Loire – besser als erwartet

von: Holger

Loire – besser als erwartet - 25.09.22 12:50

Nach dreimal Deutschland nun wieder eine Reise in Frankreich. Leider hatte ich schon recht viel Urlaub verschwendet, daher nur zwei Woche. Start irgendwo in der Nähe von Vichy stand fest, ich begleitete eine Freundin zu ihrem Triathlon dort. Berge waren mangels Form eher ungern gesehen, nun ja, warum nicht die Loire? Bis zur Mündung isses zu kurz, also muss ich noch was dranhängen. Und ich hängte etwas Atlantik dran, buchte die Rückfahrt mit dem Zug ab La Rochelle.

Etappe 1: Meine ersten Kilometer an der Loire
Digoin – Decize, 75 km, 75 km

Der Triathlonsupport am Sonntag war leider nicht ganz so wie erhofft, der Magen spielte nicht mit und Tanja musste aussteigen. Am nächsten Tag fuhr sie dann zurück nach Frankfurt, mich nahm sie bis Digoin mit. Dort startete ich, nicht in Vichy. Start an der Loire fand ich besser, als erst noch hinfahren zu müssen. Also, es hießt, den Bus zu verlassen und aufs Rad umzusteigen.


Fahrzeugwechsel

Digoin hat ein Schloss. Ich verzichtete darauf, es zu suchen, wollte losfahren. Die zweite Sehenswürdigkeit der Stadt ließ ich aber nicht aus, konnte ich gar nicht. Es ist die Kanalbrücke. Wasser kreuzt Wasser, ein Verbindungskanal überquert die Loire.


Kanalbrücke Digoin

Es war schon Mittag, heute würde ich nicht soo weit fahren. Es ging auf dem EuroVelo 6 in Richtung Nordwesten, mal nah, mal nicht so nah an der stark mäandrierenden Loire. Flach, unspektakulär, guter, asphaltierter Radweg, zunächst entlang des Kanals – genau richtig, um mich einzurollen. Leichter Rückenwind unterstützte das Einrollen.


Ein Bewohner des Loire-Altarms

Decize war mein Ziel, zunächst der kleine Supermarkt im Ort, dann der Campingplatz am Altarm der Loire. Zeltaufbauen, Klamotten waschen, das im Supermarkt erstandene Essen verzehren. Und ein bisschen Reisebericht schreiben. Möglich, dass sich das in den kommenden Tagen noch häufiger wiederholt.


Etappe 2: Das erste Schloss
Decize – Cosne, 111 km, 186 km

Zeltabbau muss noch optimiert werden. Der Start nach dem Croissant-Frühstück im Herzen von Decize war definitiv zu spät. Egal. Sonne scheint. Los geht’s.


Radweg am Kanal

Die ersten 40 km folgte der Radweg weiter dem Loire-Seitenkanal, dann erreichte ich Nevers. Die erste Stadt auf der Reise, das erste Schloss. Und meine Mittagspause. Es war nun schon recht warm, war es gestern noch leicht bewölkt, gab es heute blauen Himmel. Und die 30 Grad wurden geknackt.


Palais Ducal in … nun ja, steht ja da. Mein erstes Loireschloss

Nach Nevers verlief der Radweg dann an der Loire. Manchmal direkt, manchmal nicht ganz direkt. Hier wieder asphaltiert. Und – nicht nur heute – es sind schon eine ganze Menge Reiseradler unterwegs. Eine beliebte Reiseroute, zu recht. Schon heute merkte ich, dass es nicht langweilig wird, auch wenn es ziemlich flach ist. Ein unregulierter Fluss wie die Loire ist schon etwas anderes und macht viel vom Reiz des Loireradwegs aus. Und natürlich die kleinen Städte am Ufer.


La Charité-sur-Loire

In einer davon, La Charité-sur-Loire, machte ich eine kurze Mittagspause. Quiche und Orangensaft, genossen direkt an den Überresten des Klosters. Eine große romanische Kirche, ein bisschen juckte es, mal reinzugehen. Aber dann wollte ich doch lieber weiterfahren.




Einzelhandel in Charité-sur-Loire

Wie weit sollte es heute gehen? Die Wahl fiel auf Cosne, der Campingplatz direkt an der Loire sah auf Google-Maps ziemlich gut aus – und der folgende war mir zu weit weg. Nun ging es ziemlich genau nordwärts weiter, erst entlang der Loire, dann wieder ein paar Kilometer am Seitenkanal. Und es war heiß. Ich suchte heftig nach Supermärkte für sehr kalte Getränke, manchmal fand ich einen.

Der Campingplatz in Cosne war dann tatsächlich wie erwartet sehr schön. Einfach eine große Wiese, mit genügend schattenspendenden Bäumen. Und ziemlich leer, einige Wohnwagen, einige Wohnmobile, einige zeltende Radfahrer. Zeltaufbauen, Wäsche waschen – und diesmal stand Essen in einem Restaurant auf dem Programm. Es war noch ziemlich früh, vor 18.30 hatte nichts geöffnet. Ich lief also ein bisschen durch das kleine Städtchen, ehe ich im großen M essen ging. Leicht angeheitert – es gab nicht nur etwas zu essen – machte ich mich dann satt auf den Weg zurück zum Campingplatz.


