Paris - Moydow

von: qrt

Paris - Moydow - 28.06.22 13:22

Paris - Rouen - Omaha Beach - Cherbourg (Frankreich)- Rosslare - Moydow (Irland)

Das Wetter war viel zu schön um alleine zu Hause rumzusitzen. Ich beschloss, ein längst überfälliges Treffen mit Freunden in Paris mit einem Familienbesuch in Irland zu verbinden. Per Zug gings nach Paris, eine Fahrt entlang der Seine und, im Anschluss, die Eurovelo 4 brachten mich nach Cherbourg. Eine 18-stündige Fährüberfahrt spedierte mich nach Rosslare und nach weiteren zweieinhalb Tagen radeln war ich im Herzen Irlands, auch bekannt als Darinas Heimat.



Was 2005 mit einem Besuch bei einem "warm shower" Gastgeber in São Paulo begann, hat sich schnell zu einer Freundschaft entwickelt, zu der jetzt auch Luís' Frau Carole und ihre Kinder Camilo und Thelma gehören. Wir hatten uns viel zu erzählen, aber am nächsten Morgen hiess es schon wieder Abschied nehmen, vorbei an Sehenswürdigkeiten wie dem Eiffelturm, der Champs Elysées, dem Arc de Triumph (mit einer Unterführung für Radfahrer) und dem Arc de la Defence.


Schon wieder ein Igor Mitoraj

Alles sehr gradlinig durch die Vororte, danach wars Zeit in den Reisemodus zu wechseln und mit dem Fluss zu mäandern. Es war sehr friedlich, aber, Campingplätze sind hier noch selten und können durchaus auf der anderen Flussseite sein. Brücken und Fähren tauchen in grosszügigen Abständen auf, daher lohnt es sich etwas zu planen.



Mein erster Campingplatz war zwar weit von einem Restaurant entfernt, aber die hilfsbereite Besitzerin konnte mir eine Tiefkühlpizza zubereiten und bot mir ein paar nette Biere an, um diese herunterzuspülen. Ihr Frühstück war auf höherem Niveau, das weichgekochte Ei war mit einem handgestrickten Eierwärmer bedeckt 😉 .
Giverny mit seinem Monet-Haus und -Garten war als Hauptattraktion zwischen Paris und Rouen eingeplant, aber die Schlange am Eingang ließ mich meine Meinung schnell ändern. Stattdessen habe ich selbst nach Seerosen gesucht.


Entlang der Seine

Rouen wird zu Recht als eine der schönsten Städte Frankreichs bezeichnet. Ich habe einen herrlichen Tag damit verbracht, zwischen Palästen, Kirchen und einer Unmenge von Fachwerkhäusern umherzuschlendern. Fazit: Ich hätte es selbst nicht besser bauen können 😉


Rouen


Die Ravioli Tour hätte durchaus auch nach Rouen führen können

Trotz seiner Entfernung zum offenen Meer ist Rouen auch der viertgrößte Hafen Frankreichs. Das merkt man, wenn man die Stadt flussabwärts verlässt. Industriegebiete und Kräne erstrecken sich über Kilometer.



Rad Kunst am Weg

Weitere Mäander führten an einer kleinen, von Templern gegründeten Burg und der Abtei von Jumieges vorbei, bevor ich auf einem Campingplatz außerhalb des niedlichen Städtchens Villequier Feierabend machte. Die letzte und einzige Flussüberquerung westlich von hier ist die Brücke "Pont de Normandie". Sie hat einen Fahrradweg und auch Platz für Fussgänger, aber wenn man sie nicht bei windigem Wetter überqueren will, sollte man vielleicht besser die letzte Fähre in Jumieges nehmen. Ich querte sie problemlos bei strahlendem Sonnenschein.


Da ist die Brücke

Die erste Stadt nach dieser Brücke ist Honfleur. Sehr attraktiv, aber es ist definitiv kein Geheimtipp mehr, und bei Sonnenschein kombiniert mit einem langen Wochenende wird die Strasse nach Westen zur Hauptattraktion.


Honfleur

Zu diesem Zeitpunkt war ich bereits auf der Suche nach einem Campingplatz. Nur für den Fall, dass Ihr mal in der Gegend seid, lasst den Camping Capfun links liegen. Deren Vorstellung von Camping hat nichts mit dem Aufstellen eines Zeltes zu tun. Ein Platz, den ich empfehlen kann, ist der Campingplatz "Au Chant des Oiseaux". Da gibt's gepflegte Terrassen oberhalb des Strandes und man ist nur einen kurzen Spaziergang von Trouville entfernt.



Der Eurovelo 4 folgt der Küste entlang der D-Day-Strände. Da wir vor ein paar Jahren den Friedhof oberhalb des Omaha-Strandes besucht hatten, beschloss ich diesmal, direkt am Strand entlang zu radeln.



