Re: Radreise ins Glück - München - Kathmandu

von: Helios

Re: Radreise ins Glück - München - Kathmandu - 09.04.21 20:40

Jagodina – Paraćin

Tag 13: Der richtige Weg

Distanz: 27 km

Eine kühle Nacht im unbeheizten Raum bei Vojislav und eine aufgedrehte Pfote am Morgen.
Vojislav ist ein Sammler und Verkäufer von unendlich vielen Sachen. Die Toilette dieses Nebenhauses hat er selber, aut eigener Aussage schon einen Monat nicht mehr betreten. Als ich diese morgens betrete, ekelt es mich ein wenig. Zudem denke ich, dass es eine gute Vorbereitung für spätere Gegenden ist, in der Sauberkeit noch eine viel weniger grosse Rolle spielt.
Was aber ist Ekel? Für mich eine Art Angst vor Infektionen, merke ich, als ich nachspüre. D.h. ich habe wohl eine Art Messlatte in mir, ab der sich ein Unbehagen zu Ekel wandelt, bzw. Zur Angst sich am Schmutz anzustecken. Ich denke, hierbei liegt meine Messlatte schon sehr hoch:
Beim Eintreten ins Klo rieselt Staub vom Türsturz, es hängen ein wenig Spinnweben herum und hinter der Toilette liegen undefinierbare (ha, Wertung!) Lappen. Es riecht nach… Verschiedenartigem. Und alles ist nicht nur mit einem Stsubfilm bedeckt, sondern zudem noch mit einer Art braunem Staub.
Als ich zurückkomme ist Pfote ganz aufgewühlt, springt Wasserschlabbern, legt sich wieder aufs Bett, knabbert an meiner Hand ubd pinkelt schliesslich, als ich es immer noch nicht verstehe, auf den Boden. Ok, ok, morgens als allererstes raus mit dir. Schon verstanden.
Vojislav schläft bis um 12, hat er gesagt. Was mache ich? Ich druckse um die Entscheidung und setze mich erst ans Handy.
Dann ein Spaziergang durch Jagodina. Der Fahrradladen hat noch zu. Dafür finde ich Miau&Wau und darin ein Halsband, eine Zugleine.
Ich – oder Pfote? – werde zu diesem Einkauf mit Leckerlies belohnt.
Zurück bei Vajislav suche ich mir aus den Haufen mehrere kisten aus. Festpannen kllappt, doch ÖgP…. bin eingeschlafen… Kuku humpelt, wir sind in einem riesigen Haus… schuss Nacht.