Loirebrücke Cosne


Viel Platz


Etappe 3: Schlösser – Kernkraftwerke 3:2
Cosne – Jargeau, 109 km, 295 km

Heute nochmal in Richtung Nordwest. Orléans und damit der nördlichste Punkt der Tour rücken näher. Auch heute wieder weitgehend entlang der Loire. Und auch heute wurde es ziemlich warm. Die Loire ist zwar unreguliert – aber wirtschaftlich genutzt wird sie schon. Beispielsweise zur Kühlung von Kernkraftwerken. Zumindest dann, wenn sie in Betrieb sind. Belleville, das Kernkraftwerk, das mir auf einmal im Weg stand, ist derzeit nicht in Betrieb. Sicherheitsrelevante Schäden im Sicherheitseinspeisesystem. Hm.


Einfach mal ein Kernkraftwerk am Weg. Belleville heißt es

Ich überquerte mal wieder die Loire und kam dann auf dem rechten Ufer in das Städtchen Briare. Dort machte ich eine kurze Pause, mit ein paar kalten Kaltgetränken. Also, Cola und sowas. Mit Blick auf eine Sehenswürdigkeit der Stadt, die Kirche Saint-Etienne mit einem schönen Mosaik am Giebel, geschaffen von Eugène Grasset, einem mir bis dahin – und wahrscheinlich bald wieder – völlig unbekanntem frühen Jugendstilkünstler.


Kirche Saint-Etienne in Briare mit Mosaik von berühmten Künstler

Die nächste Überquerung der Loire stand direkt in Briare an, wieder mal wie am Beginn in Digoin zusammen mit viel Wasser. Der Seitenkanal quert die Loire. Leider fuhr gerade kein Schiff darüber, aber dennoch kein gewöhnlicher Anblick.


Bewachtes Rad

Tatsächlich kamen dann ein paar Höhenmeter. Oben war das kleine Städtchen Saint-Brisson-sur-Loire, mit seinem Schloss. Die Schlösser glichen also aus, Schlösser 1, Kernkraftwerke 1. Ich schaute es mir nur durch den Wald an, denn Eintritt wollte ich nicht zahlen.


Castle of Saint Brisson sur Loire

Wo es hochgeht, geht es auch wieder runter. Die paar Kilometer nach Gien waren also ziemlich schnell. In Gien gingen die Schlösser dann in Führung, mit einem der berühmteren Loire-Schlösser. Aus der Ferne, also, vom anderen Loire, sah Gien aus wie viele andere Städtchen am Ufer der Loire, nette Altstadt, überragt vom Schloss. Als ich dann in die Stadt reinfuhr, sah es etwas anders aus. Die Häuser wirkten nicht wirklich alt, sie waren nach dem Krieg neu errichtet, angelehnt an den alten Stil. Die Stadt ist im 2. Weltkrieg komplett abgebrannt, als die Deutschen die Loirebrücke angriffen und zerstörten.


Gien und sein Schloss

Wiederum ein paar Kilometer weiter glichen die Kernkraftwerke aus. Dampierre, am anderen Loireufer. Ich fuhr ohne Besichtigung weiter. Durch die Hitze. Nun waren die 30 Grad wiedermal geknackt. Und meine Getränkevorräte in den Flaschen eher warm. Und keinerlei Einzelhandel geöffnet in den kleinen Dörfern, durch die ich fuhr. Immerhin gab es in Lion-en-Sulias einen Brunnen auf dem Dorfplatz – so konnte ich mich wenigstens äußerlich etwas abkühlen. Und die Mütze nass machen, das kühlte auch noch für ein paar Kilometer.


Dampierre. Die Kernkraftwerke gleichen aus 2:2


Siesta in Lion-en-Sulias

In Sully waren die Supermärkte geöffnet. Es war schon recht deutlich touristisch. Das merkte ich schon an den Parkplätzen rund um das Schloss, dass auch zu den Highlights der Loireschlösser zählt. Ich schaute es mit – mit etwas zu essen und viel zu trinken – aus dem Park von außen an. Und außerdem war ich angekommen: Das UNESCO-Weltkulturerbe Loiretal begann hier, mit dem Schloss von Sully


Chateau de Sully-sur-Loire: 3:2 für die Schlösser


Über die Loire, zum xten…

Das Ziel für heute war Jargeau, noch ca. 30 km durch die Hitze radeln. Den einen oder anderen Einzelhandelsstopp legte ich ein, Bedingung: Getränke im Kühlschrank. Und auf den letzten Kilometern verließ ich den Radweg, um auf der Straße schneller voranzukommen.
Am Campingplatz merkte ich, dass es eine touristische Gegend ist. Beim ersten kleinen Anzeichen, dass ich kein nativer Franzose bin – also sofort –, wechselte die Campingplatzfrau auf englisch. Der Campingplatz war – wie viele hier – auf Reiseradler eingerichtet. Es gab einen Aufenthaltsraum mit Kühlschrank, und an den Stromverteilern gab es auch „normale“ Steckdosen, die man kostenlos benutzendurfte. Einziges Problem: Es war schattig. Hat Vorteile, aber den Nachteil, dass meine Klamotten nicht trocken wurden. Egal. Bei den Temperaturen kann man sich morgens auch mal in eine feuchte Radhose zwängen.


