligen Hügel in der Umgebung. Im Tearoom in Crinan einen Sandwich. Sparsame Auswahl. Auf die B8025 nach Norden, dann Richtung Dunadd Fort. Unterwegs eine schöne Waldweg-mit-herbstlichen-Bäumen-Szene. Wäre auch gewiß ein schönes Bild geworden, wenn ich den Film nicht versaut hätte... Das Fort war eine Festung der Könige von Dalriada um 500 A.D., heute ist allerdings davon nichts mehr zu sehen. Weiter nach Kilmichael Glassary. Da gab es laut Frau Tschirner einen „verwunschenen Friedhof“. Er war tatsächlich wie aus dem Bilderbuch. Halb in der Erde versunkene Grabsteine und Grabplatten, mit Moosen und Flechten bewachsene Steine. Eine Kirche. Super. Nicht so schön war, daß ich den Film versaut hatte, wie ich jetzt bemerkte. Wenn man sowohl Dias als auch Schwarz-Weiss-Bilder macht, muß man schon mal den Film rausnehmen, bevor er voll ist, um z.B. von Dia auf SW zu wechseln. Später legt man den halbvollen Film wieder ein, spult ihn bis zum sorgfältig notierten letzten Bild +1 wieder vor. Nur darf man nicht übersehen, daß ein Film bereits einmal eingelegt war... Sonst gibt das künstlerisch nicht immer wertvolle Doppelbelichtungen. Wenn man als begeisterter Hobbyfotograf bemerkt, daß man einen Film vermurkst hat, löst das schon mal heftige Gefühle aus: Verzweiflung. Ungläubigkeit. Wut. Ich hatte also über Bilder von Jura Bilder von Crinan und dem Friedhof gelegt. Welche waren verloren gegangen? Doch nicht etwa das schöne Telefonzellenbild mit den bunten Bäumen im Hintergrund?? (doch, genau das) Mit Wut (auf mich selbst natürlich) im Bauch wenigstens die Friedhofsbilder noch mal gemacht. Ruhig Blut, alles wird gut, sind doch nur Bilder! Ich könnte doch das Waldwegbild noch mal machen? War kein großer Umweg. Aber die Sonne war – was Wunder – gewandert, kein Licht mehr, Bild weg. Na, also Thema abhaken, weiter. Grummel. Richtung Oban. Hier gibt es noch allerhand Steinkreise und Standing Stones zu sehen, aber ich wollte noch vorwärts kommen. In Kilmartin wollte ich im Café des Museums etwas essen und ein Heidebier dazu probieren, aber es war schon nach drei, es wurde nur noch Kuchen serviert. Kuchen taugt aber nicht um satt zu werden. Also auch kein Bier. Mist. Gut, ein paar Brote gegessen, einen Apfel (hätte mir doch trotzdem ein Bier holen können?), etwas Schokolade und dann los, bis Oban sind es noch ein paar Kilometer! Die Landschaft ist nett, aber unspektakulär. Immerhin sieht es bei Sonne alles recht freundlich aus. Was die Berge nicht niedriger macht...Obwohl nicht so dramatisch viele Autos unterwegs waren, nerven sie teils doch. Es kam die Abzweigung nach Loch Awe, war auch als Cycle Route nach Oban ausgewiesen. Gewiß eine ruhigere Strecke, aber das bedeutet einige Kilometer Umweg, dann schaffe ich es nicht bis Oban. Also bin ich lieber auf der A816 geblieben. Bis Oban waren vier Höhen zu erklimmen. Erstaunlich, wieviel Leistung man mit ein bißchen Müsli, ein paar Scheiben Brot und einem Apfel bringen kann. Am Berg, wenn man beißen muß, kommen schon mal trübe Gedanken. Dieser verpfuschte Film... Die letzten zehn Kilometer forderten die letzten Reserven, als ich in Oban ankam, war nicht nur ich, sondern auch der Vorderreifen war platt. Aber zum Glück hatte sich nur das Ventil (wie von Geisterhand) gelöst. Noch schnell einkaufen, und dann in die Jugendherberge. Duschen, Wäsche waschen, Essen machen...immer das gleiche... Bin ziemlich alle, gehe nicht mehr aus. Da ist noch ein Radler im Zimmer. Fönfrisur, auf-die-Klobrille-Pinkler, Countrymusikhörer. Für morgen ist schlechtes Wetter angesagt, da will er lieber in Oban bleiben. Sehr verdächtig, der Typ.

Montag, 13.10.2008
28 Km, 13,2 km/h (der Schnitt ist nur wegen der Schieberei in der Stadt so schlecht;-)
Da die Bienenwachskerzen für die Kerzenlaterne nichts taugen und die „normalen“ UCO-Kerzen natürlich nicht zu bekommen waren, habe ich versucht Kerzen von ähnlicher Größe zu bekommen. Ich war in x Geschäften, aber UCO hat natürlich absichtlich ein Kerzenformat gewählt, was es schwierig macht Ersatz zu finden, der nicht vom Hersteller stammt. Keine Kerzen. Immerhin habe ich Zeltimprägnierzeugs bekommen. Dann habe ich mir noch fish and chips geholt. Als die Möwe geschnallt hat, daß ich nicht die Absicht habe, ihr fritierten Fisch anzubieten (ist doch auch ungesund für Tiere), hat sie ganz schön gemeckert. Zwei Uhr fuhr das Schiff nach Mull. Heute morgen war es noch trübe gewesen, aber mittlerweile waren auch ein paar Sonnenstrahlen dabei. Ganz nette Überfahrt. In Craignure noch mal ein paar Kleinigkeiten im Bimmelladen gekauft. Dann Richtung Glen More. Richtig schöne Highlandlandschaft. Aber was ist das? Ah, der Hinterreifen schwimmt. Na super, endlich wieder ne Panne. Ein Steinchen hat´s geschafft. Wird man schon bedauert, wenn man Radfahren „muß“, wird man noch mehr bedauert, wenn man am Straßenrand steht und Reifen flickt. Wenn es dann noch anfängt zu schütten... Als nächstes besorge ich mir wieder die guten alten Antiplattstreifen, hatte ich vor Jahren schon mal. Halb sechs war ich so weit. Hm, reichlich spät, alsbald nach einem Plätzchen Ausschau gehalten. Mitten in Glen More das Zelt aufgestellt. Wunderbar. Wenn morgen einigermaßen gutes Wetter ist, lassen sich hier ein paar schöne Bilder machen. Allerdings wird es abends auch nett frisch.