… festspannen klappt, doch Pfote (der Name ist schön, doch wenn ich ihr „pfote geben“ beibringen will, etwas doof) springt immer wieder raus. Mit viel Übung schaffen wir es, dass sie sich zumindest in eine der Boxen setzt. Doch hinlegen schaffen wir kein einziges Mal. Somit fällt die Option Gepäckträger wieder flach.
Pfote spielt mittlerweile mit dem kleinen Kläffer.
Der dicke Dackel hinten an der Kette bellt manchmal.
Ich packe gerade die Sachen zusammen, als der dicke Dackel plötzlich angelaufen kommt. Zuerst gemächlich wandernd, dann schiesst er auf einmal auf Pfote zu und greift sie geradezu an. Pfote jault. Ich renne dem dicken Dackel hinterher, alle drei Hunde rennen von mir weg. Der kleine Kläffer fängt wieder an, Pfote anzubellen, wie wenn er den grossen als Erlaubnis gebraucht hätte.
Da erwische ich den grossen, packe ihn und werfe ihn über den Zaun, in das Gehege, in dem Pfote gestern zunächst war.
Der Dackel fällt mit dem Bauch voraus – pflatsch – voll auf einen Stein. Autsch. Gedemütigt, langsam humpelnd (mit Schmerzen?) rappelt er sich auf.
Das hatte ich nicht erwartet. Von Katzen bin ich es gewohnt, dass sie immer weich landen… ich fühle mit dem Dackel, bin traurig, wütend und merke, dass es eine Kurzschlussreaktion war. Ich hoffe, dass er sich nichts getan hat.
Ich beschliesse, diesen einzigen Fahrradladen zu aufzusuchen. Im vorigen Spaziergang hatte ich ins Schaufenster geschaut – es war noch zu. Durch das Fenster sah es nicht so vielversprechend aus.
Pfote also in den Schlafraum und alleine hin?
Sie dort einzusperren behagt mir nicht.
Also packe ich all meine Sachen, wir fahren, ohne uns vom noch schlafenden Vojislav zu verabschieden. Vielleicht kommen wir gleich nochmal zurück…(?)
Im Radladen sitzen zwei rauchende Männer, die sprachliche Hürde erwirkt kurze Distanz. Ich stelle einen Stuhl hinter ein Fahrrad zeige mit den Händen ein Gestell und zeige auf Pfote. Beide machen sie „aah“ und sagen direkt „nema“ als Verneinung.
Ich erkläre ihnen, dass ich nicht weiss, was ich tun soll. Der eine Mann raucht weiter, während der andere im Keller verschwindet und ein paar Sachen auf serbisch ruft.
Der Raucher gibt Pfote was zu fressen und überreicht mir eine Tüte Hundefutter.
Dann kommen Rufe von unten. Der hagere Mann sitzt an einem Computer und zeigt mit der in der Hand qualmenden Zigarette auf den Bildschirm.
Sasomange.rs – wohl das serbische ebay kleinanzeigen – dort hat er mehrere Hundeanhänger zur Auswahl. Für 50-90€, in Serbien verteilt. Zwei davon seien in Nis. Den einen ruft der Händler an, während ich stark daran zweifle, dass ich an meiner Steckachse oder überhaupt links an der Kettenstrebe irgendwas montieren kann.
„Its sold.“ Erklärt mir der hagere Raucher. Wir schreiben es ab. In meinem Hinterkopf speichere ich dieses Anzeigenportal und die Info, dass dort noch ein zweiter Anhänger war.
Ich kaufe noch ein Schloss. Als 2. Gegenstand auf der Tour habe ich gestern nämlich meinen Schlüssel verloren. Daraufhin habe ich das Schloss gleich in die Tonne geworfen.
Das neue Schloss dann mit Zahlenschloss und, da ich mit Pfote eine hohe Gewichtszunahmd habe, lieber ein leichtes Schloss.
Währenddessen flirren fragen durch meinen Kopf: wie soll ich so weitermachen? Will ich das wirklich? In dieser Unklarheit überlege ich, die Drohne zurückzuschicken, damit das Gewicht wieder etwas ausgeglichen wird.
Wir fahren weiter. Den Versuch, mit Leine Fahrrad zu fahren, habe ich sofort wieder aufgegeben.
Die Fahrt wird auch so zu einer psychischen Gewaltaktion: Pfote läuft hinter mir, vor mir, auf der anderen Strassenseite, aber am allerseltensten einfach rechts von mir. Hunde bellen, Autos rauschen vorbei. Nicht so ein ruhiger Verkehr wie gestern, als du mich auserwählt hast…
Tja, das hast du nun davon – suchst dir ein Herrchen aus, das jeden Tag mehrere Stunden auf der Strasse verbringt.
Ich merke, dass das nichts bringt: ich fühle Wut, weil Unklarheit in mir. Das Eintreten Pfotes in meine Radlaktion ist ein Grenzübertritt, der die Tour im gesamten verändert. Und ich weiss nicht, wie ich damit umgehen soll. Und dieses Nichtwissen macht mich wütend und das versuche auf Pfote abzuwälzen.
Also entscheide ich: wir probieren es heute einfach so weit zu kommen, wie möglich. Dumm nur, dass ich durch das basteln und den Fahrradladen erst um 13.30 das Stadtgebiet von Jagodina verlasse.
Serbien scheint mir an dieser Strssse recht dicht besiedelt. Und in jedem zweiten Haus in den Vororten und Dörfern sitzt ein unzufriedenes Kläfferchen. In den meisten Fällen hinterm Zaun. Doch auf 10km habe ich so häufig die Situation, dass von rechts zwei aggressive Hunde angerast kommen und Pfote entweder ängstlich zu mir springt und so fast in oder unter die Räder kommt oder gleich mitten auf die Strasse, auf der das überholende Auto Pfote zum Glück im letzten Moment noch sieht.
Wir machen Pause. Nach 11km, an einem Fluss. Pfote trinkt, bekommt was zu fressen. Aus dem Gras schlabbert sie es nicht auf. Springt mir stattdessen an den Käse in meiner Hand. Ja, ich esse ein pures Stück Käse, weil ich vor lauter Hund vergessen habe, mir was dazu zu besorgen. Und das versuchst du mir jetzt auch noch wegzuschnappen.
Währenddessen kommt ein hellbrauner Hund ganz vorsichtig dazu und schnappt sich das Hundefutter aus dem Gras. Nein… ich kann nicht 2 Hunde aufnehmen.
Weiter. Irgendwie weiter. Wir rollen mit 8-12 km/h am Gehweg entlang, bis es mir zu bunt wird und ich beschliesse, an die Autobahnauffahrt zu fahren und zu versuchen, zu trampen.
Dort stehen wir. Warten. Nach 10 min sind nur 3 Autos rauf gefahren. So geht das nicht.
Auf der Karte entdecke ich einen schmalen Pfad an der Autobahn entlang. Vielleicht ist das ja was. Etwas feucht-schlammig hier, dafür keine Autos und keine Tölen… die dann doch wieder kommen, da ich mit diesem Weg an der Rückseite des nächsten Ortes rauskomme. Und hier sind noch ganz viele weitere Kläffer.
25km. Yes!
Wir sind wieder an der Strasse und rollen am Gehweg. Ein Reifenladen, dort steht ein angelehntes Mountainbike mit farbig leuchtender Federgabel. Kein normales Fahrrad, wahrscheinlich gibt es das nirgends in Serbien zu kaufen.
Ich denke mir nichts weiter, rolle vorbei. Ich denke mir auch nichts, als jemand ruft.
Wir gehen wieder auf die rechte Strassenseite und häufigen Lieferwägen verleiten mich dazu, erneut den Daumen rauszustrecken. Währenddessen lese ich Astrids und Miris Namensvorschläge und bin sofort einverstanden. Pfote heisdt ab jetzt Kuku. Abgekürzt vom nepalesichden Feiertag "kukur tihar", an dem die Strassenhunde ein Fress-Fest erhalten.
Es kommen erneut Rufe.
Ein älterer Mann auf dem neuartigen Mountainbike.
Es ist Zoran, ein Serbian-Aussie… und dann ist plötzlich alles gut. Essen. Warm. Raki und ein Bett für mich und … Kuku schmunzel.
Der Hundeanhänger in Nis wird noch vorgemerkt. Irgendwie besorge ich den.
Zoran bietet mir an, in seinem riesigen Haus „1 day, 2 days, 1 week, 5 months – feel at home, you can stay as long you want..." zu bleiben.