Etappe 4: Der Schnellkochtopf
Jargeau – Blois, 103 km, 398 km

Der frühe Start klappt immer besser. Ich saß schon kurz nach 9 Uhr im Sattel. Immer wieder schöne Morgenstimmungen an der Loire, der Radweg verläuft immer wieder mal auf dem Deich, sodass man den Fluss häufig sieht.



Nach 20 km war ich in Orléans, dem nördlichsten Punkt meiner Reise. Ich hatte keine große Lust auf eine ausgiebige Stadtbesichtigung, ich fuhr nur mal kurz durch. Aber es gefiel mir. Dank der Radwege war sogar die Fahrt in und aus der Stadt schnell erledigt, ohne im Verkehr festzustecken.


Orléans

Kurz vor Meung-sur-Loire war wieder ein Seitenwechsel angesagt, die nächsten Kilometer legte ich wieder auf dem nördlichen, dem rechten Loireufer zurück. Natürlich hat Meung auch ein Schloss. Und die eine oder andere Boulangerie, manche geschlossen. Wichtiger jedoch die Spuren in der Literatur, die Meung hinterlassen hat: Hier beginnt die Handlung des Romans „Die drei Musketiere“ von Alexandre Dumas, außerdem war Meung ein Ferienort von Kommissar Maigret, der hier auch seine Rente verbrachte.


Boulangerie rastet

Ich aber fuhr weiter. Inzwischen stärkerer Rückenwind, daher wechselte ich für ein paar Kilometer auf die D 2152 und erreichte auf der schnurgeraden Straße Höchstgeschwindigkeiten in der Ebene. Schöner ist der Radweg aber doch, also fuhr ich bei Beaugency zurück auf ihn.


Ohne Kernkraftwerk geht es auch heute nicht

Muides-sur-Loire, wieder am südlichen Ufer. Supermarkt, Kühlschrank, Cola light. Dann verließ ich die Loire, um zu einem der berühmtesten Loireschlösser zu fahren. Und zum größten. Chambord. Das allerdings nichtmal an der Loire liegt. Dorthin gelangte ich auf einer kilometerlangen schnurgeraden Straße durch den Wald des Schlosses. Auf den Radweg verzichtete ich. Ich verzichtete auf eine Besichtigung des Schlosses. Zum einen war es ziemlich voll, schon im Park um das Schloss herum. Zum anderen zog der Himmel immer weiter zu, und ich wollte noch im Trockenen nach Blois kommen. Dort hatte ich ein Hotel gebucht. Aber Zeit für ein bisschen Radeln im Park rund um das Schloss musste sein. Und war.




Château de Chambord

Nach Blois waren es noch knapp 20 km, ich versuchte, schnell vorwärts zu kommen. Eine Kreuzung erkannte ich wieder: Hier war ich im Mai schon mal gewesen, an einem sehr frühen Morgen fuhr ich von der Autobahn ab, um zu tanken und Chambord in der Nacht zu sehen. Knapp 30 Stunden später erreichte ich damals Sevilla, und nochmal 14 Stunden später war die Eintracht Europa-League-Sieger. Vergangene Zeiten. Schöne.


Wattndat fürn Service?

Ich erreichte das Hotel nach ein wenig Irrfahrt durch Blois. Checkte ein, packte aus, wusch die Radklamotten und ging in die Stadt. Getrieben auch vom Hunger. Unten nun die Qual der Wahl, Blois ist ziemlich beliebt bei Touristen und so gibt es eine ganze Menge Restaurants. Ich fand eins und bekämpfte den Hunger erfolgreich. Ein bisschen Stadtrundgang noch, sehenswert. Häufig ist es ja so, dass viele Touristen nicht zu hässlichen Orten kommen. So auch hier.






Blois, Schloss

Am Abend fand im Schloss ein Son-et-Lumière-Event statt. Ich hatte das mal in Nancy gesehen auf der Place Stanislas und war begeistert. Seitdem schaue ich immer, wenn ich abends in französischen Städten bin, ob zufällig so etwas stattfindet. Und bisher war keins so schön wie das damals in Nancy. Was ist das eigentlich, Son et Lumière? Ton und Licht, die deutsche Übersetzung, trifft es eigentlich gut. Gebäude werden in ein Lichtkunstwerk verwandelt, dazu gibt es entweder Musik oder eine erzählte Geschichte. Oder beides. Hier bekam ich für 11 Euro Eintritt die Geschichte des Schlosses erzählt, ein bisschen Jeanne d’Arc, in epischer Breite einen Mord – leider alles völlig humor- und auch etwas lieblos… Schade. Schöne Bilder gibt es natürlich schon, aber mit etwas mehr Einsatz bei Dramaturgie und Inhalt hätte man etwas richtig Gutes machen können.


Son et lumière




So, das waren die ersten vier Tage. Es folgt noch was. Stay tuned.