Wenn ich hier all die Überbleibsel dieser gigantischen Invasion sehe, bin ich all den armen Jungs die ihr Leben lassen mussten zutiefst dankbar. Europa ist ein wunderbarer Ort zum Leben, und die Tatsache, dass in all meinen über 60 Jahren noch nie jemand auf mich geschossen hat, ist zu einem grossen Teil diesen Soldaten zu verdanken.
Ein weiterer erwähnenswerter Campingplatz ist der direkt hinter dem Strand von Utah. Da das nahegelegene Restaurant um 13.00 Uhr die Küche schloss blieb als einzige Möglichkeit sich zu ernähren, der Pizza-Automat. Man bestellt auf dem Touchscreen, zieht die Karte durch und hat 3 Minuten später einen Pappkarton voll mit Essen. So lebt Gott in Frankreich 😉 .


Pizzeria in Frankreich

Am nächsten Tag realisierte ich, dass es noch einige Campingplätze nördlich davon gab. Für ein andermal.
Cherbourg war meine letzte Station vor der Fähre, und ich verbrachte einen grossen Teil meiner Zeit im Museum Cite de la Mer. Es hat eine eigenartige Mischung von Exponaten. Beeindruckt hat mich die Audioführung durch ein ausgemustertes Atom-U-Boot und das Aquarium, während der Teil, der sich mit der Titanic befasst, mich nicht wirklich vom Hocker gehauen hat. Das Ticket hat sich trotzdem gelohnt.



Die Fähre nach Rosslare ist sehr bequem, man kann auf einem Sofa gut schlafen (Schlafsack mitbringen) und vermeidet den ganzen Ärger mit den Grenzübergängen in und aus Brexitonia.
Das meist sonnige Wetter begleitete mich dieses Mal bis in die Midlands. Die Überquerung der Black Stair Mountains (eigentlich Hügel) war die grösste Herausforderung, die Strasse stieg bis auf 200 m ü.d.M. 😉


Black Stair Mountains

Unterwegs habe ich zum ersten Mal halbwild gezeltet, indem ich mich mit den Leuten im Pub unterhielt und eine Wiese ganz für mich allein bekam. Früher gabs noch überall günstige B&Bs, aber viele haben das Geschäft aufgegeben und der Rest verlangt viel Geld für wenig Gegenleistung. Kein Zimmerservice, weil sie kein Personal finden können, und das Frühstück kostet weitere 12 €. Selbst die Einheimischen beschweren sich, weil sie sehen, dass viele Touristen nicht so schnell wiederkommen werden. Gemäss einem Artikel in der Zeitung bezahlt man für 14 Tage Hostel in Dublin schon gleichviel wie für 14 Tage St.Lucia in der Karibik. Alles Inklusiv.



Da ich Moydow und Paris gegenübergestellt habe, sollte ich versuchen, einen Vergleich anzustellen. Vielleicht könnte ich mit dem Arc de Triomph beginnen, in Moydow gibt es eine Siedlung (wirklich, die einzige) , in der die Häuser entlang eines horizontalen Bogens gebaut sind. Sie wird liebevoll "the houses" genannt. Die "Champs Elysées" führt am Pub, der Kirche und dem Gemeindezentrum vorbei (das auch der Mittelpunkt der Pillar Box Drama Group ist) und nach 15 Sekunden radeln ist man schon wieder draussen. Also, so richtig mit Paris mithalten kann Moydow nicht. Aber wenn man Ruhe und Frieden sucht, kann man dort irgendwo ein Zelt aufschlagen, man muss nur mit den Einheimischen reden.


Die "Champs Elysées" von Moydow 😉

Fazit: Ich war sehr zufrieden mit meiner Route, eine schöne Mischung aus Städten, Dörfern und verschiedenen Landschaften. Außerdem konnte ich unser neues Zelt ausprobieren (hat den Test bestanden) und mein sehr begrenztes und eingerostetes Französisch üben. Im Gegensatz zu den Reisen mit Darina waren die kulinarischen Höhepunkte rar gesät, vor allem weil ich zu faul war selbst zu kochen und deshalb etwas zu oft Pizza oder Burger gegessen habe. Die grösste Enttäuschung war aber, dass die SD-Karte in der 360-Kamera den Geist aufgegeben hat, so dass ich dieses Mal keine Chance hatte, mit Videomaterial zu spielen. Ich habe mir eine Ersatzkarte besorgt und werde die Aufnahmen von nun an öfter überprüfen.
Ich habe mich auch für ein Jahr von der irischen Seite meiner Familie verabschiedet, denn wir haben eine weitere grosse Reise vor uns. Als Vorbereitung darauf hat Darina einen Instagram Kanal eingerichtet. Schaut doch mal rein.


Zum Wohl