Dienstag, 13.10.2008
24 Km, 15,7 km/h
Trocken, aber bedeckt. Glen More ist wirklich sehr schön, Highlands wie man sie sich vorstellt. Über die schmale Singletrackroad donnern zahlreiche Busse, die Pilger nach Iona kutschieren. Um ein Uhr waren erst 14 Km geschafft, nur wegen der Fotografierei. Aber wenn´s doch so schön ist! Weiter auf der A849 Richtung Westen, dann bald auf das schmale Sträßchen nach Carsaig abgebogen. Es geht knackig bergauf. Die Sonne schafft´s mal durch die Wolken. Ein Wasserfall und herbstlich bunte Eschen, der Blick runter auf´s Meer. Dann die Abfahrt. Es ist irre steil, die Bremsen am Limit, zurück werde ich schieben müssen. Ein Wald. Zwischen zwei riesigen Tannen stürzt sich ein Wasserfall tosend zu Tal, gleich daneben eine Telefonzelle. Beeindruckende Szene. Am Meer hat sich jemand seinen Lieblingsplatz eingerichtet: Hängematte unter einer alten Eiche, eine Feuerstelle. Ich bin ein Stück Richtung Osten gegangen, da gab es einen schönen Abschnitt Felsküste. Sonne. Sehr schön. Ich habe mir einen Pfefferminztee gemacht, an den verfallenen Pier gesetzt und dem Wasser zugeguckt, wie es von der Flut sanft an die Kaimauer gedrückt wird, glucksend und gurgelnd wieder zurückläuft...stundenlang könnte ich da sitzen. Zwei Personen weiblichen Geschlechts (Mutter und Tochter?) sahen das auch so und setzten sich irgendwo auf die Felsen, um auf das ruhige Meer zu gucken. So viel Wellness hier, und das völlig umsonst.
Beim Lieblingsplatz des unbekannten Genießers habe ich mein Zelt aufgestellt.

Mittwoch, 15.10.2008
52 Km, 14,5 km/h
Morgens noch ein paar Schauer, aber dann wurde es freundlicher, etwas Sonne... Ich überlegte, noch einmal ins Glen More zu fahren, weil es mir da so gefallen hatte – aber nein, auf die B8035 Richtung Norden. Vorher in Pennyghael noch etwas einkaufen. Amüsierte, aber wohlwollende Kommentare der Einheimischen ob meines reichhaltigen Gepäcks. Blick über Loch Scridain. In der Ferne zieht ein kräftiger Schauer über das Wasser, sieht sehr dramatisch aus. Ich könnte ja ein Foto machen. Die Kamera habe ich gerade ausgepackt, als ich realisiere, daß die Schauerwolke ziemlich zügig in meine Richtung zieht. Kamera schnell wieder weg, die Regenklamotten habe ich noch nicht ganz an, da fängt es an zu prasseln, etwas Hagel inklusive. So sollte es den ganzen Tag bleiben. Daß mich niemand falsch versteht: Ich liebe dieses Schauerwetter! Es gibt doch nichts schöneres als einen kräftigen Wind, der schwarze Schauerwolken über das Meer jagt, und anschließend bricht die Sonne durch und schickt gleißendes Licht auf das Meer. So in etwa war mein erster Blick von der Anhöhe auf Loch na Keal: aufgewühlte See, eine dunkle Wolke zieht gerade ab, die Berge wolkenverhangen. Windig und frisch da oben. Also die Straße runter ans Meer, immer wieder halte ich an, um die Ausblicke zu genießen. Wieder zieht eine Wolke rein. Rückenwind und Regen. In einem Wohnmobil sitzen Menschen und gucken auf´s Meer. Die schmale Straße ist in den steilen Berg geschnitten. An der Nordseite von Loch na Keal nach Westen – gegen den Wind. Ein Haus (eins der wenigen hier) mit dem Wohnzimmerfenster zum Meer. Da kann man schon mal auf den Fernseher verzichten. Auf der Anhöhe kurz vor dem Abzweig nach Ulva habe ich das Zelt aufgestellt. Ist zwar einigermaßen windig, besonders die Schauerböen haben es in sich, aber für so einen Platz über dem Meer nehme ich das in Kauf. Wenn man zu später Stunde noch aus dem Zelt muß, leuchtet ganz unschuldig der Mond auf das Meer und Ben More mit seinen Brüdern im Hintergrund. Keine Herberge der Welt kann genug Komfort bieten, so ein Erlebnis aufzuwiegen.